28 Februar 2018

Deutsche Delikatessen

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich zum regelmäßigen Leser der »tageszeitung« aus Berlin wurde. In den späten 70er-Jahren lagen in unserem Jugendzentrum auf jeden Fall die Vorläufer-Publikationen aus, ab den frühen 80er-Jahren las ich die Zeitung immer im Jugendzentrum, wenn ich sie in die Finger bekam.

Bei uns daheim gab es den »Schwarzwälder Boten«, ein konservatives Monopolblatt; da war die »taz« eine echte Alternative. Später schrieb ich für die »Südwest Presse« und erhielt unter anderem deshalb ein Gratis-Abonnement dieser Zeitung.

Spätestens zu Beginn der 90er-Jahre wurde ich zum »taz«-Abonnenten, und ich schätzte die unkonventionelle Ausrichtung der Zeitung. In den 90er-Jahren wurde die »taz« auch von meinen Bekannten aus der Autonomen-Szene schwer kritisiert, der Spruch »taz lügt« wurde mir nicht nur einmal vor den Latz geknallt.

Ich habe immer noch mein »taz«-Abo. Es gibt jeden Tag mindestens einen Artikel, über den ich mich ärgere – aber mehrere Texte, die ich schätze. Inhaltlich und meinungspolitisch ist das Blatt durchaus weit gefächert, das mag ich, und da ist es auch gut so, dass ich nicht mit allem übereinstimme.

Für ihre Aktivitäten im Netz, die ich gelegentlich nutze, hat die »taz« jetzt einen hübschen Film ins Netz gestellt. Unter dem Titel »Deutsche Delikatessen« zeigt er eine treudeutsche Metzgerei, die von einer jungen Frau besucht wird.

Es gibt unter anderem »Lügenwurst« zu kaufen, an der Wand steht »I Want You To Leave«. Und den Rest kann sich ja jeder und jede selbst anschauen; ich fand's gut.

27 Februar 2018

Das Restaurant der alten Dame

»Wenn ihr heute abend ein richtig schönes Restaurant kennenlernen wollt«, empfahl uns an diesem Morgen unser Gastgeber, »dann geht ins ›de Bühne‹; das ist vor allem für Vegetarier eine tolle Sache. Und alles ist original belgisch!«

Wir glaubten ihm, denn er macht den Eindruck, sich in Brügge richtig gut auszukennen. Also gingen wir an diesem Abend die paar hundert Meter über das Kopfsteinpflaster der Altstadt bis zu dem kleinen Restaurant.

Es war nicht viel los: Anfangs waren wir die einzigen Gäste in dem Restaurant, später setzte sich noch ein einzelner Mann an den Nachbartisch. So hatten wir einen netten Fensterplatz, durch den ich ins Freie schauen konnten. Interessanterweise waren wir im Verlauf der vorherigen Tage mehrmals an dem Gebäude vorbeigekommen; wir hatten es aber nicht wahrgenommen.

Hätte das Restaurant viel mehr Gäste gehabt, wäre es durchaus problematisch geworden. Die Chefin bediente, ihr Mann stand in der Küche. Die beiden – ein älteres Ehepaar – führten das Restaurant allein, wie man uns am Vormittag erzählt hatte. Alles sei frisch, alles komme aus dem Umland.

Und so schmeckte es auch! Das Essen war unglaublich lecker; wir ließen uns mehrere Gänge schmecken, genossen jeden einzelnen Gang und freuten uns über selbstgebackenes Brot und leckeres belgisches Bier.

Es war ein gemütliches Abendessen, jeder Gang wurde von der alten Dame mit viel Charme geradezu zelebriert. Die sprachlichen Hürden ließen kein Gespräch in Gang kommen, sonst wäre das Essen sicher noch netter geworden.

Aber ich hatte das Gefühl, in einer sehr familiären Atmosphäre zu speisen und zu trinken – das mochte ich sehr. Und so war »de Bühne« einer der kulinarischen Höhe des Aufenthaltes in Brügge.

26 Februar 2018

Der vierte Teil einer zu Recht erfolgreichen Phantastik-Serie

John Cleaver ist der Held einer Serie von Phantastik- oder Horror-Romanen, und eigentlich handelt es sich bei ihm um einen jugendlichen Serienkiller. In Szene gesetzt wird er von dem Schriftsteller Dan Wells. Wenn man möchte, kann man die Serie in die Schublade mit Jugendliteratur stecken – aber man kann sich auch als Erwachsener gut mit der Mischung aus Thriller und Horror unterhalten.

Ich las dieser Tage den Roman »Du bist noch nicht tot«, der für alle Freunde dieser Serie wichtig ist, den man als Nicht-Fan ebenfalls gut verstehen kann. Fairerweise muss ich aber eingangs sagen, dass sich der Zugang zu diesem Roman erst dann so richtig erschießt, wenn man die vorherigen Bände bereits kennt.

Denn John Cleaver ist ein echter Psychopath, den man als Leser über mehrere Bände hinweg kennenlernt, der einem dann geradezu sympathisch wird – obwohl man ihn eigentlich zumindest ziemlich »krank« finden sollte. Er denkt die ganze Zeit darüber nach, wie er Menschen umbringen kann, und hat sich gewisse Routinen zugelegt, um sich selbst zu kontrollieren.

Eine staatliche Einrichtung hat sich seiner angenommen; seither arbeitet er für die Regierung. Der Junge hat sich einem Team angeschlossen, das Dämonen jagt – oder wie auch immer die Wesen zu bezeichnen sind, die seit Jahrtausenden ihr Unwesen auf der Erde treiben. Mit seiner Manie, sich immer neue Todesarten auszudenken, ist Cleaver eine gute Unterstützung für eine seriös arbeitende Ermittlertruppe.

In »Du bist noch nicht tot« wird gewissermaßen die zweite Trilogie um John Cleaver begonnen. Cleaver ist kein Teenager mehr, sondern ein junger Mann – seine Probleme sind jedoch die gleichen geblieben. Als sein Team in Konfrontation mit einem besonders starken Dämon kommt, wird er vor eine echte Bewährungsprobe gestellt.

Klar, das ist keine anspruchsvolle Literatur, aber rasant geschriebener Unterhaltungsstoff. Der Roman macht durchaus Spaß, die Hauptfigur mit ihrer starken Innensicht trägt dazu bei, dass man stets in der Handlung drin ist. Übermäßig brutal geht's nicht zur Sache, obwohl recht viele Tote vorkommen – die Literatur, die sich heute an junge Leser richtet, ist allerdings eine Spur derber als »zu meiner Zeit«.

Den Roman gibt es als Taschenbuch sowie als E-Book. Ich empfehle allerdings die Paperback-Ausgabe, die es ebenfalls noch im Handel gibt – sie sieht durch die sogenannte Rough-Cut-Gestaltung und das aufwendige Titelbild richtig gut aus. Wer einen Horror-Roman verschenken möchte, in dem es wenig Horror, dafür aber viel Action für Jugendliche und Junggebliebene sucht, dem empfehle ich die Paperback-Version.

25 Februar 2018

Gesehen: Shape of Water

Ich gestehe: Der wesentliche Grund für mich, den Film »Shape of Water« anzuschauen, war tatsächlich, dass Sally Hawkins die Hauptrolle spielt. Ich halte sie für eine ausgezeichnete Schauspielerin, die auch einen eher schlichten Film durch ihre Präsenz aufwerten könnte.

Wobei das bei »Shape Of Water« nicht einmal nötig ist: Es handelt sich bei diesem Streifen zwar nicht um ein Meisterwerk der Science Fiction oder Phantastik, aber auf jeden Fall um gut gemachte Kino-Unterhaltung, bei der ich mir vorstellen könnte, dass sie auf DVD und kleinem Bildschirm nicht so gut funktionieren dürfte.

Sally Hawkins spielt eine Putzfrau, die Geschichte ist im Kalten Krieg angesiedelt, irgendwann in den fünfziger Jahren. Die Putzfrau arbeitet in einem Labor, das vom Militär streng abgeschirmt wird; hier werden allerlei Forschungen betrieben. Als eines der Objekte erweist sich ein seltsames, durchaus menschenähnliches Wasserwesen, das brutal verhört und gequält wird.

Die Putzfrau und das fremde Wesen verlieben sich ineinander, und sie beschließt, den Gefangenen zu befreien. Russische Agenten spielen ebenfalls eine Rolle, dazu kommen eine schwarze Putzfrau und ein homosexueller Maler – eine in sich widersprüchliche Allianz setzt sich also für ein fremdes Lebewesen ein.

Guillermo del Toro erzählt, so finde ich, nicht nur einen Film über die fünfziger Jahre, der irgendwo zwischen Science Fiction und allgemeiner Phantastik steht. Sein Blick auf paranoide Behörden ist ebenso klar wie seine Darstellung von grobem Rassismus und fiesen Geschlechterklischees. Das ist spannend und wird eindrücklich geschildert.

Leider hat der Film seine Schwachstellen. Streckenweise zieht er sich; mir war auch nicht klar, ob der Regisseur nun einen manchmal sehr zarten Liebesfilm, einen durchaus brutalen Thriller oder ein krasses Sittenbild der späten 50er-Jahre zeichnen wollte. Mir wäre eine eindeutigere Ausrichtung lieber gewesen.

Der Film überzeugt durch seine Optik; die Kulissen wirken glaubhaft, die Einstellungen der einzelnen Szenen sind toll. Auch die Hauptfiguren finde ich stets nachvollziehbar, wenngleich mir der Bösewicht zu schlicht und zu eindimensional erscheint. Insgesamt ein unterhaltsamer Streifen, der wieder einmal bewiesen hat, dass manche Filme nur im Kino so richtig gut sind.

24 Februar 2018

Im Landeanflug

»Das ist der Mummelsee«, sagte ich eifrig zu meiner Begleiterin und beugte mich im Sitz vor. »Da war ich früher oft mit meinen Eltern.«

In einer Höhe von vielleicht 300 Metern glitt das Flugzeug über eine bewaldete Hügelkette hinweg. Der Wald war sehr licht, der See eher hell. Ich wunderte mich kurz, weil ich den Mummelsee viel dunkler in Erinnerung hatte, dann widmete ich mich wieder dem Anblick der sanften Hügel.

Durch die Glasfront des Flugzeugs konnte ich sehen, wie wir über die Bäume hinwegglitten. Der Flug verlief fast geräuschlos, es war sehr angenehm. Neue Seen und Hügel gerieten in mein Gesichtsfeld, ich bekam immer stärkere Heimatsgefühle.

»Wir müssen außerplanmäßig landen«, ertönte die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern. »Machen Sie sich aber keine Sorgen.«

Es ging alles glatt. Nur wenige Meter später setzten wir auf, auf einer ebenen Fläche, die wundersamerweise weder Bäume noch Felsbrocken aufwies. Ich packte meinen Kram und folgte den anderen Passagieren, die über eine Treppe das Flugzeug verließen.

Im Freien versammelten wir uns um den Piloten. Der kräftige Mann in der weißen Uniform hielt eine kurze Ansprache, bat um Entschuldigung dafür, dass die Reise so abgebrochen worden war. »Wir müssen uns zu Fuß durchschlagen«, kündigte er an.

Ich betrachtete meine Tasche und war kurz davor, loszuheulen. Ich hatte weder etwas zu essen noch zu trinken dabei. Wie sollte ich den langen Marsch überstehen, wenn ich kein Wasser und kein Essen mit mir führte?

Ich blickte auf die Hügel des Schwarzwaldes, die sich in alle Richtungen erstreckten, und fühlte die Verzweiflung in mir. Da wachte ich endlich auf.

23 Februar 2018

»Kleine Erlebnisfundgrube«

Es ist schon gut eineinhalb Jahre her, seit meine Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?« veröffentlicht worden ist. Vor lauter Fantasy-Begeisterung im vergangenen Jahr vergaß ich glatt, mal wieder auf dieses Werk hinzuweisen. Es ist nämlich nach wie vor zu erhalten und freut sich über neue Leserinnen und Leser – man kann es in jeder Buchhandlung bestellen, ebenso natürlich direkt beim Hirnkost-Verlag oder im Shop meiner liebsten Raketenheftchenserie ...

Aber jetzt höre ich lieber mit der Werbung auf und schaue auf zwei Rezensionen zu meinem Buch. Die eine entstammt einem Punkrock-Fanzine, die andere kommt von einer Plattform, auf der man Bücher besprechen kann. Die eine Person ist also ein Mensch aus der Szene, die andere eine aus dem Science-Fiction-Umfeld – denke ich zumindest.

Bei »Goodreads« schreibt ein Nutzer namens Callibso, der meinem Buch immerhin drei von fünf Sternen verleiht. Man merkt dem Rezensenten an, dass er mit Punk nicht so viel am Hut hat; umso gründlicher hat er das Buch gelesen und schreibt dazu eine nachvollziehbare Rezension. Sie wurde am 20. Januar 2018 eingestellt.

Er könne »mit Punk nicht viel anfangen«, was sich »auch durch die Geschichten nicht geändert« habe. Zudem würde er »empfehlen, nicht zu viele Geschichten hintereinander zu lesen«. Der augenzwinkernde Grund: »doch zuviel Bier«. Damit kann ich gut leben und bedanke mich artig.

Das Fanzine »Proud To Be Punk« erscheint seit einigen Jahren, verantwortlich dafür ist Jan Sobe. Auf zwei Seiten bespricht er mein Buch – die Rezension wurde schon vor gut einem Jahr veröffentlicht. Ich verweise jetzt darauf, weil sie auf der Internet-Seite des Verlages eingestellt wurde und man sie dort als Datei nachlesen kann.

Ausführlich und kritisch geht der Rezensent auf die einzelnen Geschichten ein, forscht auch nach, inwiefern sie der Realität entsprechen oder frei erfunden sind. Manche Texte fand er auch zäh, andere eher spannend. Insgesamt bewertet er das Buch als »kleine Erlebnisfundgrube« und kommt so zu einem eher positiven Ergebnis. Auch hierfür ein fettes »Dankeschön!« ...

22 Februar 2018

Das erste Blizz taucht auf

Im März 1992 schneite ein neues Fanzine in meinen Briefkasten – damals noch im beschaulichen Freudenstadt. Es war die Erstausgabe von »Blizz«, das der aktive Fan Matthias Hofmann aus Freiburg veröffentlichte; er hatte in den Jahren zuvor mit ähnlichen Fanzines immer wieder auf sich aufmerksam gemacht. (Und ist heute einer der Herausgeber des Magazins »Alfonz« sowie weiterer Fachpublikationen im Bereich Comics.)

Die Themen dieser Tage kommen einem heute echt uralt vor: Die »Science Fiction Times« gab nach 34 Jahren auf, in Leipzig wurde der »erste SF-Con der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen« vorbereitet, Gene Roddenberry starb und wurde mit einem Nachruf bedacht. Die Themen waren vielfältig, die Science Fiction und die Fan-Szene wurden gleichermaßen präsentiert.

Ziel war ein monatliches Fanzine, es sollte »Information pur« bieten. Der »Blizz«-Herausgeber hatte sich Großes vorgenommen, die Ziele waren nicht zu hochgespannt.

In Zeiten des allgegenwärtigen Internets mit all seiner Informationsflut kann man sich wohl kaum noch vorstellen, dass sich Leser wie ich damals richtig auf so ein Heft freuten. »Blizz« wurde leider nicht so alt, wie es sich der Herausgeber vorstellte ... der Anfang im Frühjahr 1992 machte neugierig auf mehr.

21 Februar 2018

Jammerlappenlyrik im Radio

Ich stand im Stau, das Radio lief – ich wollte wissen, was los ist, und hatte den Südwestrundfunk eingeschaltet. Ein deutscher Sänger wurde gespielt, ich horchte auf. Und weil ich eh nichts anderes zu tun hatte, achtete ich auf den Text.

Es war das Lied »Nicht so schnell«, der Sänger war Max Giesinger. Auf diese Weise bekam ich endlich einmal mit, um wen es sich da handelt – den Namen kannte ich natürlich schon.

Ich war einigermaßen entsetzt. Der Mann gehört zu den Heulbojen, die neuerdings diesen modernen Jammerlappen-Pop machen, der die Radiokanäle verstopft. Man nennt das anspruchsvoll, es gilt als modern und wird auch von trendig aussehenden Leuten gehört.

Über die Musik mache ich mich nicht zu laut lustig; das ist Geschmackssache. Absurd sind allerdings die Texte, deren Inhalt sich nicht grundsätzlich von einem Schlager der 70er-Jahre unterscheidet.

Damals aber stimmten die Reime; heute sind die eher peinlich bis holperig. Okay, dass sich »erträglich« auf »ewig« reimt, damit komme ich klar. Auch »fragt« und »gedacht« funktionieren bei entsprechender Sprachfärbung.

Aber der Refrain ... Da wird dann»du bist nicht mehr da« auf »immer langsamer« gereimt. Und andere ähnliche Reime. Himmel hilf!

Ich war froh, als der Stau sich auflöste und ich weiterfahren konnte. Ich war froh, das Gejammer und die gestammelten Reime nicht mehr hören zu müssen. Und ich gelobe, künftig nicht mehr über schlecht gereimten Deutschpunk zu lästern. Zumindest nicht mehr so laut.

20 Februar 2018

Er wäre fünfzig geworden

Am 24. September 2010 schrieb ich meinen Nachruf auf Martin Büsser, und dieser Tage wäre er fünfzig Jahre alt geworden. Nach all den Jahren habe ich ihn gut in Erinnerung, sehe ihn immer noch vor mir: Bei den Redaktionsrunden im »Zap«-Hauptquartier war er eher ruhig, und als ich ihn besuchte, spielte er mir obskure Musik vor.

Er war sicher der klügste Musikschreiberling beim »Zap«. Als er damals ging, verlor das Heft einen wichtigen Autor, dessen Bedeutung auch Leute wie ich viel zu selten bemerkten.

Er schrieb über Musiker und Bands, die mir nicht gefielen – aber im Nachhinein ist klar, dass er die wichtigeren Texte verfasste. Während ich über Punk-Konzerte schrieb oder von sportlichen Demonstrationen berichtete, lieferte er intelligente Texte zum Zustand der Popkultur. Diesen Spagat konnte das Heft auf Dauer nicht aushalten.

Im Ventil-Verlag fand er eine literarische Heimat, dort wurden seine Sachbücher veröffentlicht. Bei seinem ersten Buch – »if the kids are united« – wurde ich im Vorwort zitiert, was ich als sehr schmeichelhaft empfand. Und auch wenn das viele Leute anzweifelten: Er hat seine Herkunft aus »der Szene« nie verleugnet.

Vor einigen Tagen wäre Martin Büsser tatsächlich fünfzig Jahre alt geworden. Aus diesem Grund haben seine Kollegen im Ventil-Verlag ein Buch veröffentlicht, das viele der Texte des Autors zusammenfasst. Mal schauen, ob ich mir das zulege – eigentlich müsste ich ja ...

19 Februar 2018

Relikt aus der Frühzeit

(Um es vorwegzunehmen: Dieser Text wurde im Jahr 2000 in meinem Fanzine ENPUNKT veröffentlicht. Es bietet sich an, ihn nach all den Jahren mal wieder aus der Versenkung zu holen.)

Mein Gott, es gibt sie noch! Das war mein erster Gedanke, als ich die Gerüchte hörte, die Würmtal-Zecken hätten sich für ein Konzert zusammengetan. Das stimmte leider nicht, aber jetzt gibt es eine Platte, auf der die sagenumwobenen Aufnahmen von 1981 enthalten sind. Und ich bin völlig begeistert!

1981 war ich natürlich noch kein richtiger Punkrocker (wobei sich eh die Frage stellt, ob ich das jemals war, aber die Beantwortung überlasse ich der Geschichte). Aber von WTZ, den Würmtal-Zecken, hatte man auch in meinem Dorf schon irgendwann mal gehört. Im »Schwarzwälder Boten« gab es einen Artikel über diese Band, bei deren Auftritten es angeblich immer Randale gab – sie spielten mal im Jugendhaus in Calw, und dabei kam es zu größeren Ausschreitungen.

Leider schafften es die Würmtal-Zecken nie nach Freudenstadt ins Jugendzentrum. Bis ich anfing, in dem Laden selbst Konzerte zu veranstalten, hatte sich die Band leider bereits aufgelöst. Aber einmal sah ich sie ... es muss so im Sommer 1982 gewesen sein, und zwar im Jugendzentrum in Renningen.

Dort besuchte ich damals Günther Freunek, es war eine absolut lästige Tramperei quer durch den Schwarzwald (über Altensteig und Calw und schauderhafte andere Kleinstädte und Käffer), ich brauchte einen halben Tag für schlappe sechzig Kilometer, und als ich ankam, musste ich erst einmal drei, vier Dosen Bier allein trinken.

Günther war an diesem Wochenende ziemlich genervt von mir, aber er ertrug meinen Besuch einen langen Freitagabend lang und einen ganzen Samstag über. Dass mich seine Eltern am Sonntag nicht mehr auch nur eines Blickes würdigten, wunderte mich dann natürlich nicht. Na ja, so richtig schlau waren wir damals alle nicht.

Auf jeden Fall pilgerten wir am Samstagabend dann ins Jugendhaus in Renningen, wo unter anderem die Würmtal-Zecken spielen sollten. Günther besuchte sein erstes Punk-Konzert an diesem Abend, und es sollte wohl so ziemlich sein letztes sein – ach nein, zwischendurch sah er sich auch mal gezwungenermaßen Sound Of One Hand im Freudenstädter Jugendzentrum an. Und ich war so aus dem Häuschen, dass ich mir innerhalb kürzester Zeit ganz viel Bier hinter die Binde schüttete.

Man muss sich das mal vorstellen: Renningen ist eine typische Kleinstadt, eine bessere Daimler-Benz-Siedlung – und dort fielen an diesem Abend einige völlig besoffene Punks ein. Die örtliche Jugend, die mangels Alternative ebenso auf dieses Konzert ging wie einige Punks aus dem Stuttgarter Umfeld, reagierte teilweise begeistert, teilweise abgestoßen. Ich war völlig begeistert, freute mich über die Frisuren und ärgerte mich, dass ich keine Nietenlederjacke hatte. Die Band selbst war nicht so besonders, fand ich, aber es war ein klasse Abend.

Ich schrieb darüber einen Bericht in meinem Fanzine Der Freak, das ich zu dieser Zeit herausgab. Das Ding wurde damals in der Schule (Eduard-Spranger-Gymnasium oder so) in Freudenstadt mit Hilfe eines Umdruckers (so ein Matritzen-Gerät) kopiert und an Freunde und Bekannte verschickt. Ich selbst habe leider keine Ausgabe mehr davon, sonst würde ich hier den entsprechenden Bericht kopieren. Falls jemand noch so ein Mini-Fanzine hat (vier oder sechs Seiten Umfang!), möge er oder sie es bitte kopieren und mir zusenden!

Tatsache ist, dass es jetzt von dieser großartigen Band jener frühen Tage einige Aufnahmen gibt, die 1981 eingespielt und 1999 wieder aufgefunden und neu abgemischt wurden. Grandios! Und die Leute vom Plastic Bomb, die sich natürlich an solchen ollen Kamellen erfreuen, haben daraus eine Platte gemacht, die es auf CD und auf LP gibt. Ich bin begeistert und kann diese Platte nur allen ans Herz legen, die ein Herz für alten Deutschpunk haben. So muss er klingen, denn so klang es 1981!

Das einzige, was mir zu meinem Glück noch fehlt, ist ein Auftritt von WTZ – am besten im Jugendhaus in Renningen. Ob das noch steht?

18 Februar 2018

Als das schöne Geld futsch war

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

Meine Mutter nahm mich beiseite. Es war, als wollte sie nicht, dass meine Schwester und mein Vater mitbekamen. Sie wirkte verunsichert, und sie wollte meinen Rat.

»Guck mal«, sagte sie, als wir im Wohnzimmer standen. Sie hielt mir das Schreiben einer Bank entgegen. »Das haben die mir geschrieben.«

Ich betrachtete das Schreiben. Es war eine Information zum Stand irgendeines Fonds, von dem sie Anteile gekauft hatte. Wir schrieben den Sommer 2001, und mir wurde schnell klar, was geschehen was.

Meine Mutter hatte Tränen in den Augen. »Heißt das, mein Geld ist nur noch so wenig wert?«

Ich nickte. »Wieso hast du denn Fonds-Anteile gekauft?«, fragte ich sie vorsichtig. »Das ist doch voller Risiko.«

Sie hatte es nicht gewusst. Irgendwann in den späten 90er-Jahren war ein Sparbrief, den sie jahrelang besessen hatte, ausgelaufen. Ein enger Verwandter, der sich angeblich »gut mit Geld« auskannte, hatte meiner Mutter empfohlen, 10.000 Mark in einen speziellen Fonds anzulegen. Das bringe gutes Geld.

Ich versuchte ihr zu erklären, was ein Fonds eigentlich sei. »Das sind Aktien, und die steigen halt mal, und sie fallen mal. Und derzeit stecken wir in einer Aktienkrise. Sie haben an Wert verloren – damit auch dein Anteil.«

Sie starrte auf den Brief und weinte. »Das schöne Geld.« Sie war echt verzweifelt.

Ihr Fonds hatte deutlich an Wert verloren. Von den 10.000 Mark, die sie sich als Putzfrau, als Hilfsarbeiterin in der Fabrik und noch früher als Waldarbeiterin buchstäblich vom Mund abgespart hatte, damit sie »was im Alter« davon hatte, waren einige Tausender futsch. Sie hatte ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und eisern gespart.

Niemand in der Bank hatte ihr gesagt, was sie eigentlich kaufte. Jeder hätte merken müssen, dass sie keine Ahnung von Aktien und Fonds hatte. Meine Mutter hatte geglaubt, es sei eine »sichere Anlage«, so etwas wie ein Sparbuch oder ein Sparkassenbrief.

Ich versuchte ihr alles zu erklären, riet ihr dann sogar, das Geld »einfach mal liegen zu lassen«, weil sich die Lage sicher wieder entspannen würde. Ob sie es in ihrer Verzweiflung verstand, war mir nicht sicher. (Der Fonds verlor übrigens weiter an Wert. Mein Rat war also nicht sonderlich gut.)

Ich informierte sie nicht darüber, dass die Bankangestellten für die Nichtberatung eine fette Provision eingestrichen hatten. Meine Mutter, die nie einen Beruf gelernt hatte, die direkt nach dem Krieg – als Mädchen – angefangen hatte, im Wald zu arbeiten, die nie viel Geld besessen hatte, die stets gespart hatte, war schlichtweg betrogen worden. Von seriösen Männern mit Anzug und Krawatte

(Wahrscheinlich hatte sie den Bankangestellten erzählt, sie wollen diesen und jenen Fonds kaufen. Die hatten sie nicht beraten und nicht über die Risiken informiert, sondern ihre 10.000 Mark in den Fonds angelegt. Hätte meine Mutter gewusst, was Fonds und Aktien sind, hätte sie das nicht getan.)

Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder beruhigte. Später gingen wir zu den anderen, wir taten so, als sei nichts passiert. Aber es gibt Gründe, warum ich Bankberatern grundsätzlich misstraue ...

14 Februar 2018

Ein abgefahrener Roman über die 90er-Jahre

Es gibt immer wieder Bücher, die ich mir kaufe, die dann aber in einem Stapel versacken. So geschah es mit »Zeitgeist«, einem Roman des amerikanischen Schriftstellers Todd Wiggins. Das Buch erschien 1996 in den USA, wurde 1999 in deutscher Sprache veröffentlicht und von mir etwa im Jahr 2000 gekauft.

Seither nahm ich es immer wieder in die Hand, wollte es lesen und legte es wieder weg. Weil ich es aber cool fand, gab ich es nie in eine Büchersammlung, sondern behielt es. Bis ich es dieser Tage dann doch auspackte ...

Um es vorwegzunehmen: Sicher muss man »Zeitgeist« nicht gelesen haben. Der Roman spielt mit popkulturellen Themen, zeigt ein breit angelegtes Bild der Vereinigten Staaten und erzählt vor allem eine ziemlich abgefahrene Geschichte, die – streng genommen – eigentlich Science Fiction ist. Die Ereignisse, die in diesem Buch nämlich für Ende 1999 prognostiziert werden, haben so nie stattgefunden, spielen also in einem parallelen Universum mit unterschiedlicher Geschichte.

Die Handlung läuft auf zwei Ebenen ab: Die eine ist die einer ich-erzählenden Edelprostituierten, die eigentlich Schriftstellerin werden wollte – sie erzählt die andere Handlung. In dieser sind vier unterschiedliche Menschen auf dem Weg von New York nach Kalifornien: ein schwarzer Hacker, ein britischer Journalist, eine kampfbegeisterte Lesbe und ein durchgeknallter Pfarrer.

Auf ihrem Weg erleben sie allerlei schräge Dinge, stoßen auf fanatische Christen und werden am Ende von der Polizei gejagt. Dazwischen paaren sich abgefahrene Dialoge, viele Schießereien und der Beginn eines Aufstandes der Afroamerikaner. Und wem das nicht reicht, bekommt noch reichlich abgefahrene Szenen, die man sich in einem »verdrogten« Film gut vorstellen kann.

»Zeitgeist« ist ziemlich cool. Aber es leuchtet ein, dass aus diesem Roman kein Bestseller werden konnte: Streckenweise wirkt er ein wenig wirr, manchmal hätte man ihn kürzen sollen, vor allem bei einigen ausufernden Dialogen, und ob die ausführliche Schilderung einer Vergewaltigung wirklich sein musste, möchte ich bezweifeln. Aber wer sich auf die schrägen Gedankenbilder einlässt, die Todd Wiggins in seinem Roman erzeugt, kommt sicher auf seine Unterhaltung.

Das Problem dürfte sein, diesen Roman irgendwo zu bekommen. Seit 2000 ist eine lange Zeit vergangen, und er dürfte auch »aus zweiter Hand« nur schwer zu finden sein. Wer ihn in die Finger bekommt, sollte zugreifen und einen Blick riskieren.

Er wird mit einem außergewöhnlichen Roman belohnt, der die 90er-Jahre in einem anderen Blick erscheinen lässt. Ich bin mir übrigens noch nicht ganz sicher, ob ich ihn ins Science-Fiction-Regal oder zur Popliteratur stellen soll ...

Fuchtelnder Redakteur

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Die Autorenkonferenz ist für die Schriftsteller, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite, und für mich als Redakteur schon immer eine gute Gelegenheit, Ideen auszutauschen, konstruktiv zu streiten und gemeinsam in die Zukunft zu blicken. Es gehört zur guten Tradition, zu vorgerückter Stunde noch mit dem einen oder anderen Getränk an der Bar zu sitzen. Wobei heutzutage viel weniger Alkohol getrunken wird als früher ...

Das Bild zeigt mich im Gespräch mit drei Autoren; es wurde am späten Dienstagabend aufgenommen. Was genau ich mit meiner Handbewegung sagen möchte, weiß ich leider selbst nicht – es ging sicher nicht um eine Größenangabe. Wahrscheinlich fuchtelte ich einfach in der Gegend herum, im steten Bemühen, meine Geschichten durch wilde Gesten zu unterstreichen.

Auf dem Bild sieht man übrigens die Autoren Uwe Anton (links mit Mütze), Christian Montillon (halb verdeckt) und Kai Hirdt (rechts im Bild). Offensichtlich mache ich mit den Händen etwas, das sie fasziniert; sie schweigen und wirken fast andächtig. Es kann aber auch sein, dass sie kurz vor dem Einschlafen sind, weil ich langweiliges Zeugs erzähle ...

13 Februar 2018

Fasching im Jahr 2018

Seit im Sommer 2017 für uns das »normale« Fernsehen abgeschaltet wurde, haben wir kein Fernsehprogramm mehr. Wir gucken uns DVDs an und streamen ab und zu etwas. Das hat mittlerweile Auswirkungen, auf die wäre ich früher nicht gekommen. In diesen Tagen fällt mir eines ganz besonders auf.

Ich bekomme von Fasching oder Karneval oder Fasnet nichts mit. Früher konnte man dem bunten Treiben nicht entgehen, weil es in den Nachrichten kam oder eine Sondersendung nach der anderen gezeigt wurde. Jetzt erfahre ich davon ein wenig aus der Zeitung, oder ich höre davon, sehe vielleicht mal ein Plakat an der Straße – das war's.

Keine Pappnasen mehr zur besten Sendezeit. Keine singenden und schunkelnden Besoffenen. Keine albernen Witze mit »Tärä«-Getröte. Nichts dergleichen.

Und ich stelle fest, dass ich schlagartig tolerant werde. Ich schimpfe nicht mehr über Fasching, ich finde es auf einmal gar nicht mehr schlimm. »Aus den Augen, aus dem Sinn« – zum wiederholten Mal stelle ich fest, wie schön es sein kann, keinen Fernseher zu haben oder zumindest kein aktives Programm.

12 Februar 2018

Drei Kinder auf einem Floß

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

Wir waren zu dritt auf dem Floß; langsam bewegten wir uns voran. Ausdauernder Regen hatte dem Tümpel im Gelände der alten Lehmgrube viel Wasser hinzugefügt, so dass ein See entstanden war, der den Kindern unseres Alters als großzügiger Raum für Abenteuer diente. Und so hatten wir die Chance genutzt, dass einmal keine Zehn- oder Elfjährigen unterwegs waren, und hatten uns auf das Floß gestellt.

Vorsichtig stakten wir durch den See. Wir benutzten alte Dachlatten, die jemand in das Gelände geschleppt hatte. Das Floß bestand aus Brettern und Kanthölzern, darunter hatte jemand große Styroporblöcke geklemmt. Es war eine wackelige Angelegenheit, und wenn man nicht aufpasste, kippte man ins schmutzige Wasser – aber man konnte damit fahren.

Wir hörten ein Auto, das sich näherte. Es fuhr an den oberen Rand des Geländes; dort stieß der See an den Rand des Waldes. Das Auto hielt an, jemand stieg aus. Kurz erschraken wir, dann aber beruhigten wir uns. Es war kein Erwachsener, der uns anschreien wollte. Wäre das so gewesen, hätte er sich mit energischen Schritten auf uns zubewegt.

Die Erwachsenen wussten von dem See und dem Floß und den Kämpfen, die wir auf den wackeligen Dingern und am See austrugen. Aber sie schienen solche Ereignisse auszublenden.

Wenn sich Kinder gegenseitig ins Wasser stießen oder die Gesichter mit Lehm einschmierten, war das ihr Problem. Kamen sie schmutzig heim, gab's eine Tracht Prügel, zu Beginn der 70er-Jahre in allen Haushalten, die ich kannte, eine gängige Praxis, über die sich niemand aufregte.

Wir hielten mit dem Floß an der Stelle an, wo der See einen Knick hatte. Vorsichtig spähten wir um die Ecke, hinter der Steilwand aus Lehm und Steinen versteckt. Über uns neigten sich einige Bäume bedenklich in die Tiefe; wenn es bald wieder regnete, würde sicher einer von ihnen nach unten rutschen.

Wir sahen einen Mann in Arbeiterkleidung: Latzhose, Pullover, Stiefel, eine Mütze auf den grauen Haaren. Ich kannte ihn, es war der alte Mattes aus unserer Nachbarschaft. Er trug einen Sack in der Hand. Vorsichtig näherte er sich dem Ufer des Sees. Man merkte, dass er sich nicht gut auskannte – als Erwachsener wusste er nicht, auf welche Steine man zu treten hatte.

Als er das Ufer erreichte, hielt er inne, nahm den Sack am oberen Ende. Etwas schien sich darin zu bewegen.  Er hob ihn hoch über seinen Kopf und schmetterte ihn auf Stein, einmal, zweimal, dreimal. Dann nahm er den Sack am anderen Ende, schüttelte ihn und ließ seinen Inhalt ins Wasser fallen.

Atemlos sahen wir dem Mann zu. Wir blieben hinter der Kante, bis er zu seinem Auto gegangen und weggefahren war. Von unserer Position aus sahen wir das Auto an uns vorbeirollen. Dann stakten wir zu der Stelle hinüber, an der vorher der Mann gestanden war.

Im schlammigen trieben die zerschmetterten Körper von vier kleinen Katzen. Wir starrten darauf, wir sagten kein Wort. Dann stakten wir zurück zu der Stelle, wo das Floß leicht ans Ufer gezogen werden konnte. Niemand sagte etwas.

So begann für mich der Sommer 1972.

09 Februar 2018

Vorlesetexte zum Selbstlesen

Ich habe Volker Strübing noch nie live gesehen. Der Mann ist vor allem auf Lesebühnen und bei irgendwelchen Festivals unterwegs, bei denen er auftritt und seine Texte zum Besten gibt. Mit der Bemerkung »Du liest doch auch mal etwas Witziges« bekam ich sein Buch »Ein Ziegelstein für Dörte« in die Hand gedrückt.

Streng genommen ist es kein Buch: Es ist eine Sammlung mit Kurzgeschichten, dazu gibt es eine CD, die allerlei Hörbeispiele enthält. Und ich stelle fest: Der Mann ist auf der Bühne sicher eine Wucht; hat man die CD gehört, lesen sich die Kurzgeschichten ganz anders.

Strübing macht das, was viele Kabarettisten machen: Er erzählt aus seinem angeblichen Leben, nimmt also Dinge aus der Wirklichkeit und verfremdet sie. Das ist zum Schreien komisch, wenn er beispielsweise von einer Bahnfahrt berichtet, die er durch allerlei Skurrilitäten bereichert, oder wenn er von seiner Vorliebe für »Fleischsalat« erzählt.

Nicht alle Witze funktionieren, manche sind vor allem nur live wirklich gut. Zum Selbstlesen taugen seine Vorlesetexte auch: Ich las das Buch nicht am Stück, sondern nahm mir immer mal wieder eine seiner Kurzgeschichten vor.

Fast schon Phantastik-Charakter hat dabei der Text-Zyklus »Ein deutsches Leben«, der mit »Treibgut auf dem Meer der Einsamkeit (1971 – 84)« beginnt und sich bis in die aktuelle Zeit erstreckt. Immerhin war seine Kindheit sehr traurig und bestand »aus feuchten Wänden und trocken Brot«. Entsprechend abstrus lesen sich die weiteren Texte aus seinem fiktiven Leben.

Der Humor ist schwarz, manchmal ein wenig daneben, nicht immer politisch korrekt, meist aber mit einem gelungenen Blick auf allzumenschliche Probleme. Ich habe das Buch sehr gern gelesen, glaube aber, dass der Autor vor allem live überzeugt.

(Wer einen Vergleich sucht: Die »Känguru«-Bücher von Mark-Uwe Kling sind vor allem dann klasse, wenn man den Autor einmal live gesehen hat, funktionieren aber darüber hinaus ebenfalls sehr gut. Die Strübing-Texte sind nicht so gut, machen aber ebenfalls Spaß.)

Deutschsprachiger Humor also, mehr Comedy als Kabarett, nicht unbedingt tagespolitisch, sondern eher »alltagskulturell« – Volker Strübing werde ich mir merken. (Das Buch »Ein Ziegelstein für Dörte« erschien als Taschenbuch plus CD im Verlag Voland & Quist.)

Little Eye machen Hüpfmusik

Die Band Little Eye stammt aus Schottland, existiert seit 2008 und ist auf der Insel schon ziemlich bekannt. Man spielt IndieRock, wie er seit zehn Jahren immer wieder aus Großbritannien kommt, und das scheint ganz erfolgreich zu sein: Die Band spielt auf diversen Festivals und ist auch genau für dieses Publikum ausgelegt.

Ich habe die CD »Dreamers« gehört, die zum Jahreswechsel 2016/2017 erschienen ist und fünf schmissige Stücke enthält. Wer gemein sein möchte, bezeichnet die Musik der Band als »Disco-Rock«; es ist die Art von Rockmusik, die in den 80er-Jahren ganz regulär in Diskotheken lief und von Bands wie Foreigner und Toto kam. Heute läuft das unter IndieRock.

Seien wir nicht zu streng: Die schlimmsten Rock-Klischees werden vermieden. Die Melodien sind schmissig, sie dürften ein Konzert- oder Festival-Publikum rasch in Bewegung versetzen. Gelegentlich wummert der Bass, meist aber sind die Melodien geschliffen und der Ausdruck bleibt sehr pop-rockig. Aufregend ist das nicht gerade.

Wer Rockmusik mag, wie man sie zu Beginn der 80er-Jahre gern gehört hat, der ist bei der Band auf jeden Fall gut aufgehoben. Und wer eine coole Hüpfmusik für die Festival- und Party-Saison des Jahres 2018 sucht, sollte sich Little Eye auf jeden Fall mal anhören. Massentauglich ist die Band allemal, was ich hier ausnahmsweise nicht negativ meine.

08 Februar 2018

Eine Geschichte aus Bekassan

Ende 1979 kam ich in Kontakt zum sogenannten Fandom, der Szene von Science-Fiction- und Fantasy-Fans. Ich bestellte die ersten Fan-Zeitschriften, lernte einige Fan-Vereinigungen kennen und publizierte Texte. Innerhalb von wenigen Monaten wurde ich ein aktiver Fan, der sich an vielen Publikationen beteiligte.

Einer der Vereine, dem ich beitrat, war der Erste Deutsche Fantasy Club e.V. (EDFC). Wie genau er mit der phantastischen Welt Magira und der Gruppierung FOLLOW zusammenhing, muss ich mal an anderer Stelle erläutern. Kurz gesagt: Mithilfe von FOLLOW simuliert der Verein seit den späten 60er-Jahren die phantastische Welt namens Magira. Und jedes FOLLOW-Mitglied – ein sogenannter Follower – ist zugleich ein Bewohner von Magira.

Warum ich ausgerechnet zu einem Schwarzafrikaner wurde – dem ersten in der langen Geschichte des Vereins –, ist heutzutage schwer nachvollziehbar. Mein Kunstname war Ghazir en Dnormest, ich schloss mich dem Volk der Esraner an. Es wurde eine nordafrikanische Kultur simuliert, deren religiöse Züge entfernte Ähnlichkeit mit dem Islam hatten.

Um die lange Geschichte abzukürzen: Wie es sich gehörte, schrieb ich eine Geschichte, in der ich meinen FOLLOW-Charakter vorstellte. Ghazir en Dnormest wurde von mir als »Sheik« eines kleinen Wüstenstammes eingeführt, der sein Geld eigentlich damit verdient, dass er irgendwelche Salzbergwerke unterhält und mit dem Salz fleißigen Handel treibt.

Meine Geschichte trug den Titel »In den Salzstöcken von Bekassan«; ein typisches Sword-and-Sorcery-Abenteuer, das sogar einige humoristische Züge aufwies. Ansonsten schilderte ich eine Begegnung mit dem Unbekannten, es gab einige Kämpfe und am Ende natürlich ein relativ gutes Ende.

Veröffentlicht wurde die Geschichte irgendwann im Spätsommer 1980 in einem Fanzine namens »Wüstenkurier«, das in West-Berlin produziert wurde. Ich war sehr stolz auf die Geschichte und bekam von einigen Leuten auch einiges Lob dazu.

Wie ich darauf komme? In diesen Tagen kramte ich die Story endlich einmal heraus, um sie für mein geplantes Buchprojekt mit alten Fantasy-Geschichten anzuschauen. Sie wird – wenn es ein solches Buch jemals geben wird – sicher neu veröffentlicht werden. Damit würde ich die Wüste von Bekassan nach bald vierzig Jahren wieder in Erscheinung treten lassen!

07 Februar 2018

Dan Brown trifft Manga-Stil

Warum sollte das im Comic nicht auch gut funktionieren: Die Jagd nach dem Heiligen Gral fasziniert die Leser von Verschwörungs-Thrillern à la Dan Brown, sie hat im Kino für große Erfolge gesorgt. Dazu kommt das Judas-Geheimnis, es gibt halbwegs bekannte Schauplätze wie den Irak oder den Vatikanstaat, und es treten diverse religiöse Orden auf – fertig ist ein Gebräu, das bei entsprechender Dosierung einfach funktionieren muss. Und es funktioniert selbstverständlich auch im Comic ...

Bereits sechs Bände sind von der Comic-Serie »Cross Fire« erschienen; Grund genug, zumindest mal einen Blick darauf zu werfen. Hauptfiguren sind ein junger Killer der Mafia sowie eine junge, sehr attraktive Frau, die als Geheimagentin für einen Kardinal arbeitet. Beide müssen zusammen arbeiten, beide kümmern sich künftig um Geheimnisse der Kirche, die teilweise seit 2000 Jahren bestehen und die eifersüchtig gehütet werden.

Dabei wird viel geballert und gebombt, ständig herrscht Action. Als ernsthafter Krimi funktioniert das Ganze ebensowenig wie als ernsthafte Science Fiction. Das war sicher auch nicht die Absicht des Kreativduos Jean-Luc Sala als Autor und Pierre-Mony Chan und Zeichner. Die beiden wollten offenbar vor allem eine rasante Geschichte erzählen, die bewusst mit Elementen von Dan Brown spielt, aber die Verwandtschaft mit Indiana Jones und Lara Croft nicht verneinen kann.

Die Frauen in diesem Comic sind alle extrem langbeinig, großbrüstig und schmalhüftig; dazu kommen riesengroße Augen. Vor allem hier zeigt sich deutlich der Manga-Einfluss, ebenso bei den Speedlines, die alle Action-Szenen mit übertriebener Dynamik illustrieren. Wer damit ein Problem hat – und das wäre durchaus nachvollziehbar –, muss die Finger von »Cross Fire« lassen.

Wer auf Verschwörungstheorien steht, rein fiktional natürlich, sollte einen Blick wagen. Auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages stehen ja haufenweise Leseproben zur Verfügung; das gibt einen guten Einblick. Und wer Lust darauf hat, eine schnell erzählte Comic-Geschichte kennenzulernen, die sich schon sehr stark von den klassischen frankobelgischen Geschichten unterscheidet, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.

Ich finde »Cross Fire« cool – ein Comic, der aktuell und modern ist, ohne sich zu sehr an den Zeitgeschmack anzubiedern.

06 Februar 2018

Gefährliche Expedition in die Pfalz

Die aktuelle Ausgabe des OX-Fanzines ist erschienen. Es handelt sich um die Nummer 163; auf dem Cover sind die Damen und Herren von The Baboon Show in lasziver Pose zu sehen. Und ich bin als Autor mit der aktuellen Folge meines Fortsetzungsromans vertreten.

»Der gute Geist des Rock'n'Roll« ist damit schon in die elfte Runde eingetreten. Ich bin selbst immer baff, wenn ich feststelle, wie schnell so eine Veröffentlichung durchrattern kann. Sieht man davon ab, dass ich mir stets selbst einen Zeitdruck verschaffe, macht mir das Schreiben der Serie nach wie vor großen Spaß.

Diesmal ist der Held meines Romans auf einer gefährlichen Expedition unterwegs. Man hat die beschauliche Stadt verlassen, in der Peter Meißner sonst wohnt, ist über den Rhein gefahren und versucht in der Pfalz nun, irgendwelchen Nazis einige pädagogische Schläge auf den Hinterkopf zu verpassen. Und natürlich geht nie alles so aus, wie es sich der Held des Romans so vorstellt ...

Zufälligerweise ist Peter Meißner so alt wie ich. Aber dann hören die Ähnlichkeiten auch fast auf. 1996 arbeitete ich nicht als Grafiker in einem Anzeigenblatt, sondern als Redakteut in einem Zeitschriftenverlag.

Ansonsten gibt es doch die eine oder andere Überschneidung. Aber diese Details sollen meinetwegen in hundert Jahren irgendwelche Germanistik-Studenten herausfinden.

05 Februar 2018

Immerhin auf der Longlist

Zwar glaube ich nicht daran, dass ich eine ernsthafte Chance habe – die Konkurrenz an richtig guten Romanen ist einfach sehr groß –, aber ich habe mich sehr darüber gefreut, zumindest bei der »Longlist« zu landen. Gemeint ist die Liste im Bereich »bestes Buch« der phantastischen Literatur, die für die weitere Wahl des Seraph-Jury ausgewählt wurde. Ich empfinde das als schöne Auszeichnung für meinen Roman »Das blutende Land«.

Dass mir die Jury den »N.« – sprich »Enpunkt« – bei meinem Namen geklaut hat, werde ich wohl überleben. Aber das Buch wäre ja auch fast ohne dieses Mittel-Initial gedruckt worden; bei Droemer-Knaur mochte man den »N.« wohl nicht so gern. Die Phantastische Akademie ordnet sich hier also ins Gesamtbild ein ...

Ich werde in diesem Jahr auf der Leipziger Buchmesse sein. Wie ich mein Glück kenne, bekomme ich die Preisverleihung dann wieder aus der Ferne mit. Aber den Gewinnerinnen und Gewinnern möchte ich dennoch gratulieren!


Rezensionen mit unterschiedlicher Gewichtung

Ich erlaube mir, an dieser Stelle auf zwei neue Rezensionen zu meinem Fantasy-Roman »Das blutende Land« hinzuweisen. Sie sind nicht euphorisch ausgefallen – aber das macht nichts. Jede Rezensentin und jeder Rezensent haben sich schließlich intensiv mit meinem Roman beschäftigt, und das finde ich gut.

Im Internet-Portal »Literatopia« betrachtet Nicole Troelenberg durchaus kritisch über meinen Roman. Sie schreibt etwas, das ich mittlerweile sehr oft gehört habe: »... da die drei erwähnten Charaktere alles andere als sympathisch gestaltet sind.« Die Hauptfiguren seie alle um ihr »eigenes Wohlergehen, um ihren Aufstieg und ihre Befehle besorgt und scheren sich nicht um das Leid anderer«.

Ihr Fazit ist dann nicht so positiv: »Erst in der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte Fahrt auf und nimmt den Leser mit in eine schroffe Welt voll uralter Magie, selbstsüchtigen Herrschern und eilfertigen Söldnern, deren Mangel an Vernunft das Land in den Untergang zu stürzen droht.« Mein Werk sei sicher »kein schlechter Roman«, habe »aber nur einen Platz im Mittelfeld«.

Eine vom Stil und vom Inhalt her spannende Rezension fand ich auf der Seite »Der weiße Drache«. Der Rezensent hat eine ungewöhnliche Art, über das Buch zu schreiben; sie erinnert mich an die subjektive Art von Rezensionen, die ich vor allem von Punkrock-Fanzines her kenne. Das ist außergewöhnlich und macht Spaß.

Der Rezensent meint, »das blutende Land« sei auch unser Land. »Fantasy-Literatur ist immer ein Spiegel unserer Zeit und Klaus hat das, messerscharf, umgesetzt.« Ich hätte »richtig gute Arbeit geleistet« und mich dafür empfohlen, »dass man sein Buch auch inhaliert«. Nun denn ...

04 Februar 2018

Das Leben ist ein Fest – im Film

Der neue Spielfilm aus Frankreich heißt »Das Leben ist ein Fest«, und ich habe ihn gestern abend im Kino gesehen. Um es vorwegzunehmen: Es ist kein Film, den man gesehen haben muss, aber wenn man für eineinhalb Stunden einen Film sehen möchte, der einen rundherum gut unterhält, der nebenbei ein schönes Bild unserer Zeit vermittelt und richtig gut gemacht ist – dann ist dieser Streifen echt gut geeignet.

Die Hauptperson ist Max, ein Mann, der Hochzeiten plant und organisiert. Es geht um eine einzige Party, die in einem alten Schloss abzulaufen hat.

Doch nichts klappt so richtig: Seine Stellvertreterin verträgt sich nicht mit den Musikern, es gibt Probleme mit dem Essen, und einige der Hilfskräfte haben keine Ahnung von dem, was sie tun sollen. Darüber hinaus hat Max sowohl Probleme mit seiner Ehefrau als auch mit seiner Geliebten, und der Bräutigam stellt sich als ein eingebildeter Kotzbrocken heraus.

Die Macher, die auch für »Ziemlich beste Freunde« verantwortlich waren, packen verdammt viel Stoff in ihren Streifen. Neben der Geschichte von Max erzählen sie noch gut ein Dutzend weiterer Geschichten, die alle parallel laufen, die alle miteinander zusammenhängen und die alle in diesem Schloss zu einem gewissen Abschluss kamen. Als Zuschauer lacht man oder man freut sich mit den Leuten, man ist entsetzt, wenn etwas schiefgeht, und man freut sich, wenn dann doch das Gute siegt.

Klar, es gibt sicher gute Gründe, so einen Film doof zu finden. Kann man ernsthaft über flache Gags lachen, wenn die Wirklichkeit so traurig und ernsthaft ist? Ja, man sollte das sogar.

Zudem ist »Das Leben ist ein Fest« ein Film, der verdammt viel über unsere Wirklichkeit aussagt, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu winken: Ganz nebenbei geht es um illegale Beschäftigung, die Tricks bei Veranstaltungen, den Snobismus der Oberklasse und die vielen kleinen Lügen, die offenbar jeder mit sich und seiner Umwelt ausmacht.

»Das Leben ist ein Fest«, der mich richtig gut unterhalten hat. Ob man ihn jetzt im Kino sehen muss, weiß ich nicht. Aber manche Bilder sind auch in diesem Streifen so, dass sie auf der großen Leinwand einfach toll sind, während sie auf dem Bildschirm halt einfach nur lahm sein dürften. Meine Empfehlung: reingehen!

03 Februar 2018

Ein Schwerpunkt zum Thema Plagiate

Die Zeitschrift »Federwelt« erscheint alle zwei Monate. Man könnte meinen, das reicht, um sie regelmäßig zu lesen. Doch Fehlanzeige!, ich hinke ständig hinterher. So schaffte ich es erst dieser Tage, die Ausgabe 127 zu Ende zu lesen – und diese flatterte mir im Dezember 2017 ins Haus.

Wie so oft, gab es auch in dieser Ausgabe viele Dinge, die mich interessierten. Die »Zeitschrift für Autorinnen und Autoren« liefert immer wieder Themen, die ich als Redakteur spannend finde, ebenso als Gelegenheitsautor. Und wenn es nur Anregungen sind, über die ich nachdenken und mit denen ich Ideen weiterspinnen kann ...

Auf den 68 Seiten der Dezember-Ausgabe bilden Plagiate ein echtes Schwerpunkt-Thema. Offenbar hat vor allem unter Selfpublishern die Tendenz zugenommen, gnadenlos voneinander abzuschreiben. Entsprechende Beispiele liefern die Beiträge im Magazin, ebenso gibt es rechtliche Informationen – unter anderem gibt ein Rechtsanwalt einige Auskünfte.

Darüber hinaus beschäftigt sich das Heft mit Stipendien oder über die Möglichkeiten, im Lokalbereich für sich als Autor oder Autorin aufmerksam zu machen. Es gibt Textkritik – diesmal die »literarische Kurzgeschichte« und Überlegungen zur heutigen Lyrik.

Alles in allem eine unglaublich bunte Mischung! Anke Gasch als Chefredakteurin setzt die gute Arbeit ihrer Vorgängerinnen und Vorgänge fort; ich mag das Heft sehr, auch wenn ich es selten schaffe, eine Ausgabe komplett zu lesen. (Checkt die Internet-Seite!)

02 Februar 2018

Harter Kampf beim Bäcker

Ich wohne in Karlsruhe, wo ich theoretisch eine große Auswahl an Bäckereien habe. In der Innenstadt wimmelt es von den großen Bäckerei-Ketten wie etwa der »Badischen Backstube« oder sogenannten Back-Shops (wenn man das englisch ausspricht, klingt es gleich viel lustiger). Diese Läden meide ich, wenn möglich, und ich kaufe normalerweise auch nicht in den Bäckereien ein, die den Supermärkten angegliedert sind. Ich finde die gebotenen Backwaren qualitativ nicht gut.

Also steuere ich eine der Bäckereien an, die inhabergeführt sind und von denen es in direkter Nähe zu unserer Wohnung gleich mehrere gibt. Und dann hängt es einfach davon ab, wie gut oder wie schlecht meine Stimmung ist. Als beste Bäckereien in unserer Gegend gelten – zu Recht – die Bäckereien Lörz und Meier. Beide haben gleich mehrere Filialen.

Will ich es gemütlich haben, steuere ich die Bäckerei Meier an. Dort ist zwar viel los, aber die Schlange ist nicht lang. Oder ich setze mich aufs Rad, fahre einen Kilometer weiter und in den Ortsteil Mühlburg – dort ist in den Lörz-Filialen auch ein vergleichsweise normaler Betrieb.

Will ich aber so richtig aufgeweckt werden, will ich das pralle Leben spüren, dann steuere ich die Lörz-Filiale an, die uns am nächsten liegt. Dort stehen die Kunden echt Schlange, man kommt sich vor wie in der alten DDR. Die Schlange geht auf die Straße hinaus, bei Wind und bei Wetter steht immer gut ein Dutzend Menschen außerhalb des Ladens und wartet darauf, dass es hineingeht.

Dabei stehen hinter dem Tresen im Schnitt drei bis vier Personen, die den Verkauf abwickeln. Die Damen sind schnell, und sie sind energisch. Wer zu lang überlegt oder erst einmal eine Frage stellen möchte, hat echt verschissen.

Entsprechend hektisch geht es zu, die Rufe gellen kreuz und quer durch die überfüllte Filiale: »Was wellet Sie« oder »Sonsch no was?« sind Standardfragen. Als Kunde gibt man schnell und hektisch Antwort, Rückfragen werden ebenfalls quer durch die Filiale gebrüllt. Dann zahlt man flott, eilt hinaus ins Freie – damit der nächste Kunde seinen Platz in der Schlange verlassen und in die Filiale gehen kann.

Action, Spaß und Spannung: Andere Leute bezahlen viel Geld dafür, ich gehe einfach in die nächstgelegene Bäckerei.

01 Februar 2018

Tagen zwischen Reben

Nicht zum ersten Mal veranstalteten meine Kolleginnen und Kollegen zusammen mit mir eine Teamtagung – die fand dieses Jahr wieder im beschaulichen Örtchen Neuweier statt. Wer das nicht kennt, muss sich nicht grämen; es ist ein Dorf, das zwischen den Weinbergen liegt und in dem es eine Reihe von guten Restaurants gibt.

Wir tagten im »Rebenhof«, der wirklich optimal für solche Zwecke ist: Der Besprechungsraum ist für eine Gruppe unserer Größe optimal, es gibt ausreichend Parkplätze, und wer an die frische Luft will, hat zwischen Weinbergen und Schwarzwaldrand genügend Auslauffläche. Letztlich geht's darum, intensiv zu arbeiten, ohne von Termindruck-Telefonaten gestoppt zu werden.

Das Essen war typisch badisch: Es gibt halt viel mit Soßen, es gibt Spätzle und Maultäschle – aber wer auf eine gutbürgerliche Küche steht, ist hier bestens beraten. Als Vegetarier fristete ich kein Schattendasein, sondern bekam vernünftiges Essen auf den Tisch. Und weil wir in der Weinregion des Reblandes saßen, schmeckte auch der lokale Riesling echt gut.

Für einen besonderen Charme sorgen seit all den Jahren die Gänse, die offenbar als ein Ersatz für Hunde dienen müssen: Wer den Tieren zu nahe kommt, wird durchaus aggressiv angegangen. Deshalb riskierte ich es nicht, sie zu intensiv zu mustern, sondern schoss mein Romantik-Foto aus der Ferne ...