29 Oktober 2021

Neue Slogans braucht das Länd

Ich finde Selbstironie eigentlich gut. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, was ich von dem neuen Slogan »meines« Bundeslandes halten soll. Immerhin wohne ich seit meiner Geburt in Baden-Württemberg, das tu' ich sogar sehr gern, weil es sowohl landschaftlich als auch kulturell einiges zu bieten hat.

Früher warb das Land mit Sprüchen »Wir können alles außer Hochdeutsch«, was auch witzig sein sollte, aber meist zu Albernheiten über die Schwaben und Badenern Anlass bot. Ob »The Länd« und andere englisch klingende Begriffe wirklich dabei helfen, das Image des angeblichen Musterländles zu modernisieren? Ich weiß es nicht.

Warum nicht gleich »The Ländle«? Das wäre wenigstens in sich schlüssig gewesen. Das hätten auch Menschen aus fernen Ländern verstehen können. So aber?

Fantasy mit allerschrägstem Charakter

Pimo und Rex sind zwei Helden, die auf ihren Reittieren durch eine phantastische Welt ziehen. Sie führen schräge Dialoge, sie treffen auf Monster und einen Erzmeister der Nekromantie – es ist also eine typische Fantasy-Welt, die in dem Comic »Pimo & Rex« vorgestellt wird. Zum Gratis-Comic-Tag 2020 gab es von dieser Serie ein kostenloses Heft, das ich endlich gelesen habe.

Thomas Wellmann ist der Autor und Zeichner dieses Comics, und seine Arbeit ist wirklich originell – ich kann damit nur nichts anfangen. Die Zeichnungen sind bewusst seltsam gehalten; allein schon die Stellung der Augen verwirrt mich. Alles in allem wirkt das Ganze sehr künstlerisch, wenig an den klassischen Comic-Richtungen orientiert.

Das gilt auch für die Geschichte, der man anmerkt, dass Wellmann bewusst gegen die Fantasy-Klischees verstößt. Ich merke in solchen Fällen wieder einmal, wie konventionell mein Geschmack letztlich ist: Ich mag klar gezeichnete und linear erzählte Comics nun einmal lieber.

Ganz eindeutig bin ich hier nicht die Zielgruppe; ich könnte mir aber vorstellen, dass viele Comic-Freunde mit dieser Art von Fantasy-Geschichte eher klarkommen.

28 Oktober 2021

Shayawaya verblüffte mich

Wann genau ich zum ersten Mal »Shayawaya« kaufte und las, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen. Es muss um 1980 herum gewesen sein; ich kaufte mir nämlich nicht nur ein Heft, sondern gleich mehrere. Ich bezog sie nicht beim Herausgeber direkt, sondern bei den Leuten des Ersten Deutschen Fantasy-Clubs, wo man nicht nur »Fantasia«, »Follow« und »Magira« erhalten konnte, sondern auch ein Fanzine zu Bob Dylan und dieses Comic-Fanzine.

»Shayaway« war Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre etwas ganz Neues. Ein Zeichner – es war Christoph Roos aus der Schweiz – gestaltete allein sein Heft. Der Comic selbst war eine Mischung aus Science Fiction und klassischer Fantasy; ein Raumschiff am Anfang, viel Schwertgefuchtel später. Gezeichnet war das Ganze in Schwarzweiß, und für die damalige Zeit war es richtig stark.

»Shayawaya« unterschied sich grundlegend von klassischen Comics wie »Sigurd« oder »Tibor«, die ich zu diesem Zeitpunkt aus dem deutschsprachigen Raum kannte. Das Heft orientierte sich eher an modernen »Conan«-Zeichnungen aus den USA oder eben dem frankobelgischen Abenteuer-Comic. Ich war völlig fasziniert davon und las jedes »Shayawaya«-Heft mehrfach.

Schaue ich mir die Hefte heute an, finde ich sie nicht mehr so stark. Man merkt auch einem guten Zeichner wie Roos die Unsicherheiten bei manchen Bildern an, und das Lettering kommt mir heute krakelig vor. Von der etwas kruden Geschichte einmal ganz abgesehen. Aber für die späten 70er-Jahre war es ein herausragendes Fanzine für Comic- und für Fantasy-Fans!

27 Oktober 2021

Radio hören im Jahr 2021

Seit ich ein neues Auto habe, verfüge ich in meinem Fahrzeug über keinen CD-Player mehr. Das schicke Auto ist mit einem DAB-Radio ausgestattet, was eigentlich ja toll ist – so viele Sender, die ich nicht kenne! –, gleichzeitig aber nervt: Ich höre halt lieber Punkrock oder Hörbücher als das, was mir von den Sendern vorgesetzt wird.

Und es ist ja meist wirklich eine Qual! Viele der konventionellen Sender bringen unfassbare Musik: Der aktuelle Jammerlappen-Pop deutschsprachiger Sänger ist für mich nicht zu ertragen, beim HipHop komme ich mit der Musik sowie den meisten Texten nicht klar, und wenn ich auf einen Sänger mit Schwerpunkt Oldies schalte, kommt auch nur die Art von altmodischer Musik, die ich grauenvoll finde.

Und so lande ich dann erstaunlich oft bei zwei Sendern im DAB-Bereich, die vor allem neue Bands spielen. Das ist manch auch quälend, häufig aber interessant. Bands wie Siamese Elephants, Rikas oder Little Dragon würde ich nicht kennen, wäre ich nicht öfter als Hörer bei diesen Sendern vertreten – und diese Art von IndiePop oder IndieRock oder Alternative oder was auch immer kann ich mir schon immer anhören.

Ich bin oft bei EgoFM. Das »Radio für Musikentdecker« richtet sich an jüngere Hörerinnen und Hörer, ich komme mir den Moderatoren schon sehr alt vor. Aber die Musik ist sehr abwechslungsreich, sehr poppig, und die meiste Zeit läuft Zeugs, das ich vorher nicht kannte. Klar, von Punkrock ist das weit entfernt, und ich juble ja fast schon, wenn mal Bad Religion oder die Ärzte gespielt wird – aber trotzdem ist der Ansatz brauchbar.

Lieber mag ich derzeit Deutschlandfunk Nova. Keine Ahnung, um wie viele Jahrzehnte ich da über der angepeilten Zielgruppe bin. Das Programm richtet sich an junge Leute, weshalb man vor allem aktuelle Musik spielt. Zwischendurch gibt es Wissenschafts-Nachrichten und einfach produzierte Nachrichtenbeiträge, die nicht sehr weit in die Tiefe gehen, aber Informationen vermitteln. Mit der Musik komme ich meist gut bis sehr gut zurecht – es ist halt aktuelles Indie-Zeugs.

Und so stelle ich fest, dass ich mit 57 Jahren meist Sender einschalte, die sich an Leute richten, die Jahrzehnte jünger sind. Ist das ein Zeichen von verspäteter Midlife-Crisis?

Komisch-phantastisches Kinderbuch

Bei Kindern gehört Fantasie zum Alltag, und sie haben keine Probleme damit, sich wundersame Wesen und Ereignisse vorzustellen. Deshalb finde ich es gut, dass es immer mehr Kinderbücher gibt, die phantastische Ideen auf unterhaltsame Weise vermitteln. Und manchmal gibt es Bücher, da kann ich mich auch als »alter Sack« wunderbar amüsieren.

Zuletzt freute ich mich über das Buch »Wir essen keine Mitschüler«, das für Kinder ab vier Jahren empfohlen wird. Nun … ich bin unwesentlich älter und fand’s großartig. Ein Grund: Die Hauptfigur ist sehr schön dargestellt.

Es handelt sich dabei um Penelope Rex, ein Mädchen, das nicht aussieht wie die anderen Schülerinnen und Schüler in der ersten Klasse, sondern ein kleiner T. Rex ist. Penelope freut sich sehr auf den ersten Schultag und beginnt diesen gleich damit, dass sie einen Mitschüler verspeist.

Man macht ihr klar, dass das nicht geht, und sie spuckt das Kind unbeschadet wieder aus. Aber weil Kinder so lecker schmecken, kommt es immer wieder vor, dass sie jemanden futtert. Das sorgt für die eine oder andere Spannung in der Klasse, und Penelope wundert sich, dass sie keine Freunde findet …

Die Geschichte ist kurzweilig und witzig. Klar, sie hat auch einen pädagogischen Aspekt, von wegen, Freunde findet man nicht so leicht und so – aber sie hat eine Reihe von witzigen Elementen, die wirklich Spaß machen. Gut gezeichnet ist das Ganze ohnehin: in einem kindlichen Stil, der aber sehr an Comics erinnert, die auch für Erwachsene gut tauglich sind.

Ein schönes Buch, ein phantastisches Buch. Gut geeignet auch als Geschenk!

26 Oktober 2021

Zwei Alben und eine Kurzgeschichten-Trilogie

Mit dem siebten Teil der »Rick Master«-Gesamtausgabe liegt ein Sammelband vor, der zwar auch gut unterhält, aber insgesamt kein Meisterwerk darstellt. Der Grund ist meiner Ansicht nach der, dass die Fälle zu vertrackt sind, unterm Strich zu überladen und damit zu unlogisch: Die Täter haben stets höchst komplizierte Motive und ebenso komplizierte Vorgehensweisen, für die es keine nachvollziehbare Begründung gibt.

Das fällt vor allem beim dritten Teil des Bandes auf; dabei handelt es sich um drei Kurzgeschichten, die zusammenhängen und als »Das teuflische Trio« eine Einheit bilden. Vier Drehbuchautoren bilden eine Bürogemeinschaft, drei von ihnen wollen Verbrechen begehen und kündigen sie an. In der Folge versucht der Detektiv Rick Master diese Verbrechen zu verhindern, scheitert jeweils am Anfang und kann am Ende den Verbrecher dingfest machen. Warum die drei Herren das alles anzetteln und wieso sie derart an die Öffentlichkeit drängen, ist für den Leser kaum erklärbar.

Aber so war das vielleicht zu Beginn der 70er-Jahre, als diese Geschichten erstmals veröffentlicht wurden. Krimis wurden komplizierter, die Freude des Publikums galt den abgedrehten Fällen, den ungewöhnlich geschilderten Morden und dem überirdisch klugen Detektiv. Warum sollte sich das bei einem Comic nicht auch auswirken?

Im ersten Fall – »Im Zeichen der Angst« – spielt die Handlung in Südfrankreich. In einem Ferienort geschehen seltsame Verbrechen, an den jeweiligen Schauplätzen findet man hinterher Horoskope. Dazu spielen örtliche Rocker eine Rolle, eine junge Frau reist per Anhalter und gerät in Probleme ... da beeinflust also der Zeitgeist den Comic.

Und im zweiten Fall steht ein alter Freund des Detektivs im Zentrum, der sich als Pechvogel erweist und vom Unglück geradezu verfolgt wird. »Der Pechvogel« ist auch der Titel der Geschichte. Aber in Wirklichkeit spielen irgendwelche finsteren Mächte im Hintergrund ihr Spiel, und am Ende wird klar, dass es einen sehr komplizierten Plan gibt, in dem der Pechvogel eigentlich eine wichtige Rolle hätte einnehmen sollen.

Gut gezeichnet sind die Geschichten wie immer, unterm Strich sind sie auch spannend erzählt. Es sind typische »Rick Master«-Geschichten, aber ihre übertriebene Komplexheit nervte mich bei der Lektüre tatsächlich ...

25 Oktober 2021

Punk möge bitteschön Punk bleiben

Ich sah die Band Kotzreiz im Jahr 2014 ein einziges Mal und war ziemlich von den drei Berlinern angetan: knalliger Pogo-Sound, kurze Texte, die sofort ins Ohr gehen, eine überzeugende Show auf der Bühne. Alles in allem eine Band, die mir in jenem Jahr bewies, dass es Deutschpunk eben immer noch gibt.

Dieser Tage hörte ich mir die zweite Platte der Band mal wieder an. »Punk bleibt Punk« wurde 2012 veröffentlicht; ich nenne eine zweite Auflage mein eigen. Und ich kann mir das Ding immer noch anhören: Es ist halt Deutschpunk, und der ist hier richtig gut gemacht und eben nicht nur eine pure Verneigung vor den stilprägenden 80er-Jahren.

Stücke wie »Punkerpolizei« oder »Pfandflaschenmessi« klingen entweder authentisch oder selbstironisch; es geht in ihnen um Szenen-Interna und Saufen, Themen also, die es auch schon 1982 gab. Das Titelstück der Platte ist zudem ein echter Hit, der sofort zum Mitsingen und Mitschreien anregt.

Das ist alles knallig und schnell, manchmal wird eine flotte Melodie draufgepackt (wie in »Der Klügere kippt nach«), dann knallt wieder Stakkato-Sound aus den Boxen. Die Band kann also, wenn sie will, durchaus vielseitig sein. Immerhin verzichtet man auf Metal-Soli oder unnötige Jammerei, sondern ballert die zwölf Stücke mit sichtlicher Spielfreude raus.

Starke Platte!

24 Oktober 2021

Dr. Dolittle in Neu

Als Kind las ich einige Romane um Dr. Dolittle, an die ich mir nur sehr düster erinere; ich mochte die phantastischen Geschichten des Arztes, der mit Tieren sprechen konnte. Als der Film »Die fantastische Reise des Dr. Dolittle« zu Beginn des Jahres 2020 im Kino kam, wollte ich dafür allerdings nicht ins Kino gehen; dafür fand ich mich dann doch zu alt.

Mittlerweile habe ich den Streifen gesehen; er wird bei diversen Streaming-Anbietern gezeigt. Wenn man davon ausgeht, dass der Film für Kinder gedacht ist, und wenn man dann entsprechende Abstriche macht, kann man sich über ihn gut amüsieren. Er ist ein wenig zu lang für meinen Geschmack, aber die phantastischen Einfälle und die schön gestalteten Tiere haben mir gefallen.

Robert Downey jr. als verdrehter Arzt spielt wie immer schräg und auf seine Art überzeugend. Die anderen Schauspieler fand ich ebenfalls ansprechend; ein gewisses »Overacting« ist bei einem Kinderfilm okay. Der Arzt, der mit Tieren sprechen kann, reist um die halbe Welt, um mit einer Frucht vom Baum des Lebens das Leben der Königin zu retten – und damit auch sein eigenes ungestörtes Dasein.

Wer als Kind mit Dr. Dolittle zu tun hatte – so wie ich –, wird als Erwachsener eine kindliche Freude an diesem Film bewahren können. Wer Dr. Dolittle noch nicht kannte, wird vielleicht verwirrt sein oder das Ganze lahm finden. Aber wer einen phantastischen Film für Kinder sucht, sollte diese Neuverfilmung des Klassikers nicht voreilig zur Seite schieben ...

22 Oktober 2021

Zur Radfahr-Saison 2021

Warum ich 2020 so viel mit dem Rad unterwegs war, hat drei Gründe: Ich hatte ein neues Rad, das mir viel Freude machte. Wegen Corona gab es keine Möglichkeiten, abends auf Konzerte oder dergleichen zu gehen. Und das knallige Sommerwetter war für die Natur schlecht, ermöglichte aber viele Fahrten mit dem Rad bei hohen Temperaturen.

2021 aber bekam ich nicht so viel auf die Reihe. Hierfür gibt es die Gegengründe: Es regnete häufig, ich wurde bei einigen Fahrten echt patschnass. Die Arbeit wuchs mir zeitweise so über den Kopf, dass ich die Wochenenden komplett durchzuschuften hatte – da blieben weder Hirn noch Zeit frei, entspannt mit dem Rad durch die Gegend zu fahren.

Letztlich lief es auf wenige Touren hinaus. Ich fuhr ins Elsass, ich machte eine längere Tour durch die Pfalz, ich war an den Rändern des Pfinztals unterwegs. Aber das war’s dann fast, dazu kamen einige Fahrten, die eine Stunde oder so dauerten; mehr ging nicht.

Dabei hatte ich mir richtige Ziele im Schwarzwald, im Elsass, in der Pfalz, entlang des Rheins oder auch im Kraichgau vorgenommen und teilweise mithilfe von Landkarten herausgesucht. (Ich fahre ohne »Navi« und ohne Hilfe des Handys, weil es mir letztlich egal ist, wenn ich mich einmal verfahre.) Geklappt hat davon leider so gut wie nichts.

Aber ich hoffe auf 2022 – vielleicht klappt es da wieder besser. Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben …

Agenten und Dialoge

Ganz klammheimlich konnte die Zeitschrift »Federwelt« ein Jubiläum feiern: Die Ausgabe 150 erschien vor einigen Wochen, und ich habe sie mittlerweile gelesen. Ich weiß nicht einmal, wie lange ich bereits die Zeitschrift abonniert habe – es sind auf jeden Fall schon viele Jahre. Nach wie vor halte ich das Heft für lesenswert: für Autorinnen und Autoren, für Menschen, aber auch für alle, die sich allgemein für Literatur und deren »Produktion« interessieren.

Das zeigt sich auch in der aktuellen Ausgabe. Den spannenden Schwerpunkt bilden Agenturen. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird gezeigt, welchen Sinn eigentlich eine Agentur haben kann. Wie gehen Autorinnen und Autoren damit um, welche Ziele können mit einer Agentur erreicht werden, und wie kommt man an so eine Agentur überhaupt heran?

Ich mochte auch den Artikel über den »Subtext in Dialogen«: In vielen Romanen und Geschichten wirken Dialoge ja gestelzt; ich weiß selbst, dass ich da meine Schwächen habe. Wie man Dialoge mithilfe eines klassischen Kommunikationsmodells besser schreiben kann, das belegt dieser Beitrag – es gibt Beispiele, die das Ganze schön darstellen.

Darüber hinaus zeigt die Zeitschrift verschiedene weitere Aspekte des Schreibens auf: Ein Beitrag über Lyrik findet sich neben einem Beitrag über das Drehbuchschreibens. Dazu kommen aktuelle Informationen und vieles mehr; das alles in einem professionellen Layout und in einer durchgehend professionellen Schreibe.

Die »Federwelt« ist immer lesenswert. Die aktuelle Ausgabe 150 ist dafür wieder ein gelungenes Beispiel.

21 Oktober 2021

Der springende Klabautermann

Offensichtlich hatte ich in der Phase zwischen der Schule und der Bundeswehr immer mal wieder kreative Höhenflüge, und ich dachte, ich könnte besonders originell sein. Am 17. August 1984 entstand so der Text »Der springende Klabautermann« – und ich weiß heute nicht mehr, welchen Zusammenhang es zwischen dem Titel und dem Inhalt gibt.

Ich hatte offensichtlich eine große Begeisterung für Wortspiele entwickelt. Und viele Begriffe mit »c« aneinanderzureihen, das erschien mir als sehr originell. Glücklicherweise muss man viele Jahre danach nicht mehr alles nachvollziehen, was man als junger Mensch gedacht und getan hat.

Der springende Klabautermann

Columbus‘ Colombo-Combo
construiert constituierend
complettes complott aus
comischen composthäufen.

Correcterweise müsste auch
Conan aus Cimmerien commen, aber
Corsica gehört Conny Adenauer –
colossal!

Within Range aus Oslo

Zu den vielen Bands, die Ende der 80er-Jahre den sogenannten Euro-Hardcore prägten, zählten Within Range aus der norwegischen Hauptstadt Oslo. Im Gegensatz zu einigen andere Bands aus dieser Stadt sah ich sie nie, sie wurden auch nie so populär innerhalb der Hardcore-Szene. Ihre Platte »Within Range« ist trotzdem ziemlich klasse.

Die Band existierte nur von 1988 bis 1992, es gab wohl Überschneidungen zu Kafka Proses und anderen Bands. Der Name bezieht sich auf die Aktion, mit der 1940 die Wehrmacht Norwegen überfallen und besetzt hatte; die Band verstand sich als politische Punkrock-Gruppe.

Das merkt man an den Texten. Der Konflikt zwischen der Sowjetunion und den USA wird thematisiert, Südafrika spielt eine Rolle, aber natürlich geht es auch um das zwischenmenschliche Zusammenleben und andere »normale« Themen.

Dazu passt die Musik. Wenngleich Within Range wesentlich »rockiger« klangen als viele andere Bands dieser Zeit, ist der ruppige Sound doch eindeutig Hardcore. Der Sänger brüllt, die Gitarre erzeugt so einen fiesen, zersplitterten Sound, die Stücke sind knapp und auf die Spitze getrieben, die Melodien eher knapp und abgehackt.

In einer Zeit, in der alle Bands versuchten, eigenständig zu klingen, waren Within Range dann doch typisch: rockig und rotzig, klar in der Attitüde und mit einer augenzwinkernden Begeisterung für klassische Hardrock-Riffs. Vergleiche fallen mir da maximal zu amerikanischen Bands wie Fear ein, die damals in Europa recht beliebt waren.

(Ach ja: Aufgenommen wurde die Band in Amsterdam, und der Vertrieb lief über ein niederländisches Label. Hardcore war international in jenen Tagen ...)

20 Oktober 2021

Zwei Raucher, ein Zug

Wir saßen am Bahnhof und kifften. Es war ein kalter Abend, unsere Atemluft bildete weiße Kristalle in der Luft. Ich sah zu, wie sie langsam vor mir schwebten und sich auflösten.

»Magst du noch mal?«, fragte Aki und reichte mir den Joint, dick und lang, der intensiv roch und dessen Glut in der Dunkelheit düster glomm.

Ich nickte und griff mit der Rechten zu. Fast wäre mir der Joint entglitten, aber ich packte ihn fest zwischen Zeige- und Mittelfinger. Sicherheitshalber hielt ich die Linke darunter. Ein bisschen Glut fiel in die Tiefe, vorbei an meinen Füßen in den schweren Stiefeln. Zwischen dem Schotter löste sich die Glut in Nichts auf.

Weil ich eigentlich Nichtraucher war, hatte ich es mir angewöhnt, beim Kiffen durch die hohle Hand zu rauchen. Dann musste ich nicht so husten, feuchtete den Joint nicht zu sehr an und hatte die volle Dröhnung. Ich ließ den Joint zwischen Zeige- und Mittelfinger und bildete eine lockere Faust. Zeigefinger und Daumen formten einen Kreis, auf den ich meinen Mund presste.

Tief zog ich den Rauch ein, langsam und genüsslich. Ich glaubte zu spüren, wie sich der Rauch in meine Lungen quetschte, wie er durch die Bläschen direkt in den Blutkreislauf drang, wie das Cannabis meinem Körper mit Wärme und Gelassenheit flutete. Ich lächelte in die Dunkelheit und gab den Joint zurück.

»Das haut gut rein, oder?«, sagte Aki.

Ich nickte. »Wenn wir fertig sind, müssen wir aber zurück.«

Keine hundert Meter von uns entfernt stand das Jugendzentrum »Murgtäler Hof«, in dem an diesem Abend wieder eine »JuZ-Disco« veranstaltet wurde. Wir hatten wenig Lust, uns zu den Klängen der Doors oder der Rolling Stones zu bewegen. Der Typ, der an diesem Abend auflegte, hatte einen sehr altmodischen Musikgeschmack. Aki und ich waren uns selten eins – er stand auf Disco und Funk, ich auf Punk und Wave und Neue Deutsche Welle –, aber mit langweiliger Altmänner-Rockmusik aus den 70er-Jahren konnte man uns in diesem Sommer 1982 echt jagen.

»Schön hier«, sagte er und lachte. Das Gelächter hallte zwischen den Wänden aus rostigem Stahl wider.

Wir saßen in einem Güterwaggon. Am Stadtbahnhof standen einige der alten Waggons herum. Wenn man Glück hatte, waren die Türen nicht verriegelt und konnte sich hineinsetzen. Wir saßen in der offenen Tür, die Beine baumelten auf den Schotter hinunter, und hinter uns gähnte die Leere eines alten Waggons.

»Pah!«, rief ich und lachte, als es ein kleines Echo gab. Es war zu komisch, wie sich die Geräusche innerhalb des Waggons fortpflanzten, wie sie hin- und hergeworfen wurden, wie sie irgendwann brachen und verstummten.

Wir riefen weitere Laute und amüsierten uns köstlich über die kleinen Echos, die es gab. Dabei brachen wir in Gelächter aus, das laut und lauter und irgendwann völlig hemmungslos wurde.

Am Ende lagen wir auf dem Rücken und starrten in die Dunkelheit. Abwechselnd reichten wir den Joint hin und her, während wir versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Wenn ich meinen Kopf ein wenig anhob, ah ich auf die Häuser in der Nähe des Bahnhofs, zwischen denen die Sterne glitzerten.

»Freudenstadt«, sagte ich so leise, dass ich es nur selbst hören konnte, »Langweilerstadt.« Und doch war ich lieber im Jugendzentrum in der Kleinstadt als in der christlichen Jugendgruppe unseres Schwarzwalddorfes.

In diesem Augenblick ertönte ein Geräusch, das ich zuerst nur in der Ferne wahrnahm, das dann aber immer schneller näherzukommen schien. Ich stupste Aki an. »Hörst du das auch?«

Wir richteten uns auf und saßen dann aufrecht im Güterwaggon; die Beine baumelten wieder. »Da ist was«, sagte er halblaut.

Dann rauschte der Zug vorbei, keine zwei Meter vor unserer Nase entfernt. Er war völlig dunkel, eine Diesel-Lok mit einer minimalen Beleuchtung, einige Wagen dahinter, bei denen wir nicht erkennen konnten, ob sie für Menschen oder für schwere Ladung waren.

Der Luftzug war enorm; meine dünne Sommerjacke wurde nach hinten gezerrt, meine Haare standen ab. Mit beiden Händen hielt ich mich an einer Kante fest, voller Angst, ich könnte mitgezerrt werden.

Als der Zug vorüber war, blieb ich in genau dieser Position sitzen und rührte mich nicht. »Was war denn das?«, fragte ich.

»Ein Zug«, sagte Aki trocken.

»Schon klar. Aber nachts?«

»Die Franzosen. Das war ein Truppen- oder Waffentransport. Die fahren nachts das Murgtal hoch und dann zu den Kasernen ins Gäu. Das ist doch der einzige Grund, warum’s diese Bahnstrecke noch gibt.«

»Wo haben die Kasernen im Gäu?«

»Weiß ich doch nicht!«

Wir hatten genug und gingen langsam um Jugendzentrum zurück. Der frische Nachtwind brachte keine Linderung in meinen Kopf. Ich fühlte mich, als ginge ich auf Watte, als wollte mich jeder Schritt in die Luft bringen.

Kurz nach der Tür fing uns Karl ab, der seit einiger Zeit als Sozialarbeiter im JuZ tätig war. Er war groß und dünn, hatte einen kurz geschnittenen Vollbart und eine sehr hohe Stirn. Auch wenn er sicher nicht viel älter als dreißig Jahre war, kam er mir alt und abgehoben vor.

Er musterte uns mit strengem Blick. »Wart ihr etwa kiffen? Ihr habt so einen Blick, als …« Er winkte ab. »Solange ihr euch benehmt, ist mir das fast schon egal. Hier drin ist’s halt streng verboten.«

»Weiß ich doch«, murmelte ich und wollte weitergehen, da hielt ich an. »An uns ist eben ein Zug vorbeigefahren. Direkt vor der Nase.«

»Ein Zug? Um diese Zeit?« Er sah auf seine Armbanduhr. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Doch!«, beharrte ich. »Ein Zug der französischen Armee.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du hast genug. So ein Unsinn!« Er ließ mich stehen.

»Frag doch Aki!«, rief ich, aber der war auch schon verschwunden.

Ich schüttelte den Kopf. Hatte ich mir das eingebildet? Aber das war ja auch egal. Aus dem JuZ drang irgendein Ska-Stück es wurde also besser. Ich hatte auf einmal großen Lust auf ein Bier …

Ein Western von einem Autor starker Krimis

Da glaubt man, viel von einem Autor zu wissen – und dann wird man ziemlich überrascht. Die Rede ist von Robert B. Parker, den ich sehr schätze. Ich wusste aber bis vor einiger Zeit nicht, dass er auch Western geschrieben hat. Der Autor ist mir vor allem durch seine »Spenser«- und »Jesse Stone«-Krimis bekannt geworden.

Als ich mal schaute, was es von ihm sonst noch so gibt, stieß ich voller Verwunderung auf den Roman »Appaloosa« – ein waschechter Western im Hardcover mit Schutzumschlag. (Erschienen im Europa-Verlag.) Der Roman wurde sogar verfilmt, auch das war mir bislang nicht bekannt.

Erzählt wird von zwei Gesetzeshütern, die unter anderem in der kleinen Stadt Appaloosa zusammenarbeiten. Sie sind jederzeit in der Lage, sich mit der Waffe durchzusetzen, sind aber alles andere als schießwütig. Wenn nötig, erschießen sie aber auch jemanden. Ihr stärkster Widersacher ist ein Rancher, dessen randalierende Cowboys keine Rücksicht auf die Bewohner der kleinen Stadt nehmen …

Den Western erzählt Parker geradlinig und mit trockenem Humor – und aus der Ich-Perspektive. Die Dialoge sind stark, vor allem die beiden Helden verfügen über einen Humor, der an die Krimihelden des Schriftstellers erinnert. Beschreibungen hält der Autor kurz, Brutalität vermeidet er, die nötigen Schießereien und Prügeleien werden sehr kurz abgehandelt.

Das Geschehen folgt den bekannten Klischees. Männer im Kampf, eine klavierspielende und attraktive Frau, ein Saloon, eine Ranch, eine kleine Stadt, eine Hetzjagd durch die Pampa, gefährliche Indianer – es ist vieles von dem versammelt, was man aus Western-Romanen und -Filmen kennt. Da Parker sein Handwerk versteht, ist die Geschichte stets unterhaltsam.

So richtig historisch ist der Roman nicht. Weder sind die Räumlichkeiten, in denen die Geschichte spielt, klar definiert, noch ist es die Zeit. Der Roman spielt deutlich nach dem Sezessionskrieg, irgendwann in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts, ziemlich weit im Westen, aber noch nicht in Kalifornien. (Dann passen die Indianer übrigens gar nicht, aber egal …) Mehr erfährt man über die fiktiven Städte und Regionen nicht.

Aber das macht nichts. Western dieser Art sind im Prinzip nichts anderes als phantastische Romane. Sie erzählen von einer Welt, die es in dieser Form in Wirklichkeit nicht gibt und auch nie gegeben hat.

Wenn man sich darauf einlässt und einem guten Autor wie Parker vertraut, erhält man einen handwerklich guten Unterhaltungsroman. Und mehr will »Appaloosa« definitiv nicht sein.

19 Oktober 2021

Ein seltsamer Detektiv in Nöten

Ich mag die Reihe »7 Detektive«, die in deutscher Sprache im Splitter-Verlag erscheint. Zuletzt las ich den sechsten Band der Reihe, der den Detektiv John Eaton ins Zentrum stellt und »Eaton in Love« heißt. Bei Eaton handelt es sich um einen Arzt, der vor allem mit einem bekannten Detektiv zusammenarbeitet und darüber Bücher schreibt. (Die Vergleiche zu Dr. John Watson und Sherlock Holmes liegen auf der Hand.)

Im Jahr 1919 ist Eaton ein anerkannter Arzt, der aber offensichtlich ein geheimnisvolles Doppelleben führt. Darüber wissen weder seine Haushälterin noch sonst ein Mensch Bescheid. Für die Öffentlichkeit gilt er als Spezialist für Kriminologie, der schon mehrere Verbrecher ins Gefängnis gebracht hat – das zeigt sich unter anderem beim Prozess gegen eine junge Frau, die von der Presse nur als »das gestiefelte Monster« bezeichnet wird.

Doch dann verlangt die junge Frau, ihn zu sprechen. Sie sitzt in einem Krankenhaus ein, in dem die neuesten Techniken an »geisteskranken« Patienten ausprobiert werden. Der Arzt lässt sich auf den Kontakt mit der Mörderin ein, die beiden erkennen, welche Gemeinsamkeiten sie haben, und eine unheilvolle Entwicklung beginnt.

Auch dieser Band der Reihe zeichnet sich durch eine gute Detektiv-Story aus. Herik Hanna kann hervorragend erzählen, die Geschichte hat eine Reihe von ungewöhnlichen Wendungen und bleibt bis zum Ende spannend. Die Auflösung habe ich so nicht erwartet … (Es gibt eine dünne Verbindung zu anderen Comics der Reihe; die Geschichte steht aber komplett für sich selbst.)

Zeichnerisch hatte ich manchmal meine Probleme. Mara ist für die Bilder verantwortlich, und sie wirken auf mich oft verzerrt. Schon klar, das ist Absicht – aber mir gefällt das trotzdem nicht. Man kann ja auch nicht alles gut finden …

Insgesamt ist der sechste Band der Reihe erzählerisch wieder sehr gelungen, zeichnerisch ist es halt nicht meine Tasse Bier.

18 Oktober 2021

Digitales Wachstum

Derzeit überschlagen sich die E-Book-Vertriebsleute mit Erfolgsmeldungen. Vorne mit dabei ist die sogenannte Tolino-Allianz, die vor Jahren ausdrücklich als Gegnerschaft zu amerikanischen Unternehmen wie Amazon gegründet worden ist. Der Tolino-Reader hat seine Anhänger gefunden, die Nutzerzahlen scheinen zu wachsen.

Glaubt man den Tolino-Propagandisten, ist der Marktanteil der Tolino-Allianz am digitale Lesegeschäft auf 44 Prozent gestiegen. In einer Zeit, in der die E-Book-Zahlen generell wieder nach oben zu gehen scheinen, passt das gut ins Bild. Auch wenn es da sicher die eine oder andere Möglichkeit gibt, Zahlen in verschiedener Art und Weise zu interpretieren, bleibt festzuhalten: Amazon ist nicht mehr der einzige Anbieter für E-Books, und der Kindle ist nicht mehr das einzig relevante Lesegerät.

Nach Tolino-Angaben hat man derzeit ein Angebot von drei Millionen E-Books. Mehr als 9400 Verlage machen mit, mehr als eine Million schreibender und veröffentlichender Menschen sind eingebunden. Vor allem hat der englischsprachige Anteil deutlich zugenommen.

Als ich damit anfing, mich beruflich »richtig« mit E-Books zu beschäftigen – nach vorsichtigen Anfängen ab 1999 und in den Nuller-Jahren –, wirkte die Übermacht von Amazon schier unüberwindlich. Dass mit der Tolino-Allianz ein starkes Gegengewicht entstanden ist, finde ich gut. Als Kunde oder Kundin kann sich dann eh jeder Mensch überlegen, wo er oder sie die E-Books kauft …

Knalliger Hardcore aus Dijon

Aus dem Umfeld des Maloka-Kollektivs in der burgundischen Hauptstadt Dijon kommen seit Jahren immer wieder Punk-Bands, die das beste aus Hardcore und Punk vereinen. Never Again bilden keine Ausnahme – auf ihrer EP mit dem klaren Titel »No Way« lassen es die vier Franzosen kräftig krachen.

Ob sich die Band nach der gleichnamigen Platte von Discharge benannt hat, weiß ich nicht; es würde passen. Never Again hauen klare Texte raus, der Sound ist natürlich ein wenig »moderner« als die guten alten Discharge und orientiert sich eher an den späten 80er-Jahren. Die fünf Stücke werden mit viel Energie nach vorne geprügelt, dazwischen wird mal das Tempo herausgenommen, dann geht es wieder auf schnelle Fahrt: nicht originell, aber gut gemacht.

In ihrem Text »We are« gibt die Band eine Erklärung für sich selbst ab: »We are four tough guys beating the ground / trying to play another kind of hardcore.« Gelegentlich darf dann die Gitarre ein wenig metallisch singen – knapp an der Grenze dessen, was ich mag –, ansonsten verzichtet die Band auf alles, was nicht klarer Hardcore-Punk ist.

Schön finde ich die Anmerkungen auf der Platte; man bedankt sich unter anderem bei den Nachbarn, die während der Aufnahmen nicht die Polizei gerufen haben. Verantwortlich für das schöne Stück Vinyl ist ein bunter Strauß von kleinen Labels aus verschiedenen Ländern, das ist also eine gelungene Koproduktion.

Gelungen!

17 Oktober 2021

Auf dem Keschdemarkt

Es ist lange her, seit wir einmal bei einem »Keschdefescht« in der Pfalz waren. Heute entschieden wir uns spontan dazu, die Arbeit liegenzulassen und in die Pfalz zu fahren. In Hauenstein war nämlich Keschdemarkt. Die Sonne schien ab und zu, es war kühl und trocken – also fuhren wir in den Pfälzer Wald.

Und wer jetzt nicht weiß, wovon ich erzähle: Keschde sind Kastanien, also solche, die man isst und die man zu allerlei anderen Produkten verarbeiten kann. Likör und Nudeln, Suppe und Gin, Kuchen und Flammkuchen – es gibt nur wenige Essen, bei denen man keine Kastanien einsetzen kann.

Wir bummelten über den übersichtlichen Markt und durch den Ort, ein wenig durch die Hügel der Umgebung. Wir aßen Kastanien, die richtig heiß waren, und kauften allerlei Kram ein, wir probierten Gin, der im Abgang total lecker nach Kastanie schmeckte, und ließen uns die Dialekte der Region – Pfalz, Saarland, Elsass … – um die Ohren hauen.

Die Drei-G-Regel wurde konsequent umgesetzt; das fand ich erholsam und angenehm. Wer wollte, konnte sich vor Ort für zwölf Euro testen lassen; das fand ich auch nicht zu teuer. Und weil an der frischen Luft genug Platz für alle war, konnte man die meiste Zeit ohne Maske flanieren. Wie früher also …

16 Oktober 2021

Anstehende Entscheidungen

Ich treffe eine Bekannte in der Innenstadt. »Ich bin heute abend zu einer Party eingeladen«, sagt sie. »Alte Freunde, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe, feiern ihren Geburtstag.«

»Das ist doch schön!«, freue ich mich für sie. »Oder nicht?«

»Doch, schon.« Sie grinst. »Aber ich stehe jetzt vor großen Fragen.«

Mir fällt etwas ein. »Du hast nichts anzuziehen?«

Sie lacht. »So ähnlich. Aber mal ernsthaft: so viele Leute, mit denen man interagieren muss. Gespräche quer über den Tisch, alles wild durcheinander. Damit bin ich doch völlig überfordert, das kann ich nicht mehr.«

»Notfalls könnt ihr euch doch Whatsapp-Nachrichten schicken«, schlage ich vor. »Oder ihr baut Bildschirme aus und vereinbart Skype-Runden. Das bringt die Gewohnheiten schnell zurück.«

»Du bist ein echter Freund«, seufzt sie und verdreht nur noch die Augen.

15 Oktober 2021

15 Jahre »Clap«

Ich weiß gar nicht, wie lange ich schon zu den Lesern des »Clap«-Magazins gehöre. Sind es wirklich schon fünfzehn Jahre, oder stieß ich erst später zur Leserschaft? Lang genug dabei bin ich auf jeden Fall.

Das Magazin versteht sich als »People-Magazin der Kommunikationsbranche«, und ich lese das großzügig gestaltete und professionell hergestellte Heft immer so gut wie komplett. Nimmt man es genau, ist es eigentlich ein Fanzine. Aber eines, das sich eben nicht mit Punkrock oder Science Fiction beschäftigt, den Themen, die ich sonst um die Ohren habe, sondern eines, das sich auf die Kommunikationsbranche konzentriert.

Leute vom Fernsehen, aus Zeitschriften und Werbeagenturen – das sind die Menschen, über die das Magazin schreibt. Die Buchverlage finden nicht statt, Heftromane sowieso nicht. Trotzdem ist die Mixtur aus Unterhaltung und Information stets sehr gelungen, und ich empfinde die Lektüre des Blattes immer als bereichernd.

Auf die nächsten 15 Jahre, liebe »Clap«-Redaktion!

Ein neuer Superheld am Himmel

Zu den Superhelden-Comics der jüngsten Zeit, die überall abgefeiert werden, zählt »Invincible«. Das liegt nahe: Robert Kirkman ist einer der Schöpfer dieses Comics, und es gibt schon eine Fernsehserie, die auf den Heften basiert. Da lag es nahe, auch zum »Gratis Comic Tag 2020« ein kostenloses Heft dazu in den Handel zu bringen.

Ich habe es endlich gelesen und wurde positiv überrascht. Die Geschichte ist nicht schreiend originell: Ein Schüler entdeckt, dass er Superkräfte besitzt, und beschließt, sich in den Kampf gegen das Böse zu stürzen. Das macht er mit viel Energie, und natürlich kommt der eine oder andere Supergegner gleich dazu, um sich mit ihm anzulegen …

Robert Kirkman kann erzählen, und deshalb schafft er es auch, aus der ausgelutschten Idee einige neue Aspekte herauszuholen. Die Dialoge im kostenlosen Heft sind flott, die Figuren wirken so glaubhaft, wie Figuren in einem Superhelden-Universum wirken können. Die Probleme eines Jugendlichen werden gut vermittelt, die Erwachsenen erweisen sich oft als blöde und alt. Das ist auf jeden Fall unterhaltsam und sollte nicht nur jungen Lesern viel Freude machen.

Zeichnerisch orientiert sich Cory Walker an Serien wie »Batman Animated« und anderen. Die Bilder sind klar, sie verzichten auf unnötige Details und kommen schnell zur Sache. Sie wirken sehr modern, bleiben in ihrer Dynamik aber innerhalb der »Regeln« des Superhelden-Comics.

Alles in allem macht das auf mich einen guten Eindruck. Wäre ich nicht der Ansicht, die Lektüre eines Superhelden-Universums genüge mir, käme ich ja glatt auf die Idee, auch »Invincible« zu sammeln …

14 Oktober 2021

Das erste »Denebola«

Der Humor der späten 70er-Jahre ist heute kaum nachvollziehbar. Das fiel mir auf, als ich das Titelbild der ersten »Denebola«-Ausgabe betrachtete. Würde heute noch jemand ernsthaft »frei progressiv reaktionär« auf den Titel einer Publikation schreiben? Im März 1980, als dieses Heft veröffentlicht wurde, fand das niemand anstößig, eher sogar amüsant.

»Denebola« gilt im Allgemeinen als das Heft, mit dem Achim Mehnert seine Gehversuche unternahm und viele gute Kurzgeschichten veröffentlichte. Das Heft, das ich hier und heute zeige, hat damit aber nichts zu tun: Es wurde von Peter Marx herausgegeben, der in Vaihingen wohnte – einer Kleinstadt zwischen Karlsruhe und Stuttgart – und davon träumte, den PERRY RHODAN-Club Deutschland e.V. zu gründen.

Die Erstausgabe des Fanzines, das als »Magazin für Science Fiction und Fantasy« bezeichnet wurde, hatte eine Auflage von gerade 100 Exemplaren, was für die damalige Zeit völlig in Ordnung war. Die Erstausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS, die wenige Wochen zuvor veröffentlicht wurde, erreicht auch nur hundert Stück.

So viel bekam man auch als Anfänger verkauft, wenn man sich ein wenig Mühe gab. (Heute gibt es Kleinverlage, die Bücher mit ISBN und allem Pipapo veröffentlichen und deren Verleger froh wären, wenn sie solche Auflagen erreichen würden.) Und schlecht war das Heft nicht: Das Layout wurde mit einer Schreibmaschine, einem Lineal und einer Reihe von Filzstiften erledigt. Ansonsten gab es die übliche Mixtur aus Kurzgeschichten, Zeichnungen, Informationen und anderem Krimskrams; sehr kurzweilig und eigentlich auch recht unterhaltsam. Ich mochte das Heft.

(Den Herausgeber sah ich – wenn ich mich recht erinnere – nur ein einziges Mal. Dabei wohnten wir keine fünfzig Kilometer voneinander entfernt. Er verschwand zu Beginn der 80er-Jahre aus der Fan-Szene.)

Der Beat von Bagdad auf EP

Als ich Ende der 80er-Jahre meine erste Platte von Der Beat Von Bagdad kaufte, wusste ich nicht so recht, auf was ich mich einließ. Die EP umfasst vier Stücke, sie kam 1987 bei Glitterhouse Records heraus, als dieses Label noch sehr klein und unbekannt war, und sie faszinierte mich sehr. Wenn ich sie mir heute anhöre, stelle ich fest, dass sie immer noch gut ist.

Viel weiß ich über die Band nicht: Die drei Musiker nahmen verschiedene Tonträger auf, die in den Jahren 1987 bis irgendwann um 1997 herum veröffentlicht wurden. Die EP, die ich habe, kam 1987 heraus und hat keinen speziellen Titel; wahrscheinlich müsste man sie als »All I Know« betiteln. Drei der vier Stücke sind Eigenkompositionen, ein Stück stammt ursprünglich von den Rolling Stones.

Die Band spielte zu dieser Zeit einen sehr ruhigen Sound, der entfernt an Nick Cave und ähnliche Sänger erinnert: düster und bluesig, eher langsam und nachdenklich wirkend, mit angenehmen Melodien, die aber nicht gerade dazu einladen, fröhlich durch die Gegend zu tanzen. Ein optimaler Soundtrack für Regenwetter und schlechte Laune im Herbst …

13 Oktober 2021

In einem echten Prachtband

Gestern traf ein stark aussehendes Science-Fiction-Buch bei mir ein: die Anthologie »Fantastische Wirklichkeiten«, zusammengestellt von Jörg Weigand und veröffentlicht im Verlag p.machinery. Es geht um die »Bilderwelten des Rainer Schorm«, und es vereint Geschichten und Bilder.

Ich bin auch mit einem Beitrag vertreten und freue mich sehr über die Veröffentlichung. Meine Kurzgeschichte trägt den Titel »Kalte Flammen in Rot« und wird korrekterweise im Bereich »Science Fiction« einsortiert. Die Aufgabe war, zu einem Bild von Rainer Schorm eine Geschichte zu schreiben. Das schaffte ich zwar, aber ich hielt mich dabei nur sehr locker an die Eckpunkte, die der Künstler durch sein Bild vorgegeben hatte.

Wann ich das Buch lesen werde, weiß ich noch nicht. Es ist umfangreich und wunderschön, es sind viele interessante Texte und viele starke Bilder enthalten – es sieht auf jeden Fall so aus, dass man es sich nach erfolgter Lektüre sehr gern ins Regal stellen wird.

Eine Zeitreise aus der klassischen Zeit

Mit großem Interesse las ich zuletzt »Die Zeit ist gegen uns«, einer der klassischen Romane von Walter Ernsting. Der Roman erschien 1956 erstmals in der Reihe UTOPIA-Großband; wie es sich damals gehörte, mit einem englischen »Originaltitel«. Mit »We Against The Time« sollte der Eindruck vermittelt werden, Clark Darlton sei ein englischsprachiger Autor – damals wussten nur wenige, dass Walter Ernsting und Clark Darlton dieselbe Person waren.

Der Roman muss damals ein echter Kracher für die damaligen Leser gewesen sein. Heute muten die meisten der grundsätzlichen Ideen ein wenig albern und vor allem unwissenschaftlich an, und manche Darstellungen von Frauen sind jenseits von Gut und Böse – immerhin brachte der Autor eine relevante Frau in die Handlung ein –, aber insgesamt ist der Roman sehr unterhaltsam und lässt sich auch heute noch gut lesen.

Die Handlung ist in gewisser Weise typisch für Ernsting, den ich immer als den Phantasten und Träumer wahrnahm, nicht als einen Autor, der auf wissenschaftliche Fakten viel Wert legte. Erzählt wird von der Reise des Raumschiffes HUMAN SUCCESS (im Roman lustigerweise immer mit »ß« am Ende geschrieben, was bei dem Wort »succeß« schon recht seltsam aussieht), das mit einem neuen Raumschiff ins All startet und in allerlei Zeitwirren gerät, dessen Besatzung dann die Spuren der verschollenen Menschheit findet und immer weiter ins All vorstößt.

Das klingt ein wenig verwirrend – aber das ist der Roman auch. Ernsting verweist häufig auf die Einsteinsche Relativitätstheorie, über die er offensichtlich einiges gelesen hatte, und leitet daraus eigene Schlussfolgerungen ab. Zeit wird gedehnt und gestaucht, es gibt immer wieder unterschiedliche Zeitabläufe, und nach einiger Zeit (ha!) sind nicht nur die Leute an Bord des Raumschiffes, sondern auch die Leser verwirrt.

Bei der Lektüre fühlte ich mich wie früher. Ich kam mir vor wie der Jugendliche, der in den späten 70er-Jahren auf die Science Fiction stieß und fasziniert die unglaublichsten Gedankengebilde bestaunte. Ich fragte damals nicht unbedingt nach wissenschaftlicher Klarheit, sondern ließ mich von den Ideen begeistern.

Das klappte tatsächlich auch bei »Die Zeit ist gegen uns«. Der Roman ist ein echter Ernsting-Klassiker: humanistisch und altmodisch, phantastisch und unterhaltsam. Sicher keine Pflichtlektüre – aber für mich ein wertvoller Blick in die Vergangenheit der Science Fiction.

12 Oktober 2021

Ein Hund, ein Künstler, ein gemeinsames Leben

Eine ungewöhnliche Geschichte erzählt der Comic »Mein Freund Toby«: Toby ist ein Hund, der mit seinem Herrchen am Meer lebt und dort offensichtlich viel Lebensfreude verspürt. Der Hund kann über die Wiesen rennen, verrichtet überall sein Geschäft, rennt und bellt und hat sichtlich Spaß bei dem, was er tut.

Sein Herrchen ist Künstler, und ab und zu hilft der Hund ihm dadurch, dass er sein Leben erhellt. Dann ist der Maler eher in der Lage, seine Kunst auszuüben, und alles läuft besser. Auf einmal aber hat Toby einen Feind: Eine Katze verirrt sich in sein Revier, und das Biest will einfach nicht verschwinden ...

Das ist tatsächlich der Inhalt von »Mein Freund Toby«, erzählt und gemalt von Grégory Panaccione. Der Comic kommt ohne gesprochenes Wort aus, der Hund teilt sich durch Bellen mit. Was er sagen will, deutet der Comic-Künstler durch Piktogramme an, die den Ausdruck des Bellens symbolisieren. Das ist immer eindeutig, und es erhöht den Reiz, diesen Comic zu lesen.

Dabei erzählt Panaccione eine gelungene Geschichte um Freundschaft und Liebe, um Kunst und Natur. Der Hund ist toll in Szene gesetzt, seine Aktionen sind nachvollziehbar. Man muss kein Hundefreund sein – und ich bin wirklich keiner –, um an dieser Geschichte seine Freude zu haben.

Dazu tragen die gelungenen Bilder bei. Der Künstler benutzt eine Aquarell-Technik; die Farben fließen oft ineinander, die Linien in den Bildern verschwinden. Die Natur in ihrer verschwenderischen Pracht wird so ebenso klar dargestellt wie der Maler in seiner Verzweiflung, Stimmungen und Action werden lebensnah vermittelt. Das fand ich sehr gelungen.

Der Comic ist im Splitter-Verlag erschienen; er hat das kleinere Format, ist also kein großformatiges Album. Wer mag, kann das Werk auch als Graphic Novel bezeichnen. Und es ist ganz sicher ein Comic, den man auch Leuten schenken (oder zeigen) kann, die sonst mit der grafischen Literatur nichts anfangen können.

Sehr schön!

11 Oktober 2021

Tanzbär in Lederjacke

»Und ein besonderer Applaus für den Mann mit der coolen Lederjacke!«, rief der Mann in sein Mikrofon. Ich versuchte gerade, mich durch die Menschenmenge in der Innenstadt von Karlsruhe zu drängen, und blieb kurz neugierig zu stehen.

Wir hatten Sontag, 10. Oktober 2021, gegen 15 Uhr am Nachmittag. Die Sonne schien, und zum Stadtfest bewegten sich Tausende durch die Straßen und Ladengeschäfte. An einer Straßenkreuzung spielte eine Band auf, umgeben von einer dichten Traube an Menschen.

Sicherheitsabstände? Corona-Regeln? Pustekuchen! Ich war einer der wenigen, die sich zumindest bei diesem Gedränge eine Maske aufgesetzt hatten; ansonsten schien sich kaum jemand an Abständen von unter fünfzig Zentimetern zu stören.

Die Band hieß The Four Shops und machte eine durchaus flotte Mischung aus Pop, ein bisschen Rock und ein wenig Funk. Sie gehörte zu den »Walking Acts«, die von der Stadtverwaltung an diesem Tag aufgeboten worden waren. Die Musiker bewegten sich durch die Stadt und spielten an unterschiedlichen Kreuzungen und Plätzen der Fußgängerzone.

Ich fand diese Idee gut; sie sorgte für eine belebte Innenstadt und vertrieb den Menschen hoffentlich den »Corona-Blues« ein wenig aus den Köpfen. Mein Problem mit mangelnden Abständen war vielleicht auch wirklich nur meine Sache.

»Und jetzt tanzen!«, rief der Mann am Mikrofon. »Ihr anderen könnt da gern mitmachen.«

Ich hörte ein Johlen und Klatschen, und dann sah, wen die Leute meinten. Ein großer Mann in schwarzer Lederjacke bewegte sich zur Musik, seine Haare und sein Bart waren grau. Er wirkte nicht betrunken, bewegte sich aber schwerfällig. Wie ein alter Tanzbär!, dachte ich und schimpfte in Gedanken gleich über diese Vorstellung.

Zwei junge Männer mit Bärten und Hüten lachten besonders laut. Einer filmte mit seinem Handy den Mann in der Lederjacke. Die Band spielte lauter, einige Leute klatschten im Rhythmus der Musik mit. Der Mann mit der Lederjacke bewegte sich langsam, den Takt hielt er einigermaßen mit.

Ich wollte nicht anhalten, sondern nur aus der Menschenmenge heraus. Nach zwei Dutzend Metern hatte ich den Pulk hinter mir gelassen, rings um mich herum waren nur die üblichen Passanten unterwegs. Ich zog die Maske vom Gesicht und verstaute sie in der Jackentasche.

Hinter mir wurde geklatscht und gesungen, gelacht und getrommelt. Es herrschte Volksfeststimmung, und viele Leute waren fröhlich. Für mich hatte die Szene aber eher falsch gewirkt. Und ich war froh, schnell aus der Innenstadt herauszukommen …