29 Dezember 2023

Warum ich kein Swiftie werde

Man kann wohl ohne Widerspruch behaupten, dass Taylor Swift derzeit der größte Popstar der Welt ist. Sie veröffentlicht irrsinnig erfolgreiche Platten, sie hat zig Millionen Fans weltweit, und sie ist multimedial auf allen Plattformen unterwegs. Daneben engagiert sie sich auch noch für gesellschaftliche Themen, schreibt ihre Stücke selbst und bringt alte Platten in eigener Regie neu heraus.

Die Frau macht also alles richtig. Und ich kannt bis heute kein einziges Musikstück von ihr. Ich höre nicht die Sender, wo diese Musik gespielt wird, vermute ich ... Aber weil ich das als Bildungslücke empfand, hörte ich mir heute via Spotify über eine Stunde lang Musik von Taylor Swift an, die mir von diesem Streamingdienst als »beliebteste« Stücke vorgeschlagen wurden.

Was soll ich sagen? Die Musik ärgerte mich nicht, sie war nett und angenehm zu hören. Es blieb nur nichts hängen. Ich vergaß die Stücke buchstäblich, während sie liefen. Es kann also durchaus sein, dass ich schon tausendmal Musik von ihr gehört habe, sie aber sofort wieder aus dem Hirn geflutscht ist.

Taylor Swift macht keine Musik, bei der ich brechen muss. Davon gibt es ja viel. Sie macht Musik, die mich langweilt. Ich finde sie uninteressant.

Das ändert nichts daran, dass ich ihren Erfolg und alles, was die Sängerin erreicht hat, sehr respektabel finde. Das muss ja alles erst einmal geschafft werden. Davon bin ich sehr beeindruckt. Aber ich selbst werde wohl nie ein Fan von ihr werden – vielleicht bin ich auch zu alt, ein Swiftie zu werden ...

28 Dezember 2023

Gruseliges in Venedig

Als »A Haunting in Venice« im Kino kam, verpasste ich den Film. Das ist auch schon wieder einige Monate her. Dieser Tage kam ich endlich dazu, ihn im Streaming anzuschauen – und ich war von der Machart des Films und seiner Geschichte sehr angetan. Die Mixtur aus leichtem Grusel und Krimi funktioniert für mich sehr gut.

Es ist der dritte Film, den Kenneth Branagh nach einem Roman der Autorin Agathe Christie drehte. Ich hatte mir die anderen beiden Filme in den vergangenen Jahren angesehen. »Mord im Orient Express« hatte mich mit der winterlichen Atmosphäre gepackt, bei »Tod auf dem Nil« gefiel mir die Darstellung der versnobten Reisenden, unter denen sich anscheinend ein Mörder befindet.

»A Haunting in Venice« ist im Jahr 1947 und in Venedig angesiedelt, womit er weit von der literarischen Vorlage abweicht. Die Stadt auf dem Meer spielt eigentlich keine große Rolle; ab und zu schwenkt die Kamera über sie drüber, gelegentlich sieht man den Markusplatz oder eine Gondel. Es regnet ohnehin die meiste Zeit, aber die Stadt zeigt einen morbiden Charme, der letztlich den Film trägt. Dadurch ergibt sich ein eindrucksvoller Hintergrund.

Hauptsächlich spielt die Geschichte in einem Haus, in dem es angeblich spukt. Eine Séance findet statt, eine Journalistin spielt ebenso eine Rolle wie ein bekanntes »Medium«, und am Ende gibt es mehrere Tode sowie einen klaren Mordplan.

Seien wir ehrlich: Hätte man die gleiche Geschichte bei hellem Licht und mit vielen Außenaufnahmen erzählt, wäre sie schlapp geworden. Der Effekt entsteht durch die Dunkelheit in den Fluren, das schlechte Wetter außerhalb des Gebäudes und die schlechte Beleuchtung aller Räumlichkeiten. Dadurch entsteht ständig der Charakter eines Spukhauses, und diese unheimliche Atmosphäre zeichnet den Film aus.

Kenneth Branagh überzeugt für mich als Hercule Poirot. Er wirkt nicht lustig, sondern eher melancholisch; mit den alten Hercule-Poirot-Verfilmungen hat das nichts zu tun. »A Haunting in Venice« liefert meist glaubhafte schauspielerische Leistungen, viele starke Szenen und einige echte Überraschungen.

Ich fand den Film klasse!

27 Dezember 2023

Lesenswertes, knappes E-Book

Es ist eine Weile her, seit das Sachbuch »Des Königs NSA« als E-Book erschienen ist. Es war wirklich 2016; das schockierte mich dann schon. Ich kam nämlich erst über die Feiertage dazu, das E-Book zu lesen, vorher war es in den Daten-Untiefen ein wenig verloren gegangen.

Der Autor ist Tom Hillenbrand, und er schrieb es quasi in direkter Fortsetzung seines historischen Romans »Der Kaffeedieb«. In diesem hatte Hillenbrand nicht nur erzählt, wie der Kaffee eigentlich nach Europa kam, sondern auch auf vielfältige Weise dargestellt, mit welchen Mitteln die Geheimdienste früherer Jahrhunderte arbeiteten, um an Informationen zu kommen.

Das war ein Roman. Und jetzt haben wir das gleiche in einem flott zu lesenden Sachbuch, eher ein Sachbüchlein, das man aber nach wie vor in jedem E-Book-Shop kaufen kann.

Der Autor zeigt, wie die sogenannten Schwarzen Kabinette entstanden, wie sie arbeiteten und welchen Herrschern sie dienten. Er vermittelt dabei Dinge, die ich noch nie gehört hatte – so war mir nicht bewusst, dass die große Schlacht um Wien, als ein Heer aus Polen den Österreichern zu Hilfe kam und die Türken vertrieb, letztlich die Folge einer großen Intrige um Depschen und Botschaften war.

Das alles liest sich leicht und unterhaltsam, und trotzdem liefert jedes der kurzen Kapitel eine Fülle von Informationen. Schnüffeltechniken gab es schon im 17. Jahrhundert, und die Ziele unterschieden sich nicht unbedingt von denen der heutigen Zeit.

Ein großes Plus des E-Books ist, dass es diese Parallele zieht!

22 Dezember 2023

Doch lieber antipolitisch

Bei einer der vielen Diskussionen Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre sagte ich wieder einmal: »Ich habe zwar zu vielen Dingen meine Meinung, aber eigentlich bin ich unpolitisch.« Das stimme nicht, wurde mir widersprochen: »Weil du eine Meinung hast, aber dich bei keiner Gruppierung aufgehoben fühlst, bist du eigentlich antipolitisch.«

So fühle ich mich heute sehr oft. Damals war es so, dass ich selbstverständlich Nazis ablehnte und mich ihnen auf der Straße auch häufig in den Weg stellte; andere Feindbilder lassen wir hier erst einmal weg.

Aber mit vielem von dem, was in »linken Kreisen« geredet wurde, kam ich nicht klar. Das ging bei der Verwendung komplizierter Fremdwörter los und endete bei einer unglaublichen Arroganz. Mit solchen Leuten wollte ich nichts zu tun haben. Das führte dazu, dass ich über Linke häufiger schimpfte als über Nazis – bei irgendwelchen Boneheads war ja klar, auf welcher Seite man stand, und das musste man nicht diskutieren.

Und heute? Viele Themen interessieren mich. Ich lese politische Artikel im Netz, ich habe politische Zeitschriften abonniert, ich habe zu vielem eine klare Meinung. Aber ich schreibe immer weniger darüber.

Das ist keine Feigheit. Fragt mich jemand im persönlichen Gespräch, gebe ich sofort eine Antwort. Aber einen Blogtext zu schreiben, der sich mit einem ernsthaften politischen Thema beschäftigt, sollte mehr sein als nur das Rausrotzen meiner Meinung. Zumindest denke ich mir das immer wieder. Ich fange nämlich häufig Texte zu politischen Themen an, weil ich meine Meinung äußern will, gebe dann aber auf und lösche den Text wieder.

Ich bin nicht unpolitisch. Die meisten Menschen, die sich in politischen Gruppierungen engagieren und Amt und Würden anstreben, sind mir aber nicht so recht geheuer. Vielleicht bin ich doch schlicht antipolitisch ...

21 Dezember 2023

Post vor Weihnachten

Der Briefträger kannte mich schon lange. Er wohnte keine 300 Meter von unserem Haus entfernt, auf unserer Seite des Dorfes, also da, wo die »Alteingesessenen« wohnten, und nicht da, wo sich die »Reing’schmeckten« ansiedelten. Er hatte mich als Kleinkind im Kinderwagen gesehen, als Kindergartenkind und als Grundschüler; unzählige Male war ich an seinem Haus vorbeigezogen, um in die Schule oder den Kindergarten zu gehen.

Seit einiger Zeit aber bekam ich mehr Post als jeder andere Mensch in unserem Weg. Das schien ihn zu verwirren. Es konnte also durchaus geschehen, dass er mir – wenn ich gerade im Hof stand – die Briefe in die Hand drückte und mir sagte, »der Bully hat wieder geschrieben«. Dann wusste ich, dass ich eine neue Postsendung von »Bullys Schreibtisch« bekommen hatte, einem der Science-Fiction-Clubs, in denen ich neuerdings Mitglied war.

An jenem Tag vor Weihnachten war allerdings einiges anders. Oder aber: Es war wie immer, nur mit Abweichungen. Die Nachbarn mochten den Postboten, und so bekam er überall im Dorf an diesem Tag seine Geschenke. An einem Haus gab’s eine Schokolade, ein Bauer überreichte ihm ein Stück Speck, eine Frau überraschte ihn mit selbstgestrickten Handschuhen.

Und immer wieder bekam er einen Schnaps ausgegeben, »oin uff da Weg«, wie man so schön sagte. Da wir am Ortsrand wohnten, waren unser Weg immer der letzte, durch den er kam, und nach unserem Haus ging er heim. Normalerweise war seine Route gegen ein Uhr beendet, an diesem Tag vor Weihnachten kam er gegen fünf Uhr mittags an.

Es war schon dunkel, und als sich ein schwankender Mann unserem Haus näherte, rief meine Mutter erschrocken. »Der Postler kommt.« Sie hatte recht. Es schneite leicht, die Flocken wirbelten um ihm. Er näherte sich der Treppe zu unserer Haustür, und fast wäre er hingefallen.

Meine Mutter öffnete die Tür. »So kannst du nicht weitermachen«, sagte sie streng.

Der Postbote lehnte an der Wand, sein Gesicht war verzogen. »Ich hab Post für euren Jungen«, lallte er und pustete uns seinen Atem ins Gesicht, der nach Schnaps roch, »nur für den«. Er hielt ein Bündel Papier in der Hand. »Eine Postkarte aus Darmstadt, irgendwas zu Weihnachten, irgendein Heft in einem Umschlag, zwei Briefe, bei denen ich nicht wissen will, worum’s da geht.«

»Es geht dich ja auch nichts an«, sagte meine Mutter tadelnd.

»Aber interessant ist es trotzdem.«

Fast wäre der Mann an der Wand heruntergerutscht. Ich nahm ihm die Post ab, dann packten meine Mutter und ich zu und schleppten ihn in die Küche. Dort war es warm. Die Kleidung des Postboten glänzte feucht, seit Stunden stapfte er durch Schnee und Eis. Wasser tropfte von seinen Schuhen, er dampfte.

»Guck nicht so!«, fuhr sie ihn an. »Du kriegst hier keinen Schnaps mehr.«

»Ich will auch keinen mehr. Ich will nicht so viel saufen, aber sie drängen’s mir ja auf.«

»Dann sag halt nein.«

»Du weißt selbst, wie schwer das in so einem Flecken ist.« Wir sagten nicht »Dorf«, wir sagten »Flecken«, was eher wie »Flegga« ausgesproche wurde. Der Postler atmete schwer. »Hast du mir einen Tee?«

»Zufällig.« Meine Mutter stellte eine Tasse vor ihn hin, schenkte ihm den Tee ein, den sie einige Minuten zuvor gemacht hatte. »Ohne ein Schnäpsle darin«, sagte sie und schob ihm die Tasse zu.

Er trank. Nüchtern wurde er davon nicht. Er rutschte zur Seite. Ich sah ihm an, er würde bald einschlafen, inmitten unserer Küche.

»Wenn der Vater heimkommt, wird er sich wundern«, spottete meine Mutter.

Zu der Zeit arbeitete mein Vater auf einer Baustelle; es würde sicher sechs Uhr oder später werden, bis er bei uns auftauchen würde. Dann brauchte er sein warmes Bier und sein Vesper, um wieder zu Kräften zu kommen. Bei dem Wetter würde er völlig durchgefroren sein.

»Trink deinen Tee«, sagte meine Mutter, »und dann gehst du heim zu deiner Frau.«

Der Postler nickte. »Die Leute sind alle nett, aber ich will nicht so viel saufen.«

Meine Mutter gab es auf. »Dann lass es. Niemand zwingt dich.«

»Hast du eine Ahnung.«

Eine Viertelstunde später stand er wieder im Hof. Der Postbote taumelte immer noch, aber er schien zu wissen, welche Richtung er einzuschlagen hatte. Der Schnee fiel in dicken Flocken vom Himmel; die Straße war weiß.

»Schöne Weihnachten!«, wünschte meine Mutter.

Der Briefträger drehte sich noch einmal um. »Danke, dir auch.« Er lachte. »Auch wenn du geizig bist. Ein Schnäpsle hättest du mir ja geben können, wenn ich doch immer so viel Post für deinen Bub bringe.«

Hardcore made in Italien

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil 2

Als ich die italienische Band Negazione zum ersten Mal hörte, war ich hin und weg. Die Energie, die von der Bühne ins tobende – wenngleich zahlenmäßig geringe – Publikum gepfeffert wurde, war unglaublich. Und mit »Lo Spiritua Continua« knallte die Band im Jahr 1986 hinaus, die ihresgleichen suchte. Für mich ist sie eine der wichtigsten Platten des sogenannten Euro-Hardcore.

Bis heute zählt diese Platte zu meinen liebsten Tonträgern. Das Titelstück selbst beginnt behutsam, steigert sich langsam und wird dann zu einem furiosen Gebratze. Es ist nicht so räudig und wüst wie die Stücke der ersten Negazione-Single, sondern hat Melodie und wirkt komponiert. Aber die Energie steckt von Anfang bis Ende drin.

So waren ja auch die Auftritte der Band, bevor sie sich im Metal quasi auflöste: Sie waren turbulent, die unglaubliche Energie der Band ließ sich auf Platte kaum vermitteln. 

Trotzdem ist und war »Lo Spiritua Continua« ein echter Hit der Band ...

20 Dezember 2023

Milieustudie mit Mörder

Die Tat entspringt keinem genialen Plan, sie geschieht gewissermaßen nebenbei: Am Ende liegt ein holländischer Geschäftsmann tot im Zug, und Élie hat einen Haufen Geld in der Tasche. Doch was soll er damit machen? Er nistet sich bei der Mutter seiner aktuellen Freundin ein, die eine einfache Pension im Süden Belgiens unterhält, und wartet dort ab …

Das ist der Ausgangspunkt für einen eindrucksvollen und auch kurzen Roman. Georges Simenon schrieb »Der Untermieter« kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ich schmökerte das Buch in der Diogenes-Version durch, in der es als Band sechs der Reihe »Ausgewählte Romane« erschienen ist. Die gerade mal 190 Seiten lesen sich rasend schnell – aber ich habe mehrfach zurückgeblättert, um mir einzelne Szenen noch einmal vor Augen führen.

Ob »Der Untermieter« nun ein Krimi ist oder nicht, bleibt dabei gleichgültig. Simenon taucht tief ein in die Milieus, die er beschreibt. Ob es nun die großmäulige Halbwelt aus Bars und Tanzlokalen ist, in der sein Held und seine Freundin anfangs verkehren, oder die spießig-ärmliche Welt der Leute, bei denen sich Élie einnistet, spielt dabei keine Rolle.

Diese Milieus werden mit Liebe zum Detail (es ist kalt, niemand kann sich Kohlen leisten, also halten sich die Leute meist in der Küche auf) beschrieben, nicht von oben herab, sondern mit einem feinen Sinn für die Schwächen der »kleinen Leute«.

Wie sie miteinander umgehen, wie alle versuchen, mit der Tatsache fertigzuwerden, dass ein Mörder unter ihnen lebt, wie sich die Ereignisse langsam zuspitzen und wie Élie als schwacher Charakter irgendwann gar nichts mehr tut und nur noch auf die Polizei zu warten scheint – das ist intensiv geschildert und auf eine packende Weise erzählt. Gelegentlich schimmert Simeons leichter Antisemitismus durch, manchmal springt er mir zu sehr von Kopf zu Kopf, insgesamt aber hat mich auch dieser Roman des großen Schriftstellers gepackt.

Lohnenswerte Lektüre!

19 Dezember 2023

Knast, Marine, Indianer

Seit den späten 60er-Jahren erscheint die Comic-Reihe »Die blauen Boys« im Original. Nachdem sie hierzulande oft in schrecklichen Übersetzungen und ein wenig chaotisch präsentiert worden ist, hat sie seit einigen Jahren die verlegerische Antwort bei Salleck Publications gefunden. Ich las zuletzt den dritten Band der Gesamtausgabe, der mir wieder sehr gut gefallen hat.

Dabei gab es bei diesem Band einen Wechsel im Kreativteam. Der vorherige Zeichner starb, an seiner Stelle übernahm – mitten im künstlerischen Prozess – Willy Lambil, der seine Sache aber so gut machte, dass man kaum einen Unterschied sieht. Er führte die Serie künstlerisch gekonnt weiter, die Texte stammten weiterhin von Rauol Cauvin.

Die Geschichten handeln von zwei Soldaten, die auf der Seite der Unionstruppen während des amerikanischen Sezessionskriegs kämpfen. Dabei durchleben sie in jeder Geschichte unglaubliche Abenteuer. In diesem Band der Gesamtausgabe werden sie in einen Indianerkrieg verwickelt, sie sind einige Zeit in einem Kriegsgefangenenlager inhaftiert und werden zu allem Überfluss auch noch zur Marine abkommandiert. Das alles führt zu einer Reihe von witzigen Komplikationen und zu einer Abfolge von schräger und stets unterhaltsamer Action.

Klar – das Thema ist eigentlich zu ernst, um ständig Witze darüber zu machen. Die Geschichten sparen aber nicht aus, dass es bei diesen Kriegen und Kämpfen zu zahlreichen Toten kam. Zwar fließt kein Blut, aber auf vielen Bildern sieht man Tote auf dem Boden liegen – dem ursprünglich kindlichen bis jugendlichen Publikum wurde in den 70er-Jahren also einiges zugemutet. Heutzutage würde man einige Dinge allerdings sicher anders erzählen.

Aber klar: »Die blauen Boys« sind ein Kind ihrer Zeit. Der Humor stammt buchstäblich aus einem anderen Jahrhundert. Ich kann mich an albernen Westernhelden mit Knollennasen immer noch erfreuen, finde die Gesamtausgabe bei Salleck super und weiß, dass ich sie immer mal wieder in die Hand nehmen werde …

15 Dezember 2023

Ein Sonderheft für Salman Rushdie

Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie wurde der Schriftsteller Salman Rushdie im Oktober 2023 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wie immer war die Veranstaltung einer der Höhepunkte rings um die Frankfurter Buchmesse. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels ließ zu diesem Anlass eine Sonderausgabe seiner Zeitschrift »Börsenblatt« produzieren, die ich dieser Tage endlich gelesen habe.

Mir ist Salman Rushdie vom Namen her natürlich bekannt; wie jeder, der sich für Literatur interessiert oder auch nur am Rand für Politik, habe ich von ihm und der Fatwa gegen den Autor gehört. Aber ich las in all den Jahren nie einen Roman von ihm. Habe ich diese Zeitschrift in den Händen, verstärkt sich dieser Wunsch noch.

Es werden die üblichen Reden vom Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt und von der Vorsteherin des Börsenvereins abgedruckt. Und es gibt die üblichen Fotos, die prominente Politiker, prominente Autoren und sonstige Wichtigleute zeigen.

Der Autor Daniel Kehlmann, der mit Rushdie befreundet ist, geht in seiner Laudation auch auf den Humor des Schriftstellers ein und weist darauf hin, dass man sich mit ihm sogar über »Star Wars« und andere popkulturelle Themen gut unterhalten könne. Der Friedenspreisträger selbst spricht in seiner Rede weniger über sich selbst; stattdessen geht es ihm um Krieg und Frieden, aber auch um »Barbie« und »Oppenheimer«.

Alles in allem ein gelungenes Heft, das ich komplett gelesen habe. (Die Reden gibt es mittlerweile in einem Büchlein, das man regulär im Laden kaufen kann.) Es wird echt Zeit, dass ich mir einen Rushdie-Roman besorge!

14 Dezember 2023

Das JuZ-Info

Wann genau ich zum ersten Mal das Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in Freudenstadt betrat, lässt sich kaum mehr herausfinden. Ich vermute, dass es 1977 war, noch zu Beginn des Jahres, und ich im Verlauf jenes Jahres zu einem regelmäßigen Besucher dieser Einrichtung wurde.

Und leider weiß ich auch nicht mehr, wann zum ersten Mal das sogenannte JuZ-Info erschien. Dabei handelte es sich um ein A4-Blatt, das doppelseitig beschrieben und kopiert wurde. Die Mitglieder des Fördervereins bekamen es mit der Post geschickt, wir Jugendlichen erhielten es im Jugendzentrum.

Hielt ich mich im Jugendzentrum auf, was immer häufiger der Fall wahr, las ich das JuZ-Info immer gern. Es enthält Informationen zu besonderen Aktionen oder kommenden Konzerten, es wurde aber auch eine Menge an Quatsch und Unsinn verbreitet. Als »Redaktion« zeichnete niemand mit Namen verantwortlich, aber es war klar, dass andere Jugendliche dahintersteckten und die JuZ-Verantwortlichen nur den Druck und den Vertrieb übernahmen.

Weil mich Ende der 70er- und zu Beginn der 80er-Jahre das Machen von Zeitschriften immer mehr faszinierte, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich selbst am JuZ-Info mitmachen durfte. Meist saßen wir einmal in der Woche zusammen: drei Jugendliche, manchmal vier, allesamt Jungs, und zeitweise kamen wir aus dem gleichen Dorf, kannten uns also schon seit der Grundschule.

Die ernsthaften Themen hatten wir schnell erledigt: Konzerte, Veranstaltungen, allgemeine Informationen. Dann kam der Quatsch. Wir erzählten vom Wetter und machten Witze, die wir unglaublich lustig fanden. Vermutlich würde ich die Witze heute als peinlich empfinden.

Vor allem nannten wir uns »Redaxion«, nicht »Redaktion«. In einer Zeit, in der man von »Comix« und »Punx« schrieb, schien uns das angemessen. Es fehlte allerdings nicht an Leuten, die uns schrieben und uns auf den offenkundigen Fehler aufmerksam machten.

Im Nachhinein weiß ich nicht einmal, an wie vielen Ausgaben des JuZ-Info ich mitwirkte. War es ein Dutzend, waren es zwanzig Ausgaben? Irgendwann verlor ich die Lust und ging nicht mehr zu den Treffen, und irgendwann gab es auch kein JuZ-Info mehr.

Und leider habe ich damals versäumt, eines der Blätter aufzubewahren. Das wären heute schöne Erinnerungen an eine Zeit, die sich so unbeschwert anfühlte.

Zynischer Urlaub in Kambodscha

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil 1


Ein Lied, bei dem ich immer noch am liebsten durch die Bunde hüpfen würde: »Holiday in Cambodia« von The Dead Kennedys habe ich als Maxi-Single daheim, und ich spielte das Lied in den 80er-Jahren gern, wenn ich im Jugendzentrum als DJ allerlei Platten auflegen durfte.

Ich sah die Band nie live, obwohl sie 1982 sogar in Stuttgart spielte. Aber da war ich einfach zu blöde dafür. Jello Biafra sah ich einmal in Berlin im vollbesetzten »SO 36«, und das war ein großartiges Konzert.

»Holiday in Cambodia« ist nach all den Jahrzehnten weiterhin ein fieses Stück. Sein treibender Rhythmus ist immer noch stark, ich bewege mich automatisch dazu, und dabei ist es nicht einmal sonderlich schnell.

13 Dezember 2023

Fantasy mit griechischen Göttern und aktuellen Themen

Die in München lebende Autorin Lucia Herbst gewann den Seraph für das Jahr 2022 – in der Kategorie »bestes Debüt« – für ihren Fantasy-Roman »Medusa – verdammt lebendig«. Das war Grund genug für mich, mich auf den Roman einzulassen. Veröffentlicht wurde er im Herbst 2022 als Taschenbuch im Piper-Verlag.

Ich gestehe, dass ich anfangs meine Schwierigkeiten hatte, weil ich mit dem Präsens-Stil der Autorin fremdelte. Das ist Geschmackssache, ich weiß, aber: Romane erzählen von etwas, das geschehen ist – auch wenn sie in der Zukunft spielen –, weshalb ich glaube, dass die Vergangenheitsform immer besser geeignet ist, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen. Dann aber kam ich immer besser in die Geschichte hinein und schmökerte sie letztlich am Stück durch. Es handelt sich um einen außergewöhnlichen Fantasy-Roman.

Worum geht es? Tatsächlich um Medusa, die Figur aus den griechischen Heldensagen. Jeder kennt sie und die Darstellung ihres Kopfes, den keine Haartracht ziert, sondern auf dem sich Schlangen winden. Wer Medusa ins Gesicht blickt, erstarrt sofort zu Stein – das ist der Fluch dieser Frau.

Lucia Herbst nimmt Medusa ernst und verlegt sie als Figur in die heutige Zeit. Sie sieht so aus wie in den klassischen Sagen beschrieben, und sie ist gefährlich. Also tarnt sie sich die meiste Zeit und kann eigentlich nur dann auf die Straße gehen, wenn – sie lebt in Köln – der Karneval tobt und sich niemand über seltsam aussehende Menschen wundert. Diese hübsche Idee hatte ich so nicht erwartet, sie wird aber nicht weitergeführt.

Lucia Herbst greift das Thema nämlich nicht humoristisch auf, sondern sehr ernsthaft. Wenn man möchte, ist ihr Werk eine Mixtur aus Fantasy und Gerichtsroman, gleichzeitig ein spannender Kommentar zu aktuellen »Me Too«-Diskussionen.

Konkret: Es geht um eine Vergewaltigung und ihre Folgen. Mir war dieser Hintergrund gar nicht mehr bewusst. Dass ich die griechischen Sagen gelesen habe, ist auch schon viele Jahre her. Aber Medusa wurde von Poseidon vergewaltigt – und zur Strafe für ihre Vergewaltigung wurde sie von Athene in ein Monster verwandelt. Nun sucht sie Gerechtigkeit und zieht vor ein Göttergericht.

Okay, das muss man als Leser akzeptieren. Auf einer Insel mitten im Meer, abgeschirmt von den Menschen, leben alle möglichen Gottheiten: die halb vergessenen Götter der Ägypter, die allgemein bekannten Götter der Griechen, dazu Götter der Germanen oder Hindus. Sie konferieren miteinander, sie unterhalten eine Polizei, und sie führen einen Prozess, bei dem Zeugen aufgeboten werden und Beweise auf den Tisch kommen.

Nimmt man die Prämissen der Autorin ernst – die Götter, die wirklich in unserer Zeit existieren, und ihre Gerichtsbarkeit – und akzeptiert sie, ist der Roman in sich schlüssig. Es gibt ein wenig Action, es gibt Blicke in die Vergangenheit, es werden Freundschaften geschlossen und Feindschaften an ihr Ende gebracht. Medusa ist eine Frauengestalt, die traumatisiert ist und nach Jahrtausenden ihr Trauma bekämpfen möchte.

Der Roman ist außergewöhnlich: eine feministische Fantasy, die einer gesellschaftspolitischen Agenda folgt. Das beschreibt die Autorin aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit großer Freude am Erzählen. Die Geschichte ist unterhaltsam, die Hauptfigur und ihre Freunde überzeugen. Die phantastische Welt bleibt zudem – wenn man sich auf sie einlässt – in sich glaubhaft.

»Medusa – verdammt lebendig« war im Jahr 2022 wirklich einer der besten phantastischen Romane; das ist mir nach der Lektüre des Werks klargeworden. Wer eine ungewöhnliche Fantasy-Lektüre schätzt, sollte sich getrost auf den Roman einlassen.

Das Taschenbuch ist 352 Seiten stark und kostet 18,00 Euro. Man kann es mithilfe der ISBN 978-3-492-50616-8 überall im Buchhandel kaufen. (Diese Rezension erschien bereits im September 2023 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN. Hier wird sie aus dokumentarischen Gründen ebenfalls veröffentlicht.)

12 Dezember 2023

Die Jugend eines Western-Helden

In der französischen Comic-Szene scheint es Mode zu sein, zu allen möglichen Comic-Klassikern neuen Ergänzungen zu publizieren. Serien wie die humoristische Fantasy »Lanfeust«, der Thriller »XIII« oder die ernsthafte Fantasy »Thorgal« erhalten Jugendabenteuer und Auskopplungen über interessante Randfiguren. Die Western-Serie »Durango« bildet dabei keine Ausnahme.

Der erste Band von »Die Jugend von Durango« ist bereits in deutscher Sprache erschienen, hat mich gut unterhalten und dürfte alle Fans von Western-Comics ansprechen. Um es vorwegzunehmen: Man muss das Album nicht haben, wer aber »Durango« schätzt, wird seine Freude an den Jugendgeschichten haben.

Verantwortlich für die Texte ist Yves Swolfs, der die Figur des schweigsamen Revolvermanns Durango vor gut vierzig Jahren erfand. Die Jugendabenteuer siedelt er in den 80er-Jahren des 19. Jahrhundert an. Seine Hauptfigur ist ein streunender junger Mann, der schon gut mit Waffen umgehen kann. Er wird Zeuge eines hinterhältigen Mords, was ihn in den Konflikt von Viehzüchtern hineinzieht. Im Verlauf dieser Fehde, die sich langsam entwickelt, ist der Jugendliche dazu gezwungen, seinen ersten Gegner zu erschießen …

Yves Swolfs kann’s immer noch: Er zeigt seinen Durango als klare Hauptfigur, die zwar nicht weiß, wohin sie im Leben möchte, aber über einen moralischen Kompass verfügt. Das ist spannend erzählt, es gibt die üblichen Schießerien, während gleichzeitig noch nicht so richtig klar ist, wer sich eigentlich als Bösewicht entpuppen wird. Das lässt Swolfs noch im Dunkeln, und das wiederum finde ich spannend.

Die künstlerische Gestaltung durch Roman Surzhenko finde ich ansprechend. Den Comic-Künstler kannte ich schon von anderen Serien her, unter anderem wirkt er am »Torgau«-Universum mit. Seine Darstellung des Wilden Westens überzeugt: Die Landschaften sind stimmig, die Menschen wirken glaubhaft, vor allem die Action bringt er überzeugend rüber. Er erreicht nicht die Meisterschaft, die Swolfs bei seinen eigenen Geschichten aufs Papier bringt, ist aber trotzdem von hoher Qualität.

»Die Jugend von Durango« fängt gut an. Wer Western-Comics mag, sollte also einen Blick riskieren.

Auf der Abbiegespur

Heute geschah es wieder, und es fiel mir nur auf, weil es besonders dreist aussah. Wenn ich mit dem Auto aus Karlsruhe hinausfahre, um nach Rastatt zu kommen, wo ich arbeite, nehme ich die Rheinstraße, die nichts anderes als eine Verlängerung der Kaiserstraße ist.

Dank der weisen Verwaltung, die Karlsruhe durch alle Probleme unserer Zeit führt, gibt es in diesem Bereich der Straße zwei Spuren. Die eine ist offensichtlich für Autos eingerichtet, die andere ist ebenso offensichtlich eine Rechtsabbiegespur. Und diese wurde am heutigen Morgen besonders intensiv genutzt.

Der Fahrer des Kleinwagens, der schon gut hundert Meter vorher gedrängelt hatte, nutzte die Rechtsabbiegespur – sie ist sehr schmal –, um sich sowohl an mir als auch an den Fahrzeugen vor und hinter mir vorbeizuquetschen. Rechts von ihm standen parkende Autos, links rollte der Verkehr im Schritttempo.

Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen, wie mir schien. Gut, wenn es eine Rechtsabbiegespur gibt! Diese war auch eindeutig gekennzeichnet. Eine durchgezogene Linie trennte diese Spur vom Autoverkehr, und alle zwanzig Meter wies ein gemaltes Fahrrad darauf hin, dass man hier mit dem Auto fahren und rechts abbiegen durfte.

Wie weise unsere Stadtführung doch ist!

(Bevor das jemand in den falschen Hals kriegt: Ich weiß schon, was eine Fahrradspur ist. Wenn ich in diesem Teil der Stadt mit dem Rad unterwegs bin, nutze ich die Nebenstrecken, auch wenn die Strecke weiter ist, oder fahre auf dem Gehweg, vorsichtig natürlich. Angesichts ein- und ausparkender Autofahrer sowie der Menschen, die ständig die Radspur als Rechtsabbiegespur benutzen, erscheint mir das als sehr sinnvoll. Warum an dieser Stelle eigentlich nie kontrolliert wird, ist mir schleierhaft.)

08 Dezember 2023

Bekannte Gesichter in einer Zeitschrift

Das war mal wieder typisch: An dem Tag, an dem die neue Ausgabe der »Federwelt« bei mir eintraf, schaffte ich es gerade mal, die vorherige Ausgabe zu lesen. Die »Zeitschrift für Autorinnen und Autoren« gefiel mir also auch bei der Ausgabe 162, die im Oktober veröffentlicht worden war. Das mag daran liegen, dass ich einige der Personen kannte, die in Beiträgen »auftauchten«.

Unter anderem wurde die Autorin Judith Vogt vorgestellt, die ich ja seit Jahren kenne und die über die Progressive Phantastik sprechen konnte. Es gab einen interessanten Artikel über das Schreiben von Heftromanen, wobei es da vor allem um Liebesromane ging – aber das stört mich ja nicht. Kathrin Lange, neben der ich seit vielen Jahren als Co-Dozent an der Bundesakademie für kulturelle Bildung wirke, erzählte in einem Text zusammen mit ihrer Kollgin Susanne Thiele, wie man gute Figuren erschaffen kann, die dann eine Vorbildfunktion einnehmen können.

Wie immer sind auch die anderen Artikel in diesem Heft lesenswert. Ich las die 68 Seiten so gut wie komplett, und ich konnte mir immer wieder neue Ratschläge übers Schreiben und Veröffentlichen herausziehen. Wieder einmal eine gelungene Ausgabe!

06 Dezember 2023

Verquollen im Büro

Nachdem sich Peter Meißner in der Nacht zuvor auf der Straße – genauer in einer Hofeinfahrt – mit zwei Idioten hat prügeln müssen, muss er nach einer ereignisreichen Nacht mit lädiertem Gesicht zur Arbeit erscheinen. Das sorgt natürlich für Aufsehen, doch eine gute Ausrede ist selbst für die schlimmste Blessur gleich gefunden …

So in etwa lässt sich die Handlung der Folge 46 meines Fortsetzungsromans »Der gurte Geist des Rock’n’Roll« zusammenfassen. Veröffentlicht wurde der Text in der aktuellen Ausgabe 171 des OX-Fanzines, die mir dieser Tage ins Haus geschneit ist. Und da die Herren auf dem Titelbild so aussehen, als ob sie längst den Teenager-Jahren entwachsen seien, fühle ich mich in diesem Heft wieder sehr wohl.

Wobei mein Ich-Erzähler in dieser Folge ein wenig ins Grübeln kommt. Immerhin ist er schon über dreißig Jahre alt, weiß nicht so richtig, wohin er mit seinem Leben soll, hat aber keine Lust, eine komplett bürgerliche Laufbahn einzuschlagen. Was bedeutet Punkrock, wenn man auf die vierzig zugeht? Das ist vielleicht der Subtext dieser Folge …

Der zweite der neuen »Bond«-Romane

Der Mythos des Geheimagenten James Bond ist bis in unsere Zeit ungebrochen. Was sich Ian Fleming in den fünfziger Jahren ausdachte, wurde zum Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Romanreihe, für weitergehende Filme, für Comics und Spiele. Und eben auch für neue Romane – diese werden ganz offiziell von dem erfolgreichen britischen Schriftsteller Anthony Horowitz verfasst.

Der zweite der neuen »Bond«-Romane ist bereits vor einiger Zeit unter dem Titel »Ewig und ein Tag« veröffentlicht worden. Und weil seine Lektüre echt Freude bereitet hat, möchte ich ihn an dieser Stelle unbedingt empfehlen. Er ist auch für Leute spannend, denen alle Filme oder die bisherigen Romane von Ian Fleming ein Begriff sind – er spielt nämlich in der Frühzeit der Figur.

Die Geschichte beginnt in Stockholm. James Bond ist als Agent des Geheimdienstes tätig, aber er ist noch nicht 007. Nachdem er einen blutigen Auftragsmord zu Ende gebracht hat, wird er nach London zitiert. Dort erst wird er zur »Doppel-Null« ernannt und erhält einen extrem heiklen Auftrag: Er soll nach Südfrankreich reisen, wo sein Vorgänger umgebracht worden ist, und die Hintergründe zu dessen Ermordung herausfinden.

Wie es sich gehört, spielen alle möglichen Bond-Elemente wichtige Rollen: Der Bösewicht ist finster und gemein, eine schöne Frau taucht auf, bleibt bis zum bitteren Ende geheimnisvoll, es gibt heftige Verfolgungsjagden und knallige Kämpfe, es geht um Drogenschmuggeln und buchstäblich weltweite Verwicklungen, und immer wieder bekommt man die Einblicke in die Welt der Schönen und Reichen, die es ja auch in den Filmen gibt.

Und das Beste daran: Wenngleich man weiß, dass James Bond überleben wird, ist die Geschichte trotzdem sehr spannend.

Das liegt an Horowitz. Der Autor versteht es, den Stoff in die neue Zeit zu bringen, so dass er nicht altmodisch wirkt, ihn aber trotzdem so in der Vergangenheit zu verankern, dass es nicht zu Anachronismen kommt. Einige Sexismen sind vorhanden, aber die passen in die Zeit der fünfziger Jahre und von daher zur Figur – Horowitz übertreibt es aber nicht. Der Autor hat eh einen sehr sauberen Stil, er verzichtet auf jegliche Experimente und erzählt einfach eine spannende und sehr gut recherchierte Geschichte.

»Ewig und ein Tag« ist ein spannender Krimi, der durch die Hauptfigur und den Mythos, der sich um sie rankt, noch gewinnt. Das Paperback mit Klappbroschur ist bei CrossCult erschienen, sieht sehr gut aus und lohnt sich.

05 Dezember 2023

Tiere im Weltall

Um es vorwegzunehmen: »Primordial« ist ein Science-Fiction-Comic, der in mehrfacher Hinsicht mit bekannten Bildern, Handlungsverläufen und Darstellungen bricht. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt, merkt man zwar schnell, wie klug sie inszeniert ist. Die Machart empfand ich aber als gewöhnungsbedürftig.

Eigentlich handelt es sich um eine Parallelweltgeschichte: In den fünfziger Jahren schicken die Russen den Hund Laika ins All, die Amerikaner kontern mit zwei Affen. Danach entwickelt sich die im Comic geschilderte Welt anders; es kommt zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Machtblöcken, unter anderem in Ungarn. Richard Nixon wird Präsident, nicht John F. Kennedy. Und wie es aussieht, sind die Tiere, die man ins All geschossen hat, nicht gestorben, sondern wurden von Außerirdischen entführt ...

Die Handlung des Comics, der in den USA in sechs Heften erschienen ist und bei uns als schickes Hardcover im amerikanischen Format vorliegt, spielt auf verschiedenen Ebenen: in der Vergangenheit der fünfziger Jahre und in einer nahen Zukunft, in der Mitteleuropa offenbar unter sowjetischer Herrschaft steht. Gleichzeitig gibt es eine Handlungsebene mit den drei Tieren, die mit einer außerirdischen Zivilisation konfrontiert werden – sie ist so fremdartig, dass man als Leser nicht verstehen kann, was da im Einzelnen vor sich geht.

Geschrieben wurde das Szenario von Jeff Lemire, den man in der amerikanischen Comic-Szene mittlerweile an allen möglichen Ecken antrifft. Er wirkt bei den bekannten Serien mit, er verwirklicht originelle eigene Ideen, er verbindet Underground und Mainstream. Und manchmal ist er so anspruchsvoll und experimentell, dass er an seine Grenzen stößt.

Das ist bei diesem Comic der Fall. Es fällt schwer, der Handlung von »Primordial« zu folgen. Man erkennt, dass sie originell ist und einen ungewöhnlichen Blickwinkel aufweist – aber so richtig verständlich ist sie nicht immer. Aber klar: Es ist definitiv mal etwas anderes, und das finde ich positiv.

Künstlerisch ist wenig einzuwenden: Die Bilder stammen von Andrea Sorrentino, und sie sind in sich stimmig. Die Tiere sehen ebenso glaubhaft aus wie die Menschen oder die Szenen im All. Manche Seiten wirken sehr künstlerisch, mit kleinen Bildern, die in einer Art Strahl über die Doppelseite verteilt sind, mit Zeichnungen, die einen surrealen Charakter aufweisen. Auch das ist ungewöhnlich und ungewohnt.

»Primordial« ist im Splitter-Verlag erschienen. Die Aufmachung ist gut, die Geschichte und die Zeichnungen sind originell – das ist etwas für Leser, die auch mal andere Wege gehen wollen.

04 Dezember 2023

Einige Sätze zu Hubert Schweizer

In den vergangenen Jahren hatten wir keinen direkten Kontakt mehr – doch als ich heute las, dass Hubert Schweizer gestorben ist, hat mir das doch die Sprache verschlagen. Seine Bilder mochte ich schon als junger Science-Fiction- und Fan. Sie wurden in Fanzines publiziert, sie tauchten aber auch in professionellen Heftromanen auf. Zum »richtigen« Profi wurde er nie, aber seine Bilder waren vor allem in den 80er-Jahren in der Phantastik-Szenen ein häufiger Lichtblick.

Bei meinem Fanzine SAGITTARIUS freute ich mich, wenn ich seine Bilder in Schwarzweiß veröffentlichen konnte. Später, als das Heft ein semiprofessionelles Magazin war, gab es sogar Farbbilder von Hubert Schweizer. In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre sorgte ich dafür, dass er eine schöne Ausstellung im Kreishaus von Freudenstadt bekam, die rege besucht wurde. Zu dieser Zeit besuchte ich ihn auch einmal mit meiner damaligen Freundin in seiner Wohnung in Emmendingen.

Hubert Schweizers Bilder waren ruhig: phantastische Gegenden, mit kräftigen Farben gemalt, trotz aller Fantasy-Elemente immer sehr realistisch anzusehen, dazwischen gab es auch Menschen oder Fabelwesen. Vor allem aber faszinierten mich die Landschaften, in denen ich gelegentlich abgewandelte Schwarzwaldmotive wahrzunehmen glaubte. Felsen, vom Moos überwuchert, trutzige alte Bäume, geheimnisvolle Sträucher, darüber ein oft unheimlicher oder unruhiger Himmel.

Auch Hubert Schweizer selbst bewahre ich als einen ruhigen Menschen in Erinnerung. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten, was ich bei den wenigen Begegnungen feststellte. Ich bin traurig.

01 Dezember 2023

Das erste Pseudonym

Mir war in jungen Jahren völlig klar, dass ich einmal ein berühmter Schriftsteller werden würde. Schon im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren ging ich davon aus, dass ich das in absehbarer Zeit schaffen würde. 

Ich verfasste meine ersten Science-Fiction-Geschichten, und ich malte Zeichnungen von Raumschiffen in meine Schulhefte hinein. Dass ich damals durch die Lektüre einer bestimmten Heftromanserie massiv beeinflusst wurde, war mir selbst wohl nicht so bewusst.

Was ich aber hundertprozentig wusste: Wollte man erfolgreich sein, benötigte man ein Pseudonym. Am besten war eines, das nach englisch klang. Und wenn es noch mit dem eigenen Namen zu tun hatte, konnte eigentlich nichts schiefgehen. Immerhin war Walter Ernsting, dessen Romane ich damals sehr schätzte, unter dem Namen Clark Darlton richtig bekannt geworden.

Ich grübelte lang, bis ich mein Pseudonym hatte. Von meinem Vornamen Klaus leitete ich ein »Nicolas« ab, und meinen Nachnamen verschob ich ebenfalls. 

Und so schrieb ich »Nicolas Fry« auf das 64 A4-Seiten starke Schulheft, in das ich meinen ersten Science-Fiction-Roman schreiben wollte. Ich war 14 Jahre alt, wir schrieben die 70er-Jahre, und ich wusste, dass mir die Welt offenstand, Quatsch!, das gesamte Universum …

30 November 2023

Im Mekong-Delta

Bei meiner Reise in Vietnam, die ich im Dezember 2000 unternahm, war ich von den unterschiedlichen Menschen ebenso fasziniert wie von den Varianten in der Natur. Manches erinnerte mich durchaus an die Aufenthalte in afrikanischen Ländern, vieles war aber ganz anders. Faszinierend fand ich den Mekong, in dessen Delta ich auch mit einem Boot unterwegs war – ich fuhr nicht selbst, fand den Aufenthalt in dem kleinen Wasserfahrzeug höchst interessant.

Vor allem die Seitenarme im Delta faszinierten mich. Sie waren teilweise still. Ruhig floss das Wasser, rechts und links vom Strauchwerk gesäumt. Die großen Städte schienen weit entfernt zu sein, man hörte keinen Straßenlärm, höchstens das Summen und Brummen des Bootsmotors. Und das Surren der Stechmücken, wobei sich das in Grenzen hielt. (In Vietnam wurde ich nicht so fürchterlich verstochen, wie mir das im Senegal ergangen war.)

Es ist zu befürchten, dass ich nie wieder eine solche Reise machen werde. Solange ich beim Betrachten alter Bilder noch die Erinnerungen in mir habe, kann ich das verschmerzen …

Damage Done aus Würzburg

Eine Band, über die ich praktisch nichts weiß: The Damage Done kamen Mitte der 90er-Jahre aus Würzburg und spielten Hardcore-Punk. Ich sah die Band nie, kaufte nur irgendwann mal ihre schön gestaltete EP und fand die gut. Interessanterweise war die Platte in der Villa Roller in Waiblingen eingespielt worden, einem Ort, in dem ich vor allem in den späten 80er-Jahren zahlreiche Konzerte besucht hatte.

Die Platte selbst wurde 1996 aufgenommen, sie enthält knalligen Hardcore, der ohne jegliches Metal-Gewichse auskommt. Die Stücke kommen auf den Punkt, die englischsprachigen Texte beschäftigen sich mit allgemein gültigen Themen wie dem Ärger mit der Polizei und dergleichen.

Insofern sind die Band und ihre Platte sehr typisch für die Hardcore-Szene der 90er-Jahre: Zwar gab es zu dieser Zeit haufenweise Dogmatiker aller Art, aber aus diesem Szene-Hickhack schien sich die Band herauszuhalten. Anhören kann man sich das auch Jahrzehnte danach immer noch richtig gut. Schön!

29 November 2023

Ein Schönschwätzer in Gallien

Der aktuelle Band der erfolgreichen »Asterix«-Reihe wird überall abgefeiert. Man könnte glauben, »Die weiße Iris« sei der beste Band mit Abenteuern des berühmten Galliers seit Jahrzehnten. Tatsächlich unterhält das gelungene Comic-Album auf verschiedenen Ebenen sehr gut. Für Kinder ist es allerdings nicht mehr geeignet – dieser »Asterix«-Band ist nur noch für Erwachsene richtig verständlich.

Die einzelnen »Asterix«-Geschichten bieten schon immer im Wesentlichen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder kommt eine Bedrohung in das gallische Dorf und seine Umgebung – etwa ein Seher oder eine Trabantenstadt –, oder Asterix und Obelix reisen in die Ferne, besuchen Goten oder Belgier, das Morgenland oder Amerika. »Die weiße Iris« konzentriert sich stark auf das gallische Dorf und seine Bewohner mit ihren Eigenheiten. Und das gelingt richtig gut.

Gallische Dörfler, die sich sonst gern prügeln, werden ebenso zur Achtsamkeit erzogen wie römische Legionäre, die zwar immer noch in den Krieg ziehen, aber auch gern mal mit dem Feind diskutieren. Sogar die Wildschweine werden sanftmütig und wollen eher spielen, als in Panik vor Obelix wegzurennen. Und wenn im gallischen Dorf der Barde auftritt, wird er nicht verprügelt, sondern mit höflicher Beachtung beschenkt. Alle sind gut zueinander, alle unterliegen einem Bann von Gutmenschentum.

Für die Texte ist Fabrice Caro zuständig, der als Fabcaro auftritt und ein wenig zu viel Dialog in die Sprechblasen packt. Vor lauter Text kann man kaum noch die Bilder erkennen – dafür sind die Texte wirklich mit exzellenter Qualität. Sie sind satirisch und ironisch, sie greifen aktuelle gesellschaftliche Themen auf und ziehen sie ins Lächerliche.

Und nach wie vor ist Didier Conrad – wie bei den vorherigen Alben – für die Grafik zuständig. Das macht er nach wie vor gut. Die Zeichnungen sind klassisch, auf Modernismen wird verzichtet, und sie überzeugen auch in den Details. So hatte ich viel Freude an dem possierlichen Hund Idefix.

»Die weiße Iris« ist eine hervorragende »Asterix«-Geschichte, die sich leider nur an Erwachsene richtet. Früher war der gallische Held für Kinder wie Erwachsene zugänglich, das hat sich offenbar geändert.

Ich fühlte mich dennoch sehr gut unterhalten, und ich war von der Story und den Zeichnungen überzeugt. Na also!

27 November 2023

Schlappe Fahrradsaison '23

Wenn ich am heutigen Tag auf das Jahr 2023 zurückblicke – und bei diesem Thema kann ich das schon –, fällt mir zu meinen sprtlichen Aktivitäten nicht viel ein. Damit meine ich nicht die fast täglichen Fahrten mit dem Rad zum Einkaufen oder in die Kneipe. Gemeint sind Radtouren, wobei die bei mir bei einer Stunde losgehen – für echte Tourenradler ist das wohl eher albern.

Im Jahr 2023 hatte ich keine einzige Radtour, die länger war als eine Stunde. Ich war weder in der Pfalz, noch war ich im Elsass, ich fuhr nicht in den Schwarzwald hoch – die Bergdörfer bei Karlsruhe zählen noch nicht so richtig – und war nicht im Kraichgau unterwegs. Es reichte zu einigen kurzen Trips in die nähere Umgebung, und das führt am Ende zu einer enttäuschenden Bilanz.

Ausreden gibt es genug: Vor Juni kann ich kaum radeln, weil mich davor die Allergien zu sehr plagen. Im Juli hatte ich Corona, und die Spätfolgen plagten mich noch Wochen danach. Und im Sommer regnete es teilweise ergiebig, was auch kein Spaß machte. Als es wieder besser ging, legte ich mich mit dem Rad in den Dreck und fuhr danach erst mal zehn Tage lang nicht mehr in den Wald.

Aber seien wir ehrlich: Der Hauptgrund ist und war die Arbeit. Wer morgens in aller Frühe anfängt und trotzdem erst um 19 Uhr nach Hause kommt, kann sich größere sportliche Aktivitäten einfach abschminken. Unterm Strich waren mir also die Abenteuer eines Weltraumfahrers wichtiger als meine eigene Gesundheit. So schlau war das nicht.

Wenn ich also einen Vorsatz für 2024 äußern kann, sollte ich das früh tun: Das muss künftig – wieder – anders werden!

24 November 2023

Depressive Gegenwart, spannende Vergangenheit

Als ich meinen Roman »Vielen Dank, Peter Pank!« im Sommer 1994 erstmals plante, war er nur für eine Veröffentlichung im »Zap« gedacht. Trotzdem hatte ich Überlegungen, die weit in die Zukunft reichten. Darüber schrieb ich schon an verschiedenen Stellen; hier kommt der letzte Teil dieses Rückblicks.

Mir war bei der Planung bereits klar, dass die Haupthandlung »in weiten Teilen depressiv geprägt« sein würde; das sollte aber auch meine Sicht auf die Punk-Szene des Jahres 1986 sein: viele Drogen, viele kaputte Leute. Aus diesem Grund sollte der Roman »viele zerstörerische Aktionen« enthalten.

Ich plante aber weiter: »Damit das nicht zu negativ rüberkommt, müssen die positiven Segmente in der Rückblend-Ebene auftauchen.« An meine eigene Überlegung hielt ich mich allerdings selbst nicht gut genug.

Deshalb skizzierte ich folgendermaßen: »Diese Ebene zeigt, wie Peter Punk überhaupt zum Punk kam, damals 1977 bis 1979, wie er als junger Punk in Stuttgart No-Future-Aktionen am laufenden Band machte, wie ab 1982 die jungen Punks mit ihren ›lächerlichen Nietenjacken‹ kamen und die älteren Punks auch verschreckten, wie die Szene in Stuttgart bereits ab 1983 anfing, ins Drogen-Umfeld abzukippen, wie Peter Pank immer mehr in den Kreislauf aus Alkohol und No-Future-Denken hineinsteuerte, wie er sogar meinte, mit der Bundeswehr dagegensteuern zu können, und sich dadurch immer mehr ins Loch brachte. Die Rückblend-Ebene landet irgendwann im Herbst 1986, also an dem Punkt, an dem die Haupthandlung anfängt.«

Davon setzte ich immerhin einen Teil um, wie sich später zeigen sollte. Im ersten Band nehmen die Rückblenden gut ein Viertel des Romans ein, vielleicht auch ein Drittel. Bei den späteren Bänden ließ ich sie ausfallen, weil ich lieber eine stringente Handlung haben wollte.

Mir fiel wohl selbst auf, dass nicht einmal mein Konzept in diesen Phasen besonders positiv klang. »Was auf den ersten Blick jetzt auch depressiv klingen mag, ist es natürlich nicht«, schrieb ich deshalb. Bei den Rückblenden sollen also auch einzelne Personen mit ihren »Schicksalen« dargestellt werden, und das müsse »beim besten Willen nicht negativ« sein.

Offensichtlich hatte ich vor, nicht nur über Peter Meißner alias Peter Pank zu schreiben, sondern auch andere Figuren in den Fokus zu rücken. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich das nicht getan habe. Der Roman und seine Folgebände wären dann vielleicht »literarischer« geworden, aber es wäre etwas ganz anderes herausgekommen …

23 November 2023

Jagdfieber zum Taschenkalender

Beim Aufräumen fiel mir der »Taschenkalender für junge Literaur« für das Jahr 1987 in die Hände. Ich wollte ihn bereits wegwerfen, weil ich sicher keinen Kalender für das Jahr 1987 mehr benötige, bis ich auf die Idee kam, ihn durchzublättern.

Wie sich herausstellte, enthielt der Kalender neben dem üblichen Kalendarium allerlei Texte von jungen Autorinnen und Autoren. Kein Wunder: Er wurde vom Bundesring junger Autoren e.V. herausgegeben, verantwortlich für den Inhalt war Esher Hermann. Und am 29. März 1987 war ein Text von mir enthalten – was mich damals sehr erfreute.

Er trug den Titel »Jagdfieber«, war ursprünglich 1985 geschrieben worden und gehörte wohl zu den Texten, die ich damals eingereicht hatte. Tatsächlich ist der Text gar nicht schlecht; ich hatte mir echt Mühe gegeben. 

Und manchmal klingt er ja fast prophetisch: »Flog westwärts / über den großen Fluss / hinein ins Neuland.« An Computer dachte ich 1985 aber noch nicht so oft ...

22 November 2023

Schmales Buch mit historischem Inhalt

Man kann nicht behaupten, dass im deutschsprachigen Raum über die Zeit des Faschismus in Italien viel bekannt ist. Da kommt mir ein Büchlein wie »Die Inschrift« gerade recht. Es stammt von Andrea Camilleri, dem italienischen Schriftsteller, der vor allem durch seine Krimis um den Commissario Montalbano bekannt geworden ist.

»Die Inschrift« spielt im Jahr 1940, kurz nachdem Italien offiziell an der Seite der Deutschen in den Weltkrieg eingetreten war. In dem sizilianischen Ort, in dem auch die Montalbano-Romane spielen, kommt es zu einer Konfrontation im Haus des Vereins »Faschismus und Familie«, an dessen Ende ein alter Mann tot auf der Erde liegt. Er gilt als Held des Faschismus, er wird geehrt, seine junge Witwe erhält eine Rente, und eine Straße wird nach ihm benannt. Doch dann tauchen Fragen auf …

Camilleris Novelle erschien als Hardcover-Bändchen bei Kindler, extrem großzügig gesetzt und somit echt nur für beinharte Fans interessant. Es sind keine 80 Seiten, und die werden durch reichlich »leere« Seiten sehr luftig präsentiert. Ich las das sehr gern und werde das Büchlein sicher mal wieder lesen – aber …

Dabei lohnt sich die Lektüre durchaus: Der Autor zeigt die bizarren Seiten des Faschismus mit einem augenzwinkernden Humor, der viel Freude macht. Es ist eine Satire auf eine düstere Zeit und verrät mehr über die Jahre unter dem »Duce« wie manch dickleibiges Werk.

Als »historischer Roman« taugt das nichts, es ist letztlich eine gelungene Erzählung, verfasst von einem meisterhaften Autor. Und Fans wie ich mögen das …

20 November 2023

Eine behagliche Bäckerei

Der Wind brachte Schnee und Eis mit sich, ich wurde von einer Böe fast gegen eine Hauswand gedrückt. Auf der Hauptstraße kämpfte sich ein Schneepflug durch die weißen Massen, sein orangefarbenes Blinklicht zuckte durch die Dämmerung des späten Nachmittags. Wir hatten Januar, und das Wetter zeigte sich von seiner winterlichsten Seite.

Vor mir strahlte das Schaufenster durch die Dämmerung. Ich überquerte die Straße und erreichte die Eingangstür. Unter einem kleinen Vordach blieb ich stehen. Während ich die Schuhe abklopfte und auch den dicksten Schnee von meiner Jacke entfernte, spähte ich ins Innere. Ein Schimmer von rötlich-goldenem Licht erhellte den Raum.

Ich trat ein. Eine Glocke an der Tür machte klar, dass jemand in die Bäckerei trat.

Die gläserne Theke war voll mit Kuchen und Torten sowie anderen Leckereien. An drei, vier Tischchen in der Ecke saßen Leute, tranken Kaffee und unterhielten sich. Eine schmale Wendeltreppe führte nach oben. Hinter dem Tresen stand eine junge Frau, die mit strahlendem Lächeln einen älteren Mann mit Wollmütze bediente.

Sie sah auf und zwinkerte mir zu. »Dein Zimmer ist frei!«, rief sie mir zu. Einige Leute drehten ihre Gesichter zu mir. Von einem der hinteren Tische wurde ich gegrüßt, aber ich erkannte nicht, wer es war.

»Danke«, gab ich zurück und wandte mich nach links. Die Wendeltreppe war steil, und ich hatte immer das Gefühl, mit dem Kopf gegen eine der Stufen über mir zu stoßen. Aber ich kam unangefochten nach oben.

Ein langer Flur wartete auf mich. Auf dem Holzboden knarrten meine Schritte. Die Lampen an den Wänden spendeten nur ein schwaches Licht, aber es reichte aus. Mit wenigen Schritten kam ich zu einer Holztür auf der rechten Seite.

Ich schloss auf und trat ein. Behagliche Wärme empfing mich. Auf dem kleinen Arbeitstisch stand mein Computer. Ich legte meine dicke Jacke ab, zog die Schuhe aus und holte die dicken Socken aus einem kleinen Schrank. Als ich mich an den kleinen Tisch setzte, den Blick auf das Fenster gerichtet das Schneetreiben direkt vor mir, holte ich tief Luft.

Es wurde Zeit, dass ich loslegte. Da wachte ich auf.

17 November 2023

Vorlesetag mit dem Sams

Es war nicht das erste Mal, dass ich einer Schulklasse aus einem Buch vorlesen durfte. Für die Jungs und Mädchen in einer ersten Klasse in Ettlingen kam allerdings zum ersten Mal ein Unbekannter ins Klassenzimmer. Entsprechend gespannt waren die Kinder.

Ich erzählte ganz kurz von mir: dass ich gerne lese, dass ich deshalb als Beruf viel lesen und schreiben müsse. Das fanden sie schon mal interessant. Ich zeigte einige Beispiele meiner Arbeit; das war nichts für Erstklässler, schon klar, aber sie fanden die Titelbilder mit den Raumschiffen und den Außerirdischen toll.

Die Begeisterung war allerdings größer, als ich »Das Sams und der blaue Drache« präsentierte. Die Serie von Paul Maar feierte in diesem Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag, und ich erinnerte mich daran, wie ich das erste »Sams«-Buch gelesen hatte. Das Buch mit dem blauen Drachen ist aktuell, das kannten also auch die Kinder noch nicht, die daheim vorgelesen bekommen.

Ich hatte das Gefühl, dass ihnen die Geschichte gefiel. Ich zeigte zwischendurch einige Bilder aus dem Buch, und am Ende bedankten sich die Kinder allesamt artig bei mir. Unterm Strich war’s wieder einmal ein schöner Ausflug für mich – zu einem Publikum, das sich für Geschichten begeistern kann.