30 November 2005

Bottom Of The Hill

Obenstehende Ueberschrift ist zugleich der Name eines Konzertortes. In einer Gegend, in der es ausser Lagerhallen und flachen dunklen Wohnhaeusern nix gibt. Schon seltsam. Als der Bus an der Ecke hielt und ich ausstieg, hatte ich kurz ein bisschen Bammel. Dann aber sah ich das Schild des Ladens, und alles war gut.

Innendrin sieht Bottom Of The Hill angenehm verratzt aus. Eine Buehne, eine Theke, dazwischen abwaschbarer Boden und einige Barhocker. Vielleicht Raum fuer an die 200 Leute, maximal hundert sind da. Das ganze erinnert mich ein bisschen an die "Katakombe" in Karlsruhe; auch hier sind die Aufkleber im Klo schon Generationen uebereinander geklebt worden.

Die erste Band habe ich verpasst, ich zahle meine sechs Dollar Eintritt und bekomme die zweite Vorgruppe mit, die eben anfaengt, aber sich leider nicht vorstellt. Vier junge Typen aus San Francisco, die auf der Buehne ein grandioses Brett fabrizieren. Hardcore-Punk der klassischen D.O.A.-Schule. Einige Kids im Publikum huepfen auch mit und feiern die Band ab.

Enttaeuschend danach die Hauptgruppe. Die Lonely Kings kenne ich von ihrer Platte her. Live bieten sie eine musikalisch ueberzeugende Mischung aus Emopunk und metallischen Gitarren, schwer metallisch sogar. Dazu der Kreischgesang des Saengers, zwar gut gemacht, aber nicht jedermanns Geschmack. Der Saal leert sich.

Als die Band nach einer Dreiviertelstunde aufgibt, sind vielleicht noch 50 Leute da. Mir ist das insofern recht, denn jetzt muss ich in der stockfinsteren Gegend erstmal auf den Bus warten, um zurueck zu kommen.

Ging aber alles gut. Logo.

Der sich 'nen Wolf lief

Okay, der Titel ist eine Anspielung auf den Film "Der mit dem Wolf tanzt". Fuer diejenigen, die sich keine Anspielungen erklaeren koennen. Und damit koennte ich ja schon diesen Text hier beenden, weil schon klar sein muesste, auf was er rauslaeuft.

Heute erlief ich mir San Francisco. Zumindest den Downtown-Bereich. Waehrend es morgens noch nieselte, wurde es im Lauf des Tages richtig nett. Und nachdem ich meine nassen Klamotten von gestern im Waeschetrockner in einen trockenen Zustand versetzt hatte, war ich reif und bereit fuer lustige Erkundungen.

Telegraph Hill, North Beach, Fisherman's Warf (ich weiss, da geht man nicht hin, das ist nur fuer Touristen, aber ... hey, ich bin ein Tourist), Embarcardo (oder so), Farmer's Market, Financial District, Union Square, Nob Hill ...

Wer schon mal in San Francisco war, kann sich vorstellen, was ich alles gelaufen bin und alles gesehen habe. Wer noch nicht hier war, dem sei nur gesagt, dass ich mir die Innenseiten der Schenkel tatsaechlich ein wenig wundgescheuert habe. Na klasse!

Heute abend gibt es eine Sonderschicht Handcreme auf die Beine. Und morgen sitze ich faul im Bus und laufe nicht mehr so viel!

29 November 2005

Punkrock Sideshow

Das oertliche Kaeseblatt verordnet fuer den Montag abend eine Punkrock Sideshow in einem Laden, der sich Hemlock Tavern nennt. Bei schoenem Wetter ein Spaziergang von etwa zwanzig Minuten.

Bei Dauerregen wie heute nacht dauert es zwar nicht laenger, kommt einem aber ewig vor. Ich pitsche kilometerweit den Huegel hinunter, dann rechts und am Finanzzentrum vorbei einen weiteren Huegel hoch. Dann stehe ich vor dem Laden.

Dunkel ist er, eine riesige Bar im Zentrum, ein gigantischer Spiegel, in dem man sich betrachten kann. Es gibt sogar ein spezielles Raucherzimmer, voll verglast, in dem sich die Nikotinsuechtigen treffen. Meist gehen sie aber vor die Tuer und stehen unter dem Vordach.

Die Musik kommt von einem DJ, mit der faulste, den ich in meinem Leben kennen gelernt habe: Er spielt die erste Stunde im Prinzip nur die zwei Seiten einer alten Doppel-LP, die ich auch zu Hause stehen habe und die eben Punkrock- und Wave-Klassiker in fuerchterlicher Live-Qualitaet enthaelt. Dazu laeuft auf einer Leinwand eine ununterbrochene Vorfuehrung einer DVD in Schwarzweiss, alte Konzertaufnahmen englischer Bands.

So kommt es zur wunderbaren Parallelitaet: GBH toben zu "Sick Boy" vor einem voellig enthusiastischen japanischen Publikum, waehrend aus den Boxen das geniale "Uncontrollable Urge" von Devo droehnt.

Ansonsten ist nicht los. Einige Paerchen an Tischen, einige Maenner am Tresen. Der Laden fuellt sich nur langsam. Als ich um kurz vor Mitternacht gehe, sind vielleicht dreissig Leute da, und der DJ spielt einige aktellere Stuecke.

Mir steht noch ein Rueckweg durch den Dauerregen bevor, diesmal eine andere Strecke, ueber den fies ansteigenden und auf der anderen Seite noch fieser wieder ins Tal gehende Nob Hill hinweg. Fast waere ich auf der schmierig feuchten Strasse ausgerutscht.

Das haette noch gefehlt!

Regen und Nebel

Mark Twain hat angeblich mal gesagt oder geschrieben (jetzt nicht woertlich):

Der schlimmste Winter in meinem Leben war ein Sommer in San Francisco.

Keine Ahnung, wie hier die Sommer sind. Der Herbst ist auf jeden Fall recht grau und grauselig.

Es nieselt seit gestern abend ununterbrochen vor sich hin. Nebelschwaden ziehen ueber die Stadt hinweg, lassen die Spitzen der Hochhaeuser in einer grauen Suppe verschwinden. Nachts sieht das zwar ganz gut aus, aber tagsueber macht es einen duesteren Eindruck.

Die Leute im Caffe Trieste, in dem ich eben ein kleines Fruehstueck zu sich genommen haben, wirken - bei aller Intellektualitaet - eher muerrisch und nicht sehr froehlich. Kein Wunder angesichts des Wetters.

Ab Freitag soll die Sonne scheinen, sagt der Wetterbericht. Soll ich mir so lange die Pampe hier anschauen?

Jetzt in Frisco

Es geht schnell vorueber, so ein Urlaub. Das war der erste Gedanke, der mir heute morgen durch den Kopf ging. Na ja, der zweite wohl eher. Der erste ist wohl immer der nach der Uhrzeit.

Tatsache ist, dass heute bereits die letzte Woche angebrochen ist. Immerhin bin ich jetzt in San Francisco, zwischen den Vierteln Little Italy und Chinatown. Trete ich auf die Strasse, sehe ich rings um mich herum Striplokale, Bars und andere eher anruechige Etablissements.

Gehe ich ein wenig den Huegel hinauf, kann ich auf die Bucht gucken und die Bruecke nach Oakland sehen. Und gucke ich in die andere Richtung, sehe ich um diese Zeit bereits die hell erleuchteten Wolkenkratzer des Geschaeftszentrums, die durch die Nacht flimmern, keine 500 Meter entfernt. Bis zum Nordende der Halbinsel duerfte es auch keinen Kilometer weit sein.

Das Green Tortoise Hosel ist ein sehr geschaeftiger Platz, der wirklich vor Leben brodelt. Sechs Kostenlos-Internet-Plaetze sind praktisch ununterbrochen belegt, es herrscht ein staendiges Kommen und Gehen. Respekt.

28 November 2005

Carmel Beach

Ab elf Uhr wird es warm, ich kann mir die Jacke ausziehen. Gemuetlich gehe ich den kilometerlangen Sandstrand von Carmel entlang, auf der einen Seite von einem Golfplatz - einem von vielen auf der Halbinsel -, auf der anderen Seite von einer Lagune begrenzt.

Surfer trotzen in Neopren-Anzuegen der Kaelte des Wassers und werfen sich auf die Wellen. Kleine Hunde tollen wild klaeffend und mit erhobenen Schwaenzen am Wasser entlang, apportieren Stoecke und Baelle. Kinder bauen mit ihren Eltern zusammen Sandburgen.

Ich klettere irgendwann auf eine Gruppe von Felsen hinaus, geniesse dort die Sonne. Der Laerm der Brandung, die vor mir auf die Felsen schlaegt, verdraengt jedes menschliche und tierische Geraeusch.

Ein herrlicher Sonntag.

Carmel-at-the-sea

Jack London wohnte hier, Clint Eastwood tut's heute: Carmel, unglaublich schoen auf der Monterey-Halbinsel gelegen, ist ein Ort fuer Kuenstler, Schauspieler, Schriftsteller und Leute, die sich dafuer halten. Es ist keine Stadt, es ist kein Dorf - es ist eher eine Mischung aus Museum und Gesamtkunstwerk, die es in sich hat.

Schmale Strassen, auf beiden Seiten von hohen Baeumen begrenzt, laufen in leichten Kurven ueber die sanften Huegel, auf denen Carmel erbaut wurde. Kleine Haeuser, die aussehen, als seien sie fuer einen Film erbaut worden, ziehen immer wieder meinen Blick auf sich; der Begriff "pittoresk" muesste hierfuer noch erfunden werden, wenn es ihn nicht gaebe. Manche der Bauten besitzen Tuerme, die meisten sind in einem recht klassisch-altmodischen Stil errichtet worden.

Boutiquen, Kunstgalerien, schicke Restaurants und Cafes: die kleine Stadt hat sich komplett auf wohlhabende Besucher eingerichtet. Ich traue mich in den Strassen kaum, laut zu gehen, und trete vorsichtig auf, um ja niemanden aufzuwecken.

Third Eclipse

Der Club Octaine ist so etwas wie ein Szene-Treffpunkt in Monterey; er befindet sich auf der wichtigsten Kneipenstrasse und erstreckt sich auf mehrere Ebenen und Raeume. Ich habe nur einen gesehen: die Lava Lounge, uebrigens der einzige Raum, zu dem es keine Vorschriften fuer die Bekleidung gibt.

In der Lava Lounge finden die "undergroundigen" Konzerte der Stadt statt: Metal, Alternative, Punkrock. An diesem Abend sind The Third Eclipse am Start, schaetzungsweise 50 Leute haben sich bei freiem Eintritt eingefunden. Der ebenerdige Raum ist halbwegs anstaendig gefuellt, wirkt aber trotzdem eher wie ein grosser Proberaum oder wie ein vollgemuelltes Wohnzimmer.

Third Eclipse sind drei Frauen und ein Mann, der sich hinter seinem Schlagzeug versteckt. Die Saengerin erweist sich als zickiges Biest in kurzem schwarzem Kleid und Netzstrumpfhosen, das seine langen blonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden hat. Sie spielt die Leadgitarre, ist auch die einzige, die gut spielen kann. Basserin und Gitarristin, beide in normalen schwarzen Klamotten und mit rot bzw. schwarz gefaerbten Haaren, koennen nur die noetigsten Griffe, posen dafuer viel besser.

Musikalisch klingt die Band in ihren besten Passagen wie eine rotzige Version der Donnas; leider gibt es aber auch schlampigen Hardrock und sogar so etwas wie eine Ballade zu hoeren. Der Unterhaltungswert ist trotzdem hoch: Die Saengerin beschimpft das Publikum als White Trash und holt die Maedchen nach vorne.

Da stehen sie dann etwas unschluessig herum: eine Gruppe von Maedchen, etwas juenger als die Frauen auf der Buehne, die auch hoechstens anfangs zwanzig sind. Das ermuntert wohl zwei junge Maenner, der eine mit dekorativ zerrissener Hose, zu so etwas wie Pogo: Etwa eine Minute lang zeigen sie einige flotte "Moves", wie man das auch neudeutsch nennt, bis es ihnen wieder zu viel wird.

Alles in allem sehr unterhaltsame eineinhalb Stunden. The Third Eclipse, die demnaechst ihre erste CD veroeffentlichen, sind sicher keine Band mit grosser Zukunft. Aber das hat man von den Donnas auch mal gesagt (die aber bereits wieder vergessen sind ... schon hart!) ...

27 November 2005

John Steinbeck

Ich habe irgendwann einmal "Strasse der Oelsardinen" gelesen und "Wonniger Donnerstag", die Fortsetzung. Und damit bin ich eigentlich bestens eingestellt auf einen Besuch in Monterey: Beide Buecher, geschrieben von dem amerikanischen Literatur-Nobelpreistraeger John Steinbeck, spielen in Monterey, behandeln das Leben der einfachen Leute, die in den 30er und 40er Jahren in den Fabriken schufteten.

Heute ist davon nicht mehr viel uebrig. Vor allem die Cannery Row, ebenjene Strasse der Oelsardinen also, ist heute eine Touristenmeile, mit Restaurants und Laeden, mit Aussichtspunkten und Hotels. Aber wenn die Touristenmeile so schoen gemacht ist wie hier, soll es mir recht sein.

Die Erinnerung an den Schriftsteller wird in Monterey lebendig gehalten; Strassen und Plaetze sind nach ihm benannt. Ich kann auch sehr gut verstehen, dass Steinbeck gerne in dieser Hafenstadt lebte. Die Luft, die vom Ozean herblaest, ist sehr frisch und kuehl in diesen Tagen; die umliegende Landschaft macht einen sehr schoenen Eindruck.

Kalifornien unterscheidet sich in Monterey massiv vom Kalifornien, das ich in den endlosen Strassen von Los Angeles erstmals kennengelernt habe.

Haie, Quallen, Seeotter

Das Monterey Aquarium wird vom Reisefuehrer empfohlen. Und Ulf, der schon mal vor einigen Jahren in Kalifornien war, legte mir dringlichst ans Herz, mir das Ding anzugucken. Heute morgen um viertel vor zehn Uhr, also kurz nach Oeffnung, war ich dann auch drin.

Und begeistert!

Ich bewunderte die elegant schwimmenden Haie, die faszinierend pulsierenden Quallen und die possierlich spielenden Seeotter, um nur mal die drei wichtigsten Tiere zu nennen, die ich besonders ansprechend fand.

Ich schaute mir die Ausstellung zur Geschichte der Cannery Road an, informierte mich also ueber die uralte Sardinenfabrik, die quasi die Basis zum Museum war.

Und ich staunte darueber, wie es die Veranstalter auch hier schafften, Show-Effekte mit paedagogischen Inhalten und Umweltschutz-Gedanken zu verbinden: Sogar im Klo wird daran erinnert, dass Papier aus Baeumen hergestellt wird und deshalb anstaendig zu verbrauchen ist. Respekt!

Um halb ein Uhr mittags wurde es langsam moerderisch voll, und ich fluechtete aus dem Gebaeude. Die Schlange der Wartenden reichte schon halb um den Block, Familien mit Kindern vor allem. Klar, es ist nicht nur Samstag, es ist auch noch ein verlaengertes Wochenende: Nach dem Thanksgiving haben die meisten Leute gleich den Freitag freigenommen und sind somit auf dem Familien-Trip.

Gegen 15 Uhr bin ich aber wieder im Aquarium. Somit bekomme ich alle Fuetterungen mit, die von den Veranstaltern oeffentlich gemacht werden. Und ich kann noch einmal den Seeottern zuschauen: Die Biester, denen Theodore Sturgeon in einer Science-Fiction-Geschichte quasi die kuenftige Welt vermacht hat, sind richtig schlau, haben Spass daran, alberne Spiele zu betreiben, und begeistern damit das Publikum.

Ein grossartiger Tag!

26 November 2005

Im Hexenhaus

Als ich in Monterey ankomme, nieselt es. Die zwei Maenner, die mich seit Salinas vollquaken - ueber Politik, George W. Bush, Vietnam, den Irak-Krieg, die wirtschaftliche Situation in Europa - und der Busfahrer, der auch in die allgemeine Diskussion eingegriffen hat, haben beide noch nie etwas von einem Hotel gehoert, das sich Del Monte Beach Inn nennt. Wahrscheinlich sei ich im Irrtum, versuchen sie mir begreiflich zu machen.

Ich werde nervoes. Auf welche Absteige kann ich mich jetzt schon wieder einstellen, welcher Dreck erwartet mich?

Tatsaechlich steht an der richtigen Hausnummer ein blaues Gebaeude, ganz im Stil der Zwischenkriegszeit gehalten, vor dem ein Schild zeigt, dass ich wohl richtig bin. Der Busfahrer laesst mich aussteigen, ich ueberquere die Strasse.

Durch die Fenster sehe ich ins Innere. Koerbsessel im Biedermeier-Stil. Elegante Tische mit Glasplatten, darauf Weinglaeser und Blumenvasen. Wandschmuck aus Blumen; Ueberall bunte Kissen und Vorgaenge. Es sieht aus wie eine Mischung aus Puppenzimmer und Hexenhaus.

Ich denke, ich bin falsch, druecke aber sicherheitshalber doch die Tuer. Der supernette, megaschwul wirkende, schwarze Rezeptionist, der mich nach einigem Klopfen empfaengt, sagt mir, dass ich richtig sei. Ja, er habe das alles eingerichtet, und er freute sich ueber mein Kompliment zur gelungenen Ausstattung.

Das Zimmer hat einen direkten Blick zum Meer, das etwa hundert Meter entfernt ist, es ist piekfein sauber und sieht aus wie ein Museumsraum. Klos und Badezimmer wirken ebenfalls, als habe man sie aus den zwanziger Jahren geholt: dekorativ, verspielt, sauber und einfach nur nett.

Ich bin voellig beeindruckt. Das gibt noch eine Foto-Session!

Politic Talk

Im Bus von Santa Barbara nach Salinas komme ich mit einer jungen Latino ins Gespraech. Sie ist Studentin an der Universitaet von San Jose, wo sie Politikwissenschaften und Soziologie studiert. Also keine typische Amerikanerin, denke ich mal.

Als sie erfaehrt, woher ich bin, fragt sie mich nach meiner Meinung zu den Krawallen in Frankreich. Sie habe davon nur gehoert; da sie keine Zeitung lese und keine Nachrichten gucke, wisse sie nicht so viel darueber. In meinem hoechst unterdurchschnittlichen Englisch versuche ich es ihr zu erklaeren.

Bei jedem Stopp stehen wir vor dem Bus. Sie raucht, ich dehne meine verkrampften Gliedmassen. Und wir reden.

Sie erzaehlt, dass ihre Familie aus Mexiko sei. Sie selbst sei die erste Generation, die in Amerika geboren worden sei. Ihre Familie sei frueher sehr arm gewesen, jetzt besitze man zwei Autos und ein eigenes Haus und sei sehr stolz darauf. Zu Hause spreche man nur spanisch, ihre Eltern koennen praktisch kein Englisch. Man wolle nichts mehr mit Armut zu tun haben; wer arm sei, sei selbst dran schuld.

Ich bohre ein bisschen nach, und dann bricht es aus ihr heraus: "Ich hasse meine Eltern. Ich hasse ihre Art zu leben, ihren American Way Of Life. Deshalb studiere ich so weit wie moeglich von daheim entfernt, damit ich sie so wenig wie moeglich sehen muss."

Und ein wenig spaeter erzaehlt sie mir, dass sie vier Jahre Deutsch in der Schule hatte, singt mir Kinderlieder vor: "Hock soll sie lebbe, hock soll sie lebbe." Dabei strahlt sie uebers ganze breite Gesicht.

25 November 2005

Radeln & gucken

Ich bin genetisch vorgepraegt: Als Schwarzwaelder muss ich auf Berge klettern, um dann runterzuschauen. Klingt nicht sehr intelligent, ist es vielleicht auch nicht. Aber gegen die Gene kann man ja angeblich nichts machen, wie einem alle Naslang irgendwelche Ratgeber ueber Frauen & Maenner weismachen wollen.

Radfahren steckt mir nicht in den Genen, aber ich mache es gerne. Also mietete ich mir heute in Santa Barbara ein Rad in sehr guter Qualitaet.

Eigentlich wollte ich damit nur am Strand entlang strampeln. Doch recht schnell war ich auf einer Strasse, die auf einen Huegel fuehrte. Die Strasse wurde zum Dreckweg, und oben war alles voller Mountainbike-Spuren.

Ein dicker Paraglider-Pilot schob seinen Wanst zuerst unter zwei Fluegel und dann in die Luft. Wider Erwarten trug ihn die Luft weit genug, ohne dass er beim Absturz ein Loch in den Boden gerissen haette.

Vom Huegel aus sah ich die Missionskirche, um die herum Santa Barbara erbaut wurde. Dummerweise auf einem anderen Huegel, die ganze Stadt dazwischen.

Macht nichts. Ich fuhr hin.

Einigermassen erschoepft war ich dann schon. Aber es gab so eine tolle Huegelstrasse, laut Beschilderung in "scenic drive". Wohl eher fuer Autos, aber sie verboten mir nicht, diesen neuen Huegel hochzufahren.

Und von dort aus ging es dann kilometerweit sanft abwaerts, immer in Kurven und immer wieder mit einem wunderbaren Blick auf die pittoresk im Tal liegende Stadt, auf das nun nebelfreie Meer und auf die am Horizont verschwimmenden Inseln.

Wunderbar.

O'Malley's

Santa Barbara nachts: Das Nachtleben konzentriert sich im Prinzip auf eine Strasse, die State Street, und einige wenige Oertlichkeiten rechts und links. Das macht das ganze dann doch recht einfach.

Ich lasse mich also einmal hoch- und einmal runtertreiben. Am Paseo, diesem Shopping-Komplex, esse ich ein Pizza-Stueck, das ganz manierlich schmeckt. Zum Runterspuelen haette ich gern ein Bier.

Aus den verschiedenen Kneipen droehnt Musik, meist vom Band. Vor Joe's Bar stehen junge Leute in Pulks herum und hoffen, am Eintrittskontrolleur vorbeizukommen. Das ist nichts fuer mich.

Ich sehe es auch nicht ein, einem Mann, der zehn Jahre juenger ist als ich, meinen Pass zu zeigen. Herrgott noch mal, ich sehe nun mal nicht mehr aus wie 21 oder juenger, die sollen keinen solchen Aufstand machen!

Irgendwann lande ich in O'Malley's, einer Sports-Bar mit starker Musikbeschallung und nicht existierender Eingangskontrolle. Sehr sympathischer Laden, angenehm verdreckt und mit einer Theken-Crew, die ansonsten eher als Tuersteher bei Rockertreffs arbeiten duerfte: breit, und das in mehrfacher Hinsicht.

Ich bestelle das lokale Bier, das angenehm dunkel schmeckt. Neben mir sitzt ein Mann an der Theke, dessen Grinsen ein Gebiss zeigt, mit dem man wahrscheinlich Bausteine zerkleinern kann. Er trinkt einen Schnaps nach dem anderen, zwischendrin auch ein Bier, laechelt gelegentlich freundlich und ist ansonsten still.

Zur ohrenbetaeubenden Musik - irgendwelcher HipHop mit schwerem Metal-Einschlag - tanzen vier Blondinnen auf Stoeckelschuhen. Ihre wurstpellenengen Jeans verbergen kein Fettpolster, und ihre weit ausgeschnittenen Oberteile zeigen auch mehr, als man normalerweise sehen will. Aber lustig ist schon, wie die vier Hupfdohlen ueber die kleine Tanzflaeche zwischen Bar und Klo taenzeln - mit der Eleganz schwangerer Elefanten und dem Gesichtsausdruck kalbender Nilpferde.

Ein gelungener Abend!

24 November 2005

I'm A PK

Gestern im Bus von Hollywood nach Santa Barbara: Ich setze mich ziemlich weit hinten hin, gucke zum Fenster hinaus, blaettere irgendwann gelangweilt im Reisefuehrer, waehrend sich der Bus stinkend und langsam durch die Strassen zum Freeway quaelt.

Der Mann in der Bank neben mir spricht mich an: ein Schwarzer mit Brille, anfangs der dreissig, der eine Zeitung in der Hand haelt. Woher ich denn sei, was ich denn mache - was man eben so gefragt wird, wenn man als Tourist unterwegs ist.

Und ruckzuck sind wir in einer Diskussion ueber George W. Bush, Gott und die Welt. Vor allem Gott. Denn das ist das Thema meines Nachbarn: Gott. Er hat sogar ein Heft, das er mir zeigt, in dem er jeden Tag die Bibelsprueche notiert, die sein Leben praegen. Ich bin gebuehrend beeindruckt und hoffe nur, dass er endlich die Klappe haelt und mich ein bisschen doesen laesst.

Er versucht mich immerhin nicht zu seiner Kirche zu bekehren, aber er will alles ueber meine Ansichten zu Gott, zu Jesus und all dem anderen Kram wissen. Ich argumentiere vorsichtig und zurueckhaltend und kassiere eine Predigt nach der anderen, frei auf die Hand und ohne Mehrwertsteuer.

Der Mann sollte Fernsehprediger werden, denke ich.

"Ich bin halt ein PK", sagt er irgendwann, "ein Prayer's Kid. Das praegt fuers Leben."

Wieder eine neue Abkuerzung gelernt.

Er ist nicht wirklich schlimm, aber er labert sehr viel. Als er den Bus in Oxnard verlaesst, bin ich froh, dass er mich in Ruhe laesst. Und eine Sekunde lang ueberlege ich, ob das jetzt nicht die Gelegenheit zu einem Dankesgebet waere ...

Nebel und Sonne

Es ist ein seltsames Gefuehl, am Strand von Santa Barbara entlang zu spazieren: Nebel treibt in dichten Schwaden vom Meer herein, dick und weiss, und er haengt ueber den Palmen und ueber dem Pier. Gleichzeitig knallt einem von hinten die Sonne auf den Ruecken, so dass man garantiert nicht frieren muss.

Santa Barbara ist eine Stadt der Gegensaetze, wie mir scheint. In den Strassen, in denen nachts die Kneipen voller Menschen sind und wo ueberall laute Musik zu hoeren ist, wimmelt es von Obdachlosen. Sie schlafen am Strand, zwischen parkenden Autos oder vor verschlossenen Ladenpassagen.

Und ich bin umgezogen. Keine Ahnung, welche Viecher es nachts im Zimmer gab, aber ich bin ganz schoen verstochen. Ehrlich gesagt: Ich will es nicht so genau wissen, aber jetzt bin ich nicht mehr in diesem nervigen Hostel (21 Dollar die Nacht in einem Zehnbettzimmer, ich wurde fast ohnmaechtig), sondern im nahe gelegenen State Street Hotel: 59 Dollar plus Steuern fuer ein Zimmer mit Dusche und Klo ueber dem Flur.

Santa Barbara ist eine teure Stadt. Da kostet sogar eine Absteige richtig viel Geld, wenn sie in der Naehe des Strandes liegt.

Langsamstes Internet von Welt

Ich bin in Santa Barbara. Warm ist es, schoen und schwitzig. Und ich sitze in einem Hostel unweit des Strandes, wo ich kaum tippen kann, weil die Maschine so superlangsam ist. Kann also sein, dass es die naechsten Tage so gut wie nichts zu lesen gibt von mir.

Ausserdem ist morgen Thanksgiving. Alle Laeden und fast alle Kneipen haben zu. Das kann ja heiter werden.

Ein Fahrrad fuer tagsueber und ein Bier fuer den Abend werde ich wohl organisiert bekommen.

23 November 2005

Grand Canyon

Es war richtig kalt, als unsere kleine Reisegruppe am Montag, 21. November, von Las Vegas aus zum Grand Canyon aufbrach. Und es wurde den ganzen Tag ueber trotz schoener Sonne nicht warmer.

Am Hoover Dam, der eindrucksvoll und gross einen kuenstlichen See aufstaut, gab es ebenso eine kurze Pause wie in der Stadt Barstow, von der wir aber nichts sahen, weil wir an einem gigantischen Komplex aus Rasthof und Schnellimbissen anhielten. Es waere eine eigene Geschichte wert, einmal zu beschreiben, in welchem Tempo im "In-n-out" die Kunden abgefertigt werden ...

Am Grand Canyon habe ich spontan eine Reise mit dem Hubschrauber gebucht. Fuenf Touristen und ein Pilot. Das Geld war mir in dem Moment egal: Ich werde nie wieder dahin kommen, und hinterher haette ich mir in den Hintern gebissen.

Es war grossartig: Der Canyon ist ein faszinierendes Gebilde, das man vom Hubschrauber aus anders wahrnimmt als von der Seite.

Von der Seite guckten wir auch: Am Yaki Point haelt keiner der grossen Touristenbusse. Dort kletterten wir zu fuenft ueber einige Felsen.

Und da stand ich dann auf einem Aussichtspunkt. Rechts und links ging es steil hinab, vor mir war der Grand Canyon. Der Wind pfiff eiskalt an einem vorueber, ich hoerte keinen Verkehrslaerm und nichts. Voegel flogen unter mir ueber Felsgruppen hinweg.

Die Ruhe tat gut.

Aussen-Programm

Fast alle Casinos in Las Vegas bieten ein teures Showprogramm an, das man fuer mindestens 40 Dollar buchen kann. Unter anderem singt jeden Abend die franzoesische Heulboje Celine Dion. Es gibt Akrobaten, Saenger, Komoedianten, teure Stars also, die es in den verschiedenen Hotelkomplexen zu gucken gibt.

Es gibt auch wechselndes Show-Programm: Demnaechst tritt beispielsweise Gwen Stefani auf - und bald darauf Henry Rollins. Eine seltsame Abfolge, aber so ist Las Vegas.

Kostenloses Programm gibt es aber auch: direkt vor dem Casino. Und das hat teilweise einen sehr hohen Unterhaltungswert.

Das Hotel und Casino "Bellagio" hat einen richtigen See angelegt, die Haeuser am Ufer sehen aus, wie man sich eben italienische Fischerorte vorstellt. Und nach Einbruch der Dunkelheit bilden hier unzaehlige Wasserfontaenen ein gigantisches Wasserballett, fantastisch beleuchtet und mit lauter Musik untermalt. Ich habe die Show zu "Viva Las Vegas" verfolgt. In der Originalversion von Elvis Presley natuerlich, nicht in der Version der Dead Kennedys ...

Irgendwie cool ist auch die Show "Sirens of the Carribean" oder so, die vor dem Hotel "Treasure Island" stattfindet. Die leicht bekleideten Damen und muskuloesen Herren, die auf einem nachgemachten Segelschiff herumtanzen, sind eher albern. Die Seeschlacht aber mit dem auftauchenden Piratenschiff, das effektvoll im kuenstlichen See versinkt, hat schon was.

Respekt. Von Unterhaltung verstehen die Leute echt was.

Harry Potter

Ich habe es getan: Ich habe mir den neuen "Harry Potter" angeschaut. Den vierten jetzt. Uebrigens ist es der erste "Potter"-Film, zu dem ich nicht vorher das Buch gelesen habe.

Es musste sein. Ich bin hier in Hollywood, wohne genau gegenueber dem Chinese Theatre, und da musste ich einfach reingehen. Wobei das Kino von innen nicht besser, eleganter oder toller aussieht als der Filmpalast in Karlsruhe. Und nach dem Film sah es schlimmer als als bei unsereiner: Die Zuschauer haben einen riesigen Muellberg hinterlassen.

Zum Film selbst: Ich fand ihn wieder sehr unterhaltsam. Er ist stellenweise sehr lustig, vor allem auch deshalb, weil die pubertaeren Entwicklungen der drei Haupt-Charaktere konsequent weiter entwickelt werden. Er ist aber auch durchaus duester, vor allem gegen Ende, und es kommt zu dem Tod, der schon lange vorher angekuendigt worden ist.

Ich verrate aber ebensowenig, wer in diesem Film stirbt. Nur so viel: Es ist nicht Harry Potter selbst. Aber damit rechnet nicht einmal der duemmste Kinogaenger, glaube ich.

Kaufkraft-Fragen

Mit staunenden Augen, wahrscheinlich den Mund offen stehend, bummelte ich den ersten Abend durch Las Vegas. Irgendwie schon der Hammer ...

Die unglaublichen Casinos, die ich mir zumeist von aussen anschaute, gross und imposant und garantiert bescheuert.

Die Mexikaner auf der Strasse, die einem mit einer aggressiven Gestik die Hinweise fuer Stripperinnen in die Finger drueckten.

Die Soldaten in Ausgehuniform auf den Strassen, die es sichtlich genossen, mit huebschen Maedels im Arm (Nutten gibt es hier genug) und einer Flasche Bier in der anderen Hand (in Las Vegas darf man oeffentlich Alkohol trinken, ich glaube es nicht!) durch die Strassen zu ziehen.

Und die Einkaufspassagen. Ich bummelte durch die Mall "Forum The Shops". Ein bonziges Modegeschaeft nach dem anderen, darueber spannte sich der kuenstliche blaue Himmel eines fiktiven Roms. Ein huenenhafter Schwarzer posierte in roemischer Uniform und liess sich zusammen mit Frauen fotografieren.

Ich fragte mich dabei nur, wer den ganzen Kram eigentlich kaufte. Kunden sah ich in den Geschaeften nur selten, die meisten Leute waren Passanten wie ich, die von aussen mit staunendem Blick auf die Auslagen stierten.

Aber irgendwie scheint das Geschaeft zu laufen - Las Vegas boomt derzeit ohne Ende, wie mir mehrfach bestaetigt wurde.

Seltsame Reisegruppe

Ich war drei Tage mit einer Reisegruppe unterwegs: in einem Minibus mit Fahrer. So donnerten wir nach Vegas, wo wir vier Rentner entliessen, die dort zwei Naechte lang zocken wollten.

Wir "Jungen" fuhren weiter. Und ich stellte fest, dass es in jeder Gruppe gewisse Rollen gibt, die gespielt werden muessen. Dazu gehoeren der Clown, der Depp und der Streber.

Bei uns waren die Rollen eindeutig belegt. Ich hatte eine davon.

Der Clown war ein Metzger aus Neuseeland, der die ganze Zeit Metal hoerte, darunter auch Rammstein und so Zeugs. Er alberte die ganze Zeit herum, zeitweise sogar recht lustig, oft aber supernervig, Tanzeinlagen inklusive.

Der Depp war ein Koreaner. Das Problem war nicht, dass er ein so schlechtes Englisch sprach, das Problem war, dass er eine komplette Tranfunzel war. Immerhin zockte er jede Nacht wie Sau, kam dadurch sehr spaet ins Bett. Er war mein Room-Mate, pennte also im anderen Bett in "meinem" Zimmer.

Der Streber - das war dann ich. Die Rollen des Deppen und des Clowns waren erfolgreich vergeben, also war ich derjenige, der vorne sass und mit dem Fahrer redete, waehrend der Clown hinten herumkasperte und der Depp vor sich hin trielte. Ich stellte die schlauen Fragen und sagte dann meinen Mitreisenden, wann wir uns denn wieder wo einzufinden hatten.

Ich ein Streber. Mit dieser Prognose haette man mich vor zehn Jahren noch zum Schreikrampf gebracht.

Was die Zeit alles aus einem macht ...

Schwitzen, hurra!

Wieder in LA, wieder in Hollywood. Der Laerm tobt auf der Strasse, und ich fuehle mich geradezu "at home". Sogar dasselbe Zimmer im selben Loch habe ich wieder bekommen, zusammen mit drei Japanern jetzt. Na super!

Und ich schwitze. Ein Umstand, den ich erstmals begruesse. In Las Vegas war es kuehl, man brauchte ab 16 Uhr eine Jacke.

Am Grand Canyon war's aber sack-kalt. So richtig kalt. Eisiger Wind, Minusgrade. Mein Geschlechtsteil schrumpfte so, dass ich kaum noch pinkeln konnte.

War ein Witz. Okay. Ihr koennt aufhoeren, darueber zu lachen.

Es war echt saukalt. Nur in den Casinos nicht, da blies die warme Luft zwischen den glitzernden Automaten hindurch.

21 November 2005

Singing in Vegas

Mein Konzert fuer diesen Abend hatte mit Punk nun wirklich nichts zu tun: Vier schwarze Maenner in unglaublichen roten Anzuegen standen auf einer kleinen Buehne, sangen im Chor, klatschten in die Haende, bewegten sich teilweise synchron.

Es sah aus wie The Platters, hoerte sich an wie eine Mischung aus Otis Redding und Marvin Gaye, und es hatte irgendwie was. Die Band nannte sich Spectrum, und sie hat sich laut Info dem Motown-Sound verpflichtet. Das hoerte man, und das meine ich nicht mal satirisch.

Im Hintergrund flimmerten und piepsten die Spielautomaten des Boardwalk Casinos, eines der kleineren auf dem Strip, dem Spielerparadis von Las Vegas. An der Bar sassen Maenner mit Bier, an den Tischen meist aeltere Paare.

Und irgendwann tanzten sogar einige Leute, es wurde gejohlt und gejubelt, und die vier Herren in den unglaublich haesslichen Anzuegen hatten das Eis gebrochen. Irgendwie schon cool.

Blog gesperrt

Die sind schon lustig, die Amis: Das oeffentliche Internet-Terminal sperrt mir den Zugriff auf meinen eigenen Blog.

Als Grund wird "adult" angegeben. Man vermutet also Pornografie oder sonst was auf den Blogspot-Seiten. Gibt es natuerlich auch, aber ...

Amis sind schon seltsam.

Lost In Vegas

Habe ich immer gelacht, wenn ich von Leuten gehoert habe, die sich verlaufen - und das auch noch in Hotels oder auf einer Hauptstrasse.

Jetzt ist es mir auch passiert.

Hier.

In Las Vegas.

Im MGM Grand, dem groessten Hotel der Stadt.

Seit zwei Stunden bin ich in der Stadt, es ist 17 Uhr und draussen ist schon dunkel. Nach dem Eintreffen stromerte ich erst einmal durch die Strassen, nicht so schnell.

Irgendwann musste ich pinkeln, betrat ein Hotel, eben jenes erwaehnte, und bummelte dort so lange herum, bis ich ein Klo fand. Dorthin musste ich kreuz und quer durch ein gigantisches Kasino gehen ...

Und um dort herauszufinden, habe ich wieder ewig gebraucht. Ausgaenge gibt der kluge Hotel- und Kasinobesitzer naemlich nicht an, so dass man sich echt wie ein Depp vorkommt, weil man vor lauter Einarmigen Banditen und anderem Scheiss nichts anderes mehr sieht ...

20 November 2005

Bier nach Mitternacht

Als ich kurz nach Mitternacht zurueck nach Hollywood komme, tobt dort noch der Baer. Aufgekratzt wie ich bin, gehe ich noch nicht ins Bett, sondern lasse mich durch die Strasse treiben, auf und ab und hin und her.

Sehr viele Leute sind unterwegs, die meisten in Gruppen. Japanische Punks, die sich mal wie Social Distortion stylen und mal wie The Clash, stromern herum.

In einem prunkvollen Gebaeude findet anscheinend eine Geheimparty statt. HipHop droehnt durch die Mauern, und ein Tuersteher laesst nur Leute ein, die sich bei ihm irgendwie ausweisen koennen. Viele Latinos, die Maedels alle in kurzen knappen Kleidern.

Kurz und knapp passt: Als ich am Highland Center ankomme, haelt gerade eine schwarze Stretch-Limousine. Haufenweise steigen huebsche junge Maedchen mit knappen Kleidern aus und eilen zum Nebeneingang des Gebaeudes. Von oben, da wo die Diskothek LEVEL ist, droehnt die Musik herunter, da gehoeren die Maedchen hin.

Vorbei an zwei jungen Frauen mit Wandergitarren, die auf der Strasse stehen und mit duenner Stimme Nirvana und andere Bands imitieren, umgehe ich die Absperrungen und betrete den Hollywood-Highland-Komplex, das Musterbeispiel fuer uebertriebene Beton-Architektur ueberhaupt. Mit mir dringt eine Bande Punks in das Areal ein, vor uns scharenweise junge Leute.

Die Maedchen in kurz und knapp, die meisten mit langen Haaren, viele auch mit Stoeckelschuhen. Bei manchen bin ich mir nicht sicher, ob sie heute nacht noch zur Arbeit gehen oder ob sie vielleicht schon bei der Arbeit sind.

Ich lasse mich eine Zeitlang durch das Gelaende treiben. Geschrei und Gekicher ueberall, die Sicherheitsbeamten sind genervt und verwirrt. Als es mir reicht, gehe ich auf die andere Strassenseite: Im Metal-Schuppen "Powerhouse" gibt es noch ein Bier. Die Flasche kostet vier Dollar, dafuer ist es ein England-Import.

Man kann ja nicht alles haben.

Strassenkoeter aus Boston

Das "Troubadour" in West-Hollywood haelt seine Zeiten genau ein: Da ich noch Waesche waschen musste, kam ich an diesem Abend um zehn Uhr erst zum Konzert. Da hatten die ersten zwei Bands, darunter eine aus Japan, bereits gespielt.

Das hinderte die Tuersteher nicht daran, mir zwoelf Dollar abzuknoepfen. Angesichts der Tatsache, dass ein Bier in dem Laden schlappe sechs Euro kostete und nicht mehr als Null-drei war, ein nachvollziehbares Preisgefuege ...

Der Laden war gut voll, gefiel mir gleich: ziemlich alt alles, vorne eine Buehne, ringsum fast ein Balkon, dazu eine grosse Theke, an der es munter rundging. Und das Publikum wartete richtig auf die Hauptband des Abends: Street Dogs aus Boston.

Der Saenger von denen hat frueher mal bei Dropkick Murphys gesungen, der Basser dort wohl mal gespielt - entsprechend sah dann auch das Publikum aus. Zwar einige Irokesen, ansonsten aber eher Glatzen, Schmierhaarfrisuren und einige normal aussehende junge Leute. Die Frauen hatten oft diese widerliche Mischung aus Betty-Page-Frisur und Trampel-Renee, gelegentlich aber erkannte ich erfreuliche Lichtblicke.

Vom ersten Ton an hatte die Band die Meute auf ihrer Seite: erhobene Faeuste, begeisterte Choere, dann recht schnell heftiger Pogo, der immer mal wieder aufflammte. Im Prinzip gab es eine flotte Mischung aus Streetpunk und Social Disortion, konnte man sich sehr gut anhoeren.

Eine Band, die nacheinander eine Coverversion von The Clash und dann eine von Black Flag spielt, kann eh nicht schlecht sein. Coole Scheisse.

Mieses Loch

Das Zimmer ist schmutzig und so ueberhitzt, dass ich nachts kaum schlafen kann - zudem droehnt der Strassenlaerm rund um die Uhr herein.

Die Matratze ist durchgelegen und mueffelt; immerhin habe ich frische Bettwaesche erhalten, so dass es einigermassen geht.

Duschen und Klos sind total dreckig, so dass ich zum Kacken in das Einkaufszentrum auf die andere Strassenseite gehe.

Das Hollywood Hostel ist ein richtig mieses Loch. Was bewegt dann mich dazu, fuer diese Verhaeltnisse 18 Dollar pro Nacht zu bezahlen? Fuer ein Bett im Vierbettzimmer wohlgemerkt.

Es ist die Lage.

Im Zentrum von Hollywood, zentraler geht es kaum. Gehe ich auf die Strasse, tobt rings um mich das Leben, stehe ich auf dem Walk of Fame. Von meinem Fenster aus blicke ich auf die Sterne von Jerry Lewis und Kermit dem Frosch auf der anderen Strassenseite. Jetzt koennte ich sie eh nicht sehen, weil irgendeine Tanzformation zu schmissiger Musik was vorhuepft und Hunderte Leute drumherum stehen und johlen.

Hollywood ist schon cool. Und das Hollywood Hostel angesichts der Location das preiswerteste, was ich kriegen konnte - und aufgrund der Lage auch noch das beste.

Und zumindest Waschmaschine und Waeschetrockner funktionieren ja ...

Oliver Scholl

Heute besuchte ich Oliver Scholl. Eigentlich koennte ich jetzt noch einiges drueber schreiben, dass ich Panik hatte, weil ich glaubte, meinen Pass verschlampert zu haben, und dass Oliver freundlicherweise mit dem Auto nach Hollywood fuhr, um meine Nerven zu beruhigen. Aber das lasse ich lieber ...

Oliver hat ein kleines Buero in einem netten Gebiet am Rand von Santa Monica. Im Cafe um die Ecke, das den Charme eines Jugendzentrums hatte, holten wir uns Getraenke, und dann redeten wir ueber alles moegliche. Auch uebers Geschaeft, klar, aber ebenso ueber das Leben im allgemeinen und Los Angeles im besonderen, ueber PERRY RHODAN frueher und heute, ueber neue Projekte, ueber Filme und so weiter.

Sehr gut, solche Besuche mache ich immer wieder gern. Beim naechsen Mal wieder bitteschoen.

Dann komme ich auch mit dem Taxi und muss keine zwei Kilometer bis zur naechsten Metro-Bushaltestelle gehen. Mir tun jetzt noch die Beine weh, Converse-Turnschuhe sind keine Marschwerkzeuge.

Stress im Bus

Rueckfahrt vom Echo, nachts um ein Uhr. Im Bus sind alle moeglichen Leute, uebermuedt und zermatscht sehen viele aus. Nachtschwaermer wie ich, aber auch Menschen, die anscheinend von der Arbeit kommen, ein junger Mann traegt noch die Uniform einer Service-Kraft, inklusive schlecht gebundener Krawatte mit haesslichen Streifen.

Als der Bus anhaelt, dauert es ewig. Anscheinend diskutiert der Fahrer mit einer Frau. Nach einigem Hin und Her laesst er den Einstieg fuer Rollstuhlfahrer hinaus, und die Frau schiebt ihren fahrbaren Untersatz in den Bus, steigt selbst von hinten ein, setzt sich dann wieder auf den Wagen.

Der Fahrer ist bemueht, ihr einen Platz zu verschaffen, scheucht die Leute vorne weg, darunter einen dicken Schwarzen mit sechs vollgepackten Plastiktueten, dem die Hose hinten so weit runterrutscht, dass man die Arschfalte beim Aufstehen sehen kann. Ein Mitfahrer im Bus schuettelt sich vor Grauen.

Es dauert, und der Unmut waechst. Irgendwann hat die Frau ihren Platz, da geht der Motor des Busses aus. Zu viel Leerlauf.

Es dauert gut zehn Minuten, bis der Fahrer die Karre wieder flott kriegt. Waehrenddessen ist sogar die Innenbeleuchtung aus. Energiesparen?

Ein Lationo schnauzt die Frau an: "Wegen Ihnen haengen wir jetzt fest. Wir muessen arbeiten gehen, Sie nicht, und wir sind muede."

"Was wollen Sie?" schnauzt sie in einer Mischung aus Aufsaessigkeit und Gejammer zurueck. "Ich bin behindert, Sie sehen das doch."

Fast kommt es zu Handgreiflichkeiten, da kriegt der Fahrer den Bus wieder an. Drei Stationen weiter will die Frau wieder aussteigen. Wieder dauert es gut zehn Minuten, bis sie aus dem Bus raus ist.

"In der Zeit haetten Sie die drei Blocks auch mit Ihrem Wagen fahren koennen!", ruft ein Mann mit Sonnenbrille unter der Kapuze seines Pullovers von hinten.

Mehrere Maenner im Bus applaudieren. Als der Bus wieder anfaehrt, sehe ich die Frau neben ihrem Rollstuhl stehen und mit einem Passanten sprechen, einem Mann mit Einkaufswagen, in dem er Kartons und Plastiktueten mit Inhalt transportiert.

Donna Summer

Ich laufe wieder einmal die Highland Avenue hoch, vom Santa Monica Boulevard zum Hollywood Boulevard. Links von mir tobt der Verkehr, die Rush Hour geht hier anscheinend acht Stunden am Tag. Autos stehen in drei Reihen, eins hinter dem anderen, Motoren droehnen.

Bis ich auf einmal die Musik hoere, das Gestoehne, den Beat. Giorgo Moroder, die siebziger Jahre, Disco in Muenchen. Es ist tatsaechlich Donna Summer, was da laeuft. In droehender Lautstaerke schickt jemand "I Feel Love" ueber die Strasse, der wummernde Beat und die betaeubende Stimme.

Unwillkuerlich drehe ich mich um, schaue nach dem Fahrer. Es ist ein Moped, auf dessen Ruecksitz eine Verstaerker-Box steht. Der Fahrer ist ein Latino mit dickem Schnauzbart, ein eher pummeliger Mann, um die 40 Jahre alt. Auf dem Kopf traegt er einen viel zu groessen Sturzhelm, der ihm ein kindliches Aussehen verleiht.

Und er wackelt mit dem Kopf. Im Rhythmus der Musik. "I Feel Love", und Donna Summer tanzt noch einmal durch die Siebziger Jahre.

Als der Verkehr weiterfliesst, hoere ich Donna Summer noch eine Weile, bis sich ihre Stimme im Verkehrslaerm verliert.

19 November 2005

Grossartiges Punk-Konzert

Als der Bus durch das naechtliche Downtown LA fuhr, wurde mir doch ein bisschen mulmig: Rechts und links sah die Gegend einfach recht duester aus. Und als ich in dem Imbiss beim Echopark um die Ecke etwas futterte - sehr leckere Tacos -, war es einfach so, dass alles auf spanisch war, die Speisekarte, die Sprache des Personals und die Ausrufung der Nummern des bestellten Essens. Es klappte trotztem.

Dafuer war der Konzertort noch duesterer. The Echo ist ein sehr cooler Konzertort, mit einer schoenen Buehne, mit einer langen Bar, sogar mit einer Moeglichkeit, etwas zu essen.

Und mit Alterskontrolle am Eingang. Der Security-Typ wollte tatsaechlich meinen Pass sehen. Als ich spottete, so jung sehe ich doch nicht mehr aus, meinte er trocken: "Dann fuehlst du dich eben mal wieder jung."

Das tat ich spaeter auch. Nach einem langweiligen Songwriter aus England, der mir echt leid tat, kam die Ueberraschung des Abends: The Adored, direkt aus LA, die neue Punkrock-Hoffnung der Stadt. Ein laermender Bass, ein charismatischer Saenger, ein hohl drehender Gitarrist, ein bescheidener Schlagzeuger - der Hammer! Vor knapp 200 Leute ballerten die vier Jungs auf der Buehne einen 77er-Hit nach dem anderen raus. Vergesst The Briefs!, diese Band ist echt der Knaller. Ich war voellig baff und trage jetzt einen Adored-Button auf der Jacke.

Die naechste Band nannte sich Broken My Love. Man stelle sich die uneheliche Verbindung aus Led Zeppelin, Nirvana und Sonic Youth vor: viele Rueckkopplungen, eine finstere Wall Of Sound auf der Buehne und ein immer schneller werdendes Schlagzeug. Nicht meine Tasse Bier, aber das hatte was. Zuletzt habe ich so etwas von Gore aus Holland oder auch Optimum Wound Profile aus England gehoert.

Als Art Brut aus England auf die Buehne kamen, waren schaetzungsweise 400 Leute da. Der Saal kochte recht schnell. Ein gut gelaunter Saenger, ein unglaublich cool aussehender Gitarrist, ein punkig aussehender Gitarrist, eine Bassistin, ein Schlagzeuger im Stehen und ein enthusiastisches Publikum - es war eine grossartige Party.

Die Band ist auf Platte schon klasse, aber live sind die der Hammer. Ein Heidenspass, der dadurch vergroessert wurde, weil das Publikum natuerlich die Sprueche des Saengers komplett versteht. Der Saenger wurde von Fans aus dem Publikum halb ausgezogen, er wurde mindestens zweimal in die tobende Menge gezerrt, es herrschte ausgelassener Pogo, und die Schilder mit "No Stage Diving" wurden grosszuegig ignoriert. Die Ordner waren kurz vor dem Durchdrehen.

So endete dieser Abend mit einer grossartigen Punkrock-Party. Bislang das Konzert des Jahres fuer mich.

Und jetzt alle zusammen: "Bang Bang Rock'n'Roll!".

Und jetzt huepfen.

Pogo.

Und gut ist.

Santa Monica

Am Strand von Santa Monica, genauer in den Gruenanlagen entlang des Ocean Drive, treffen sich zwei verschiedene Gruppen von Menschen: Obdachlose, die dort die Waerme geniessen, und Touristen, die mit gierigem Blick die Obdachlosen fotografieren.

Ich verkneife es mir, in diese Lust nach Sensation einzusteigen, und mache keine Fotos. Aber es passt so gar nicht zusammen: die Muskelmaenner am Strand, die Obdachlosen im Gruenstreifen.

18 November 2005

Die Schwarze Dahlie

Einen voellig beeindruckenden Roman las ich zur Einstimmung auf Los Angeles, im Flugzeug von Detroit nach LA: "Die Schwarze Dahlie" von James Ellroy. Ein verstoerender Roman, ein unglaublich spannender Roman, ein Polizeikrimi, der in den vierziger Jahren spielt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Nachdem in eimem Viertel von Los Angeles eine zerstueckelte Frauenleiche gefunden wurde, beginnen vor allem zwei Polizisten damit, sich immer staerker in den Fall zu verwickeln. Der Ich-Erzaehler des Buches, ein deutschstaemmiger Polizist, der waehrend des Zweiten Weltkriegs japanische Freunde an die Behoerden auslieferte - also alles andere als ein toller Held - steigert sich mit wachsender Besessenheit in die Geschichte hinein und verliert langsam alle Hemmungen.

Beginnend wie ein recht normaler Krimi, steigert sich der Roman immer weiter, zieht den Leser - wie den Helden der Geschichte - immer staerker in die finstere Story hinein. Nichts ist am Ende so, wie man am Anfang und zwischendurch dachte. Ein richtiges Happyend gibt es nicht, und der Moerder wird nicht gefasst.

Kein Wunder: Im wirklichen Leben geschah das auch nicht. "Die Schwarze Dahlie" ist ein Roman nach einem wirklichen Mord, und Ellroy hat mit diesem Buch nicht zum ersten Mal seine persoenlichen Aengste und Frustrationen niedergeschrieben.

Unglaublich gut, unglaublich dicht erzaehlt. Ein Buch, das ich sicher ein zweites und drittes Mal lesen werde!

Polizeilicher Dienst

Heute morgen zehn Uhr: Vier jugendliche Menschen, die aussehen wie Japaner, die sich auf ihrem USA-Trip als Punks verkleidet haben, stilecht mit Nietenlederjacken und abstehenden Haaren, sitzen vor dem McDonald's auf dem Hollywood Boulevard, wieder Ecke Highland Avenue. Sie fruehstuecken Pommes, trinken Cola. Als ich vorbeilatsche, sehe ich, dass sie sogar ein Anarchy-Zeichen auf den Gehweg gemacht haben, aus Zucker.

Sehr huebsch. Sehr adrett. Wie herzig!

Als ich das zweite Mal vorbeikomme, stehen zwei grimmig guckende Polizisten vor den Jugendlichen, die gerade ihre Klamotten zusammenpacken. Der Wagen der Polizisten steht mit Blinklicht auf der Strasse, die Tueren weit offen.

Immerhin werden die Jugendlichen nicht verhaftet. Vielleicht weil sie jung sind oder weil sie Touristen sind. Aber auf dem Gehweg sitzen, das geht einfach nicht. Da greift die Staatsgewalt eisern durch. Wo kaeme man da auch sonst hin?

Bus und Bahn

Keine Ahnung, wie viele Leute mir denn im Vorfeld gesagt haben, man koenne sich in Los Angeles nie, aber auch wirklich NIE-NIE-NIE mit oeffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuss bewegen. Das gehe nicht, das sei unmoeglich und so weiter. Das hoerte ich unter anderem von Leuten, die schon in der Stadt waren und die sich also auskannten.

Moeglicherweise waren die in einem anderen Los Angeles als ich. In der Metropole, in der ich mich derzeit bewege, ist Bus & Bahn eine bequeme Alternative zur permanenten Rush Hour. Ich hole mir einen Day Pass, der kostet drei Dollar, und mit dem kann ich den ganzen Tag ueber mit der Metro-Rail und den Metro-Bussen fahren. Mit denen kommt man praktisch ueberall hin, und wenn man ein bisschen hoeflich fragt, hilft einem der Fahrer sehr freundlich weiter.

Ich habe mir am Mittwoch ein bisschen Hollywood und Downtown - also die Innenstadt - angeguckt, war sogar in der Chinatown (enttaeuschend) und fuhr just for fun mit dem Zug bis raus nach Pasadena, wobei ich einen schoenen Blick auf kreuzlangweilige Vorortsiedlungen und gigantische Staus auf dem Freeway hatte.

Heute war ich in West Hollywood, mal den Sunset Strip angucken und sich vorstellen, wo anno dunnemals die DOORS ihre Auftritte hatten. Dann guckte ich mir Melrose Avenue und die dortige bonzige Umgebung an - jetzt weiss ich endlich, wo "Pretty Woman" gedreht wurde. Und damit es mir nicht langweilig wurde, fuhr ich mit dem Bus noch nach Santa Monica an den Strand.

Zurueck dauerte es eine Stunde, weil der Feierabendverkehr die Strassen lahmlegte. Ein riesiger Stau in der gesamten Stadt, so sah es aus. Im Bus konnte ich schoen Zeitung lesen ("LA Weekly", das hiesige Gratis-Info), zum Fenster rausschauen und Leute angucken.

Wie im Kino. Wozu brauch' ich da ein Auto?

Okay, wenn ich raus will aufs Land. Oder wenn ich in einen Nationalpark will. Aber das wusste ich vorher, dass musste ich mir eh abschminken. Zum Besuch in der Metropole reichen Bus & Bahn und zwei Beine.

17 November 2005

Rundliche Dame

Irgendwo in Downtown Los Angeles, drei Stationen oder so vor der Union Station: Direkt vor mich laesst sich eine Frau in den Doppelsitz der roten Metro fallen. Sie ist sehr rundlich, die figurbetonte Hose sieht aus, als ob sie gleich platzen wuerde, doch ihre Frisur sitzt wie eine Eins, sicher stecken da zwei Pfund Haarspray drin.

Kaum sitzt die Frau, beginnt sie auch schon mit der Schoenheitsarbeit: schminkt sich mit Hilfe eines Spiegels die Augen und die Lippen, drei Stationen lang. Immer wieder blickt sie hinein, kritisch und selbstverliebt zugleich wirkt sie.

Als sie fertig ist, sind wir auch schon an der Union Station. Sie steht auf, ich ebenfalls. Ich erkenne, dass sie an den Knoecheln der rechten Hand Taetowierungen traegt, jeder Finger einen Buchstaben: D-O-L-L. Und als ich eine Weile laenger gucke, sehe ich die Buchstaben auf der anderen Hand: B-A-B-Y.

Es passt.

Polizei im Einsatz

Die Polizei in Los Angeles geht rigoros vor, wenn Menschen das Stadtbild stoeren. So hatte ich zumindest eben den Eindruck. Ortszeit 20.15 Uhr: vier Leute, davon zwei in das Bild des deutschen Bahnhofs-Pennerpunks passend, sitzen an der Ecke des Hollywood Boulevards und futtern Pizza.

Das geht nicht. Als ich an die Stelle kam, waren die Leute bereits verhaftet. Sie standen mit dem Gesicht zur Wand, hatten die Haende hinter dem Ruecken mit Handschellen gefesselt. Polizeifahrzeuge standen mit Blaulicht auf der Strasse, die Uniformierten mit eisiger Miene hinter den Verhafteten.

Es sah wie eine grosse Staatsaktion aus, und die Leute werden heute wohl eine ungemuetliche Nacht im Knast verbringen. Das Punksein in Los Angeles scheint nur dann cool zu sein, wenn man die entsprechende Kohle besitzt.

Tanzen bei Starbuck's

Mein Fruehstueck nahm ich heute morgen bei Starbuck's um die Ecke ein. Die Wahrscheinlichkeit, dort guten Kaffee zu erhalten, war gross, und er schmeckte tatsaechlich sehr gut, der Blueberry Donut uebrigens ebenfalls. Ueber die Preise denken wir jetzt mal lieber nicht nach.

Es lief laute Musik, ich kannte das Stueck nicht, aber es hoerte sich ein bisschen so an wie Sherryl Crow. Die beiden Jungs hinter der Theke, beide so Mitte 20, sangen mit, tanzten sich waehrend der Arbeit quasi einen auf die Musik ab und verbreiteten derart gute Laune, dass auch mies gelaunte Bueroangestellte, die sich einen Kaffee vor der Arbeit holten, vom Lachen anstecken liessen.

Und so hampelten die beiden jungen Maenner hinter der Theke herum, warfen Donut-Tueten in die Luft und fuellten Kaffee in Kunststoffbecher, dass es eine wahre Freude war.

16 November 2005

Punks auf der Highland

Vom Hollywood Boulevard aus geht es in die Highland rein, dort ist ein Internet-Cafe. Als ich die Strasse hochgehe, kommt mir ein Mann entgegen: schwarze Jeans, schwarze Lederjacke, schwarze Stiefel, struppige blonde Haare.

Er sieht aus wie der Saenger von OFFSPRING, vielleicht ist er's ja auch - die wohnen ja angeblich in Hollywood. Aber wuerde sich Dexter Holland (oder so) zu Fuss durch dunkle Strassen bewegen? Aber immerhin: ein Punkrocker, jenseits der 30er-Grenze.

Wenig spaeter sehe ich einen echten Punk, na ja, echt im Sinne von "arme Sau, die im Dreck haust": Auf der anderen Seite des Hollywood Boulevard, aber immer noch in der Highland, hat er sich in einen Schlafsack gerollt und liegt in einer Nische zwischen zwei Mauerstuecken; man sieht ihn kaum.

Keine zwanzig Meter vom glitzernden Boulevard faengt hier also das andere Amerika an, denke ich.

Zwei ganz in Weiss

Ein erstes Highlight in der ersten Nacht in Hollywood: das Paar ganz in Weiss. Und dazu ein kleiner Hund.

Er war schaetzungsweise anfang der 50 und trug einen weissen Anzug. Da er dazu seine schwarzen Haare zu einer Tolle hingebastelt hatte, nahm ich an, dass er auf diese Weise irgendwie Elvis Presley imitieren wollte.

Sie war eine Blondine, vielleicht zehn Jahre juenger als er, aber von dieser alterslosen Art, die von zu viel Schminke herruehrt. Auch sie in Weiss, so dass der rote Lippenstift noch greller leuchtete.

Sie flanierten vor dem Kodak Theatre und dem Chinese Theatre auf und ab, anfangs auf der anderen Strassenseite, spaeter - nachdem der Auflauf der Teenager verschwunden war - auch direkt vor den Gebaeuden. Touristen fotografierten sie, einige sprachen sie an, und die beiden dankten es mit freundlichen Laecheln.

Eine ganz persoenliche Show, ein ganz persoenliches Event. Die beiden wirkten, als seien sie ganz in ihrer Welt zu Hause.

Mariah Carrey

Hollywood ... ich steige aus der Metro-Station und rolle meinen dusseligen Trolley ueber diese Strasse mit all den Sternen, in denen irgendwelche Namen von irgendwelchen Stars geschrieben sind, und wundere mich noch ueber das Polizeiaufgebot.

Dann ist der Gehweg gesperrt, und ich muss die Strassenseite wechseln. Hunderte von Teenagern stehen vor dem Kodiak Theatre (das ist da, wo die Oscars immer verliehen werden, soweit ich weiss) und kreischen, was das Zeug haelt. Kamera-Teams, Scheinwerfer, Spotlights - und ich habe keine Ahnung, was los ist.

Mariah Carrey ist anscheinend da, die singende Heulboje. Noch Stunden spaeter, als ich ein weiteres Mal an der Stelle vorbeigehe, toben noch Teenager, sind noch Kameraleute im Einsatz und filmen irgendwelche Blondinen auf dem Gehweg.

Stolz und Vorurteil

Hach, was fuer ein schoener Film: In der Woche vor meinem Abflug haben wir uns noch "Stolz und Vorurteil" angeschaut, ein herzzereissender Liebesfilm, der mir aber wirklich gefallen hat.

Tolle Dialoge, wunderbare Kostueme, viel Witz und Tempo, keine albernen Special Effects und richtig gute Schauspieler. Das machte richtig Spass, und Keira Knightley, oder wie die Dame nun wirklich heisst, sieht wirklich toll aus.

Vielleicht muss ich doch mal einen Roman von Jane Austen lesen. Bisher schrecke ich ja aus gutem Grund vor irgendwelchen Klassikern dieser Art zurueck.

Regnend in Detroit

Ich hatte mir ein tolles Wetter fuer die Zwischenlandung in Detroit ausgesucht: Es goss in Stroemen, der Flieger ruckelte sich durch die Wolken, und als er aufsetzte, sah man vom Flughafen kaum etwas, weil alles voller Wasserdampf war.

Zeit zum Sinnieren hatte ich nicht: Die insgesamt 100 Minuten, die ich fuer das Umsteigen hatte, brauchte ich komplett fuer die Kontrollen. Fingerabdruecke und Fotos, Befragungen gleich zweimal von verschiedenen Beamten, dann durfte ich endlich nach Amerika rein. Na, da war ich aber erleichtert!

Toll war die Tatsache, dass ich meinen Koffer vom Gepaeckband holen und dann wieder neu aufgeben musste. Die Dame an der Kontrolle wollte, dass ich mein Schloss aufmache und den Koffer unverschlossen aufgebe. Auf meine Frage, warum, sagte sie: "Dann muessen ihn die Beamten nicht aufbrechen." Na klasse. Also gab ich meinen Koffer unverschlossen auf.

Zu Detroit nur noch so viel: Die Bahn, die durch die Flughafenanlage faehrt, hat echt was. Vielleicht ein andermal ...

Rassistischer Reflex

Schon seltsam, wie man reagiert: Am Flughafen in Frankfurt war eine Gruppe muslimischer Menschen dabei, offensichtlich zwei Familien, die nichts miteinander zu tun hatten. Verschleierte Frauen, Maenner mit Vollbart.

Irritiert guckte ich hin. Sofort hatte ich die Vision von Terror-Anschlaegen im Kopf. Und schaemte mich sofort dafuer. Trotzdem ging der Gedanke nicht aus der Birne: Was, wenn das jetzt irgendwelche Terroristen sind?

Schon hart, wohin einen diese dauernde Terror-Panik treibt ...

14 November 2005

Ein Drama in zehn Schritten

Erstens: Wir wohnen in einer extrem gut bürgerlichen Gegend, allerdings im einzigen häßlichen Wohnblock des Viertels.

Zweitens: Viele Passanten benutzen den Hof unseres Wohnhauses als Abkürzung, um nicht den Weg über die Straße zu gehen.

Drittens: Unsere Haustür ist selbstschließend, sie braucht aber gut zwanzig Sekunden, bis sie hinter einem ins Schloß fällt.

Viertens: Es ist also nicht klug, wenn eine Dame aus unserem Haus eine Frau anschnauzt, nur weil diese durch den Hof geht. Das könnte Reaktionen nach sich ziehen.

Fünftens: Ich mag hier keinen Zusammenhang herstellen, aber es sieht ganz so aus, als habe sich die betreffende Angeschnauzte gerächt. Die Haustür steht schließlich oft genug lange genug offen.

Sechstens: Irgend jemand ist ins Haus geschlüpft, durch die Haustür, hat sich offensichtlich in die Hocke niedergelassen und in die Ecke gepinkelt – zwischen Haustür und Treppe.

Siebtens: Bei einem Mann hätte es an der Wand hochgespritzt, also mußte es eine Frau gewesen sein.

Achtens: Es geschah offensichtlich kurz nach diesem Anschiß vom Balkon aus.

Neuntens: Es roch unangenehm, und alle fanden den See aus Urin im Treppenhaus wenig lustig.

Zehntens: Das Fazit also: Wer Frauen anscheißt, erntet Pisse im Flur.

11 November 2005

Grausiger Grusel-Spaß


So ziemlich das schlechteste und das lustigste Buch zugleich in diesem Jahr: der erste Band der TONY BALLARD-Buchreihe, der im Zaubermond-Verlag erschienen ist. Das Ding trägt den genialen Titel »Die Hölle vergibt nie« und wurde von dem pseudonymen Autor A.F. Morland verfasst.

Bevor jetzt jemand erklären mag, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt: Das weiß ich wohl, in meinem Büro im Verlag befinden sich diverse Schriftwechsel und Verträge. Aber das eine versuche ich vom anderen zu trennen – und dieses Buch ist einfach gnadenlos schlecht. »Die Hölle vergibt nie« ist nicht gruselig, und es ist kein echter Horror, obwohl es mit den Mitteln der Horror-Literatur arbeitet: Teufel und Verwünschungen, die Hölle und fürchterliche Tode.

Aufgrund des sehr schlichten Stils und des gänzlichen Verzichts auf anschauliche Beschreibungen rast die Handlung im Schweinsgalopp durch die gut 250 Seiten, ohne sich an einer weitergehenden Charakterisierung der Hauptpersonen aufzuhalten. Jedes Mittel, Spannung zu erzeugen oder dem Leser wirklich einen Schauer über den Rücken zu jagen, wird großmütig ignoriert – unglaublich!

Laut einem Interview, das sich auf der Homepage des Zaubermond-Verlags befindet, kam der Autor quasi im Garten zu seinem neuen Verlagsvertrag: »Ich war im Garten und schnitt die Koniferen, da klingelte mein Handy, und am andern Ende war ein Mann namens Dennis Ehrhardt vom Zaubermond-Verlag. Er wollte wissen, wie ich prinzipiell zu einer Fortsetzung von Tony Ballard stehe. Peter Thannisch, der Cheflektor nach Rainer Delfs bei Bastei, träumte ja schon seit Jahren von einer Fortsetzung seiner Lieblingsserie, schaffte es aber aus Gründen, die ich nicht kenne, nicht, die Sache auf den Weg zu bringen. Nun kam dieses Angebot von Zaubermond, und ich entschied mich, es anzunehmen.«

Stolz ist der Autor darauf, daß er sich an den grausigen Gruselromanen der siebziger Jahre orientiert: »Mal sehen, wie die neuen Romane ankommen. Da ich keine Jugendschutz-Indizierung zu befürchten habe, werde ich mal wieder so richtig schön hart durchgreifen.« Um's vorsichtig zu sagen: Ich hätte nichts gegen zünftigen Horror und eine Prise Brutalität – so aber liest das einfach nur peinlich.
Dieser Roman ist einfach Trash und unter diesem Gesichtspunkt sogar richtig lustig.

Morland, A.F.: Die Hölle vergibt nie
Originalausgabe
Hardcover / 252 Seiten
Zaubermond

Noch mal zum Frankreich-Chaos

Irgendwie finde ich das schon schrill: Da arbeite ich an einem Roman, der den Titel »Chaos en France« tragen wird, und in Frankreich tobt ein richtig fieses Chaos. Zumindest machen einem das die Medien jeden Tag vor. Wenn amerikanische Medien vom »Iraq in Europe« schreiben, ist das ganz schön bescheuert.

Interessant ist allerdings, wenn Medien über dieses Chaos berichten, die vom Chaos richtig Ahnung haben. In diesem Fall die Kollegen von der Pogo-Partei: »Höchste Zeit also für eine pogo-anarchistische Analyse der französischen Verhältnisse!« heißt es dort in einem aktuellen Statement.

Wie sehr oft auf der betreffenden Homepage, so ist auch dieser Artikel von bestechender Klarheit. Endlich mal eine Analyse ohne Gejammer, die einen klaren Standpunkt verkündet und diesen auch bis zu Ende denkt.
Ob man sich der Meinung anschließt, ist bitteschön jedermanns eigene Sache!

Idee und Ahnung

Nichtahnend stehe ich an diesem Freitag nachmittag, 11. November 2005, in der Volksbank-Filiale in Rastatt. Geld abholen für die Reise. Ich höre mit halbem Ohr hin, was die Kassiererin am Schalter nebenan so von sich gibt.

»Ich hab' da keine Idee«, sagte sie, und ich gehe fast in die Luft.

Ich hasse Synchronesisch! Ich hasse es, wenn die Leute so sprechen und so schreiben wie in schlecht synchronisierten Seifenopern aus den Vereinigten Staaten!

»No idea« heißt auf deutsch nicht »keine Idee«, sondern »keine Ahnung«. Aber da immer mehr Schwachköpfe dieses Dummdeutsch übernehmen, ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis auch der Sprach-Duden diesen Unfug aufgreift.

Die Rückverdummung ist nicht aufzuhalten. Aber irgendwie habe ich mir Rückverdummung immer lustig vorgestellt, aber nicht mit einer geblümten Bluse, hochgesteckten dunkelblonden Haaren und einer griesgrämigen Miene unter der Brille mit Goldrand.

10 November 2005

Chaostage in Paris

»Laute Tage in Clichy« wäre auch ein schöner Titel, aber das versteht ja keiner. Nicht einmal ich so recht. Aber egal.

Seit Tagen geht es in Frankreich richtig ab. Sagen wir so: Die Randale-Stimmung scheint sich zu beruhigen, wenn ich den Medien glauben kann. Es brennen weniger Autos, es herrscht eine Ausgangssperre für Jugendliche, und es ist mehr Polizei präsent.

Das Mediengejaule in Deutschland nervt mörderisch. Mein Französisch ist zu schlecht, um französischen Medien folgen zu können. Da ist man ja echt auf Blogs angewiesen, um einen anderen Blickwinkel zum Geschehen zu erhalten.

Im Nullzeitgenerator steht unter dem Titel »c'est la guerre, chez vous aussi« ein wunderbarer Artikel – übrigens in deutscher Sprache, man möge sich nicht vom Titel abschrecken lassen. Unbedingt lesen.

Ich halte es ein wenig mit den Erfahrungen von 1995: Als in Hannover die Chaostage ihrem Ende zugingen und ich die letzte Nacht durch die Straßen fuhr und rannte, wurden die Straßenschlachten größtenteils nicht mehr von Punks geführt, sondern von ganz normalen Leuten, die Flasche aus den Fenstern auf die Polizisten warfen, von irgendwelchen Jugendlichen und so weiter – und seither habe ich gesagt, daß so etwas mal wieder kommen wird ...

07 November 2005

Titus Müller und der 2319

Ein wichtiges Telefonat heute betraf den PERRY RHODAN-Roman 2319. Das ist ein sogenannter Gastroman, den Titus Müller für die Science-Fiction-Serie schreibt, für die ich als Redakteur tätig bin.

Titus wurde vor allem als Autor historischer Romane bekannt; ich lernte ihn vor eineinhalb Jahren persönlich kennen, als wir beide auf einem Autorentreffen in Nürnberg jeweils einen Vortrag hielten und eine gemeinsame Lesung bestritten. Seither wollen wir einmal zusammen arbeiten.

In diesem Herbst hat es geklappt, und heute hatten wir das ausführliche Telefonat zu seinem Gastroman, den ich übers Wochenende gelesen habe. Selbstverständlich erzähle ich hier nichts über den Inhalt des Romans, zumindest nicht sehr viel - aber es ist schon interessant, wie ein Autor, der aus dem Umfeld des historischen Romans kommt, mit einem lupenreinen Science-Fiction-Thema umgeht.

Der Roman wird in etwa zwölf Wochen erscheinen. Man kann gespannt sein, wie die Leser auf das Werk reagieren werden.

Enttäuschender Start


Ich weiß, daß Manfred Weinland schreiben kann und daß er über brauch- und umsetzbare Ideen verfügt. Das hat er mit Serien wie »Vampira« ausreichend bewiesen, und auch bei »Bad Earth« hat er sehr viele Ideen untergebracht. Deshalb ist es sehr begrüßenswert, wenn der Zaubermond-Verlag Weinlands Heftroman-Reihe mit neuen Science-Fiction-Romanen im Hardcover-Format fortsetzt.

Leider aber ist »Die geheime Macht«, der erste Band der neuen »Bad Earth«-Reihe, nur für Fans der Serie verständlich. Ich habe insgesamt fünf Romane der Heftromanserie komplett gelesen und alle anderen nur geblättert, bin also nur einigermaßen auf dem Laufenden, was geschehen ist – es reicht aber auf jeden Fall nicht aus, dieses Buch zu verstehen.

Häufig war wirklich nicht nachvollziehbar, was eigentlich passiert, obwohl die Geschichte sauber geschrieben ist. Schade, denn damit hat die »Bad Earth«-Buchreihe einen potentiellen Leser gleich wieder verloren.

Manfred Weinland: Die geheime Macht
Originalausgabe
Hardcover / 252 Seiten
Zaubermond

06 November 2005

Perplexer Kabarettist

Damit hatte HG Butzko, der Kabarettist, nicht gerechnet: Nachdem er sein Programm im Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim, der häßlichsten Stadt Süddeutschlands, beendet hatte, ging er eigentlich davon aus, daß er einige Autogramme geben und einige Platten verkaufen konnte. Aber es gab tatsächlich eine Frau, die mit ihrem Partner – beide im Ökohippielatschen-Outfit – zu ihm hintaperte und ihm eine Diskussion reindrücken wollte. Er habe so viele Witze über Frauen gemacht, und das sei doch nicht gut, und er solle doch lockerer werden, und er solle auch Witze über sich selbst machen.

Da war der Kabarettist, der uns vorher fast zwei Stunden lang mit einem großartigen, sehr lustigen Programm aus politischen und nicht-politischen Texten unterhalten hatte, völlig baff. Leichte Röte stieg seitlich an seiner Glatze hoch, ich konnte es ihm genau ansehen. Aber er hielt sich mustergültig zurück – an diesem Samstag abend, 5. November 2005, wollte er sich nicht aufregen. Immerhin hatte er die Vor-Premiere gut überstanden und nur einmal ernsthaft den Text vergessen.

Man stelle sich aber bitteschön meine Überraschung vor, als ebenjene Ökoschnatze mit ihrem Macker hinterher bei uns am Tisch saß, weil sie Bekannte von Bekannten war, wie mir schien. Ich schämte mich, und ich hoffte nur, daß Meister Butzko das nicht mitbekäme. Dann hätte ich mich noch mehr schämen müssen.

Menschen ohne Humor sind schrecklich. Sie treten gerne in Polit-Kreisen auf, und da gehören sie auch hin. Aber bitteschön nicht ins Kabarett, hergottnochmal!

Andrea Nahles

Irgendwie war sie mir damals schon sympathisch, die Juso-Vorsitzende, als ich sie im Jahr 1997 auf einer PERRY RHODAN-Veranstaltung in Sinzig am Rhein kennenlernte. Sie hatte sich als Science-Fiction-Fan geoutet, und sie war von Werner Fleischer zu der Veranstaltung eingeladen worden. Werner Fleischer, selbst SPD-Mitglied und PERRY RHODAN-Fan, hatte das für eine Klasse-Idee gehalten – ich fand das auch gut, weil auf diese Methode zusätzliche Journalisten in das Jugendhaus der rheinischen Kleinstadt kamen.

Andrea Nahles war kämpferisch und überhaupt nicht so dusselig wie die meisten Politiker, die ich bisher mitbekommen hatte. Sie verstand zwar nicht, warum ich keine Lust darauf hatte, ihre Partei zu wählen, sondern lieber den Stimmzettel ungültig abzugeben, aber sie kämpfte eisern um ihre politischen Inhalte. Das fand ich sympathisch – auch wenn sie am Frauenbild in der PERRY RHODAN-Serie einiges an Kritik anzubringen hatte.

Und jetzt? Jetzt stürzt sie mal ganz nebenbei, ohne das zu wollen, den SPD-Parteivorsitzenden Franz Müntefering, und läßt ihre Partei in eine tiefe Krise purzeln. Eine respektable Leistung für eine 35 Jahre alte Frau, Respekt! Schlimm ist jetzt zwar, in welcher Art und Weise sie angegriffen wird, aber man kann in diesem Land ja kaum damit rechnen, daß eine selbstbewußte Frau von den Medien und von den Politik-Fuzzys gut behandelt wird.

Sie wird sich durchsetzen. Man wird von der Frau noch mal hören. Und ich bin sicher, daß Andrea Nahles nicht zum letzten Mal in der Presse war. Allerdings: Auf einer PERRY RHODAN-Veranstaltung werde ich sie kaum noch sehen ...

Rauchig-rauhe Stimmen

Fünf eher gemütlich und normal aussehende Herren aus Kalifornien nennen sich ausgerechnet Whiskey Sunday und fabrizieren ihre spezielle Abart des Emopunk: Darunter versteht man eine einigermaßen neue Spielart von Punkrock, die sich durch rauhen Gesang, teilweise melancholische Texte und schwer rockigen Gitarren auszeichnet – und das ist nur eine absichtlich grobe Definition.

Seit schätzungsweise einer Woche bekomme ich die Platte »Maldecido«, das neue Werk der Band, nicht von meinem Plattenspieler herunter. Plattenspieler – richtig gelesen! Das ist eine Vinylscheibe, und selbstverständlich höre ich noch fleißig Vinyl, weil ich einfach Schallplatten rein künstlerisch den billig gestalteten und langweiligen CDs vorziehe. Da gefällt mir eben auch, daß ich eine schön gestaltete Hülle zur Platte bekomme, auf der die Texte abgedruckt sind – sehr schön!

Whiskey Sunday klingen immer rauchig und rauh, immer ein bißchen traurig und trotzdem kraftvoll. Das ist keine Musik für den ausgelassenen Pogo, sondern wirklich eine für den Sonntag nach-mittag. Ich glaube, da gehe ich gleich noch mal ans Plattenregal und krame nach den alten Wipers-Platten – das paßt dann schon sehr gut zusammen!

05 November 2005

Die Brille zur Macht


Die Orgelfabrik in Durlach – einer eigenständigen Kleinstadt, die aber zu Karlsruhe gehört – ist ein eher alternativ wirkender Veranstaltungsraum, in dem wir unlängst zum ersten Mal bei einem Kabarett-Abend waren. Am Freitag, 4. November 2005, riskierten wir es, einen völlig unbekannten Kabarettisten auf der Bühne zu bewundern.

Der Mann heißt Mathias Tretter, ist Jahrgang 1972 und stammt aus Würzburg. Vor schätzungsweise 50 Leuten, die durchschnittlich zwischen 40 und 50 Jahren alt waren, spielte er sein Programm »Die Brille zur Macht«, ein politisches Programm, in dem er einen radikalisierten Bibliothekar spielt, der in der Gefängnisbibliothek sitzt und über sein Leben, die Politik, die Literatur und die Welt an sich redet.

Anfangs fand ich das ganze eher ein bißchen lahm, weil Tretter eher unspektakulär anfing. Doch dann wurde es immer lustiger, und nach der Pause hatte ich irgendwann Tränen in den Augen, weil ich vor lauter Lachen nicht mehr zu Atem kam. Die Witze wurden durchaus grober, und spätestens als er damit anfing, Klaus Kinski zu imitieren, war ich kurz davor, vom Stuhl zu rutschen.

Das ganze war dann eben nicht mehr nur politisch, sondern stellenweise schlicht & ergreifend haarsträubend blöd. Trotzdem oder gerade deshalb hat es mir saugut gefallen. Und ... Pädagogen bekommen ihr Fett ab, Sozialarbeiter ebenso, Politiker erst recht, und über Literatur läßt sich besonders gut lästern.

Wobei mir der Knastbruder Loren Lauer richtig sympathisch wurde: Jemand, der letzten Endes deshalb Terrorist wurde, weil er André Rieu so gräßlich findet, kann ja nicht einmal ein schlechter Mensch sein.

03 November 2005

Bahnfahrt nach München

Ich fahre gerne mit der Bahn, obwohl ich ein Auto besitze, das ich täglich benutze. Aber die Bahn ist für Dienstreisen sehr praktisch: Ich kann im Zug fleißig lesen, kann dösen und muss mich auf keinen Verkehr konzentrieren.

Heute beispielsweise eine wichtige Fahrt nach München, Besuch bei zwei verschiedenen Verlagen. Im Zug las ich während der Hinfahrt haufenweise Exposés - also Vorlagen für künftige Romane - und auf der Rückfahrt zwei Romane, einmal PERRY RHODAN und einmal ATLAN. Damit es nicht gar zu einseitig wurde, kamen noch die halbwegs aktuelle Ausgabe von Le Monde Diplomatique hinzu und auf der Rückfahrt der völlig geniale Flix-Comic »Sag was«.

Das war klasse. Auf diese Weise bekam ich größtenteils nicht mit, wie sich die Leute rings um mich teilweise zum Affen machten. Highlight sind immer Leute, die sich im Wagen geirrt haben und trotzdem darauf pochen, genau diesen Platz (!!!) reserviert zu haben.

Dann doch lieber die Nase ins Manuskript stecken.

02 November 2005

Durchkomponierter Thriller


Es ist irgendwie schon lustig, die Besprechungen zum aktuellen Roman des britischen Bestseller-Autoren Ken Follett zu lesen: Manche Rezensenten überschlagen sich vor Begeisterung, schreiben etwas von »atemloser Spannung«. Gemeint ist der Roman »Eisfieber«, und dieser erschien zur Frankfurter Buchmesse. Manche Besprechungen, vor allem diejenigen in Stadtmagazinen, erschienen derart zeitgleich, daß gewisse Zweifel angebracht sind, ob die Rezensenten das Buch überhaupt gelesen haben.
Sei's drum. Ich hab's getan. Und ich gestehe, daß ich es wirklich sehr spannend fand, nachdem ich die Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte.

Die Heldin ist eine gewisse Antonia Gallo, Sicherheitsbeauftragte in einer Firma, die ausgerechnet in Schottland Impfstoffe entwickelt. Sie ist unglaublich kompetent, kümmert sich liebevoll um ihre demente Mutter, läßt sich gerne in einer Schönheitsfarm pflegen und sieht überragend gut aus. Zu allem Überfluß ist sie in ihren Chef verliebt.

Der wiederum ist anfangs der 60, sieht ebenfalls unglaublich gut aus, ist warmherzig und strahlend, intelligent und weise, und wie wir im weiteren Verlauf des Buches erfahren dürfen, ein »absolutes Ass« im Bett. Dieses Musterbeispiel an Mann hat leider bei seinen Erziehungsaufgaben nicht alles hundertprozentig richtig gemacht und deshalb einen bescheuerten Sohn.

Und der hat nichts besseres zu tun, als mit einer einer Handvoll Ganoven ausgerechnet an Weihnachten in das Hochsicherheitslabor einzubrechen, dort ein tödliches Virus zu stehlen und mit diesem in einen Schneesturm zu geraten. Vor dem Schneesturm flüchten die Bösewichte – richtig!, sie flüchten in das Haus des Wissenschaftlers, in dem derzeit auch seine zwei Töchter, deren Männer sowie vier Kinder auf das Christkind warten.

Soweit der durchaus klischeehafte aber allen Regeln eines guten Thrillers – vor allem im Kino – entsprechende Anfang und Mittelteil des Romans. Als erfahrener Leser finde ich das nicht immer gut, gähne allerdings nicht, weil Mr. Follett einfach gut erzählen kann, ertappe mich aber dabei, daß ich schneller lesen will: Schließlich interessiert mich rein strukturell, wie der Autor das Geschehen auflöst.

Das klappt dann doch sehr gut. Ich kam am Montag, 31. Oktober 2005, deshalb eine Stunde zu spät zur Arbeit, weil ich das Buch zu Ende lesen wollte. Nein: mußte! Es war dann doch spannend, mitzubekommen, wie der Autor all seine Figuren zu einem fulminanten Duell im hochherrschaftlichen Haus versammelt, wie Jugendliche mit Autos über Gangster hinwegfahren, wie verspielte Hausratten zu einer Waffe werden, wie ein Shakespeare-Liebhaber sich tapfer Gangstern in den Weg stellt – und so weiter.

Das ist spannend, das ist filmgerecht erzählt, das macht richtig Spaß. Ein deutscher Bestseller-Autor, dessen Namen ich sicherheitshalber nicht nennen möchte, erzählte mir bei dem offiziellen Empfang im Frankfurter Hof, an dem die Verlagsgruppe Lübbe den Autoren Ken Follett präsentierte: »Der schreibt mal gute und mal weniger gute Romane. ›Eisfieber‹ ist eben einer von den nicht so guten Romanen.«

Da hat er recht. Aber Follett kann sogar mit einem extrem durchschnittlichen Roman so gut erzählen, dass man vor Spannung nicht mehr von der Toilette herunterkommt oder zu spät bei der Arbeit erscheint. Das ist auch was wert, finde ich.

Ken Follett: Eisfieber
Übersetzung: Till R. Lohmeyer, Christel Rost
461 Seiten / Hardcover
Gustav Lübbe Verlag / ISBN 3-7857-2220-6

01 November 2005

Zähe Schreibarbeit

Es ist etwas vergleichsweise einfaches, an den Romanen und Erzählungen von Kollegen herumzukritisieren. Gehe ich aber an meine eigenen Texte, stelle ich mit finsterer Miene fest, wie viele Fehler ich selbst begehe. Das sehe ich gerade bei der Bearbeitung von »Chaos en France«, meinem zweiten Punkrock-Roman, der voraussichtlich im März 2006 erscheinen wird.

Zumindest ist er für diesen Termin angekündigt, also muß ich entsprechend vorarbeiten. Geschrieben ist eigentlich alles, jetzt muß ich es nur noch redigieren. »Nur noch« ist ein Euphemismus, denn ich streiche sehr viel in den Texten herum. Vor allem streiche ich sehr viel weg. Ein Teil der Kürzungen kommt daher, daß die originalen Texte in Fortsetzungen im ZAP und im OX erschienen sind und teilweise schon allein deshalb viele Wiederholungen vorkommen müssen. Die streiche ich jetzt raus.

Schlimm ist allerdings, wenn meine Lebensgefährtin an meinen Text geht. Sie streicht unerbittlich alles an, was ihr schlecht und faul vorkommt. Und das ist richtig viel. Nicht nur einmal muß ich mich dafür schämen.

Und damit schlage ich mich heute herum. Idealerweise bin ich irgendwann gegen 22 Uhr heute abend mit dem reinen Redigieren durch - dann geht sie an die Arbeit. Ich bin extrem gespannt, welches Ergebnis ich dann irgendwann in gedrucker Form vorliegen habe.