28 Oktober 2022

Wer dringend Arbeit sucht ...

Ich habe es aufgegeben, mich über falsch gesetzte Apostrophe zu ärgern. Dass man im Deutschen immer häufiger ein »Genitiv-s« so setzt wie im Angelsächsischen, das ist offensichtlich mittlerweile Standard. Es wird als falsch angesehen, wenn man den Genitiv richtig setzt.

Skurril finde ich es immer noch, wenn bei der Mehrzahlbildung ein Apostroph eingesetzt wird. Das ist keine neue Erscheinung. Schon den frühen 80er-Jahren amüsierte man sich in Stuttgarts Königsstraße über die »größten Hifi-Studio's«, deren Reklame in riesigen Lettern über der Einkaufsmeile thronte.

Doch jetzt das. »Job's«? Ich bin mir nicht sicher, welche Art von Arbeit an dieser Stelle angeboten wird. Hoffentlich keine, für die man Kenntnisse der deutschen Sprache benötigt ...

Jürgen vom Scheidt im Zentrum

Das war eine Überraschung für mich: In der Ausgabe 278 der »Andromeda Nachrichten« findet sich Jürgen vom Scheidt ein und füllt mit seinen Erinnerungen und Überlegungen gleich mal einen ordentlichen Teil des Hefts. Das Fanzine ist ja eine Veröffentlichung des Science-Fiction-Clubs Deutschland e.V., in den Scheidt in den fünfziger Jahren eingetreten ist – und jetzt ist der Autor und Psychologe wieder dabei.

Tatsächlich ist Scheidts Beitrag sehr egozentriert; aber das finde ich in Ordnung. Er plaudert über die Vergangenheit, über seine eigene Beschäftigung mit der Science Fiction, über seine eigenen Romane, seine Forschungen in Sachen Hochbegabung und seine Schreibseminare – auf diese Weise stellt er einige Jahrzehnte seines Lebens und der Fan-Szene dar. Klar ist das eine Nabelschau, aber eine sehr unterhaltsame. Ich las jahrzehntelang mit großem Vergnügen allerlei Egozines, ich machte selbst welche, und ein Blog ist letztlich nichts anderes – also macht es mit auch Spaß, die Erinnerungen Jürgen vom Scheidts zu lesen.

Darüber hinaus ist die aktuelle Ausgabe der »AN« – so lautet das Kürzel – wieder sehr gelungen. Sylvana Freyberg schafft es immer deutlicher, sich von ihrem Vorgänger Michael Haitel zu »emanzipieren«. Viele der Beitragenden sind allerdings bekannt; so darf ein elend langer Bericht von einer Steampunk-Veranstaltung ebensowenig fehlen wie ein völlig unlesbarer Artikel über die von mir betreute Science-Fiction-Serie.

Es gibt haufenweise Rezensionen in dieser Ausgabe, dazu einige weitere Beiträge, darunter Rückblicke auf verstorbene Club-Mitglieder. Alles in allem ist ein abwechslungsreiches Heft entstanden, das auf seinen 140 A4-Seiten gut unterhält und informiert. Sehr schön!

27 Oktober 2022

Mit Ekspres Bahagia

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«


Wie es sich herausstellte, war es am einfachsten, mit dem Schiff zu fahren: von Insel zu Insel gewissermaßen: Am 7. Januar 1999 bestieg ich die Fähre und reise mit dieser von Penang nach Langkawi, also von der einen malaysischen Insel zur anderen, beide eher im Norden des Landes gelegen. Von Langkawi aus war es dann auch nicht mehr weit bis zur thailändischen Grenze, buchstäblich nur ein Steinwurf von der Nordküste entfernt begann das Nachbarlang.

Die Reise mit der Fähre war angenehm. Das Wetter war schön, die Sonne schien, wir waren einige Stunden bei Tageslicht unterwegs. Ich saß die meiste Zeit auf dem Oberdeck, wenngleich eher im Schatten, wo ich immer wieder aus meiner Wasserflasche trank und mir ansonsten sowohl die Mitreisenden als auch die Umgebung ansah.

Mit mir reisten Einheimische und Rucksacktouristen. Die meisten Reisenden hatten einen Reiseführer von »Lonely Planet« dabei; einige Amerikaner in meiner Nähe unterhielten sich über die Ziele, die sie auf der Insel ansteuern wollten. Ich hielt mich aus diesen Gesprächen heraus und wollte lieber allein bleiben – denn nach wie vor kam ich nicht damit zurecht, in einem Paradies der Rucksackreisenden unterwegs zu sein …

Razorblades mit Surf-Attacke

Laut Band-Info gibt es die Razorblades seit 2002; die Band stammt aus Wiesbaden, und ich habe unverständlicherweise noch nie zuvor von ihr gehört. Das kann daher kommen, dass die Musiker Surf-Sound spielen und ich den zwar durchaus mag, mich aber in der Surf-Szene überhaupt nicht auskenne, weder musikalisch noch sportlich.

Mit »Snapshots From The Underground« liegt seit November 2013 auf jeden Fall eine Platte vor, die sehr abwechslungsreich ist und deren Stücke gut ins Ohr gehen. Die Band fährt im Prinzip eine ganze Surf-Palette auf und bleibt nicht nur einem Stil verhaftet: Mal sind die Stücke schmissig und bringen eine tüchtige Ladung Punkrock mit sich, dann wieder sind sie fast verschmust, und ganz setlen lässt die Band die Gitarren so jammern und jaulen, dass es mich an das Gitarrengefiedel irgendwelcher Metal-Bands erinnert.

14 Stücke sind auf der Platte enthalten, die es erfreulicherweise auch als Vinylpressung gibt. Wer nur Punk mag, dem bietet sie zu wenig; wer die Scheuklappen ablegt, findet viel; wer auf Surf-Sound steht, muss die Band sowieso lieben. (Die Band pausierte zwischendurch, es gibt sie jetzt wieder.)

26 Oktober 2022

Kurzer Moment der Erkenntnis

Die Piazza della Bors war ein von der Sonne aufgeheizter Platz, an dessen einem Rand sich der Verkehr vorüberquälte und an dessen anderer Seite die Menschen so schnell wie möglich in die schmaleren Straßen und damit in den Schatten eilen konnten. Es war am frühen Nachmittag an diesem Tag im August, und die Hitze in Triest schien immer noch zuzunehmen.

Trotz der hochsommerlichen Temperaturen gefiel mir Triest sehr gut. Die Hafenstadt zeigte sich an diesem Tag von ihrer schönen Seite: viele alte Gebäude, zahlreiche Cafés und kleine Läden, Mengen von gutgelaunten Menschen auf der Straße. Wenn ich mich in den schmalen Straßen aufhielt, kam ich mit den Temperaturen sogar gut klar; dort ging ein Wind, der zwar ziemlich warm war, aber ein wenig Kühlung verschaffte.

Als mir ein großer Mann entgegenkam, hätte ich ihn eigentlich nicht beachtet. Er schwitzte, sein runder Kopf glänzte feucht und schimmerte in einem ungesunden Rot. Der graue Haarkranz, der eine rötliche Glatze einsäumte, klebte auf der Haut. Auch das T-Shirt, das er recht figurbetont auf dem rundlichen Körper trug, schien mit der Haut verwachsen zu sein.

Trotzdem erkannte ich das Motiv, es zog meinen Blick geradezu an. Es war der Schriftzug der englischen Punkrock-Band THE CLASH, eine der Bands, die ich schon seit Jahrzehnten liebte. Von Clash hatte ich mehrere Platten, ich hatte mir sogar Aufnahmen von Live-Konzerten besorgt, die belegten, dass die Band live wesentlich ruppiger und »punkiger« war als auf den offiziellen Vinylscheiben.

Ich war entsetzt. Wir schrieben 2022, 45 Jahre nach dem »Punkrockjahr« 1977, und der Punkrock wurde an diesem Tag von einem weißen Mann mit dickem Bauch und grauem Haar verkörpert. Was war aus Punk geworden? Wohin hatte es diese ehemalige Revolte wütender Jugendlicher getrieben? Ich ging weiter, schüttelte in Gedanken den Kopf und machte, dass ich wieder in den Schatten kam.

Dann blieb ich stehen. Ein Moment der Selbsterkenntnis überflog mich.

Ich war auch weiß, ich ging ebenfalls stramm auf die sechzig zu, ich hatte Haare mit vielen grauen Stellen, und mein Bauch war weit davon entfernt, ein »Sixpack« zu sein. Jemand, der 20 oder 30 Jahre alt war, würde mich genauso alt und optisch daneben finden wie den Typen, den ich gerade in Gedanken belächelt hatte.

Diesmal schüttelte ich nicht nur in Gedanken den Kopf. Ich drehte mich um, sah den dicken Mann mit dem schwarzen T-Shirt nicht mehr. Niemand sah mehr so aus wie vor zehn, zwanzig, dreißig oder gar vierzig Jahren. Ich schämte mich ein wenig für meinen inneren Spötter.

Sicherheitshalber zog ich meinen Bauch ein wenig ein, bevor ich weiterging …

Science Fiction über Briefverkehr

1980 wurde die Anthologie »Space Mail« in den USA veröffentlicht. Offizieller Herausgeber war der berühmte Schriftsteller Isaac Asimov; man kann aber davon ausgehen, dass die Co-Herausgeber Martin H. Greenberg und Joseph Olander die eigentliche Arbeit leisteten. 1983 kam die Anthologie unter dem Titel »Sternenpost« im Moewig Verlag heraus; wegen des Umfangs wurde sie in drei Teilen publiziert. Ich las dieser Tage die »1. Zustellung«; die Geschichten wurden von Eva Malsch übersetzt.

Ich habe ein Faible für die klassische Science Fiction, für die manchmal einfachen und doch immer wieder originellen Ideen der frühen Jahrzehnte. Da stört es mich dann nicht, dass manche technischen Details nicht mehr stimmig sind.

In Gordon R. Dicksons Geschichte »Computer streiten nicht« geht es um Lochkarten-Computer, die irgendwelche Fehler begehen; in anderen Geschichten werden Briefe geschrieben und offenbar mit der Post auf ferne Planeten befördert. An das Internet dachte in den 50er- oder auch 70er-Jahren eben noch niemand.

Eindrucksvolle Texte sind es teilweise trotzdem. Mit »Nur eine Mutter« von Judith Merril ist eine großartige Kurzgeschichte enthalten, die ich schon kannte, die also auch anderswo veröffentlicht worden ist. 1948 geschrieben, warnt sie vor den Folgen der atomaren Technik und erzählt zugleich von einer liebenden Mutter und einem verzweifelten Vater.

»Ich bitte nie um einen Gefallen« von Cyril M. Kornbluth ist streng genommen eine Fantasy-Geschichte, zählt aber zu den besten Storys dieser Sammlung, die keinen wirklich schlechten Text enthält. Die Geschichten sind pointiert und manchmal witzig; sie zielen oft auf einen überraschenden Schluss hin und haben mich durch die Bank gut unterhalten.

Die gesamte Sammlung des vergleichsweise schmalen Taschenbuches ist sehr gelungen. Ich freue mich schon darauf, die zweite und die dritte Zustellung der »Sternenpost« zu lesen. Bei dieser Art von Science Fiction kann ich nicht viel falsch machen …

25 Oktober 2022

Spanien war das Gastland

Normalerweise bekomme ich bei einer Buchmesse nur wenig von dem mit, was im offiziellen Programm läuft. Das liegt schlicht daran, dass ich so wenig Zeit für solche Themen habe: Science Fiction mit all ihren Seitenbereichen bestimmt nun einmal den Grund für einen Messebesuch. Nur selten habe ich die Gelegenheit, durch die Gänge zu bummeln.

In diesem Jahr war das anders. Es fielen Termine aus – unter anderem wegen Corona –, und die Hallen waren völlig anders sortiert als in früheren Jahren. So bot es sich an, einige Rundgänge zu unternehmen.

Ich sah tatsächlich einige Verlage mit spanischen Büchern. Und ich bekam eine Podiumsdiskussion mit, die offenbar in spanischer Sprache geführt wurde. (Ich hatte in der elften Klasse ein Jahr lang Spanisch-Unterricht; davon ist natürlich nichts hängen geblieben.) Vor allem fiel mir an der Halle 4 der riesige Hinweis auf – damit auch jeder wirklich wusste, wer oder was eigentlich als Gastland fungierte …

Berührende Graphic Novel über Verlust und Trauer

Was macht man, wenn die Großmutter sich in einem Pflegeheim aufhält und immer mehr von ihren Erinnerungen verliert? Wie soll man damit umgehen, wenn geliebte Menschen gewissermaßen entschwinden, auch wenn sie körperlich noch da sind? Die Graphic Novel »Vergiss mich nicht« greift dieses Thema in einer ruhigen, geradezu schlichten Erzählweise auf und erzählt eine traurige Geschichte konsequent zu Ende. Es ist ein Comic, der einen als Leser geradezu berührt.

Von Alix Garin hatte ich bislang noch nichts gehört. Kein Wunder: Dieser ungewöhnliche Comic ist ihre erste Arbeit. Die in Belgien geborene Künstlerin ist Jahrgang 1997; sie lebt und arbeitet in Brüssel. Der Splitter-Verlag hat ihr Werk in einer Hardcover-Ausgabe veröffentlicht; nicht im Großformat, sondern eher im amerikanischen Format.

Die Künstlerin hat bei ihrer Arbeit offensichtlich von eigenen Erfahrungen im sozialen Umfeld »profitiert«, sie kennt sich mit Erkrankungen wie einer Demenz also aus. Das erklärt, warum sie so feinfühlig und trotzdem humorvoll von allen Problemen erzählt, die sich mit einer Demenz verbinden.

Ihre Heldin ist 90 Jahre alt. Sie soll mit Medikamenten »eingestellt« werden, damit das Personal im Pflegeheim nicht mehr so viel Arbeit mit ihr hat – um die Situation grob zu verallgemeinern. Ihre Enkelin möchte das nicht akzeptieren und entführt spontan ihre Großmutter. Die beiden Frauen flüchten miteinander – es geht in die Kindheit der alten Frau zurück, zu dem Haus an der Küste, in dem sie aufgewachsen ist.

Das klingt nicht nur so wie die Handlung eines Arthouse-Films, das liest sich auch so. Ich meine das an dieser Stelle positiv. Die Geschichte ist schön erzählt, sie bietet auch mal einige Momente zum Schmunzeln, und sie zeigt viel Sympathie für die beiden Figuren. Zeichnerisch ist das alles zurückhaltend und sauber, sowohl die Zeichnungen als auch die Farbgebung unterstreichen den sympathischen Charakter der Geschichte.

Das Buch ist 224 Seiten stark, und manche Seite schaut man sich gern gleich ein zweites und drittes Mal an. Eine richtig schöne Graphic Novel, die man übrigens getrost verschenken kann – sie kommt auch bei Menschen gut an, die sich sonst nicht für Comics erwärmen können.

24 Oktober 2022

Die weibliche Zukunft

In all den Jahren, in denen ich die Frankfurter Buchmesse besucht hatte, war ich nie im Kongresszentrum. Deshalb brauchte ich auch einige Zeit, bis ich den Raum fand, in dem »mein« Programmpunkt stattfinden sollte. Es war der Freitagmorgen, 21. Oktober 2022.

Durch menschenleere Gänge und über fast menschenleere Rolltreppen eilte ich zu einem Raum, der den hübschen Namen »Emotion 2« trug, in dem sich immerhin einige Dutzend Leute eingefunden hatten; der Anteil an Frauen dürfte bei drei Vierteln gelegen haben. Und um den Anteil von Frauen ging es zu dieser frühen Stunde tatsächlich nicht nur einmal.

Unter dem Motto »The Future Is Female« sprachen wir über die Rolle von Autorinnen innerhalb der Science Fiction. Moderiert wurde von der Autorin Diana Menschig.

Zu Beginn hielt Theresa Hannig, selbst eine sehr engagierte Schriftstellerin, einen kurzen und informativen Vortrag, den sie mit vielen Zahlen garnierte: Wie viele Frauen schrieben im deutschsprachigen Raum denn eigentlich Science Fiction, wie viele haben bisher eigentlich Preise erhalten, und wie sieht es im allgemeinen Literaturgeschäft aus?

In der späteren Diskussion verwies ich auf meine Sicht der Dinge: In den fünfziger Jahren war die Trennung der Geschlechter bei den Unterhaltungsromanen extrem ausgeprägt, und die Science Fiction wurde allgemein bei den »Männer-Romanen« einsortiert. Das hat sich erst in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geändert.

Ich war mir im übrigen auch sicher, dass der Stil eines Romans sich weniger vom Geschlecht herleitet als von den gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen, unter denen eine Autorin oder ein Autor schreibt. Ein Verkäufer im Supermarkt schreibt anders als eine Ingenieurin im Planungsbüro, ein Mensch mit Migrationshintergrund anders als jemand, dessen Familie seit drei Generationen im gleichen Dorf lebt.

Insgesamt fand ich das alles sehr spannend und interessant. Hinterher redeten wir im kleinen Kreis noch über die gleichen Themen weiter; so hatte ich einen guten Start in die diesjährige Buchmesse in Frankfurt.

20 Oktober 2022

Bei ConFiction 1990

Meine Reise nach Den Haag im Sommer 1990 war tatsächlich mein erster Besuch auf einem Science-Fiction-WorldCon und zugleich mein erster Aufenthalt in den Niederlanden. Viel bekam ich von dem Land und der Stadt nicht mit; tatsächlich war ich die meiste Zeit in diesem Kongresszentrum unterwegs, um den Con zu besuchen, und war abends auf irgendwelchen Partys.

Wenn ich mir nach all den Jahren das Namensschild anschaue, fällt mir auf, dass ich mich da offenbar mit dem Namen meines Fanzines angemeldet hatte. Und dass man damals noch zwischen Ost- und Westdeutschland unterschied. (Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Science-Fiction-Fans aus der DDR, die sich auf die offizielle Wiedervereinigung freuten.)

Was die Aufkleber genau bedeuteten, weiß ich nach all den Jahrzehnten nicht mehr. Sie wurden mir beim Besuch von Room-Partys aufgeklebt und zeigten wohl, dass ich mich für irgendetwas öffentlich begeistert hatte. Aber das sind auch eher unwichtige Details.

Im Gedächtnis habe ich viele spannende und interessante Szenen bei diesem Con. Ich erinnere mich an einen Spaziergang am Strand, bei dem wir ein Feuerwerk über der Stadt bewunderten. Und ich weiß noch, dass ich mich in Den Haag einmal grausig verfuhr. Und an mein Entsetzen bei der »Masquerade«. Und an die freundlichen Veranstalter sowie die hervorragende Organisation. Und und und ...

From Outer Space

Warum ich mir die Platte von From Outer Space gekauft habe, weiß ich gar nicht mehr. Womöglich lag es am Namen, vielleicht aber auch daran, dass ich die Leute kannte, zumindest einige von ihnen. Die Band kam aus Sindelfingen, gründete sich in den späten 80er-Jahren und löste sich in den 90er-Jahren auf, und sie machte irgendwie … nun ja … es war schon Rock-Musik.

Ich habe die »Every Day I’m Growing Older« zu Beginn der 90er-Jahre gekauft, womöglich bei einem Konzert, und seit Jahrzehnten nicht mehr angehört. Der schleppende Sound, irgendwas zwischen Grunge und IndieRock, eher zäh und nicht sonderlich melodisch, geht kaum ins Ohr und verschwindet schnell wieder daraus. Ich kann damit nichts mehr anfangen.

Behalten habe ich die Platte übrigens trotzdem. Als Erinnerung an die Zeiten, in denen ich – gefühlt – dreimal in der Woche in Sindelfingen unterwegs war.

19 Oktober 2022

Kinderbuch mit politischen Tieren

Ich bin sicher, dass viele Konservative geradezu Gift und Galle spucken, wenn sie ein Kinderbuch wie »Die Neuen« in die Finger bekommen. Das Gute ist ja, dass solche Leute meist zu borniert sind, um so ein Buch überhaupt auch nur anzusehen. Denn eigentlich ist das Buch, von dem ich hier schreibe, eine hochpolitische Angelegenheit.

In diesem Bilderbuch geht es um Tiere im Wald, die auf einmal Besuch erhalten, mit dem sie niemals gerechnet haben. Andere Tiere aus einem fernen Land kommen und suchen Schutz; die Tiere im Wald fühlen sich aber zuerst angegriffen und wollen die Eindringlinge nicht haben. Nach einigem Hin und Her gelingt es, ein Zusammenleben zu finden ...

Die spanische Psychologin und Autorin Susanne Isern schrieb den Text, der sich gut vorlesen lässt. Zielgruppe des Bilderbuchs sind Kinder – es wird ab drei Jahren empfohlen –, aufgrund der schönen Bilder kann man sich aber auch als Erwachsener daran erfreuen. Die Geschichte ist schön erzählt, die Dialoge sind kindgerecht, und die Handlung macht Spaß.

Selbstverständlich ist die politische Botschaft eindeutig. Man solle sich mit Fremden vertragen, und man solle Flüchtlinge positiv aufnehmen. Man könnte darüber lästern, dass die Fremden ja später in der Geschichte wichtig und ihrerseits hilfreich werden – als ob Flüchtlinge nur dann positiv zu sehen wären, wenn sie einen direkten Nutzen mit sich bringen … –, aber das wäre sicher zu viel der Interpretation.

Die Bilder stammen von Sonja Wimmer, und sie sind richtig schön. Die Tiere tragen Anzüge, sie trinken Tee, sie wirken würdevoll und trotzdem »tierisch«; jede Seite wirkt wie ein kleines Gemälde.

»Die Neuen« ist ein Buch, das natürlich einen politischen Inhalt verfolgt, aber vor allem einfach eine schöne Geschichte erzählt. Sehr gelungen!

(Erschienen ist das Buch im Carl Auer Verlag. Auf der Internet-Seite des Verlages gibt es einige Informationen zum Buch; eine Leseprobe habe ich auf der Seite leider nicht finden können.)

18 Oktober 2022

Stress in der Bar

In der aktuellen Folge meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock’n’Roll« greife ich ein Thema auf, das mich in den 90er-Jahren öfter begleitete, als mir lieb war: freundliche Skinheads und ihre Freunde, die bei jeder Gelegenheit beteuerten, wie unpolitisch sie seien, aber doch sehr gern mit den Kameraden soffen und siegheilten.

Es handelt sich um die Folge 39, und sie wurde in der Ausgabe 164 des OX-Fanzines veröffentlicht. Sie spielt im Keller des besetzten Hauses, wo sich mein Ich-Erzähler bei einer sogenannten Azurro-Bar eigentlich nur gemütlich betrinken will. Aber dann geht eben doch etwas schief …

Es ist bei diesem Fortsetzungsroman so, dass ich immer wieder Begebenheiten aus dem wirklichen Leben nehme und in den Roman verquicke. Das ist diesmal nicht anders: Die Azurro-Bar gab es nicht nur einmal, wenn ich mich recht erinnere; Hauereien mit angeblich unpolitischen Skins gab es bei diesen Gelegenheiten allerdings nicht. Dafür wurden andere Örtlichkeiten genutzt.

Urban Fantasy in modernem Comic-Stil

Unterhalb von New York gibt es eine weitere Stadt, die als Under York bezeichnet wird und von der die meisten Menschen nichts ahnen. Dort wohnen die Magier, Zauberer und Hexer, die – gegliedert in fünf Clans – nicht nur die Geschicke der Stadt über sich lenken, sondern auch Einfluss auf weite Teile der Erde nehmen.

Das ist der Ausgangspunkt für die Comic-Serie »Die Chroniken von Under York«, von der bereits drei Teile erschienen sind. Damit ist der erste Zyklus komplett. Ich habe alle drei Bände bereits gelesen.

Es handelt sich um einen typischen Fall von Urban Fantasy. Die phantastischen Elemente finden sich nicht in einer fiktiven Vergangenheit – wie man das bei der »altmodischen« Fantasy wie dem »Herrn der Ringe« oder »Conan« antraf –, sondern in unserer Zeit und praktisch parallel zu unserer Wirklichkeit. Spätestens seit »Harry Potter« in gedruckter und verfilmter Form seinen Siegeszug angetreten hat, eine Unzahl von Epigonen im Gefolge, hat sich dieser Zweig der Fantasy immer weiter ausgebreitet. Natürlich auch im Comic-Sektor.

Bei den Chroniken wird aus der Sicht einer 19-jährigen Frau erzählt; sie ist Künstlerin und gleichzeitig eine Hexe, sie sieht sehr gut aus und macht eine lockeren Eindruck. Und sie will nichts mehr mit Under York zu tun haben. Weil ihre Heimat – also das wirkliche New York – von einem Dämon aus tiefer Vergangenheit bedroht wird, muss sie sich allerdings auf ihre magischen Fähigkeiten besinnen und den Kampf um die Stadt aufnehmen.

Man merkt schon bei der Inhaltsangabe: So richtig neu sind die Ideen in diesem Comic nicht. Sylvain Runberg versteht trotzdem sein Geschäft: Die Geschichte ist in den drei Alben rasant erzählt, es passiert ständig etwas. Ein wenig nervig fand ich, dass es quasi Tagebucheinträge gibt, die wie Handschrift wirken und zu zwei, drei Seiten Text am Stück führen. Das ist nicht unbedingt der Sinn eines Comics.

Aber klar: Die Geschichte ist flott, sie macht Spaß, sie ist halt alles andere als originell. Sie gewinnt vor allem durch die starke Grafik. Mirka Andolfo hat einen sehr modernen Stil; das ist kein Manga, das ist nicht vergleichbar mit amerikanischen Superhelden oder frankobelgischen Abenteuer-Comics. Die Vermengung aus »funny« und halbwegs realistisch gefällt mir sehr gut; sie ist dynamisch, und die Bilder überzeugen mich immer.

Bei »Die Chroniken von Under York« ist mein Fazit also gespalten: erzählerisch gut, wenngleich nicht gerade originell, zeichnerisch cool, alles in allem recht »jung« angelegt, was die Zielgruppe und die schnelle Erzählweise angeht ...

17 Oktober 2022

Zu »Future is female«

Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gibt es – wie in jedem Jahr auch – eine Reihe von interessanten Veranstaltungen. Ich gestehe, dass ich in all den Jahren wegen all der vielen Termine nie dazu kam, mir Diskussionsrunden und dergleichen anzugucken. In diesem Jahr ist es anders. Der Grund ist aber, dass ich selbst auf dem Podium sitze.

Unter dem Titel »The Future is female - Frauen in der Science-Fiction« gibt es am Freitag, 21. Oktober 2022, ab 10 Uhr eine Diskussion. Mit dabei ist die Autorin Theresa Hannig, die sich mit dem Thema intensiv beschäftigt. Die Verlegerin Sandra Thoms, die ebenfalls auf dem Podium hätte sitzen sollen, fällt nach aktuellen Informationen aus – mal schauen, wer sonst noch daran teilnimmt.

»Science-Fiction beschreibt die Zukunft«, so heißt es in der Information, und die Fragen, die sich stellen, sind die bekannten: »Wie groß ist der Anteil von Frauen in diesem Genre? Wie sieht das im Verlagsalltag aus?« Vermutlich wird es so aussehen, dass Theresa Hannig vor allem die Sicht von Autorinnen darstellt, während ich darüber erzähle, wie es in einem Verlag abläuft – wobei wir als Serie ohnehin wieder eine Sonderrolle einnehmen.

14 Oktober 2022

Das Currymobil

Auch heute war es eine wichtige Adresse für mich, um eine angenehme Mittagspause zu verbringen: Ich spazierte durch den leichten Nieselregen die paar hundert Meter bis zu einem großen Platz zwischen einem Wohngebiet, einem Baumarkt, einem türkischen Supermarkt und zwei Dscountern. Dort aß ich zu Mittag.

Seit einigen Jahren steht in der Nähe des Verlages, in dem ich arbeite, das sogenannte Currymobil auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Es ist gewissermaßen die Außenanlage eines indischen Restaurants, das sich in einem der umliegenden Dörfer befindet.

Wenn man es genau nimmt, besteht das Currymobil aus zwei, drei Töpfen, in denen das Essen vor sich hinköchelt, sprich, warmgehalten wird. Frisch zubereitet ist da also nichts. Aber das vegetarische Essen, das ich mir im Schnitt einmal pro Woche gönne, schmeckt trotzdem immer gut – und die Kolleginnen, die Fleisch bevorzugen, sind ebenfalls stets zufrieden.

Die Auswahl der Gerichte ist beschränkt, dazu kommen Getränke, die man sich aus einem Kühlschrank fischen kann. Ich nehme mir dann gern eine Fritz-Cola, das passt gut und erspart mir den Nachmittagskaffee.

Wenn das Wetter schön ist, sitze ich gern im Freien oder nutze einen der Stehtische. Bei Regenwetter setze ich mich unter ein Zeltdach, wo ich Zeitung lesen oder den Gesprächen der Einheimischen lauschen kann. (Das Foto wurde nicht heute aufgenommen, sondern in der vergangenen Woche.)

Vielfalt und Einheit als zentrales Thema

Wieder einmal habe ich eine Ausgabe des Magazins »leibniz« von vorne bis hinten gelesen. Das knapp über hundert Seiten starke Magazin wird – wie der Titel nahelegt – von der Leibniz-Gesellschaft herausgegeben und präsentiert Ergebnisse aus den unterschiedlichen Instituten. Dabei ist es sehr journalistisch gemacht: sauberes Layout, saubere Sprache, inhaltlich sehr vielfältig. Da lese ich dann eben auch mal einen Artikel, der mich nicht unbedingt interessieren und den ich auf der Leibniz-Seite im Internet nicht anklicken würde.

Die aktuelle Ausgabe 2/2022 steht unter dem Motto »Vielfalt & Einheit«, was sich im Credo auf der Umschlagseite 2 wiederfindet: »... wer aus verschiedenen Perspektiven auf die Welt blickt, sieht oft klarer.« Der Satz auf dem Titel ist ebenfalls gut: »Die beste der möglichen Welten ... ist bunt.« Heute wird so etwas sofort als eine politische Aussage verstanden, sie spiegelt aber letztlich die Welt wieder.

Spannend fand ich beispielsweise einen Artikel über die Kelten. Es ranken sich unglaublich viele Mythen über dieses Volk oder diese Kultur oder diese Sammlung von Stämmen, die man als »Kelten« betrachtet und die wohl nie als »Einheit« zu sehen waren. Lesenswert fand ich ein Interview, das zeigt, wie Mehrsprachigkeit bei Lehrkräften sinnvoll sein kann, um Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Kulturen im Unterricht zu integrieren.

Es gibt Beiträge über Wellen (sowohl auf dem Meer als auch in der Physik) oder Jugoslawien, über Mathematiker oder die Mikroorganismen im Darm. Das Magazin präsentiert das alles gleichwertig, es handelt sich letztlich immer um Themen aus der aktuellen Forschung. Alles wird sachkundig beschrieben und in einer Sprache dargestellt, die für den interessieren Laien nicht überfordernd wirkt.

Das Magazin »Leibniz« ist für Menschen wie mich, die laienhaft verschiedene wissenschaftliche Gebiete betrachten und von ihnen fasziniert sind, eine richtig gute Lektüre. Ich sehe es als Parallele zu »bild der wissenschaft« und freue mich immer, eine aktuelle Ausgabe durchzuschmökern, Text für Text, Artikel für Artikel. Die 2/2022 ist auf jeden Fall wieder sehr lesenswert.

13 Oktober 2022

Werbung für das fünfte Heft

Nachdem ich 1980 und 1981 die ersten Ausgaben meines Fanzines SAGITTARIUS veröffentlicht hatte, gefiel mir das Produzieren des Fanzines immer mehr. Ich bekam viel Zuspruch, es gab positive Leserbriefe, und imer mehr Leute wollten mitarbeiten. Da störte es mich nicht so sehr, dass in der Schule oder in meinem sonstigen Umfeld eigentlich niemand gut fand, was ich machte.

1982 sollte die fünfte Ausgabe erscheinen, und ich fragte im Vorfeld den Zeichner Anton Atzenhofer – wir nannten ihn alle nur »Atze« –, ob er mir bei der Gestaltung eines Werbeblattes helfen könne. Er konnte. Doch Atze lieferte nicht nur einen Rahmen für eine Anzeige, er gestaltete gleich ein ganzes Bild, in das er den Text integrierte, den ich mir für die Werbung vorgestellt hatte.

Das Bild vereinte klassische Science-Fiction- und Fantasy-Motive, so entstand ein schönes Phantastik-Bild. Die Namen und Daten, die ich zusammengeschrieben hatte, integrierte Atze mit handgemalten Buchstaben in das Bild, das auf diese Weise echt stark aussah. Ich war mächtig stolz auf die Werbezettel, die ich in diesem Jahr 1982 auf Cons verteilte und mit der Post verschickte.

Dass ich mit dem Autor Wolfgang Altendorf in gewisser Weise besonders warb, lag daran, dass ich ihn kurz davor kennengelernt hatte. Ich fand stark, wie er nach dem Krieg sein »eigenes Ding« durchgezogen hatte, und wollte, dass das auch mehr Leute mitbekamen.

Unterm Strich war die Werbeaktion übrigens positiv: Die Auflage des Heftes stieg weiter, und die rund 400 Exemplare, die ich drucken ließ, bekam ich in einem überschaubaren Zeitraum unter die Leute.

Popperklopper machten Deutschpunk

Zu den Bands, die in den 90er-Jahren für eine tüchtige Renaissance des Deutschpunk sorgten, zählten Popperklopper aus dem Rheinland. Mir war die Band damals zu stumpf, textlich wie musikalisch mochte ich sie nicht – höre ich mir im Abstand vieler Jahre aber die Platte »Wer sich nicht wehrt ...« an, stelle ich fest, dass die gar nicht schlecht ist.

Klar ist das alles ruppiger Deutschpunk, der nicht gerade originell ist – und auch 1997 bei Erscheinen der Platte nicht originell war. Die Band bolzt sich durch die Stücke, schnell und aggressiv, ein idealer Sound für heftigen Stiefel-Pogo und alles andere als Musik für feinsinnige Gemüter.

Manche Reime sind schlicht, »klar« kommt auf »wunderbar« oder »gewesen« auf »Wesen«. Das hört sich manchmal so an, als hätte man mit einem Reimlexikon gearbeitet oder hätte die Reime von alten Deutschpunk-Stücken – etwa von Normahl – übernommen. Auch hier gilt: nichts für feinsinnige Gemüter.

Andererseits ist das alles konsequent: Die Band knallt und rattert auf allen Stücken der Platte, sie macht Deutschpunk in der Tradition der frühen 80er-Jahre, und davon weicht sie keinen Millimeter ab. Wenn ich ab und zu eine tüchtige Dosis vom »echten« Deutschpunk haben möchte, muss ich Popperklopper nicht unbedingt aus dem Hirn streichen ...

12 Oktober 2022

Wie mich ein sogenannter Frauenroman packte

Der unglaubliche Erfolg der Neapolitanischen Saga fasziniert mich seit Jahren. Ich bekam mit, wie Elena Ferrantes erster Roman in deutscher Sprache erschien, wie ihn die Kritik bejubelte und ihn die Massen kauften. Ich wurde neugierig, las ihn aber nie. Dass es sich bei »Meine geniale Freundin« um einen sogenannten Frauenroman handelt, schreckte mich tatsächlich ab. Dieser Tage griff ich dann doch danach und war davon sehr gefesselt – die weiteren Bände dieser Saga werde ich auch noch lesen.

Die Geschichte beginnt in einem Arme-Leute-Viertel in Neapel. Zwei Mädchen werden beste Freundinnen. Aus ihrer Sicht erzählt die Autorin von den fünfziger Jahren, von der Gewalt im Viertel, von der Armut und von den Versuchen, sich nach oben zu arbeiten. Die beiden Mädchen werden älter, sie gehen zur Schule, sie entwickeln sich unterschiedlich, und sie bleiben dennoch Freundinnen.

Im Mittelteil des Romans zog sich dieser für mich ein wenig. Ich verlor streckenweise den Überblick, wer denn nun wer ist – immerhin gibt es ein Personenverzeichnis am Anfang, das sehr hilfreich war – und wer mit wem verwandt ist. Nachdem ich mich durch diesen Teil gebissen hatte, fesselte mich der Roman aber stärker.

Am Ende konnte ich mit »Meine geniale Freundin« kaum aufhören und wollte wissen, wie es ausgeht. Um es anzudeuten: Der fiese Cliffhanger am Ende – es sind nur zwei Sätze, wenn man es genau nimmt – brachte mich fast dazu, gleich das nächste Buch der Saga anzufangen.

Die Autorin schafft es, dass man die Figuren sympathisch und unsympathisch findet, sie aber auf ihre Weise zu mögen beginnt. Ich verfolgte gebannt die Entwicklung der Familien, das Entwickeln der ersten Liebe, die Begegnung der Leute aus dem Arme-Leute-Viertel mit den wohlhabenden Menschen, das langsame Aufblühen der Camorra. Geschickt zeigt die Autorin die sozialen Entwicklungen, ohne unangenehm den Zeigefinger zu einer moralischen Anklage zu erheben.

Der Stil des Romans gefällt: klare Dialoge, überschaubare Beschreibungen, keine unnötigen Eskapaden und Experimente. Das lässt sich alles wunderbar »weglesen«, was sicher dazu beigetragen hat, dass das Buch ein solcher Erfolg war. »Meine geniale Freundin« ist Lesefutter der besten Art – und sicher ein Roman, das man auch als Mann gewinnbringend lesen kann. (Ein weiterer Beleg dafür, wie blödsinnig der Begriff »Frauenliteratur« ist.)

11 Oktober 2022

Wuchtiger Science-Fiction-Comic

Warum ich diesen Comic erst dieser Tage las, kann ich nicht sagen: »The Wake« erschien in deutscher Sprache bereits 2015, versackte dann aber bei mir in einem Stapel. Dort holte ich den dicken Hardcover-Band heraus, ließ mich auf die Geschichte ein und verfiel ihr über die gesamte Länge.

Enthalten sind in dem Comic die zehn Ausgaben der amerikanischen Comic-Serie »The Wake«, die 2014 den Eisner Award für die beste Miniserie gewinnen konnte. Im Prinzip zerfällt die Geschichte in zwei Hälften: die eine nahe an unserer Gegenwart – praktisch »morgen« – spielend, die andere rund 200 Jahre in der Zukunft.

Um es grob zusammenzufassen: Die Serie postuliert, dass im Meer eine weitere »Menschenart« lebt. Diese »Menschen« sind humanoid, sie sind aggressiv, und sie sind in der Lage, den Meeresspiegel steigen zu lassen. Weil sie sich von den Menschen an Land immer stärker angegriffen fühlen, schlagen sie zurück – zuerst kommt es zu Kämpfen um eine unterseeische Station, dann überfluten hohe Wellen die Küstenstädte. In 200 Jahren sieht die Erde dann ganz anders aus …

Der erfahrene Comic-Autor Scott Snyder entwickelte die Geschichte und schrieb die Texte für »The Wake«. Das ist teilweise sehr geglückt, die einzelnen Episoden sind jeweils für sich spannend, insgesamt aber nicht komplett überzeugend – die Sprünge in der Handlung fand ich zu stark.

Der Anfang gefiel mir sehr gut: Gleich zu Beginn gibt es menschliche Konflikte, dann tauchen die Untersee-Aliens auf, die Handlung wird spannend. Danach folgen die Sprünge in der Zeit, die mir nicht mehr so gefielen. Insgesamt ist die Geschichte trotzdem spannend.

Und klar, Sean Murphy als erfolgreicher Zeichner ist in der Lage, aus so einer Vorlage auch eine packende Comic-Story zu machen. Seine Zeichnungen sind realitätsnah, und er schafft es, die Technik einer Meeresstation ebenso plakativ und glaubhaft zu gestalten wie Menschen, Aliens und eine dystopische Zukunft. Man merkt ihm an, dass er auch schon Horror-Comics gezeichnet hat. Die Zeichnungen sind dynamisch und überzeugen mich.

Insgesamt ist »The Wake« ein spannender Comic, dessen Schönheitsfehler vor allem bei der Geschichte liegen. Ich kann mir diesen Comic auch gut als Miniserie bei einem der Streaming-Anbieter vorstellen.

Die Miniserie ist hierzulande in einem 228 Seiten starken Hardcover-Band erschienen, den es offensichtlich nur noch im Secondhand-Handel gibt, den ich aber empfehlen möchte. Den Preis fand ich okay, und das Buch machte mir bei der Lektüre viel Freude. Durchaus lohnenswert, danach noch zu suchen!

10 Oktober 2022

In den Rheinauen unterwegs

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Wenn sich das Jahr langsam neigt, nerven die Stechmücken nicht mehr so und nimmt die Gefahr von Zecken – zumindest subjektiv – stark ab. Das führt dann dazu, dass ich mit meinem Rad auf Strecken gehe, die nicht unbedingt zu einem schnellen Fahren einladen.

Gerade in den Wäldern entlang des Rheins, die gerne auch mal überschwemmt sind und in denen sich eine faszinierende Umwelt gehalten und auch neu entwickelt hat, gibt es viel zu sehen. Da macht es mir dann auch nichts aus, wenn ich sehr langsam fahren muss, weil die Wege schmal und feucht sein können, weil sogar mal ein umgestürzter Baum oder Äste auf dem Boden liegen.

Das Foto zeigt mein Fahrrad auf dem schmalen Weg, der auf eine Landzunge am Rhein zu führt. Links ist der Pfinz-Entlastungskanal, der kurz davor mit dem Schmugglermeer in Verbindung getreten ist, rechts ist der alte Leopoldshafen. Man kommt sich vor wie in einem Urwald. Auf den Gewässern sind Enten und Gänse unterwegs, zwischendurch kreuzen auch mal zwei Schwäne; es ist vor allem still, sieht man vom Plätschern des Wassers, dem Rascheln der Blätter und den Geräuschen der Tiere ab.

07 Oktober 2022

Ein Flug zum Mond und sieben Texte

Ich kenne Thomas Lang von Seminaren in Wolfenbüttel her. Der Autor ist Buchhalter von Beruf und schreibt nebenher – wie das viele Leute tun (ich ja ebenfalls). Sein Büchlein »Fly Me To The Moon«, das er mir in Wolfenbüttel geschenkt hat, spricht mich sehr an.

Es ist eine Eigenproduktion: Als Format wählte der Autor das eines kleinen Taschenbuches, die Gestaltung ist sehr ordentlich, der Umfang beträgt 43 Seiten plus einige leere Seiten am Ende. Enthalten sind sieben Geschichten aus sechs Jahrzehnten, in denen der Autor – der in den Geschichten teilweise als »der alte Buchhalter« auftritt – aus seinem Leben erzählt, nicht spannend im Sinne von Action, sondern eher literarisch und nachdenklich.

Die Rahmenhandlung erzählt von einem Mann namens Tom, der bei seiner Therapeutin ist und ihr sein Herz ausschüttet. Die Titelgeschichte wiederum erzählt von einem Jungen namens Tom, der die Mondlandung im Fernsehen betrachtet und davon träumt, selbst zum Mond oder gar zu den Sternen zu fliegen. In späteren Texten tritt »Tom, der alte Buchhalter« auf – es handelt sich also um kurze Geschichten mit einem autobiografischen Hintergrund.

»Fly Me To The Moon« hat mir gut gefallen, vor allem auch, weil man die persönlichen Teile bei der Lektüre deutlich spürt. Es zeigt die Verbindung aus Science Fiction, Weltraumfahrt und allgemeinen Lebensverhältnissen – schön!

(Falls jemand ein Interesse an dem Werk hat, das ich Science-Fiction-Fans echt empfehlen kann, schreibe er oder sie bitte direkt an Thomas.Lang-at-kksaar.de. Kosten würde »Fly Me To The Moon« 3,50 Euro.)

06 Oktober 2022

Alte Männer und kein Punk

Die junge Frau stapfte auf mich zu, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen; sie sah echt wütend aus. »Und das da ...« Mit einem Ruck riss sie ihren Kopf herum, nickte so zur Bühne hinüber. »Das da oben ... das soll etwa Punk sein?«

Ich lachte auf. Auf der Bühne standen die Stranglers, wir hatten den 21. Juli 2001, und rings um uns bewegten sich die Massen von »Das Fest« in Karlsruhe. Irgendein Horst in der Riege der Veranstalter war auf die Idee gekommen, den Abend als »British Night« anzukündigen, und nun spielten zu vorgerückter Stunde eben die Stranglers.

»Also ..« Ich versuchte es ganz vorsichtig. Mir war klar, dass ich gut doppelt so alt war wie die junge Frau mit ihrem feuerrot gefärbten Haaren. Mit meinen sehr kurzen Haaren, dem Spermbirds-Shirt und der kurzen Hose sah ich auch nicht gerade »punkig« aus – aber wir standen in der gleichen Gruppe aus Punks, Ex-Punks und artverwandten Leuten zusammen. Ich wusste von ihr immerhin, dass sie seit einiger Zeit meine Radiosendung hörte und zumindest meine Stimme kannte.

»Das da oben ist natürlich kein Punk«, sagte ich, »aber es sind die Stranglers, und die waren damals irgendwie dabei, und deshalb werden sie immer in die Punkrock-Schublade gesteckt.« Ich wies auf die Musiker, die auf der Bühne standen und sich kaum bewegten. »Heute sind das alte Männer, die halt die Hits von früher spielen. Und wenn sie etwas bringen, das neuer als 1980 ist, meckern andere alte Säcke wie ich, dass sie den neumodischen Kram lassen sollen.«

Kopfschüttelnd blieb sie neben mir stehen. Ich mochte die Band, hatte sie schon in den späten 70er-Jahren gern gehört. »Black And White« hielt ich für eine richtig gute Platte aus jener Zeit, aber ansonsten waren die Stranglers eher eine Wave-Band gewesen, und mittlerweile würde man sie womöglich als IndieRock bezeichnen. Die Band hatte es »vor Punk« gegeben, und sie machte danach weiter.

Ich freute mich, wenn ich die alten Stücke hörte. Die Band hatte ich nie live gesehen, und ich fand es klasse, sie endlich auf einer Konzertbühne zu erleben. Und ein Stück wie »Golden Brown«, meilenweit, ach was, lichtjahreweit entfernt von allem, was auch nur ansatzweise Punk war, gefiel mir nach all den Jahren immer noch.

»Hey!«, rief ich auf einmal aus. »Das hier ist jetzt aber Punk.« Und dann setzte ich kleinlaut hinzu. »Zumindest haben wir so etwas früher als Punkrock bezeichnet.«

Die Band stimmte »No More Heroes« an. Automatisch fing ich an, mit dem Fuß mitzuwippen. Einige Langhaarige in unserer Nähe fingen an, begeistert mitzusingen. Entsetzt starrte mich die junge Frau mit den roten Haaren an.

Ich hatte das Gefühl, das Stück sei langsamer auf der Platte, und von der Energie, die ich in dem Stück immer gesehen und gehört hatte, schien auf einmal nichts übrig geblieben zu sein. Wenn ich in Gedanken die Augen schloss, sah ich mich aber selbst, wie ich 1978 oder 1979 das Stück zum ersten Mal im Jugendzentrum hörte und davon begeistert war. Die Erinnerung überlagerte für einige Momente das tatsächliche Stück.

Noch einmal starrte mich die Rothaarige an. Dann schüttelte sie den Kopf und ging einige Meter zur Seite, zu einer Gruppe von jungen Punks, die sich zwar in unserer Nähe abhielten, aber eine gewisse Distanz behielten. Sie murmelte etwas vor sich hin, das ich nicht verstehen konnte.

Ich war sicher, dass es so etwas wie »alte Männer« war und mit einer gewissen Verachtung ausgesprochen wurde. Und ich konnte sie irgendwie verstehen.

Cryssis und ein Hit

Ich habe Cryssis nie live gesehen, mag aber die Musik dieser eigentlich schon uralten englischen Band. Bei einem Konzert von TV Smith kaufte ich mir die Single »Fighting In Brighton«, die nicht nur wegen des großartigen Hits auf der A-Seite überzeugt.

Das Titelstück ist eine mitreißende Punkrock-Hymne, die so auch in den späten 70er-Jahren hätte erscheinen können – hier ist das als Kompliment gemeint –, inhaltlich eine Anspielung auf die Auseinandersetzungen zwischen Mods und Rockern in dem englischen Badeort Brighton. Unweigerlich wackle ich da mit dem Kopf und zapple mit den Beinen, und die Melodie ist so eingängig, dass man den Refrain schnell mitsingen kann.

Doch die B-Seite ist mit »Beautiful Dreams« keinen Deut schlechter. Auch hier ist eine Melodie mit viel Schmackes vorhanden, stimmen der Rhythmus und die Geschwindigkeit, scheint der Text ebenso zu stimmen. Veröffentlicht wurde das Kleinod bei Drumming Monkey Records; die Auflage betrug wohl nur 500 Exemplare.

05 Oktober 2022

Ein Blick auf den Autor Uwe Timm

Ich habe, und das muss ich gleich eingangs sagen, noch nie ein Buch von Uwe Timm gelesen. Den Namen des Schriftstellers kannte ich immerhin, und so fand ich den Tagungsband ganz interessant, den Olaf Kutzmutz herausgegeben hatte. Im November 2008 hatte dieser an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel eine Tagung zum Werk Uwe Timms veranstaltet; in der Folge entstand das Buch »Uwe Timm – lauter Lesarten«, das ich mittlerweile gelesen habe.

Wie es sich für einen solchen Tagungsband gehört, fasst er die Vorträge zusammen, die während der Tagung gehalten wurden. Dabei wiederum geht’s um Uwe Timms wesentliche Werke und ihre Rezeption; dass die Vortragenden alle sehr wohlwollend über den Autor und seine Arbeit sprachen, liegt in der Natur der Sache. Ich fand’s trotzdem lesenswert und interessant.

Timm gehört zu den Autoren, die biografische Elemente zu Romanen verarbeiten. So finden sich in seinem Werk immer wieder Hinweise auf das Ende des Zweiten Weltkriegs, auf die Studentenbewegung in den 60er-Jahren und zu allerlei politischen Wirren. Städte wie Hamburg und Coburg, die in seiner Biografie wichtig waren, tauchen in Timms Romanen immer wieder auf.

Das alles las sich in diesem Tagungsband sehr interessant. »Die Entdeckung der Currywurst« war mir immerhin durch eine Comic-Version bekannt, die anderen Romane und Novelle klangen aber spannend.

Das 92 Seiten starke Buch, das als Band 45 in der Reihe der »Wolfenbütteler Akademie-Texte« erschienen ist, hat seinen Zweck also erfüllt: Es fasst eine Tagung zusammen, und es machte mich auf einen Autor und seine Bücher aufmerksam. Na also!

04 Oktober 2022

Der Weg zum Meer

Von der Straße ging eine schmale Abzweigung ab, der ich folgte. Sie war ein wenig breiter als mein Auto, und ich hoffe, dass kein Gegenverkehr kommen würde. Rechts und links wuchsen Büsche bis zu einer Höhe von drei oder vier Metern, vor mir wusste ich das Mittelmeer.

Ich fuhr vorsichtig, weil ich nicht sehen konnte, was hinter der jeweiligen Kurve kam. Es war keine weite Strecke, keinen Kilometer lang. Durch die offenen Fenster drangen die Düfte herein, die von den Büschen ausgingen: frische Früchte, allerlei Blätter. Ein leichter Wind ging, die Blätter rauschten, und ich hörte Vögel zwitschern.

Als ich schon dachte, gleich mit dem Auto direkt am Strand zu stehen, kam eine Mauer aus braunen Steinen, die den Weg versperrte. In der Mauer erkannte ich ein Tor aus Stahl, gekrönt von fies aussehenden Zacken; alles Grau in Grau. Wenden konnte ich nicht. Rechts und links erhoben sich die Büsche, vor mir kamen die Mauer und das Tor.

Weil ich wusste, dass dahinter das Meer kam, ärgerte ich mich ein wenig. Meine Begleiterin bat mich, Ruhe zu bewahren, aber ich steigerte mich in eine schlechte Laune hinein. Ich stand auf, ging zu dem Tor und sah es genauer an. Es gab keine Klingel, auch keine Möglichkeit, durch eine Ritze auf das Gelände hinter der Mauer zu blicken. Frustriert drehte ich um und ging zu meinem Auto.

Langsam fuhr ich zurück, rückwärts den Berg hinauf, immer schön durch die Kurven hindurch. Wenn in dieser Situation jemand von oben kam, der ein bisschen schneller fuhr, war ein Unfall sehr wahrscheinlich. Ich schwitzte, und auf einmal fand ich die Umgebung überhaupt nicht mehr schön oder interessant.

Als ich oben an der Hauptstraße ankam, hielt ich an und atmete erst einmal durch. Mein Rücken war nassgeschwitzt. Ich schloss die Autofenster und ließ die Klimaanlage laufen.

Auf einmal kam ein Auto die Straße hoch, ein gelber Sportwagen, an dessen Steuer ein junger Mann mit Bart saß. Er schrie mich an, als er an mir vorüberfuhr, ich erkannte die Wut in seinem Gesicht, und er zeigte mir den Stinkefinger.

»Was war denn das?«, sagte ich mehr zu mir als zu meiner Begleiterin. Dann wachte ich auf.