30 Dezember 2020

Im winterlichen Bus

Wenn ich durch das Fenster hinaus in die Dunkelheit blickte, sah ich ein Meer von wirbelnden Schneeflocken. Ich saß in einem Bus, mit einem Platz am Fenster, es war warm, und ich war müde, aber ich ignorierte die anderen Fahrgäste ebenso wie die schmuddeligen Sitze oder den seltsamen Geruch. Der Bus fuhr durch die Nacht, aus den Lautsprechern plärrte ein deutscher Schlager, und die Schneeflocken tanzten durch die Nacht und vor meinem Gesicht.

Wir waren in einem Wald unterwegs. Gelegentlich erkannte ich schemenhaft große Bäume, an denen wir vorüberfuhren. Von außen drang kein Licht zu dem Bus vor, also standen nirgends Häuser, kamen auch keine anderen Fahrzeuge aus irgendwelchen Nebenstraßen auf uns zu. Fasziniert betrachtete ich das Spiel der Schneeflocken.

Bis es mir langweilig wurde. Ich setzte mich so hin, dass ich nach vorne sehen konnte. Zwei Sitzreihen vor mir war der Fahrer, ich hatte einen klaren Blick durch die Windschutzscheibe. Die Scheinwerfer des Busses rissen eine schneebedeckte Straße aus der Dunkelheit, auf die unaufhörlich die Flocken fielen. Die Scheibenwischer arbeiteten ununterbrochen, während der Bus über die Straße donnerte.

Auf einmal wurde es hell vor uns. Lichter stachen durch die Dunkelheit, gut ein halbes Dutzend. Sie waren nicht parallel, also kamen keine Autos auf uns zu. Ich war verwirrt, der Fahrer wohl auch; er gab ein Geräusch von sich, das ich als gegrunztes »Was?« verstand.

Die Lichter näherten sich, sie wurden größer, dann erhoben sie sich in die Luft. Ich erkannte: Eine Gruppe von Motorradfahrern raste auf uns zu, in einer breiten Front, die auseinander fächerte und auf einmal in den Flug überging. Sie donnerten durch die Schneeflocken, einer stieg an der Seite in die Luft, an der ich sah.

Staunend sah ich dem Motorradfahrer nach, bis er zwischen den Schneeflocken verschwand. Was war das, was taten diese Fahrer? Da wachte ich auf.

Ein Affe namens Shakespeare

Ich fand das Taschenbuch in einer Bücherkiste für einen Euro, dachte mir, »die habe ich früher doch gern gelesen«, stellte fest, dass ich es nicht kannte, nahm es mit, und dann las ich die Erzählungen und Kurzgeschichten darin mit viel Vergnügen. Die Rede ist von »Ein Affe namens Shakespeare«, dem Band 45 der Reihe »Die besten Stories aus The Magazine of Fantasy and Science Fiction«, der 1976 im Heyne-Verlag veröffentlicht worden war.

Die meisten Autoren sagten mir gar nicht so viel, trotzdem gefielen mir die Geschichten. Sie waren für die 70er-Jahre zumeist typisch: keine klassische SF mehr, aber noch kein Cyberpunk und auch schon wieder weit entfernt von der »Inner Space« der späten 60er-Jahre. Man experimentierte durchaus, übertrieb es aber nicht.

Von Robert F. Young stammt die Titelgeschichte. In »Ein Affe namens Shakespeare« geht es um einen Schriftsteller aus der Zukunft, der in ein Zeitgefängnis gesperrt worden ist. Er muss sein Leben bei den »Affen« führen, und damit meint er die Menschen der heutigen Zeit – also der 70er-Jahre –, was einen schönen Blick auf ein halb vergessenes Jahrzehnt bietet.

»Der Fall mit den Juwelen« von Harry Manders ist eine Sherlock-Holmes-Geschichte, in der es aber auch um Außerirdische geht. Keine Ahnung, ob das für die heutigen Holmes-Fans relevant ist – ich wusste von der Geschichte nichts und fand sie sowohl spannend als auch amüsant.

»Eine einschneidende Maßnahme« ist nicht nur eine schreckliche Übersetzung des schönen und klaren Titels »Final Cut«, sondern auch insgesamt die kürzeste Geschichte des Buches. Larry Tritten liefert eine sehr sarkastische Story, in der es eigentlich um Rassismus und vordergründig um verschwindende amerikanische Kleinstädte geht.

Gordon Eklund ist ein Autor, der mir vom Namen her noch etwas sagt; von ihm las ich in den frühen 80er-Jahren auch mindestens einen Roman. Seine Story »Der neue Trend« ist eine bittere Satire auf Medien und Moden, die zudem Mord und Selbstmord einschließen. Dass seine Figuren nebenbei zu fremden Welten fliegen, ist dem Autor fast gleichgültig – die bizarre Szenerie ist am wichtigsten.

Der bekannteste Autor in diesem Buch ist sicher Brian Lumley; damals stand der britische Schriftsteller noch am Anfang seiner Karriere. Sein »Der Windgott« ist eine Geschichte, die der Eiswüste des nördlichen Kanada spielt und im weitesten Sinne mit dem Cthulhu-Mythos zusammenhängt (ohne dass der Begriff fällt). Gruseleffekte stehen am Rand, wichtig sind die Figuren – das ist toll gemacht.

Ich find's immer wieder interessant, in alten Geschichten zu lesen. Science Fiction und Phantastik waren in den 70er-Jahren einfach anders als heute, was ich weder inhaltlich noch sonstwie bewerten möchte. Keine der Geschichten war schlecht, sie alle hatten ihren eigenen Reiz. Eine schöne Klassiker-Lektüre!

29 Dezember 2020

Es war ein faules Fest

Nachdem ich der Kindheit entwachsen war, entwickelte ich mich zu einem Weihnachtsmuffel. Ich hörte lieber Platten wie »Have A Rotten Christmas« oder ging zu einem Weihnachts-Pogo, um nicht zu irgendwelchen christlichen Festen zu fahren. Zumindest meine Eltern besuchte ich immer.

In den vergangenen Jahren absolvierte ich trotz aller Kritik meist ein kleines Familienprogramm: Beide Familienteile wurden besucht oder eingeladen. 2020 war wegen der Pandemie ein anderes Vorgehen sinnvoll: Wir blieben daheim.

Jeden Tag schliefen wir aus, dann lasen wir im Bett, tranken Kaffee im Bett, aßen Kekse. Der Tag wurde mit Brettspielen und Spaziergängen vertrödelt, abends kochten wir gern und gut, wir tranken Wein und guckten so viele Filme an, wie ich sie in einem vergleichsbaren Zeitraum noch nie angesehen hatte.

Ich las über die Feiertage mehrere Bücher, ich ließ die Finger von meinem Computer, und ich ignorierte den Stapel mit ungelesenen Manuskripten – was den einen Autor oder die andere Autorin sicher ärgern dürfte. Aber es tat gut, sich selbst aus dem Stress- und Turbo-Termindruck herauszunehmen. Und dass wir nicht über die Autobahn eierten und Verwandte besuchten, empfand ich ebenfalls als stressreduzierend …

28 Dezember 2020

Eine Tier-Fabel mit viel Realität

Tiere, die miteinander sprechen können und gemeinsam ein Abenteuer erleben, sind im Comic nichts Neues mehr. In »Die Arche Neo« werden die teilweise hübschen Bilder von Stalltieren aber verknüpft mit einer Handlung, die letztlich davon erzählt, wie Tiere missbraucht und getötet werden. Ich versuche es mit einer kurzen Inhaltsangabe …

Neo, ein kleines Schwein, Ferdinand, ein Huhn mit einer Persönlichkeitsstörung, Renate, eine gemütliche Kuh, und Soasig, ein Schaf, begeben sich auf Reisen, nachdem sie ihre bisherige Heimat verloren haben. Die Tiere verstehen nicht viel von der Welt; sie haben aber schon davon gehört, dass es einen sogenannten Schlachthof gibt. Dort wollen sie ihre Freunde befreien.

Das klingt so, als sei der erste Teil von »Die Arche Neo«, der unter dem Titel »Tod den Rindviechern!« im Splitter-Verlag erschienen ist, ein eher harmloser Comic mit mehr oder weniger lustigen Tieren. Tatsächlich sind die Tiere, die in diesem Comic auf Reisen sind, durchaus amüsant. Sie haben einen naiven Blick auf die Welt, den sie im Verlauf der Handlung auch nicht verlieren – aber aus ihrer Naivität heraus wird die harte Realität nur noch grober.

Stéphane Betbeder ist ein bekannter Szenarist, der schon viele Comics getextet hat. Seine Geschichten sind pointiert, die Figuren werden von ihm stets in spannende Situationen geschickt. Das ist bei »Die Arche Neo« nicht anders: Von Anfang an erzählt er so, dass man die Tiere mag, nach einiger Zeit aber immer größere Abscheu vor der Art hat, wie die Menschen mit sogenannten Nutztieren umgehen.

Die Geschichte wird spannend und dynamisch, die Gegensätze zwischen Tieren und Menschen sind zeitweise von großer Realitätsnähe. Das wird vor allem durch die starken Zeichnungen gut vermittelt. Paul Frichet hat einen oft verspielt wirkenden Stil, der seine Herkunft vom »Funny« her nicht verleugnen kann, auch wenn er eine streckenweise schreckliche Geschichte illustriert.

»Tod den Rindviechern!« ist abwechslungsreich und stark gezeichnet, die Geschichte entwickelt sich spannend, enthält aber immer wieder genügend Witz. Ein Kinder-Comic ist das Ganze trotz der manchmal »netten« Bilder definitiv nicht, dafür sind die Einblicke in das Tiersystem zu kritisch. Keine Ahnung, wie die Serie weitergehen wird – der Einstieg ist auf jeden Fall gelungen.

Erschienen ist der Comic-Band im Dezember 2019 im Splitter-Verlag. Auf der Internet-Seite des Verlages kann man sich anhand einer Leseprobe von den Qualitäten der Geschichte überzeugen. Und ich warte so lang gespannt auf die Fortsetzung.

Ein Geburtstags- und Adventskalender

Das Science-Fiction-Geschenk begleitete mich durch den gesamten Monat Dezember 2020, zumindest während der Dauer eines Adventskalenders und ab meinem Geburtstag: Ich erhielt einen personalisierten Adventskalender zu meinem siebenundfünfzigsten Geburtstag, und dieser sah aus wie ein Silberband der von mir betreuten Science-Fiction-Reihe.

Auf dem Titelbild sah man ein Drei-D-Bild, wie es bei unseren Büchern auch so üblich war. Der Serientitel war in der gleichen Schrift gehalten wie bei unserer Serie, sieht man davon ab, dass nun »Der Redakteur« zu lesen war. Und der Titel »Kosmischer Advent« passte ebenso wie die Rückennummer.

Ich war völlig begeistert, damit hatte ich nicht gerechnet. Ein wunderbares Geschenk! (Es war vom Format her größer als ein üblicher Silberband, dafür war es mit leckerer Schokolade und wohlschmeckenden Pralinen gefüllt, die ich alle brav verspeiste.) Mein Dank noch mal auch an dieser Stelle an Christina!

23 Dezember 2020

Ich lese über Arbeit

In den späten 90er-Jahren, als ich den Autor Thorsten Nagelschmidt noch als »Nagel« kannte und er sein Fanzine »Wasted Paper« veröffentlichte, schrieb er über meinen Roman »Vieeln Dank Peter Pank«, er sei ihm zu brav geschrieben, zu wenig in Gossensprache. Das kann ich nicht mehr wortwörtlich wiedergeben, aber ich erinnere mich noch sehr gut an seine Kritik. Sie war ja nicht unberechtigt.

Später sang Nagel in einer Band namens Muff Potter und wurde zu einem Popstar, zumindest ein bisschen. Und jetzt schreibt er Bücher. Ich habe dieser Tage mit »Arbeit« angefangen, seinem aktuellen Werk. Das ist nicht ganz einfach, was den Einstieg angeht, fasziniert mich aber immer mehr.

Thorsten Nagelschmidt schreibt in Szene- und Gossensprache. Schreibt er über die Perspektive eines Drogenhändlers, nimmt er dessen Jargon ein. Schreibt er aus der Sicht von spielbegeisterten Jugendlichen, benutzt er ihre Sprache. Das ist gut gemacht, das zieht mich in seinen Bann. Und ich stelle fest: Was der Autor an meinem Buch kritisiert hat, kriegt er in seinem Buch einfach besser hin. Respekt!

22 Dezember 2020

Rassismus im Weltraum

Mit »Planetaktion Z« liegt das dreißigste Hörspiel der Serie »Mark Brandis« vor. Ungewöhnlicherweise beginnt die Geschichte nicht aus der Sicht von Brandis; sein Freund Grischa Romen trägt die Handlung. Ohne dass er es will, wird der Raumfahrer in ein Netz aus Intrigen geschleudert, das rassistische Hintergründe hat – das Ende ist sehr tragisch.

Die Serie wurde ursprünglich in den 70er-Jahren erfunden, geschrieben wurden die damaligen Science-Fiction-Jugendbücher von Nikolai von Michalewsky. Schon früh wurde mit dem mutigen Piloten Grischa Romen ein »Zigani« in die Handlung eingeführt. In den 70er-Jahren war der innerdeutsche Rassismus gegen hierzulande lebende Sinti und Roma noch wesentlich stärker als heutzutage – der Autor wollte offenbar ein Statement dagegen setzen.

Warum er das Thema in »Planetaktion Z« noch einmal aufleben ließ, weiß ich nicht. Im Hörspiel wird daraus eine dramatische Geschichte über Demokratie und Faschismus, über obrigkeitshörige Beamte und sich auflehnende Gefangene.

Weil man Angehörige der Sinti und Roma pauschal verdächtigt, an einem Komplott teilgenommen zu haben, werden sie zu Zigtausenden in »Schutzhaft« genommen oder gleich in Lagern interniert. Das geschieht nicht in einer Diktatur, sondern in der Union, dem demokratischen Staatengebilde, dem sich Mark Brandis, Grischa Romen und andere Raumfahrer eigentlich gern zugehörig fühlen.

Das Team von Interplanar hat aus dem Roman eine packende Geschichte gemacht, die mit den üblichen »Mark Brandis«-Figuren gut funktioniert. Man setzt sich halt mal wieder über eine Befehlskette hinweg, um einem Freund zu helfen; Widerstand gegen bescheuerte Anordnungen wird in diesem Universum als grundsätzlich gut bewertet. Es menschelt zudem immer sehr bei »Mark Brandis«, so auch in diesem Hörspiel.

Die dreißigste Folge gefällt mir nicht nur wegen der spannenden Science-Fiction-Geschichte, sondern ebenso wegen der klaren politischen Positionierung. (Trotz der aus früheren Jahrzehnten stammenden Idee, man könnte Rassismus medizinisch bekämpfen – die aber auch als falsch dargestellt wird.) Sehr gut!

21 Dezember 2020

Den »Night Manager« geguckt

Von der Fernsehserie »Der Night Manager« hatte ich schon einige Male gehört; jetzt habe ich sie mir endlich angesehen. Es gibt ja nur eine Staffel, was ich gut finde (und ich hoffe, sie setzen das Ding nicht fort) – die Geschichte ist mit den acht Folgen zu Ende erzählt.

Es handelt sich um die Verfilmung eines Romans von John Le Carré, was dann schon klarmacht, in welche Richtung es geht: ein Geheimdienstler-Thema. Der Autor ist dieser Tage verstorben, in der Serie hat er in einer Folge sogar einen kurzen Auftritt.

Die Hauptfigur ist ein junger Mann, der als Nacht-Manager in einem Hotel in Kairo arbeitet, sich in die falsche Frau verliebt, ihre brutale Ermordung mitbekommt und dann den Killern Rache schwört. Dazu kommt er nicht, es dauert fünf Jahre. Dann wird er vom britischen Geheimdienst angeworben und Teil einer riskanten Operation.

Die Serie ist echt aufwendig gemacht. Jede Folge spielt praktisch an einem anderen Schauplatz: in Kairo, auf den Schweizer Alpen, in einer bonzigen Villa auf Mallorca, in Istanbul, im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien. Es sind sehr viele Schauspieler im Einsatz, die Drehbücher wirken gut durchdacht – da hat man echt nicht gespart. Und das für Filme, die gerade mal eine Dreiviertelstunde lang sind!

Es gibt genügend Quellen im Internet, aus denen man mehr über die Serie erfährt; ich muss an dieser Stelle nicht viel über den Inhalt verraten. Mich hat sie gepackt, ich habe sie praktisch am Stück angeschaut, und ich war sehr davon angetan. Ein Beleg dafür, dass sich moderne Fernseh-Unterhaltung nicht hinter Kinofilmen zu verstecken braucht!

19 Dezember 2020

Die erste Dunkelstadt-Staffel

Anfangs war ich ein wenig skeptisch, doch dann guckte ich die Fernsehserie »Dunkelstadt« an wenigen Abenden durch. Das liegt nicht unbedingt an den Geschichten – die sind manchmal ein wenig platt – als an der Art und Weise, die die Stadt in Szene gesetzt wird und wie das Geschehen bei allen Klischees dann doch sehr viel Spannung erzeugt.

Die Serie lief 2020 bei ZDF-Neo, ich habe sie aber komplett in der Mediathek angesehen. Bisher gibt es nur eine Staffel mit sechs Folgen, die in Amsterdam gedreht worden sind; eine weitere Staffel ist wohl in Vorbereitung.

Es ist eine klassische Detektivserie: Ein cooler Detektiv mit Alkoholproblem übernimmt heikle Fälle, kriegt zwischendurch auf die Fresse, legt sich mit den Mächtigen einer Stadt an, löst die Fälle am Ende aber. Mit dem entscheidenden Unterschied: Dieser Detektiv ist eine junge Frau, und bei ihren Fällen gerät sie recht häufig an korrupte Polizisten oder sonstwie großkotzige Menschen.

Die Privatdetektivin heißt Doro Decker und wird von Alina Levshin gespielt, der ich das dauernde Saufen nicht unbedingt abnehme. Aber sie ist echt cool, trägt flotte Klamotten, wohnt in einem chaotisch wirkenden Loft, denkt oft über die Liebe oder die dunkle Stadt nach, will vor allem immer wieder wissen, weshalb ihr Vater vor siebzehn Jahren erschossen worden ist. In ihrer verbissenen Art macht sie sich nicht nur Freude …

Klar: So eine Folge Fernsehkrimi geht eine Dreiviertelstunde, da kann man nicht in die Tiefe gehen. Das erwarte ich von so einer Serie nicht. Ich erwarte ordentliche Unterhaltung – das ist für mich das Äquivalent eines Heftromans. »Dunkelstadt« hat seine Schwächen, aber es machte mir viel Spaß, die Abenteuer der jungen Detektivin anzugucken.

Wer einen Vergleich braucht: Man stelle sich einen der klassischen Privatdetektive wie Marlowe oder Spade vor – aber in Farbe, mit blonden Haaren, weiblich und jung. Dann passt es.

18 Dezember 2020

LARP macht Schule

Die Zeitschrift »LARPzeit« kenne ich seit Jahren. Ich habe sie nicht abonniert, aber ich blättere das Vierfarb-Magazin immer wieder gern durch. Schließlich geht es darin um Phantastik im weitesten Sinn, um Fantasy, wenn man genau sein möchte.

Falls jemand nicht gleich weiß, was die Abkürzung »LARP« bedeutet: Damit ist ein »Live Action Role Playing« gemeint, ein Rollenspiel also, das man nicht am Tisch spielt, sondern bei dem man sich verkleidet und in die jeweilige Rolle schlüpft. Es gibt Rollenspiele mit Sherlock-Holmes-Motiven, es gibt Rollenspiele in allen Genres – die meisten haben aber etwas mit Fantasy zu tun.

(Im Prinzip habe ich das in den 80er-Jahren selbst gern betrieben. Die sogenannten FOLLOW-Märsche im Rahmen der Fantasy-Welt Magira waren nichts anderes als ein Live-Rollenspiel, bei dem man in Verkleidung durch Wald und Wiese spazierte, um irgendwelche Aufgaben zu erledigen.)

Das aktuelle Heft, das mir vorliegt, ist eine Sonderausgabe zum Thema »LARP macht Schule«, die im Winter 2020/2021 erschienen ist. Zielgruppe sind offenbar Schülerinnen und Schüler, die Grundkenntnisse zum »Larpen« vermittelt bekommen. Das geschieht vor allem durch große bunte Bilder, aber auch die Texte sind sehr ansprechend. Es erweist sich als positiv, dass das Magazin komplett vierfarbig erscheint und somit 36 bunte Seiten präsentiert – nix mehr mit Fanzine-Charakter.

Klar enthält das Magazin haufenweise Anzeigen, sogar einen vierfarbigen Prospekt. Aber die Anzeigen sind meist schön, sie haben einen illustrativen Charakter und ergänzen in ihrer Weise die Artikel und Fotos. Wer sehr kritisch sein möchte, bewertet diese Sonderausgabe als ein Werbeheft. Ich sehe es vor allem als eine interessante Werbung für ein kreatives Hobby, das – ganz nebenbei – junge Leute auf spielerische Weise an die Fantasy heranführt. Schön!

Treppen einer Ausstellung

Aus der Serie »Traumgeschichten«

Schwungvoll bog ich in die Uferstraße ein. Links von mir glitzerte der Bodensee, rechts von mir erhoben sich große Bürgerhäuser. Wie ich mit meinem Fahrrad in die Stadt am See gekommen war, wusste ich in diesem Augenblick gar nicht, aber es wunderte mich auch nicht.

Es waren keine Menschen auf der Straße unterwegs, es ging ein frischer Wind. Ich trug einen dünnen Pullover über meinem T-Shirt. Vorsichtig fuhr ich über das Kopfsteinpflaster der kleinen Stadt. Der See hatte ein wenig Hochwasser, das über das Pflaster schwappte.

Als ich rechts von mir das Schaufenster einer Kunsthandlung sah, hielt ich neugierig an. »Neue Ausstellung« versprach es, »ungewöhnliche Eindrücke« und »wir laden Sie ein«. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

Ich hob mein Rad auf die rechte Schulter und betrat so das Ladengeschäft. Hinter dem Schaufenster kam nur ein schmaler Raum, an dessen Ende eine Treppe nach unten führte. Hinter einem Tresen stand eine junge Frau mit schwarzen Haaren, die mir stumm den Weg zur Treppe wies.

Ich nickte und ging weiter, immer noch das Fahrrad auf meiner Schulter. Die Treppe führte hinunter in einen saalartigen Raum, gut ein Dutzend Meter hoch. Sie schien sich frei in den Raum zu drehen, und jede Stufe für sich war eine Steinplatte, die bemalt oder mit einem Relifef bedeckt war. Eine Treppe aus Kunstwerken, jedes für sich ein Unikat. Bei jedem Schritt staunte ich.

Als ich unten ankam, nahm ich mein Rad von der Schulter und wollte es schieben. Ein Mann in schwarzer Kleidung, die aussah wie eine großzügig geschnittene Uniform eilte auf mich zu. »Leider kein Zutritt mit Fahrrad«, sagte er.

Ich sah es ein und stellte mein Rad in einem Flur ab, der offensichtlich ins Freie führte. Dann betrachtete ich die Ausstellung. Überall hingen riesige Lampen von der Decke, aus Metall gefertigt und mit Buntglas »ausgefüllt«. Ein Mann reichte mir einen Kaffee, ich trank ihn.

Nach einiger Zeit reichte es mir. Ich stellte die leere Tasse ab und ging zu meinem Rad, schob es den Flur entlang. Eine Frau, ein Mann und ein Teenager-Mädchen – offenbar eine kleine Familie – stand neben einer Garderobe. Kichernd probierten sie verschiedene Mund-Nase-Masken aus. Ich nickte ihnen zu und ging weiter.

Als ich ins Freie trat, bemerkte ich, dass ich unter dem Wasserspiegel des Sees stand. Mir fiel ein, dass ich ja eine Treppe hinuntergegangen war. Hinter mir war die Tür des Gebäudes, neben mir ragte eine Glaswand gut zehn Meter in die Höhe. Dahinter bewegte sich das Wasser des Bodensees.

Das fand ich gruselig. Ich wachte auf.

17 Dezember 2020

Der Sabberheinz im August

Mein Fanzine »Sabberheinz«, das ich im Jahr 2000 mit recht viel Elan betrieb, litt im Sommer 2000 ein wenig unter meinem wachsenden Zeitdruck. Trotzdem brachte ich im August eine Ausgabe sechs heraus, die acht Seiten umfasste und vor allem Informationen aus den Bereichen Science Fiction und Fantasy enthielt.

Zur Erinnerung: Das Internet steckte damals immer noch in den Kinderschuhen, viele Informationen waren nicht allgemein zugänglich. Und ich fand spannend, was in amerikanischen und englischen Fanzines stand, die ich damals abonniert hatte und mit großer Faszination las.

Ein Thema waren beispielsweise die E-Book-Aktivitäten, die Stephen King zu jener Zeit entfaltete. Der amerikanische Bestsellerautor war einer der ersten, die ausprobierten, inwiefern es einen Markt für digitale Romane gab. Auf der anderen Seite lästerte ich über sogenannte WAP-Handys – heute wissen auch nur noch die »Alten«, was das einmal war und wie man darauf publizieren wollte.

Ansonsten schrieb ich über Romanhefte und Fanzines, veröffentlichte kritische Leserkommentare, spotterte über die Scientoloty Church oder informierte über Zukäufe des Bertelsmann-Konzerns im Buchmarkt. Erwähnt wurden auch Leute wie George R. R. Martin oder Marion Zimmer-Bradley, die damals gerade ein Jahr verstorben war.

Ein Blättern in einem alten News-Fanzine – sogar in einem, das man selbst herausgegeben hat – ist immer wie eine Zeitreise. So viele Namen, von denen ich nichts mehr gehört habe, so viele Fakten, die heute niemand mehr etwas sagen ...

Hamburg '88 geht immer noch, aber …

In den 80er-Jahren gab es eine Reihe sogenannter Städte-Sampler, in denen jeweils die Punk-Szenen der Szene-Städte porträtiert wurden. Gleich mehrere dieser Sampler widmeten sich Hamburg. Ich hörte dieser Tage mal wieder »Hamburg '88« an, der – wie der Titel schon nahelegt – die Szene im Jahr 1988 porträtierte.

Damals hatte ich nicht genug Geld, mir alle Platten zu kaufen, die mich interessierten. Also kaufte ich gern Sampler, weil ich auf denen einen schönen Querschnitt bekam. Mit »Hamburg '88« wurde ich nicht komplett warm, und das geht mir auch heute noch so.

Auf der Platte waren einige Bands drauf, die ich damals sehr gern hörte und die ich immer noch mag: Mit C3I oder Angeschissen konnte man nichts falsch machen, das gilt nach wie vor. Die Emils waren nie meine Lieblingsband, ich habe aber mittlerweile meinen Frieden mit ihnen geschlossen.

Aber eine Band wie Erosion würde ich heute nicht mehr in die Hardcore-Ecke stecken, sondern als Metal bezeichnen. Ähnliches gilt für Omicidio, die zwar schon einen Stakkato-Hardcore spielen, aber mit elenden Metal-Riffs aufwarten, die mich richtig nerven. Da sehe ich heute noch die langen Haare auf der Bühne wehen wie in den späten 80er-Jahren.

»Hamburg '88« ist ein spannendes Zeitdokument. Die Platte zeigt, wie aus dem alten Deutschpunk etwas Neues entstand, das aber auch nicht komplett zu überzeugen wusste. Sie ist für das Jahr 1988 sicher typisch – aber ich erkenne, warum ich sie jahrzehntelang nicht mehr angehört hatte …

16 Dezember 2020

Schneebälle und Fenster

Aus der Serie der »Dorfgeschichten«

Der Schnee trieb in dicken Flocken durch das Dorf. Wer zu lang am Straßenrand stehenblieb, war innerhalb kürzester Zeit mit einer weißen Schicht bedeckt. Im Dorf kam das einzige Räumfahrzeug kaum voran, die Männer des Bauhofs waren zudem mit Schippen unterwegs, um Kreuzungen freizuschaufeln.

Für Heiner und mich fühlte sich alles an wie ein Paradies. Wir stromerten durch die Wege unseres Dorfes, versteckten uns hinter Autos, bewarfen uns gegenseitig mit Schneebällen oder versuchten, verschneite Äste durch gezielte Schüsse von ihrer schweren Last zu befreien. Wir lachten, wir rannten herum, wir schubsten uns gegenseitig in den Schnee, wir waren so begeistert, wie es acht Jahre alte Jungs an einem Januar-Nachmittag im Schwarzwald eben sein konnten.

»Wir spielen Partisanenkrieg«, schlug Heiner vor.

Unsere Väter waren beide im Krieg gewesen, beide an der Ostfront, und beide redeten nicht über ihre Erlebnisse Aber wir wussten, was Partisanen gewesen waren, und in unserer Vorstellung hatten die wenigen Aussagen über den Krieg und irgendwelche Abenteuergeschichten eine Mischung gebildet, die hoffentlich kein Erwachsener jemals mitbekam.

Ich fand seinen Vorschlag gut, und so spielten wir Partisanenkrieg. Wir versteckten uns hinter parkenden Autos oder Büschen. Wenn Erwachsene oder Kinder in der Nähe waren, sprangen wir auf einmal hinter unserem Versteck vor und bewarfen sie mit Schneebällen. Wenn dann die anderen kreischten oder schimpften, in Deckung sprangen oder wegliefen, lachten wir und flitzten davon. Von Jugendlichen ließen wir die Finger; gegen einen zornigen Fünfzehn- oder Sechzehnjährigen hätten wir keine Chance, und das wussten wir.

Wir stromerten durch das Dorf, angefangen bei der Seite, auf der wir wohnten, durch die Talsenke zwischen den beiden Hügeln, dann langsam hoch zu dem Berg, wo auch unsere Schule kam und sich das Neubaugebiet mit den »Reing‘schmeckten« erstreckte.

Als wir vor einem Haus ankamen, an dem zwei große Fenster offenstanden, hielten wir an. Wir hatten beide denselben Gedanken. »Da putzt jemand und lässt frische Luft rein«, meinte ich.

Heiner nickte. »Und da kann ein bisschen mehr Aufwand gar nicht schaden.«

Wir lachten uns an, dann machte jeder zwei Schneebälle. Wir kneteten sie fest, damit sie gut und weit flogen, bevor wir uns in den Sichtschutz eines Autos stellten. Es schneite nach wie vor, und man konnte uns wohl nicht so schnell erkennen. Aber wir wollten sicher sein, im Schneetreiben verschwinden zu können.

»Niemand da«, sagte ich, nachdem ich eine Weile auf das Fenster gestarrt hatte.

»Na dann«, sagte Heiner.

Wir sprangen hinter dem Auto hervor und warfen je einen Ball. Ich traf nur die Wand, Heiners Ball flog ins Innere des Raumes. Wir sahen uns an, dann warfen wir erneut. Diesmal traf er nur die Wand, während mein Schneeball ins Innere flog. Das Geräusch war dumpf, nichts klirrte, also hatten wir nichts zerstört.

Aus dem Zimmer drang dennoch ein lauter Schrei. Eine Frau empörte sich lauthals und in lupenreinem Hochdeutsch. Wir duckten uns hinter das Auto und verschwanden zwischen einigen Schneehaufen.

Die Frau sah wohl zum Fenster hinaus, sie zeterte und schimpfte. Wir versuchte, uns das Lachen zu verkneifen, und rannten so schnell wie möglich, gelangten auf die tief verschneiten Wiesen, die sich zwischen dem Dorf und dem Wald erstreckten.

Am nächsten Tag sahen wir die Frau wieder. Sie saß in unserer Kirchengemeinde an der Orgel und spielte, während die Anwesenden ihre Kirchenlieder sangen. Sie wirkte gelöst und freundlich, ein neues Mitglied in unserer Gemeinde, das offensichtlich erst seit Kurzem im Dorf wohnte.

Sie sollte nie erfahren, wer die Schneebälle so geschickt ins Wohnzimmer geworfen hatte, dass sie die Torte getroffen hatten, die dort zum Kühlen aufgestellt worden war.

Ein Mix aus Thriller, Phantastik und Popliteratur

Als Autor phantasievoller Science-Fiction- und Fantasy-Romane machte er sich einen Namen, als Redakteur steuerte er einige Jahre lang die PERRY RHODAN-Serie, seit einiger Zeit ist es eher still um ihn geworden: Horst Hoffmann hat aber im Frühsommer 2020 einen neuen Roman veröffentlicht. Sein Titel lautet »Und Feuer wird fallen«, und ich habe ihn mittlerweile gelesen.

Es ist immer schwierig, über den Roman eines Schriftstellers etwas zu schreiben, den man schon so lange kennt. Meine Äußerungen sind also auf jeden Fall subjektiv, das hier kann keine objektive Rezension sein. Aber das Buch ist ja ebenso wenig objektiv – wer Horst Hoffmann einmal kennengelernt hat, wird ihn in vielen Figuren seines Romans wieder erkennen. (Nicht nur in einer Figur namens Horst, die PERRY RHODAN-Romane liest und davon träumt, Science-Fiction-Romane zu veröffentlichen.)

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart, in der ein Ich-Erzähler mit einer verwirrenden Nachricht konfrontiert wird und sich dann auf die Reise macht, und in der Vergangenheit, in der erzählt wird, wie der Ich-Erzähler die späten 60er- und frühen 70er-Jahre empfunden hat. Für meinen Geschmack ist die Vergangenheitsebene richtig stark, während ich mit der Handlung in der Gegenwart meine Probleme hatte.

In der Gegenwart erhält der Ich-Erzähler von der Polizei eine Nachricht, die ihn völlig verblüfft: Sein alter Freund Axel sei tot aufgefunden worden. Der Ich-Erzähler ist deshalb so verwirrt, weil er davon ausgegangen ist, dass sich Axel dreißig Jahre zuvor den »goldenen Schuss« gesetzt hat, also an einer Überdosis Heroin zugrunde gegangen ist. Er fährt nach München, er trifft Jutta wieder, seine Freunde aus der »alten Zeit«, und während er sich wieder in Jutta verliebt, wird die Vergangenheit lebendig.

Diese Vergangenheit ist die von jungen Leuten aus dem Großraum Köln, die in den späten 60er-Jahren die neue aufregende Musik aus England und den USA hören, die lange Haare tragen und erste Erfahrungen mit Drogen sammeln. Wie die Vergangenheit und die Gegenwart zusammenhängen und welchen Ausweg es am Ende aus der Geschichte gibt, das wird von Horst Hoffmann eigentlich spannend vorbereitet – am Ende wird es mir zu esoterisch.

Was sich anfangs als eine packende Mixtur aus Thriller und Popliteratur liest, wird ab dem zweiten Drittel immer phantastischer und am Ende etwas arg abgehoben. Der Roman bleibt zwar bis zum Schluss unterhaltsam, aber dieser Schluss hat mir nicht gefallen. Das ist geschmäcklerisch, ich weiß, weil ich mit dieser Art von Geschichten nicht viel anfangen kann – und deshalb ist das hier auch keine Rezension, sondern eher ein sehr persönlicher Blick auf ein Buch.

Für meinen Geschmack hätte es nicht geschadet, wenn der Verlag bei »Und Feuer wird fallen« ein wenig gestrafft hätte, viele Szenen wirken für mich zu gedehnt. Dann wären die wirklich guten Szenen in der Vergangenheit noch stärker gewichtet worden.

Aber gut: Ich bin sicher, dass es viele Menschen geben wird, denen genau die Geschichte gefallen wird, die Horst Hoffmann erzählen wollte. Für sie könnte das Buch eine Empfehlung sein. Für Leserinnen und Leser, die schon immer einmal wissen wollten, was der beliebte PERRY RHODAN-Autor heutzutage schreibt, ist »Und Feuer wird fallen« ebenfalls interessant.

Der Roman ist als Paperback bei Rocket Books erschienen, einem Unternehmen, das der Blitz-Verlag ins Leben gerufen hat. Er umfasst 336 Seiten und kostet 14,95 Euro. Man kann ihn überall im Buchhandel bestellen, die ISBN 978-3ä946502-61-6 kann dabei behilflich sein; auch Versender können das Buch liefern. Die E-Book-Version gibt es für 4,99 Euro; sie ist allerdings nicht in jedem E-Book-Shop zu haben.

15 Dezember 2020

Wehmütiger Abschluss der Science-Fiction-Saga

Wenn es einen Science-Fiction-Comic gibt, der mich in all den Jahrzehnten beeindruckt hat, so ist es »Valerian und Veronique«. Seit ich in den 70er- Jahren die ersten Seiten lesen konnte, war ich ein Fan. Ich kaufte mir alle einzelnen Alben, und ich legte mir in den vergangenen Jahren die Gesamtausgabe in Hardcover-Form zu.

Dieser Tage las ich endlich den siebten Band dieser Gesamtausgabe. Er ist zwar schon vor einigen Jahren erschienen, aber irgendwie kam ich nicht zuvor zu dieser Lektüre. Und ich hatte bei diesem Buch ein richtig wehmütiges Gefühl – es enthält die letzten »offiziellen« Geschichten der Serie, die damit dann wirklich abgeschlossen ist. Nach über vierzig Jahren ist die lange Reise der ungewöhnlichen Raumfahrer also zu Ende.

Pierre Christin zieht in den drei Alben, die in dieser Gesamtausgabe zusammengefasst werden, noch einmal alle Register. Mit lockerer Hand streift er Raum und Zeit, erfindet skurrile Aliens und seltsame Kulturen, kümmert sich keine Sekunde lang um physikalische Eckpunkte oder den Unterschied zwischen Galaxis und Universum, erzählt stattdessen ein unterhaltsames Garn, das kosmischen Hauch verspüren lässt und trotzdem Raum für Ironie lässt.

»Am Rande des großen Nichts« (im Original erstmals 2004 veröffentlicht) eröffnet den neuen Handlungsbogen. Die beiden Helden sind als Händler unterwegs, sie schlagen sich mit diversen Außerirdischen herum, suchen nach Spuren, wo sie die Erde finden könnten, und treffen auf neue Freunde. Am Ende schließen sie sich einer Expedition an, die in das große Nichts vorstoßen soll – eine Region des Kosmos, in der das Universum angeblich erst entsteht.

Im Folgealbum »Das Gesetz der Steine«, das erstmals 2007 erschienen ist, schmieden die beiden Raumfahrer allerlei Allianzen. Die unheimlichen Molochs machen ihnen zu schaffen, es kommt zu ersten Konflikten. Alles ist recht mysteriös, immer wieder wird die Geschichte durch witzige Details aufgelockert.

»Der Zeitöffner« führt im Prinzip die bisherigen Geschichten allesamt zusammen und bringt sie buchstäblich zu einem guten Ende. Valerian und Veronique treffen auf Figuren, die im ersten Band der Serie eine Rolle spielten. Und am Ende erhalten die beiden Hauptfiguren eine Zukunft, mit der ich nun wirklich nicht rechnen konnte.

Christins Geschichte ist durchaus verwirrend, sie reicht nicht an die Höhepunkt der Serie heran. Das Bemühen des Autors, alle Handlungsfäden zusammenzuführen, finde ich sehr sympathisch, aber mir kommt die Handlung zeitweise zu zerfasert vor, zu sehr verliebt in kleine Details, die für sich allerdings gelungen sind.

Jean-Claude Mézières liefert zum Ausgleich Bilder, die sich durchaus mit seinen Werken aus den 80er-Jahren messen lassen. Der Mann hat es nicht mehr nötig, jedes Detail auszugestalten, oftmals bleibt er an der Oberfläche, liefert auf diese Weise aber elegante Bilder, die mich faszinieren.

Zu den drei Comic-Alben in dieser Gesamtausgabe kommen noch einige redaktionelle Ergänzungen, die sich allesamt gut lesen lassen und einen schönen Rückblick auf die Comic-Serie liefern. »Valerian und Veronique« sind und waren meine Lieblinge, und die sieben Bände umfassende Gesamtausgabe zeigt mir noch einmal alle Höhen dieser Serie. Ich habe sie bestimmt nicht zum letzten Mal gelesen …

14 Dezember 2020

Nachdenken auf dem Dach

»Mir fällt nix mehr ein«, stöhnte Fred. Er saß mir an seinem Schreibtisch gegenüber, seinen Notizblock und einen Packen Fotos in der Hand.

»Geht mir ähnlich.« Ich sah ihn an. Meine Hände schwebten noch über der Tastatur, ich wandte den Blick von der weißen Schrift auf dem schwarzen Bildschirm ab. »So langsam fühle ich mich wie leer.«

An diesem Nachmittag hatten wir in der Agentur sehr viele Werbetexte zu schreiben. Es ging um Motorradzubehör: Helme, Jacken, Schuhe, Handschuhe – das alles in verschiedenen Designs. Und deshalb brauchte man für jedes Produkt einen eigenen Text, der möglichst »zupackend« und trotzdem verständlich klingen sollte.

»Gehen wir raus?« Fred nickte mit dem Kopf in Richtung Fenster. »Ich hab was zum Rauchen dabei.«

Ich überlegte, sah dann auf die Uhr. Es war noch früh am Mittag, der Tag würde lang werden. Bis ich mich ins Auto setzen würde, war ich sicher wieder fit.

»Wieder aus heimischem Anbau?«, fragte ich.

»Na klar. Aus dem eigenen Garten. Bio-Cannabis, garantiert sortenrein.« Fred lachte, bückte sich nach seiner Tasche und fischte nach kurzem Suchen einen sauber gebauten Joint heraus. »Den hab ich daheim schon mal vorbereitet.«

Unser Büro war Obergeschoss des großen Hauses untergebracht, direkt unter dem Dach. Wir mussten nur auf einen Tisch steigen; von dort kletterten wir zur Dachgaube hinaus. Dort setzten wir uns aufs Dach: den Hintern auf den Ziegeln, die Füße gegen ein Schneegitter gestemmt.

Unter uns lag Tübingen. Wir sahen über das Tal hinweg, über die Wilhelmstraße und die Gebäude der Universität, bis hin zu den Hügeln, die sich auf der anderen Seite erstreckten und den Rand des Schönbuchs bildeten. Menschen gingen auf der Straße, sie waren klein und filigran.

Fred zündete den Joint an und nahm einen tiefen Zug, dann reichte er ihn an mich weiter. Ich formte die rechte Hand zur Faust und zog so, dass ich den Rauch durch die Faust einzog. Als Nichtraucher, der ich war, konnte ich so kiffen, ohne wie blöd husten zu müssen. Ich sah zu, wie der Rauch nach oben abzog, und gab den Joint zurück.

»So kann man’s aushalten«, meinte Fred.

Ich nickte. Über uns war ein strahlend blauer Himmel, durchzogen von den Kondensstreifen einiger Flugzeuge. Ein Schwarm Vögel stob kreischend vom Österberg herunter und über uns hinweg.

Wir sprachen nicht mehr viel, rauchten den Joint in aller Ruhe zu Ende. Danach genossen wir noch einige Minuten die Sonne, bevor wir in unser Büro zurück kletterten.

Das Texten fiel uns hinterher tatsächlich leichter. Die Qualität unserer Werbetexte konnten wir allerdings kaum selbst bewerten.

13 Dezember 2020

Eine langweilige Intrige

Man kann über den Regisseur Roman Polanski einige sehr kritische Dinge sagen. Es geht mir aber an dieser Stelle nicht um seine Person und eine Vergewaltigung, die er begangen hat, sondern um einen Film von ihm, der 2020 in die Kinos gekommen war, den ich aber nicht sehen konnte. Mittlerweile holte ich es nach und guckte »Intrige« im Streaming an.

Im Original heißt der Film übrigens »J’accuse«, was auf das legendäre Zitat anspielt. Den deutschen Titel finde ich irreführend, weil es ja nicht unbedingt um eine Intrige ging. Aber gut – man übernahm bei der deutschen Kino-Auswertung den Titel des Romans, auf dem der Film basiert. Kann man machen, muss man nicht.

Bei dem Film handelt es sich streng genommen um einen Kostümfilm, der Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich spielt. Erzählt wird die sogenannte Dreyfus-Affäre mit all ihren Komplikationen. Das heißt: Offiziere in blauen Uniformen stolzieren durchs Bild und führen ernsthafte Dialoge; sie alle tragen dicke Schnauzbärte und sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Ganz ehrlich: Das Thema interessierte mich sehr. Ich wollte mehr über die Affäre wissen, die viel von Antisemitismus und übersteigertem Militärkult hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgte sie in Frankreich für eine Reihe von Erschütterungen.

Aber ich fand den Film quälend langweilig, ich pennte zwischendurch sogar ein. Polanski vergab die Chancen, die dramatische Geschichte dramatisch darzustellen, und beließ es dabei, sehr ernsthaft und – wohl auch – historisch korrekt zu erzählen.

Ein starkes Thema wurde so verschenkt. Schade eigentlich.

12 Dezember 2020

Planet Unknown bei Dust

Ich habe schon einmal auf das YouTube-Portal »Dust« hingewiesen, auf dem sich man schöne Science-Fiction-Kurzfilme zu Gemüte kann. Zuletzt sah ich »Planet Unknown«, ein nicht einmal neun Minuten langer Trickfilm, für den Shawn Wang verantwortlich zeichnet.

Es ist die Geschichte von irgendwelchen Rovern, die auf der Oberfläche eines Planeten unterwegs sind. Sie fahren herum, sie liefern sich Wettrennen, sie verhalten sich wie Jungs, die ihrem Spieltrieb folgen. Aber klar: Es handelt sich um Roboter, die großartig dargestellt werden, in einem »used look«, der sie auf verdrehte Weise menschlich erscheinen lässt.

Unterm Strich geht es darum, das Leben zu schützen und zu bewahren. Und so endet die Geschichte, die vom Design her ein wenig an »Wall-E« erinnert, mit einem humanistischen Detail. Sehr schön!

11 Dezember 2020

Hoffen auf Leipzig

Ich hinke ein wenig mit meiner Lektüre des »Börsenblattes« hinterher. Das liegt auch daran, dass ich nur einmal pro Woche im Büro bin, um die Post und damit die Lektüre der Fachzeitschriften in Empfang zu nehmen. 

In der Ausgabe 49 vom 3. Dezember 2020 war ein Interview mit Oliver Zille zu lesen. Der Chef der Leipziger Buchmesse äußerte sich darin durchaus positiv zu einer möglichen Messe im Mai 2021 – die Buchmesse wurde vom März auf Mai verschoben, nachdem sie im März 2020 komplett ausgefallen war.

Zille muss – das ist sein Job – natürlich eine positive Stimmung verbreiten. Es gebe bei den Verlagen »eine enorme Erwartung, große Hoffnung und zugleich viel Optimismus«, dass man eine physische Buchmesse haben könnte. Vierzig Prozent der Verlage, die 2019 in Leipzig waren, hätten sich bereits für 2021 angemeldet.

Man wolle eine Mixtur aus »echter« Buchmesse und digitalen Elementen, man wolle auch das Festival »Leipzig liest« veranstalten – nur eben nicht überall wie sonst, sondern nur in den Örtlichkeiten, wo es wegen Corona möglich ist.

Und man will sogar das Manga- und Comic-Treffen veranstalten, man wolle das aber »etwas zurückbauen«. Wie das gehen soll, ist mir derzeit schleierhaft: vom fürchterlichen Gedränge, das bisher in der Manga-Halle herrschte, hin zu lockeren Schlangen mit Abstandsregeln und Masken?

Ob es die Leipziger Buchmesse 2021 geben wird, ist mir noch nicht klar. Unser Verlag hat bislang keinen Stand angemeldet, und ich glaube nicht, dass wir das tun werden. Es könnte sein, dass ich selbst hinfahre, wie ich das zuletzt in Frankfurt gemacht habe.

Aber es hängt eben sehr viel von der Corona-Entwicklung ab ... und nicht unbedingt von den Plänen der Messeleitung in Leipzig ...

Niemandsland – Eingeladen

Mit »Niemandsland« hat der Zaubermond-Verlag zwei Hörspiele veröffentlicht, die beide als Nummer 35 veröffentlicht worden sind und eng zusammenhängen. Sie erzählen von Kampf und Verrat, von harten Konsequenzen und fiesen Entscheidungen ... zuerst hörte ich mir die Folge 35.1 an, die den schönen Titel »Niemandsland – Eingeladen« trägt.

Die Geschichte spielt sowohl in Panama, wo sich der Dämonenkiller namens Dorian Hunter auf die Spur eines abtrünnigen Mannes aus dem Secret Service gesetzt hat, als auch in London, wo Dorians Freunde offenbar unterwandert worden sind und massiv angegriffen werden. Verbunden werden die beiden Handlungsebenen durch Handy-Kontakte, was eine originelle Art der Handlungsführung erlaubt.

Im schnellen Wechsel der Handlungsebenen wird die Geschichte vorangetrieben; das macht das Team von Zaubermond-Audio wieder einmal sehr gut. Sowohl Hunter als auch sein Team stehen vor tödlichen Bedrohungen, bei denen sie eigentlich so gut wie keine Chance haben, lebend aus den jeweiligen Fallen herauszukommen. Das wird spannend geschildert, das zieht einen richtig in die Handlung rein. (Wie immer gilt: Man sollte die Serie einigermaßen kennen, um alles zu verstehen.)

Diesmal möchte ich noch kurz auf die Musik eingehen: Bei »Dorian Hunter« wird ein elektronischer Sound eingesetzt, der mal fiebrig klingt, dann wieder sehr aggressiv – in Verbindung mit hervorragenden Geräuschen und starken Stimmen ergibt dies eine Klangmischung, die ihresgleichen sucht. Ganz großes Kino!

10 Dezember 2020

Wie wir Sponsoren suchten …

Im Sommer 1991 steigerten sich die Vorarbeiten für den FreuCon immer mehr. Wir entwickelten Werbemittel, wir schrieben Menschen an, wir telefonierten. Wann genau jemand auf die Idee kam, wir sollten versuchen, an Sponsorengelder zu kommen, lässt sich kaum mehr nachvollziehen.

Es lag auf der Hand: Die Veranstaltung wurde immer größer, und sie hatte eine Dynamik gewonnen, die wir kaum noch einbremsen konnten. Es war damit zu rechnen, dass Hunderte von Menschen nach Freudenstadt fahren würden, buchstäblich aus ganz Europa.

Wir entschlossen uns also, eine Informationsbroschüre für Sponsoren anzufertigen. In ihr listeten wir auf, was wir vorhatten und wer wir waren. Das Ziel sei, eine internationale Veranstaltung in Freudenstadt zu organisieren – eine tolle Gelegenheit für mögliche Sponsoren.

(Um gleich den Spoiler zu bringen: Niemand wollte uns unterstützen. Science Fiction war einfach kein Thema. Die Firma »Aral« spendierte uns 1000 Plastiktüten. Immerhin.)

Eine wichtige, wenngleich nicht leichte Lektüre

Bereits Ende 2018 erschien das Buch »Todesursache: Flucht«, das ich im Verlauf der vergangenen Monate immer wieder gelesen und geblättert habe, nie am Stück – weil es einfach keine leichte Lektüre ist. Ich halte das Buch aber für wichtig, weil es zeigt, wie die Flüchtlingsabwehr in Europa funktioniert; man sollte es gelesen haben.

Im Prinzip besteht das Buch aus zwei unterschiedlichen Teilen. Das eine sind die Listen, die zeigen, welche Personen wie auf der Flucht umgekommen sind, das andere sind ergänzende Texte aller Art.

Die Listen kann man nicht am Stück lesen, ich habe sie aber geblättert und immer wieder in sie hineingesehen: Man muss sich klarmachen, wie viele Menschen auf der Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind, wie viele elend im Mittelmeer ertrunken oder in der Wüste verdurstet sind, wie viele sich aus Verzweiflung das Leben genommen haben. Es sind Zigtausende, und diese Auflistung belegt das auf drastische Weise.

Das Buch wurde zu einem bestimmten Anlass veröffentlicht: Am 10. Dezember 2018 war der Internationale Tag der Menschenrechte, den die meisten Menschen allerdings nicht auf dem Schirm haben. Die Liste stammt von einer Organisation aus Amsterdam. Mit dem Buch will man die Toten »dem Vergessen entreißen, um das Ausmaß dieser Tragödie besser zu fassen zu bekommen – und der Debatte um Flucht und Tod wieder ein menschliches Antlitz zu geben.«

Ich fand die kurzen Porträts mancher Flüchtlinge interessant: Woher kamen sie, wie starben sie? Dazu kommen Artikel und Berichte von Journalisten sowie Meinungsäußerungen von unterschiedlichsten Menschen. Einige Beiträge sind Reportagen, andere »nur« ein Aufruf. Aber damit liegt ein Lesebuch mit vielfältigem Inhalt vor.

Das Buch ist richtig schick aufgemacht: ein 496 Seiten starker Hardcover-Band, zweifarbig gedruckt und mit einem Leseböndchen ausgestattet. Man bekommt es zum Preis von nur 10,00 Euro und mithilfe der ISBNs978-3-947380-32-9 in jeder Buchhandlung; es gibt natürlich auch eine E-Book-Version.

09 Dezember 2020

Schon irgendwo Emo, aber ohne Gejammer

Irgendwie waren die Joseph Boys – was für ein cooler Bandname! – bisher an mir vorbeigezogen. Die Platte »Rochus« ist schon das dritte Werk der Band aus Düsseldorf, die ich mir anhörte; sie ist durchaus sperrig, aber wenn man sich mal eingehört hat, wird sie immer besser.

Das liegt sicher daran, dass die Musik nicht sofort eingängig ist. Oft ist das Schlagzeug sehr monoton, während die Gitarre über die Stücke hinüber rattert, dass alles zu spät ist. Die schnoddrige Stimme des Sängers wirkt auch nicht so, als hätte der gute Mann viel Freude daran, seinen potenziellen Zuhörern zu gefallen.

Aber klar, das ist eine eindeutige Punkrock-Attitüde, da wird nicht herumgeeiert. Vom klassischen Deutschpunk ist das weit entfernt, eher könnte man die Band in eine Emopunk-Kiste stecken. Aber vielleicht sind solche Schubladen sowieso ein immer größerer Unfug – im Prinzip ist das Punk, und fertig!

Textlich fährt die Band eine Schiene, die mir imponiert. Teilweise sind die Stakkato-Aussagen sehr hektisch und sehr cool, manche Reime sind überraschend und witzig zugleich. Wer allen Ernstes ein Stück über »Waschen Schneiden Legen« macht, ist auf jeden Fall auf einer Spur unterwegs, die nicht jedermanns Sache sein kann. Ansonsten wird aber auch – punk-typisch – die »Geisterbahn Königsalleee« besungen oder über die »Steuerklasse Vier« gelästert.

Die Joseph Boys haben mit »Rochus« keine Hitplatte hingelegt, keine Scheibe, bei der man gleich jedes Stück mitsingen kann. Aber das Ding hat Herz und Hirn und ist abwechslungsreich – schön so!