08 Oktober 2024

Gefährlicher Langsamfahrer

Ohne dass ich es wollte, kamen wir auf ein heikles Thema: das Verhalten von Menschen im Straßenverkehr. Ich erzählte von den Gefahren, denen man als Radler in der Innenstadt ausgesetzt war. Peter plauderte über seine Probleme, wenn er mit dem Rennrad über eine Landstraße flitzte und von Autofahrern abgedrängt wurde.

Dann kam Ole an die Reihe. »Ich finde die Langsamfahrer am Gefährlichsten. Vor allem, wenn sie auf die Autobahn gehen, den Beschleunigungsstreifen so gut wie gar nicht nutzen und dann mit Tempo achtzig auf die rechte Spur schleichen.«

Wo das Problem liege, wurde er gefragt. Ole wurde richtig laut.

»Da komme ich also mit 200 auf der rechten Spur an. Nach links kann ich nicht ausweichen, weil mich eben einer auf der rechten Spur mit 240 überholt.«

Ich starrte ihn an. »Du fährst 200 auf der rechten Spur?«

»Ja klar. Das geht gut, wenn die Straße frei ist. Aber dann kommt so ein Schnarchzapfen und schleicht sich mit achtzig Sachen auf die rechte Spur. Wenn ich da keinen Unfall bauen will, muss ich richtig in die Eisen steigen. Und das alles nur, weil der Typ nicht richtig Auto fahren kann.«

200 Stundenkilometer sei aber ziemlich viel, versuchte ich einen Einwand. Doch Ole war bereits richtig in Fahrt.

»Klar ist das viel. Aber das ist ja auch eine Autobahn und nicht die Tempo-dreißig-Zone vor dem Kindergarten. Auf so einer Autobahn muss man Gas geben, sonst kommt man nicht voran.«

Wir wechselten daraufhin das Thema. Bei den Unterschieden zwischen Weizenbier und Pils – das eine trinkt man im Sommer, das andere im Winter – wurden wir uns schneller einig …

07 Oktober 2024

Seminar-Blues

Ich weiß nicht mehr, wann ich zum ersten Mal den Begriff hörte; es war sicher in den 80er-Jahren: der »Con-Blues«. Man bekam den Con-Blues an den Tagen nach einem Science-Fiction-Treffen. Zwei oder drei Tage lang hatte man sich in einem Umfeld bewegt, in dem andere Science-Fiction- und Fantasy-Spinner unterwegs waren. Man wurde nicht dafür verhöhnt, weil man von Raumschiffen und Zeitreisen sprach, und man wurde ernst genommen, wenn man hektografierte oder fotokopierte Hefte verkaufte.

Am Wochenende war ich in Wolfenbüttel, wo ich an einem Seminar an der Bundesakademie für kulturelle Bildung teilgenommen hatte. Ich war einer der zwei Dozenten, dazu kamen 16 Autorinnen und Autoren. Es war alles in allem anstrengend – aber ich denke an diesem Tag oft und gern an diese Stunden zurück.

Der Grund ist hoffentlich einleuchtend, auch wenn er hippiemäßig klingen mag: Wir hatten ernsthafte Gespräche, wir lachten aber auch mal. Es ging um Literatur, um das Schreiben und um das Arbeiten an Texten. Es wurde Kritik geübt, die teilweise sehr ans Innere der Texte ging – das ist für die Betroffenen nicht immer einfach.

Aber die Kritik war wertschätzend, so sozialarbeiterisch das Wort klingen mag. Man nahm sich gegenseitig ernst, man sprach mit Respekt über die Arbeit der anderen, und man gab sich Mühe, auch Texte ernsthaft zu besprechen, mit denen man selbst nichts anfangen konnte. Letztlich ist es ohnehin egal, ob man einen beinharten Cyberpunk-Roman schreiben will oder eine Romantasy-Geschichte über verliebte Gestaltwandler.

Das alles gefiel mir sehr gut. Im Nachhinein denke ich, dass es mehr solcher Veranstaltungen geben sollte, wo Menschen mit unterschiedlichen Meinungen positiv und kritisch zugleich miteinander diskutieren – eine Diskussion ist schließlich kein Streit, und gerade bei Literatur ist das Spektrum der Ansichten ganz schön groß …

Ich hab‘ den Seminar-Blues. Aber ich hoffe zugleich, dass ich vom positiven »Spirit« dieses Wochenendes noch eine Weile zehren kann …

05 Oktober 2024

Hinaus ins Unbekannte

Ich halte mich wieder einmal in Wolfenbüttel auf; dort gibt es die Bundesakademie für kulturelle Bildung, in der ich an diesem Wochenende als einer von zwei Dozenten tätig bin. Meine Partnerin bei diesem Seminar ist die Autorin Kathrin Lange, mit der ich schon seit vielen Jahren zusammenarbeite und deren Sachkenntnis mich immer wieder aufs Neue beeindruckt.

Das Seminar an diesem Wochenende steht unter dem Titel »Hinaus ins Unbekannte!«; es geht um dem Roman innerhalb der phantastischen Literatur. 16 Autorinnen und Autoren haben sich eingefunden, mit denen wir über ihre Texte und Konzepte sprechen und denen wir Informationen aus dem Verlagswesen und der Autorenarbeit vermitteln.

Los ging's gestern mit einer Vorstellungsrunde, einem Werkstattgespräch und ersten Diskussionen über die Texte, die im Voraus eingereicht worden waren. Am heutigen Samstag standen weiter die Texte im Vordergrund, die wir allesamt bis zum Abend besprechen konnten.

Zwischendurch gab es immer wieder kleinere Vorträge. Kathrin Lange stellte kurz vor, wie man für den phantastischen Roman einen Weltenbau erarbeiten kann. Ich predigte gelegentlich über Dinge wie »Unwörter« oder »zu viele Adjektive«.

Die Diskussionen waren fruchtbar, die Rückmeldungen zu den einzelnen Texten kommen ja vor allem von den teilnehmenden Personen . Und weil sich alle wertschätzend verhalten – das Wort ist hier richtig –, gibt es trotz aller kritischen Äußerungen keinen Streit. Das finde ich sehr positiv.

04 Oktober 2024

Mit der Bahn nach Wolfenbüttel

Es ist mittlerweile sehr populär geworden, auf die Deutsche Bahn zu schimpfen. Das Unternehmen gibt sich auch redlich Mühe, zu seinem schlechten Ruf beizutragen. Und als heute morgen mein Zug von Karlsruhe aus mit zehn Minuten Verspätung losfuhr, befürchtete ich das Schlimmste.

Aber es ging alles gut. Der Zug kam mit deutlicher Verspätung in Fulda an, aber ich hatte eine Stunde Aufenthalt eingeplant – sicher ist sicher –, die sich auf diese Methode auf eine halbe Stunde verkürzte. Auch kein Problem; ich aß in der Zwischenzeit etwas

Mein Zug von Fulda nach Braunschweig war überpünktlich. Wir kamen eine Minute zu früh an. Mein Zug von Braunschweig nach Wofenbüttel war ebenfalls überpünktlich – auch hier waren wir eine Minute zu früh. Das fand ich bemerkenswert. Die Bahn kann also nicht nur verspätet eintreffen, sondern auch zu früh.

Wobei ich in Braunschweig genügend Zeit hatte, mich über Werbung für Kunst in Wolfsburg zu wundern. Haben die keine eigene Kunst in Braunschweig, auf die sie am Bahnhof aufmerksam machen wollen? Und muss es ausgerechnet Kunst sein, die 2015 in Karlsruhe gezeigt worden ist? 

Aber ich freute mich tatsächlich, als ich die Werbung sah ... Es war unterm Strich ja auch ein positiver Tag für mich und die Deutsche Bahn.

02 Oktober 2024

Zwischen Oi! und Büro

Die aktuelle Ausgabe 176 des OX-Fanzines ist seit einigen Tagen im Handel. Wie immer freut es mich, dass wieder ein Beitrag von mir enthalten ist. Es handelt sich bereits um die Folge 51 meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock’n’Roll«, der diesmal wenig Action enthält, aber die Figuren weiter entwickelt, um die es geht.

Konkret wird Peter Meißner, die Hauptfigur und zugleich der Ich-Erzähler des Romans, mit seinem Punkrock-Umfeld einerseits und dem Büroleben andererseits konfrontiert. Wie er damit umgehen soll, weiß er natürlich ebensowenig wie bei vorherigen Gelegenheiten. Seine Kolleginnen sollen ja nichts davon wissen, wo und bei welchen Gelegenheiten er sich nachts auf der Straße oder in besetzten Häusern herumtreibt.

Das ist in gewisser Weise autobiografisch. Von mir wussten viele Kolleginnen und Kollegen in den 80er- und 90er-Jahren vielleicht, dass ich seltsame Musik hörte oder eine seltsame Frisur trug. Vom wahren Ausmaß meiner »Action« hatten sie keinerlei Ahnung. Das war vielleicht auch besser so …

01 Oktober 2024

Ein witziger Science-Fiction-Roman

Wer sich mit Science Fiction und artverwandten Themen beschäftigt, hat sicher schon von Roswell gehört. Die kleine Stadt in New Mexico gilt als ein Ort, in dessen Nähe angeblich die Außerirdischen gelandet sind und wo man die Reste von unbekannten Flugobjekten gefunden hat. Ausgerechnet diese Stadt und ihre Umgebung macht die amerikanische Science-Fiction-Autorin Connie Willis zum Schauplatz eines Romans, der mich wunderbar unterhalten hat.

Die Schriftstellerin hat in den vergangenen Jahrzehnten so ziemlich alle Preise abgeräumt, die es im SF-Genre gibt. Zu einem Schwerpunkt entwickelte sich dabei das Thema Zeitreise, das sie mehrfach in Romanen verarbeitete. Mit »Die Straße nach Roswell« siedelt sie ihre Handlung allerdings im »Hier und Jetzt« an, würzt sie mit einer tüchtigen Portion Situationskomik und liefert streckenweise eine bissige Satire auf den »American Way of Life«.

Hauptfigur ihres aktuellen Romans ist eine junge Frau namens Francie, die nichts von Außerirdischen und anderem Hokuspokus hält. Sie steht mitten im Leben, sie versteht sich selbst als nüchterne Person. Doch weil eine Freundin ausgerechnet in Roswell heiraten möchte, reist Francie in die Stadt der Ufo-Gläubigen, wo sie prompt auf einen echten Außerirdischen trifft. Von diesem wird sie dann sogar entführt – allerdings nicht in einem Raumschiff, sondern in einem Auto, das sie selbst zu fahren hat.

Das Alien und sie haben anfangs riesige Probleme, sich zu verständigen. Nur langsam gelingt es, eine Art Kommunikation aufzubauen. Kein Wunder: Das Alien spricht nicht, sondern benutzt Symbole, die auf seiner Haut aufleuchten. Es versteht auch nicht alles, was Francie sagt, was zu einer Kette von irrwitzigen Missverständnissen führt. Und weil einiges schiefgeht, sammelt das Alien eine Reihe von weiteren Menschen ein, bis eine skurrile Gruppe von Entführten gemeinsam mit einem Außerirdischen durch den Südwesten der Vereinigten Staaten fährt …

Die vielen Details des kunterbunten Romans lassen sich kaum in eine kurze Inhaltsangabe packen. Connie Willis erzählt ihre Geschichte mit viel Freude an humoristischen Szenen und vermittelt ganz nebenbei, wie schwierig und konfliktbeladen Kommunikation sein kann. Dabei verhalten sich ihre Figuren allesamt glaubhaft und nachvollziehbar, selbst der Außerirdische wird klar charakterisiert. Trotz der Komik wird der Roman dabei nicht albern – die Handlung läuft in sich schlüssig ab.

Es sind die Charaktere, die den Humor ausmachen: durchgeknallte Ufo-Fans in Roswell und Umgebung, spielsüchtige Rentnerinnen in Casinos, ein Western-Fan mit seinem Wohnmobil, ein Trickbetrüger mit einem Hang zur Moral – sie alle werden von Connie Willis augenzwinkernd in all ihren Marotten dargestellt. Sie schildert ihre schrägen Figuren nicht von »oben herab«, sondern mit einem Verständnis für ihre Situation.

»Die Straße nach Roswell« setzt auf flotte Dialoge und schnelle Szenen; lange Beschreibungen gibt es keine. Weil die Autorin so plastisch erzählt, hat man bei der Lektüre praktisch einen Kinofilm vor Augen.

Wer Science Fiction mag, die mit unserer wirklichen Welt noch in Beziehung steht, sollte diesen Roman lesen. Und wer sich gut unterhalten möchte und dabei gerne mal schmunzelt, ist bei diesem Werk an der richtigen Stelle.

»Die Straße nach Roswell« ist Lesefutter der besten Art! Connie Willis, die auch im »wirklichen Leben« viel Humor zeigt – ich erinnere mich an ihre Auftritte bei Cons – überzeugte zumindest mich auf ganzer Linie!

Veröffentlicht wurde der Roman bei Cross Cult. Auf der Internet-Seite des Verlags gibt es Informationen sowie eine Leseprobe.

(Diese Rezension wurde im Mai auf der PERRY RHODAN-Seite veröffentlicht. Hier erfolgt die Veröffentlichung aus dokumentarischen Gründen.)

30 September 2024

Fünfzig Jahre sind ganz schön lang

Es gab eine Phase in meinem Leben, die einige Zeit dauerte, in der ich mit meinem Heimatdorf und der Kleinstadt im Schwarzwald, in der ich zur Schule gegangen war, nichts mehr zu tun haben wollte. Mittlerweile ist bei mir eine gewisse Altersmilde eingekehrt, und so freute ich mich, als ich dieser Tage ein Schreiben aus Dietersweiler erhielt.

Einer meiner Klassenkameraden aus der Grundschule meldete sich; er hatte meine Adresse über meine Schwester herausgefunden. Man wolle ein Treffen veranstalten, und dazu wurde ich ebenso eingeladen wie alle anderen. Eine Kopie des Klassenfotos war beigefügt – aufgenommen war es im Frühjahr 1973 geworden, also zu Beginn der vierten Klasse.

1974 hatte sich unsere Klasse aufgelöst, von damals 41 Schülern gingen fünf aufs Gymnasium, darunter ich, einige auf die Realschule, die meisten auf die Hauptschule. Mit einigen hielt ich den Kontakt, man traf sich ja immer wieder auf der Dorfstraße, bei Festen oder im Schulbus. Aber ab der Mitte der 80er-Jahre wurden die Kontakte dünner, dann verschwanden sie. Es ist Jahrzehnte her, seit ich diese Leute zuletzt gesehen habe.

Und jetzt? Es ist fünfzig Jahre her. Ich habe mich in diesen Jahrzehnten mehrmals verändert, die anderen sicher auch. Haben wir uns etwas zu sagen? Wie sind die heute drauf? Komme ich mit Freunden von früher eigentlich klar?

Doch je länger ich über das Thema nachdenke, desto klarer wird mir: Ich freue mich auf das Treffen. Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit, aus den Kindern von damals sind alte Leute geworden – das möchte ich mir nicht entgehen lassen!

27 September 2024

Unpolitische Spielfiguren

Als »Magazin für Figurenfreunde und Spieler« erblickte im Jahr 1985 ein neues Heft im A4-Format das Licht der Fanzine-Welt: Die Erstausgabe von »Agamemnon« wurde auf den Duisburger Modellbautagen erstmals präsentiert – eines der vielen Hefte, die in der Mitte der 80er-Jahre das rasante Aufblühen und Entwickeln der »neuen« Spiele-Szene symbolisierten.

Herausgegeben wurde es von Michael Cremerius und Michael Schröder, die gemeinsam einen Versandhandel für Modellbau betrieben. Auf den insgesamt 32 Seiten im A4-Format ging es nicht nur um Fantasyspiele, sondern um das ganze Umfeld von Modellbauern und Figurensammlern. Klar gab es auch Berichte über Cons, aber im Zentrum des Heftes standen vor allem Figuren.

Für mich war und ist es immer interessant, welche Arten von Fandom es gibt. Spielfigurensammler sind eine spezielle Klientel; ich habe keine Ahnung, ob es da Nachwuchs gibt oder ob es die gleichen Männer sind, die damals schon sammelten. Denen war’s letztlich egal, ob sie »Landser in Ruhestellung bei Rylit« in ein möglichst gelungenes Diorama packten oder Figuren aus der Saga des »Herrn der Ringe«, französische Gardesoldaten oder »Warhammer«-Figuren.

Schön fand ich den Artikel über Heraldik, die auf einer Doppelseite allerlei Wappen erklärt. Dazu kommt ein Artikel über die Kämpfe in Ostafrika während des Ersten Weltkriegs, der vor allem die Operationen der deutschen und britischen Truppen erwähnt, das Elend der Zivilbevölkerung aber praktisch ignoriert.

Klar: Das Magazin wollte nicht politisch sein. Aber heute wirkt das manchmal schon ein wenig seltsam …

26 September 2024

Originelle Science Fiction im kleinen Format

Was mir beim neuen Roman von Becky Chambers zuerst auffällt, ist die Größe der deutschsprachigen Ausgabe. Zwar liegt der Hardcover-Band gut in der Hand, dafür hat er ein deutlich kleineres Format als ein herkömmliches Taschenbuch – man hat es also mit einem speziellen Sonderformat zu tun. Für Leser wie mich, die ohnehin kürzere Werke mögen, ist das ein Kaufargument ...

Der Roman trägt den Titel »Ein Psalm für die wild Schweifenden«, und bei ihm handelt es sich um den ersten Band eines Zweiteilers. Der zweite Band liegt ebenfalls schon in deutscher Übersetzung vor, ich habe ihn aber noch nicht gelesen. Die unspektakulär wirkende Geschichte kommt ohne Action-Szenen aus, und in ihr herrscht eine eher ruhige Erzählweise vor.

Sie spielt auf einem Mond namens Panga, über dessen weitere Lage man nichts erfährt. Der Mond hatte vor längerer Zeit – das wird nicht weiter erläutert – eine große Krise. In deren Verlauf trennten sich die Menschen von ihren Robotern, die daraufhin in den Wäldern verschwanden, und änderten ihre Wirtschaft. Was zuvor ein industriell genutzter Mond war, entwickelte sich zu einem »grünen« System, in dem die Ökologie im Vordergrund steht.

Wenn man es genau nimmt, präsentiert die Autorin in ihrem Roman die Vision einer »Erde«, in der sich die Menschen der Natur anpassen und sich die Tier- und Pflanzenwelt nicht brutal unterwerfen. Das zeigt sich an den vielen Details zum Alltagsleben oder auch an der Tatsache, dass es außerhalb der Siedlungsgebiete riesige Landstriche gibt, die »ungenutzt« bleiben, in denen sich aber Hinterlassenschaften der technischen Vergangenheit finden.

Auf diesem Mond und in dieser Zeit ist Dex unterwegs. Bei Dex handelt es sich um einen Teemönch, der/die mit einem Fahrrad sowie einem Wohnanhänger unterwegs ist. Wo Dex anhält, bietet er/sie im Prinzip therapeutische Sitzungen an, womit er/sie den jeweiligen Menschen mit ihren Problemen hilft. Dass Dex ein nonbinärer Charakter ist, weshalb er auch als »Geschwister Dex« bezeichnet wird, läuft als Thema im Hintergrund mit.

In der Handlung wird das Nonbinäre durch die Pronomen kenntlich gemacht. Da Dex weder weiblich noch männlich ist, werden für ihn/sie weder »er« noch »sie« verwendet, sondern Mischformen. Das war in der Übersetzung nicht einfach, denke ich. Für mich als Leser war's eher ungewohnt, und ich brauchte einige Zeit, bis ich mich darauf eingestellt hatte.

Tatsächlich lebt »Ein Psalm für die wild Schweifenden« von diesen Beschreibungen und von seiner schrulligen Hauptfigur. Die trifft im späteren Verlauf auf einen Roboter – und das leitet dann zur direkten Fortsetzung über.

Der Roman ist in einem ansprechenden Stil geschrieben, wenngleich er nicht spannend ist in dem Sinne, dass man von Kapitel zu Kapitel fiebert. Becky Chambers lässt ihre Figur in aller Ruhe über den Mond reisen und ihre Erfahrungen sammeln. Damit vermittelt sie eine phantastische Welt, die sich anders präsentiert als das, was man sonst aus der Science Fiction kennt. Ich finde das originell, an manchen Stellen eben gewöhnungsbedürftig. Wer ruhige Science Fiction mit einem Schuss Experimentierfreude mag, sollte diesen kurzen Roman antesten.

Erschienen ist er als Hardcover mit Lesebändchen im Carcosa-Verlag. Zum Einlesen bietet der Verlag auf seiner Internet-Seite weitere Informationen sowie eine Leseprobe zu dem Buch. Es ist 188 Seiten stark und kostet in gedruckter Form 18,00 Euro. Das E-Book gibt's für 12,99 Euro. 

(Die Rezension veröffentlichte ich im April auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie. Hier wird sie aus dokumentarischen Gründen auch veröffentlicht.)

25 September 2024

Ein Roman zum Lachen und zum Weinen

Es ist eine Situation, die wohl jeder Mensch in der einen oder anderen Weise kennt: Man nimmt sich viele Dinge vor, die man unbedingt erledigen möchte, idealerweise mit Zusätzen wie »dringend« oder »spätestens bis morgen« versehen – und schafft es nicht. Die Gründe für ein solches Scheitern sind vielfältig; mal ist es der Zeitmangel, dann die Gesundheit oder schlicht fehlende Lust. Und manchmal werden die Berge der unerledigten Arbeit immer größer und höher, bis man sie kaum noch zu überblicken scheint.

So geht es dem Ich-Erzähler in dem herrlichen Roman »Kleine Probleme« von Nele Pollatschek, der 2023 erschienen ist. Für die junge Autorin wurde er zum Überraschungserfolg; das Buch wurde mehrfach nachgedruckt und erhielt sehr gute Kritiken. Zu Recht, wie ich finde!

Ihr Ich-Erzähler ist einer jener Menschen, die alles vor sich herzuschieben scheinen. Er sieht sich selbst als Schriftsteller, der ein wichtiges Lebenswerk verfassen möchte. Doch er verrennt sich seit Jahren in allerlei Projekten, kommt keinen Schritt weiter und muss irgendwann erkennen, dass er in mancherlei Hinsicht gescheitert ist: Seine Frau hat ihn – zumindest für eine gewisse Zeit – einfach verlassen, mit der Familie hat er seine Probleme, und so sitzt er allein im Haus, bereitet sich auf den Jahreswechsel vor und hat eine »To-Do«-Liste, die auch unter normalen Umständen nicht zu schaffen wäre.

»Kleine Probleme« erzählt vom Scheitern und von kleinen Erfolgen, von der Schriftstellerei und dem Ringen um das richtige Wort, vor allem von der Zeit, die verfliegt, während um einen herum das Leben voranschreitet. Die Autorin versteht sich darauf, tief in das Innere ihres Helden zu blicken.

Man hat Verständnis für den Ich-Erzähler und möchte ihm doch auf jeder zweiten Seite ein »nun mach schon endlich!« entgegenschreien. Sie zeigt die Widersprüche in seinem Leben und seine Versuche, alles wiedergutzumachen, was er in den Jahren zuvor falsch gemacht oder versäumt hat. Dabei schildert sie die einzelnen Szenen so pointiert, dass ich bei der Lektüre immer wieder lachen musste.

Beim Stil bleibt die Autorin stets eng an ihrer Hauptfigur. Ihre Sätze hält sie damit auch eng an der »gesprochenen Sprache«, was ich nicht negativ meine. Der angehende Schriftsteller macht sich Gedanken über das Leben und seinen Sinn, hadert dann wieder mit sich selbst und läuft schimpfend durch das Haus – je nach Szene verändern sich dabei die Ausdrucksweise, die er benutzt. Das macht die Autorin sehr geschickt, so dass man bei der Lektüre nie aus dem Text geworfen wird.

»Kleine Probleme« ist sicher keine Weltliteratur und will das auch nicht sein. Der Roman ist unterhaltsam, er zeigt einen Menschen in einer extremen Lage, er ist tragisch und witzig zugleich. Sehr gelungen! (Wer mag, kann sich ja die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlags anschauen.)

Erschienen ist der Roman bei Galliani Berlin als Hardcover mit Schutzumschlag. Das Buch umfasst 208 Seiten und kostet 23,00 Euro (das E-Book gibt es für 19,99 Euro). 

(Diese Rezension wurde bereits im April auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie veröffentlicht. Hier bringe ich sie zur »Ablage« für mich selbst noch einmal.)

24 September 2024

Romantik in Rastatt

Vor bald zwanzig Jahren sagte jemand zu mir: »Du könntest ein Büro mit Blick auf die Elbe haben.« Das war positiv gemeint und wurde in Verbindung mit einem Angebot geäußert, das verführerisch klingen sollte.

Ich konterte damals recht trocken: »Ich behalte lieber mein Büro mit Blick auf den Güterbahnhof von Rastatt.« Das machte damals meinen Standpunkt schnell klar.

Das stimmte damals übrigens nicht ganz; mein Blick fiel viele Jahre lang auf einen Parkplatz. Und es stimmt auch heute nicht: Mein Blick fällt heute auf meinen ehemaligen Arbeitsplatz.

Trete ich aber auf den Parkplatz hinaus und schaue in eine bestimmte Richtung, sehe ich die Anlagen der Deutschen Bahn. Abgestellte Waggons, einige Lagerschuppen, Masten und Drähte. Man sieht den Rost, man erkennt das Metall.

Das ist nicht immer schön. Geht aber die Sonne unter, kann sich sogar ein hässlicher Ort in Rastatt in eine Umgebung verwandeln, die irgendwie doch attraktiv wirkt. Finde zumindest ich. 

Aber wahrscheinlich bin ich eh nur so ein verkappter Romantiker ...

23 September 2024

Zwei nicht wählbare Männer

Nach den Wahlen in Brandenburg sind die Journalisten nicht nur im deutschsprachigen Raum wieder auf Ursachenforschung: Warum kann eine AfD auf bald dreißig Prozent, auch wenn sie außer Hass und Hetze nichts zu bieten hat? Wie schafft es die SPD, gegen jeglichen Trend ein achtbares Ergebnis zu erzählen? Und so weiter.

Ich betrachte die Welt aus meinem subjektiven Winkel und versuche erst gar nicht, objektiv an das Thema heranzugehen. In einem Jahr ist die Bundestagswahl, und zur Wahl stehen im Prinzip zwei ältere Herren, die beide relative Chancen haben, zum Bundeskanzler gewählt werden.

Derzeit schanzen alle dem CDU-Kandidaten die besten Chancen zu. Friedrich Merz hat zwar noch nie »anständig« gearbeitet, und er hat keinerlei Erfahrung als Minister – aber er kann gut reden, und er wirkt intelligent genug. Trotzdem ist es traurig, dass eine Volkspartei wie die CDU nur so einen recht alten Mann als Kandidaten aus dem Hut zaubert, der außer Populismus bislang nichts zu bieten hat.

Wobei der Kandidat der SPD, unser amtierender Bundeskanzler, genauso alt wirkt. Olaf Scholz wird für mich immer der Typ sein, der die Proteste in Hamburg brutal zusammenschlagen ließ – dafür hat er sich nie rechtfertigen müssen. Und er ist immer der Typ, der beim Cum-Ex-Skandal zumindest … ähm … nicht hundertprozentig die Wahrheit gesagt hat.

(Früher hätte ein Politiker für solche Verfehlungen den Hut nehmen müssen. Heute macht man ihn zum Bundeskanzler. Und das bei den Sozialdemokraten! Das muss man nicht verstehen.)

Es ist wohl unausweichlich: 2025 wird das Jahr werden, in dem ich wieder die Grünen wählen werde. Nicht weil ich sie gut finde. Sondern einfach deshalb, weil die anderen Parteien und Kandidaten in einem Ausmaß unwählbar sind, dass ich es selbst verblüffend finde. Schon irgendwie hart.

20 September 2024

Das Kind der Hexe – zum ersten

Was für ein Szenario! Dorian Hunter, der unerschrockene Dämonenkiller, wird von der Polizei verhört. Man hält ihn aus nachvollziehbarem Grund für einen Massenmörder. Doch was ist wirklich geschehen?

So beginnt die Folge 50.1 der Horror-Hörspielserie »Dorian Hunter«, die ja bekanntlich auf der Heftromanserie »Dämonenkiller« basiert und die klassischen Romane in moderne Hörspiele umsetzt. Verantwortlich dafür ist das Team von Zaubermond Audio, das auch mit diesem Tonträger für spannende Unterhaltung sorgt.

Wobei man klar sagen muss: Wer sich in der Welt von Dorian Hunter sowie seinen Freunden und Feinden nicht auskennt, wird sich hier schwertun. Durch die Handlung erschließen sich einige Zusammenhänge zwar schon, aber einfach ist das nicht – die Geschichte bekommt erst ihren richtigen »Drive«, wenn man die Vergangenheit der handelnden Personen kennt.

Die Hexe Coco Zamis ist hochschwanger. Sie soll ihr Kind in einem Krankenhaus auf die Welt bringen – doch die unterschiedlichen Fraktionen, die es unter den Dämonen gibt, haben sehr abweichende Vorstellungen davon, wie es mit dem Kind und seiner Mutter weitergehen kann.

Die Gruppe um Dorian Hunter und Coco Zamis schmiedet allerlei Pläne, aber diese lassen sich nicht so einfach umsetzen. Und dann endet das Hörspiel mit einem gemeinen Cliffhanger …

Ganz klar: »Das Kind der Hexe« ist ein beeindruckendes und spannendes Hörspiel. Der erste Teil – also die Nummer 50.1 – trägt den Untertitel »Der Plan«, und ich bin schon extrem neugierig auf die Fortsetzung dazu. Die werde ich in den kommenden Tagen sicher bald anhören!

19 September 2024

Werbung für SAG 5

Mein Glaube, es sei gut, mit Namen zu werben, blieb auch bei der fünften Ausgabe meines Fanzines SAGITTARIUS unerschütterlich. Mithilfe eines Bekannten, der in einer Druckerei arbeitete, produzierte ich ein Werbeblatt, das im Herbst 1981 auf diese Ausgabe hinweisen sollte – das Werbeblatt mit einem Motiv von Anton Atzenhofer kam erst später.

Ich legte die Texte an, mein Bekannter ließ sie »setzen« und drucken, und danach hatte ich rund 200 Blätter im A5-Format, die ich Briefen beilegte und von anderen Fanzine-Produzenten unter die Leute bringen ließ. Werbliche Aussagen ließ ich weg, ich stellte nur den Nicht-Slogan »Das Fanzine für SF, Fantasy & Comics enthält« in den Vordergrund und listete ansonsten die Namen auf.

Fairerweise muss man sagen, dass einige der Namen damals durchaus einen Klang hatten. Wolfgang Altendorf hatte um diese Zeit einen Zeitreiseroman bei Heyne veröffentlicht, Carlos Rasch war den Leuten bekannt, die mal über die deutsch-deutsche Grenze blickten, und einige andere Namen las man auch in anderen Fanzines. Schaue ich mir heute das Blatt an, sitze ich manchmal trotzdem ratlos da und überlege mir: »Wer war eigentlich Klaas Vanderspoel?«

Die erste Razors-Scheibe

Ich würde ja gern behaupten, dass ich mir die erste Single der Razors bereits 1979 gekauft hätte. Aber das wäre eine plumpe Lüge: 1979 wusste ich noch nichts von der Band und begeisterte mich zu der Zeit eher für Kapellen, die mir Klassenkameraden auf Kassette überspielen konnten. Die Razors-Single kaufte ich mir irgendwann in den 80er-Jahren »secondhand«, es könnte sogar in den frühen 90er-Jahren gewesen sein.

Auch wenn ich also das Erdbeben nicht live mitbekam, das die Band in den späten 70er-Jahren in Hamburg auslöste, finde ich die Platte immer noch richtig gut. Das Titelstück – »Christ Child« – ist ein ruppiger Pogo-Kracher, während »Enemy« auf der B-Seite eher langsam losgeht, bevor es sich immer mehr steigert und in einen rasanten Pogo-Sound verfällt. Auffallend ist, dass bei »Enemy« die Breaks zum Einsatz kommen, die man fünf, sechs Jahre später beim Hardcore als neu und innovativ ansah …

Die Razors orientierten sich bei dieser Platte ganz eindeutig an der ersten Generation der englischen Bands. Das merkt man nicht nur am knödeligen Gesang in englischer Sprache, sondern auch an den schroffen Melodien und am Hintergrund-Chor. Hört man sich die Platte mit dem Abstand von Jahrzehnten an, klingt sie natürlich alt, aber keine Sekunde lang lahm – es handelt sich immer noch um einen amtlichen Punkrock-Knaller!

(Wer die Chance hat, sich diesen Tonträger zu sichern, auch in einer Wiederauflage, sollte das tun. Ansonsten gibt es ja allerlei digitale Möglichkeiten, ihn anzuhören.)

18 September 2024

Im Ödland von Südaustralien

Paul Hirschhausen ist ein redlicher Polizist. In einer sehr ländlichen Region im südlichen Australien geht er seiner Arbeit nach. Er kümmert sich um alleinstehende Rentner, er hilft einem Kind, das in einem überhitzten Auto feststeckt, und er sorgt dafür, dass örtliche Wichtigtuer nicht zu wichtig werden. Doch dann metzelt jemand die Pferde einer Einheimischen nieder – und kurz darauf gibt es einen Mord … 

»Hope Hill Drive« ist der zweite Roman, den Garry Disher über seinen Hirschhausen geschrieben hat, der im Roman fast durchgehend immer als »Hirsch« bezeichnet wird. Die ländliche Region, in der sich alles abspielt, schildert der Autor mit Sachkenntnis und Liebe zum – immer knapp gehaltenen – Detail; man kann sich die Szenerie richtig gut vorstellen.

Es tauchen viele Personen auf, die im Verlauf des Romans fast alle irgendwie wichtig werden. Sie stecken in verschiedenen Beziehungen fest, sie sind miteinander verwandt oder untereinander verstritten. Dazu kommen die Komplikationen mit höheren Polizeibehörden in der nahe gelegenen Stadt oder sogar in der Metropole – der Fall wird immer komplexer und faszinierender.

Seinen Roman fängt Disher mit viel Ruhe an. Sein Held fährt mit dem Auto durch die Gegend, er guckt sich die Leute an, er spricht mit ihnen. Es wird zu viel Alkohl getrunken, hinter heruntergekommenen Fassaden lauert die Gewalt, und langsam wird klarer, wer mit wem welches Verhältnis hat.

»Hope Hill Drive« ist ein ausgesprochen gelassener Polizeikrimi, der zwar auch Action-Elemente aufweist, sich aber auf Szenen mit sozialer Realität, klare und toll formulierte Dialoge sowie knappe Beschreibungen konzentriert. Am Ende ist das Gesellschaftsbild eindeutiger, es werden auch mehrere Täter festgestellt – ein starker Roman, den man im übrigen ohne jegliche Beziehung zum ersten Band der Serie lesen kann.

17 September 2024

Heftige und sehr düstere »Conan«-Adaption

Auch wenn sie wie aus der Zeit gefallen wirkt, mag ich die Figur des Barbaren Conan – seit Robert E. Howard ihn erfand und damit wesentliche Aspekte der Fantasy-Literatur definierte, hat Conan allerlei Inkarnationen erlebt. Derzeit finde ich die Comic-Versionen interessant, die der Splitter-Verlag hierzulande veröffentlicht: Unterschiedliche Teams aus Zeichner und Autor nehmen sich eine klassische »Conan«-Geschichte vor und interpretieren sie auf ihre Weise.

Zuletzt las ich »Der wandelnde Schatten«; die Geschichte ist schon im Original knallhart und wird im Comic noch heftiger präsentiert. Zum Inhalt: Conan flüchtet in Begleitung einer schönen blonden Frau in eine Wüste tief im Süden, verfolgt von den Soldaten einer feindlichen Armee.

Als sie schon am Ende ihrer Kräfte sind, erreichen sie eine mysteriöse Stadt. Dort treffen sie auf uralte Mythen und träumende Bewohner, auf eine faszinierende Frau mit Hang zum Sadismus und ein Monster aus finsteren Sphären ...

Christophe Bec, der erfahrene Comic-Autor, setzt den klassischen Stoff in eine packende Geschichte um. Er folgt Howards Original so weit, dass er auch die Stimmungslage und die Formulierungen übernimmt. Und dabei unterlässt er jeglichen Versuch, den Stoff zu modernisieren. Seine »Conan«-Geschichte ist blutig, finster und brutal; als Leser muss man sich darauf einlassen.

Stevan Subic setzt das in einen Comic um, der nichts für zartbesaitete Gemüter ist. Bei den Kämpfen spritzt das Blut, es geht heftig zur Sache. Sex wird angedeutet, wobei es hier eher um Vergewaltigung und Sado-Maso geht – was in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts nur erwähnt wurde, macht er klar. Bevor sich die falschen Fans freuen: Es gibt keinerlei pornografische Details …

Wenn Subic die düstere Stadt zeigt, greift er zu Ornamenten, die beeindruckend sind. Und wenn das Monster aus der Tiefe auftaucht, gewinnt er diesem auch einen unheimlichen Reiz ab. Man muss klar sagen: Für meinen Geschmack war's streckenweise zu heftig – aber starke Bilder sind es tatsächlich.

Hier empfiehlt es sich, unbedingt die Leseprobe zu prüfen. Wer knallharte Fantasy der ganz klassischen Art mag, ist hier aber gut beraten.

16 September 2024

Wein aus Slowenien

In diesen Tagen fühle ich mich, als sei der Herbst schon wirklich angebrochen. Es regnet, es ist kühl, die Menschen sind mit dicken Jacken, Wollmützen und Schals unterwegs. Dabei ist doch zumindest kalendarisch immer noch Sommer angesagt.

Bloß gut, dass es daheim die eine oder andere Flasche Wein gibt. Konkret: Wein aus Slowenien, vom Weingut Guerila – der geht langsam zur Neige, was ich schon jetzt traurig finde. Er ist schwer zu beschreiben, schmeckt einfach anders als ein Riesling, Burgunder oder Chardonnay.

Mit einem schönen Glas Wein, der an den Frühsommer 2022 erinnert, lässt sich die beginnende Herbst-Depression zumindest teilweise vertreiben. Finde ich ...

13 September 2024

Henry Kuttner als Schwerpunkt

Seit vielen Jahren lese ich die »Blätter für Volksliteratur«, die wie ein Fanzine aussehen, aber eigentlich in ein Regal mit »Fachliteratur zu literarischen Phänomenen« gehören. Die Ausgabe 1/2024, die bereits vor mehreren Monaten erschienen ist, bildet hierfür ein typisches Beispiel.

Im einleitenden Artikel geht es um die klassische »Tom Shark«-Serie. Ich kenne sie natürlich vom Titel her, habe aber nie einen dieser Romane gelesen. Zwischen den zwei Weltkriegen gehörte sie zu den populärsten Serien im deutschsprachigen Raum, und es gibt immer noch Details zu den Autorinnen und Autoren, die entdeckt werden. Solche Themen mag ich, wenngleich es Randgebiete sind.

Für mich als Science-Fiction-Fan war der umfangreiche Beitrag über Henry Kuttner besonders interessant. Der Autor veröffentlicht in den 30er- und 40er-Jahren zahlreiche Klassiker der phantastischen Literatur, ist hierzulande aber immer im Schatten geblieben. Nur wenig aus seinem umfangreichen Werk wurde übersetzt, was ich schade finde – der Artikel gibt immerhin einen schönen Einblick in Kuttners Werk.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit dem Autor Henry Wadwsworth Longfellow und der klassischen »Captain Future«-Reihe. Vor allem für Leute, die Science Fiction mögen, hat diese Ausgabe der »Blätter für Volksliteratur« also einiges zu bieten.

Die Ausgabe umfasst 24 Seiten im A5-Format, die reichhaltig illustriert sind. Es gibt leider keine Website mit weiteren Informationen. Wer sich für das Heft interessiert, muss also direkt an peter.soukup@aon.at schreiben.

Phantastische Comics für Kinder

Früher galten Comics ausschließlich als ein schlichtes Medium für Kinder – das hat sich im Verlauf der Jahrzehnte auch im deutschsprachigen Raum geändert. Heutzutage werden durchaus anspruchsvolle Comics für Kinder veröffentlicht, häufig mit einem phantastischen Inhalt. Wir präsentieren an dieser Stelle zwei dieser Comics, die im Toonfish-Verlag erschienen sind.

Christophe Arleston / Audrey Alwett / Mini Ludvin: Elfies Zauberbuch
Drei Schwestern und ein magisches Buch

Der französische Comic-Autor Christophe Arleston ist mir vor allem durch seine teilweise groben, aber unterm Strich lustigen Fantasy-Abenteuer bekannt. Mit »Elfies Zauberbuch« legt er einen Comic vor, der im Hier und Jetzt spielt, allerlei phantastische Elemente aufweist und sich vor allem an ein jüngeres Publikum richtet. Bei Toonfish erschien mit »Die verhexte Insel« der erste Band.

Die Geschichte hat einen ausgesprochen hübschen Start: Drei Mädchen sind mit einem roten Doppeldeckerbus unterwegs, der zugleich eine rollende Buchhandlung ist. Die älteste der drei fährt den Bus, sie hat sich das Sorgerecht für ihre jüngeren Schwestern erkämpft. Und während sich die drei immer mal wieder streiten, aber unterm Strich zusammenhalten, entdeckt die jüngstr der drei Schwestern, dass sie offensichtlich eine magische Gabe hat.

Arleston kann temporeich erzählen, und das zeigt er bei dieser abwechslungsreichen Geschichte. Unterstützt wird er dabei durch seine Co-Autorin Audrey Alwett.

Die drei Mädchen sind hervorragend charakterisiert, jede hat ihre Eigenheiten, und doch schließt man sie als Leser schnell ins Herz. Der eigentliche »Fall«, bei dem es unter anderem um eine alte Briefmarke und einen sprechenden Frosch geht, ist unterhaltsam und sehr witzig.

Zeichnerisch kann das Ganze ebenfalls überzeugen. Mini Ludvin schafft es, Elemente aus modernen Mangas – etwa die großen Augen oder die dynamischen Bewegungen – mit klassischer europäischer Comic-Unterhaltung zu verbinden. Die Farben sind ein wenig aquarellig, aber jedes Bild für sich ist stimmig und überzeugend.

Klar bin ich nicht die Zielgruppe, aber das ist ein Comic, den ich jederzeit einem Mädchen oder einem Jungen im Alter von zehn bis 14 Jahren in die Finger drücken würde, um ihn oder sie für Comics zu begeistern. Und ich freue mich auf die Fortsetzung!

(Der Comic ist 80 Seiten stark und kostet 17,95 Euro. Zur Leseprobe geht's hier!)

Julien Monier / Carbone: Sam und die Geister
Amüsante Gespenstergeschichte

Bei Toonfish erscheint der Zweiteiler »Sam und die Geister«, den ersten Band habe ich bereits gelesen. Zum Inhalt: Sam ist ein Mädchen, das bei seinem Bruder wohnt. Der Vater ist gestorben, über die Mutter erfährt man nichts, also hat der Junge das Sorgerecht – auch wenn das Jugendamt einen kritischen Blick auf ihn wirft.

Sam hält sich gern auf dem Friedhof auf und kann mit einigen der dortigen Toten sprechen; die schwirren als sphärisch wirkende Geister herum und kommunizieren mit ihr. Das ist nicht gruselig, sondern eher witzig.

Als Sam auf eine alte Dame stößt, die auf dem falschen Friedhof begraben worden ist, versucht sie mit ihrem Bruder, dem freundlichen Gespenst zu helfen. Die beiden machen sich auf, die Familie der Verstorbenen zu finden, damit sie ihre »Heimat« finden kann.

Verantwortlich für die Geschichte ist Carbone, die schon mehrere Comics für Kinder verfasst hat und sich sehr gut auf die phantasievollen Gedanken von Kindern einlassen kann. Trotz des Themas – der Tod! –, wirkt der Comic ausgesprochen nett. Die Figuren sind sympathisch, und Sam als Heldin muss man einfach mögen – eine tolle Identifikationsfigur für Kinder!

Die Bilder stammen von Julien Monier, und sie sind absolut gelungen: eine schöne Vermengung von humoristisch, ohne dass es Knollennasenmännchen wären, und ernsthaft, sogar ohne Manga-Einfluss. Alles in allem ein hervorragender Start für einen Comic-Zweiteiler!

(Der Comic umfasst 56 Seiten und kostet 14,95 Euro. Jetzt die Lesepribe lesen!)

Die Rezension wurde bereits im Frühjahr 2024 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Hier bringe ich sie nur zur Dokumentation.)

12 September 2024

Ein explizites Egozine

Im September 1981 hatte sich mein Leben wieder einmal gedreht: Nachdem ich im Vorjahr eine Lehre begonnen und sie zu Beginn des Jahres 1981 abgebrochen hatte, ging ich nach den Sommerferien wieder in die Schule. Ich besuchte die elfte Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums. Parallel dazu hatte ich in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Kontakte in der Science-Fiction-Szene aufgebaut und kannte nun viele Leute – mein Ausgleich zur dörflichen Existenz.

Mit meinem Egozine »Der Freak« versuchte ich, einen Gegensatz zu meinem doch eher seriösen Fanzine SAGITTARIUS zu schaffen. Ich fand mich offenbar ziemlich »flippig« und ausgefallen; in diesem Fanzine schrieb ich viel über die Unmengen von Bier, die ich mit anderen trank, über allerlei Musik und andere Themen, weniger über Science Fiction oder Fantasy.

Schaue ich mir heute die Ausgabe vier an, die per Umdruckverfahren hergestellt wurde und die ich im September 1981 unter die Leute brachte, ist mir das teilweise sehr peinlich. Der Klaus N. Frick von damals hat nur wenig mit dem heutigen Klaus N. Frick zu tun – es sind halt doch einige Jahrzehnte vergangen.

Einen Schwerpunkt bilden die Con-Berichte. Ich hatte im Sommer sowohl das Fest der Fantasie in Marburg als auch den StuCon in Stuttgart besucht. Über beide Veranstaltungen schrieb ich recht ausführlich, wobei ich mehr über die Mengen von Bier erzählte als über das Programm.

Das war damals bei »fannischen Fanzines« so üblich; wer cool sein wollte – ohne dass man diesen Begriff benutzte –, schrieb eher über die Anreise sowie über Essen und Trinken und weniger über das Programm. Das Programm war etwas für die seriösen Fans, und zu denen wollten ich und einige andere zersauste Jugendliche nicht gehören.

Ich habe durchaus meine Probleme, die sechs Seiten der Ausgabe vier von »Der Freak« heute zu lesen. Mir ist klar, dass ich sie damals bewusst so schrieb. Heute würde ich mein Augenmerk auf andere Dinge richten. Aber heute bin ich auch ein alter Sack und kein aufmüpfiger Jugendlicher mehr …

PowerPop von The Resistance

Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich die Single »Survival Kit« von The Resistance zum letzten Mal gehört habe – es muss viele Jahre her sein. Das Ding ist überraschend gut, wie ich dieser Tage feststellte. Die Band nahm in den späten 70er-Jahren nur zwei Platten auf, wenn ich das richtig sehe, und ich habe nur die eine Single ausm Jahr 1980. Das ist kein Punkrock, meinetwegen kann man das als Power-Pop bezeichnen, und wer mag, darf XTC oder Ian Dury als Vergleich herziehen.

Die Musik ist typisch für diese Zeit: Zwar klimpert immer wieder das Klavier dazwischen, wenn nicht sogar die Orgel angeschubst wird, ansonsten aber ist die Musik rhythmisch und ein wenig abgehackt; das Schlagzeug wummert, die Gitarre und der Bass tun ihre Arbeit, und darüber kommt der etwas abgehackte Gesang, der manchmal leicht atemlos klingt, fast schon wie Sprechgesang.

Und die Texte? Sie sind gelegentlich schräg, wenn ich es richtig verstehe: »I fought in three world wars / all of which I caused / I’m a trooper superduper« heißt es im Titelstück, und bei »Big Flame« wird eine Revolution zumindest ironisch angedeutet. Das klingt alles richtig gut und gefällt mir immer noch! Eine tolle Single.

11 September 2024

Mrs. Maisel war klasse

Ich brauchte einige Zeit, bis ich die Serie »The Marvellous Mrs. Maisel« entdeckte und für gut befand. Sie läuft bei Amazon Prime, sie brachte es auf mehrere Staffeln, und ich bekam sie anfangs nur am Rande mit. Dabei wusste ich gar nicht viel über sie.

Bis ich die erste Folge anschaute und aus dem Staunen nicht mehr herauskam ... Hauptfigur ist eine jüdische Hausfrau im New York der fünfziger Jahre, die ihr komödiantisches Talent entdeckt. Sie tritt auf obskuren Bühnen auf, wo sie ein Publikum unterhält, das zu einem großen Teil aus alkoholisierten Männern besteht, die Anzüglichkeiten schätzen. Doch Mrs. Maisel lässt es von der Bühne herunter ordentlich krachen und liefert Pointen, die immer wieder einen feministischen Unterton haben.

Die Serie bringt also einerseits einen Humor, der manchmal unter der Gürtellinie ist – mein Englisch ist nicht gut genug, als dass ich die Serie im Original anschauen könnte, aber ich denke, das könnte sich lohnen –, wirft aber immer wieder einen kritischen Blick auf die Zeit, in der sie spielt.

Das ist manchmal heftig: Frauen werden nicht für voll genommen und versuchen alles, um den Männern zu gefallen. Schwarze sind Menschen zweiter Klasse. Sexismen sind an der Tagesordnung. Das alles wird immer wieder thematisiert, immer unterhaltsam und nie mit einem erhobenen Zeigefinger.

Die abschließende Staffel der Serie gefiel mir nicht besonders. Sie wirkte, als wollte man einerseits noch schnell irgendwelche Experimente machen und andererseits dafür sorgen, dass die Serie schnell abgewürgt wird. Es gab trotzdem noch genug zu schmunzeln, wenngleich der wilde Charme vor allem der ersten Staffel nicht mehr getroffen wurde.

Wer eine Chance hat, »The Marvellous Mrs. Maisel« – ob im Streaming oder auf DVD –, sollte sie sich nicht entgehen lassen! Das lohnt sich.

10 September 2024

Kunstdiebstahl mit Ziel

Als ich dieser Tage in einem Café in Karlsruhe pinkelte, fiel mein Blick auf ein Schild, das direkt über dem Pissoir angebracht war. Nachdem ich es zweimal gelesen hatte, weil ich seinen Inhalt kaum glauben wollte, fotografierte ich es. Und viel mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen – es steht ja für sich.

Wie kommt jemand auf die Idee, ein Bild aus einer Toilette zu stehlen? Vor allem, weil dieser Diebstahl ja offenbar geplant war: Der Dieb montierte mit Werkzeug, und er befestigte einen »Ersatz« an der Wand. Das ist mehr als schnöde Kleptomanie.

Vielleicht hingt in diesem Café ein echtes Kunstwerk, und niemand ahnte es? Ich gestehe allerdings, es in früheren Jahren nie wahrgenommen zu haben. Aber ich bin letztlich ein Kunstbanause und würde so etwas nie erkennen ...

09 September 2024

Ein Abend bei Margarete

Wer in Karlsruhe auf »gehobenem Niveau« essen gehen möchte, hat mit dem Restaurant »Sein« eine hervorragende Wahl. Das Restaurant ist keine 500 Meter von meiner Wohnung entfernt, und wir waren dort schon zweimal: Das erste Mal aßen und tranken wir dort, als das Team noch keinen Stern hatte; beim zweiten Besuch hatten sie schon ihren ersten Stern ergattert. Mittlerweile hat das »Sein« zwei Sterne, und ich fürchte, dass es damit außerhalb meiner finanziellen Vorstellungen ist.

Aber das »Sein«-Team hat direkt nebenan – es gibt sogar eine Zwischentür – eine »einfachere Version« von sich eröffnet, das »Bistro Margarete«, dem wir dieser Tage einen Besuch abstatteten. Wir tranken eine Flasche Wein, die lecker schmeckte und nicht zu teuer war, und wir aßen jeder ein selbst zusammengestelltes Menü.

Wenn ein Bistro quasi das Anhängsel eines Zwei-Sterne-Restaurants ist, erwarte ich entsprechende kulinarische Höhenflüge. Das war an diesem Abend auch der Fall: Die Suppe war wunderbar, das Maultaschengericht eine tolle Abwandlung regionaler Küche, und die Zwischengänge sowie Grüße aus der Küche waren klasse.

Was mir besonders gefiel, war der nette Umgangston mit den Gästen, also mit uns. Wir wurden geduzt, völlig selbstverständlich, und es wirkte nicht aufgesetzt, sondern nett. Die beiden Menschen, die in dem Bistro arbeiteten, erwiesen sich als zugänglich und gaben beispielsweise eine sehr brauchbare Weinberatung.

Alles in allem ein wunderbarer Abend! Und eine Empfehlung für Leute, die mal »auf gehobenem Niveau« in Karlsruhe essen gehen wollen, ohne hinterher völlig verarmt zu sein. Gern wieder!

06 September 2024

Anständiger Bierkonsum

Die Sonne stand bereits recht hoch am Himmel, es war ein warmer Tag im August des Jahres 1995, und es war klar, dass es noch wärmer werden würde. Mit einigen Freunden spazierte ich durch die Nordstadt von Hannover. In meiner Rechten hielt ich eine geöffnete Halbliterdose Bier; sie war noch kühl genug, und ich nahm immer wieder einen Schluck aus ihr.

An der Lutherkirche hatten sich einige Dutzend Punks niedergelassen, die dort vielleicht schon die Nacht verbracht hatten. Die Chaostage hatten bereits angefangen, aber noch blieb alles friedlich. Die Polizei hielt sich zurück, und weil es nirgends zu Angriffen auf Punks kam, herrschte in Hannover eine sommerliche Ruhe.

Einer der Punks, den ich vom Sehen her kannte, winkte mir zu und rief zu mir hinüber: »Hey, Enpunkt! Was ischen des fier a Bier?« Er lachte und hob seine Flasche. »Gang schaffa, dann kaasch d’r au a g’scheid’s ond aaschdändigs Bier leischde.« (Hey, Enpunkt! Was ist denn das für ein Bier? Geh arbeiten, dann kannst du dir auch ein gutes und anständiges Bier leisten.)

Mir fiel kein guter Spruch darauf ein. Ich lachte, wir prosteten uns über die Entfernung von wenigen Schritten zu, und ich ging weiter. Hannover im Sommer 1995, so dachte ich, würde ein Fest der fröhlichen Begegnungen werden …

05 September 2024

Die 90er-Jahre in Porz

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil acht

Zu den Deutschpunk-Bands, die das Genre in den 90er-Jahren prägten, zählt für mich ohne Zweifel die Band Knochenfabrik. Ich sah sie nur einmal live, wenn ich mich recht erinnere, traf die Leute aber bei diversen Besuchen in Köln und bei anderen Gelegenheiten. Eigentlich kamen sie aus Porz, was zumindest damals bei jeder Gelegenheit beteuert wurde.

Zu den Stücken der Band, die ich bis heute noch klasse finde, zählt »Filmriss«. Der schrammelige Sound, der ebenfalls schrammelige Gesang, dazu ein Text, der klarmacht, dass man als Punk lieber säuft, als sich in die Leistungsgesellschaft einzureihen – das alles definierte Deutschpunkt in dieser Zeit noch einmal neu.

Die Platte »Ameisenstaat«, auf der sich das Stück befindet, kam 1997 heraus; damals durfte das Lied bei keinem Punk-Treffen in der Republik fehlen. Der Text ist sarkastisch und ziemlich genial, ich finde ihn immer noch großartig. Und so zählt das Stück mit seiner schlichten und eingängigen Melodie bis heute zu den Deutschpunk-Stücken der 90er-Jahre, die ich als Punkrock-Klassiker bezeichnen würde.

(Ja, ich weiß, es gibt auch eine HipHop-Version und noch einige andere moderne Versionen des Stücks. Die sind mir aber recht egal.)

04 September 2024

Die letzte Kneipe

Ich mag Filme, die ernsthafte Themen mit einer locker wirkenden Handlung verknüpfen; aus diesem Grund habe ich immer wieder gern Filme des Regisseurs Ken Loach angeguckt. Als »The Old Oak« im vergangenen Herbst im Kino kam, verpasste ich ihn – nun sah ich ihn mir bei einem Streamingdienst an und war davon sehr angetan.

Der Streifen spielt im Norden von England, in einer Gegend also, die seit den 80er-Jahren als verloren gilt: eine heruntergekommene Siedlung, in der viele Menschen arbeitslos oder arm sind und in der die Häuser verrotten. Nur eine Kneipe im Ort hat noch offen, die den Namen »The Old Oak« trägt. Als man in dem Ort immer mehr Flüchtlinge einquartiert, gibt es Ärger, und die Spannungen nehmen schnell zu.

Ken Loach ist ein Regisseur, der sich seit Jahren an soziale Themen heranwagt. Sein Film könnte mit einigen Unterschieden eigentlich auch im Norden von Frankreich oder in Teilen von Deutschland spielen: Verarmte Einheimische und Flüchtlinge stoßen aufeinander, und es gibt soziale Konflikte, die nicht immer von allen gelöst werden können. Dabei verzichtet der Regisseur auf Sozial-Kitsch.

Im Film gibt es Menschen, die sich engagieren, und Menschen, die hetzen und handgreiflich werden. Der Film bietet keine »Erlösung« an, er zeigt, wie sich die Verhältnisse entwickeln. Das ist oft bitter, manchmal aber auch skurril oder gar lustig. Am Ende sitzt man da und ist kurz vor dem Heulen – eine Reihe sehr emotionaler Szenen gibt’s am Schluss. Und klar ist: Solidarität ist letztlich das einzige, was in solchen Lagen helfen kann, denn Hass ist keine Lösung.

Alles in allem ist »The Old Oak« einer der Filme, die ich kaum mitbekomme. Ich bin froh, dass ich ihn nun endlich angesehen habe.

03 September 2024

Unterwasser-Phantastik für Kinder

Ich gestehe, dass ich von dem Kinder-Comic »Krypto« bisher nichts wahrgenommen hatte. Dabei handelt es sich um eine Comic-Serie mit phantastischem Hintergrund; ich gehöre also schon zu einer potenziellen Zielgruppe. Aber vielleicht bin ich dafür doch zu alt … Von »Krypto« gab es ein Heft beim Gratis-Comic-Tag 2024.

Erzählt wird die Geschichte eines Mädchens namens Ophelia, das am Meer wohnt und dort mit allerlei seltsamen Dingen konfrontiert wird. Ophelia sieht seltsame Bewegungen im Wasser, sie nimmt mysteriöse Lebewesen wahr, die außer ihr keiner erkennen kann. Und irgendwann wird klar, dass sie nicht an Hirngespinsten leidet, sondern echte Tiere sieht, die sich sonst vor den Blicken der Menschen verbergen können.

Der in Norwegen lebende Hans Jorgen Sandnes ist Illustrator und Autor. Bei diesem Comic hat er sowohl die Bilder als auch die Texte geschaffen; die eigentliche Zielgruppe sind Kinder ab neun Jahren. Das 68 Seiten starke Heft lässt sich leicht lesen, ist für mich – da zu alt – dann aber doch ein wenig zu schlicht. Die Zeichnungen bestehen aus großflächigen Bildern, verzichten auf unnötige Details und sind sehr einfach gehalten; das gleiche gilt für die Geschichte.

Wer nach einem Phantastik-Thema für sehr junge Comic-Fans sucht, ist hier sicher nicht falsch beraten. Für einen erwachsenen Comic-Leser ist »Krypto« aber echt nur bedingt geeignet.

02 September 2024

Ein Bier zum Radio

Es war um halb elf Uhr abends, und mir lief der Schweiß in Strömen über den Körper. Mein T-Shirt klebte, und die Feuchtigkeit auf meinem Rücken fand ich nicht mehr sonderlich angenehm. Im August war es in Karlsruhe oft sehr heiß und schwül, so auch an diesem Abend.

»Leute, ich weiß nicht, ob es bei euch auch so hohe Temperaturen hat«, sagte ich in das Mikrofon, das mir hing. »Hier im Studio bewegt sich die Luft nicht, und zu allem Überfluss haben wir im Kühlschrank nur pisswarmes Bier.«

Es gehörte zu meiner Art der Moderation dazu, dass ich nicht nur über die Bands sprach, die ich spielte, sondern auch vom Drumherum erzählte. Es konnte bei solchen Gelegenheiten passieren, dass ich vom Thema abkam, dann nicht über die Punk-Szene von Los Angeles schrieb, sondern eher darüber, dass bald wieder Chaostage vor der Tür standen und man sich auf diese richtig vorzubereiten hatte. Und manchmal wehklagte ich eben auch über das Wetter oder fehlendes Bier.

Ich erzählte etwas über die kommende Punkrock-Band, dann schob ich den Regler für den Plattenspieler nach oben und zog den Regler für das Mikrofon herunter. Sogar auf dem Mischpult hinterließen meine Finger feuchte Spuren. Normalerweise lehnte ich mich in so einer Lage zurück und atmete kurz durch, bevor ich mich auf die nächste Platte und die nächste Moderation einließ.

Meine Sendung im Freien Radio Querfunk versuchte ich so ernsthaft wie möglich zu machen. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Leute mir zuhörten; es mussten einige sein, weil ich immer wieder auf sie angesprochen wurde.

Auf einmal klopfte es an der Tür zum Studio. Es klang energisch, das Pochen war laut. Irritiert stand ich auf. Man musste, wenn man zu uns ins Studio wollte, eine recht steile Treppe hinuntergehen, die vom Hof hinunterführte. Wer das nicht wusste, fand uns nicht unbedingt; für Publikumsverkehr waren unsere kleinen Räumlichkeiten im Keller des Gewerbehofs nicht ausgelegt.

Ein Mann stand vor der Tür, er war kleiner als ich und schwenke etwas in der Hand. Er stand im Dunkeln, ich hatte das Licht hinter mir und konnte ihn kaum erkennen. Aber weil er harmlos aussah, machte ich die Tür auf.

Es war »der Kreisler«, den ich seit meiner Ankunft in Karlsruhe hatte. Der Diplom-Ingenieur und Experte für Lautsprecherboxen hielt eine Flasche Bier in der Hand, von der das Kondenswasser tropfte. Ich wusste, dass seine Werkstatt um die Ecke lag. Staunend starrte ich ihn an.

»Ich hör doch immer deine Sendung«, sagt er im lokalen Dialekt, der immer ein wenig gemütlich klang. »Und bei der Hitze kein kaltes Bier, das ist nicht zumutbar. Prost.«

Er grinste mir zu, soweit ich das sehen konnte; ein weißer Bart bedeckte das Gesicht zur Hälfte, weiße Haare und buschige Augenbrauen in strahlendem Weiß vervollständigten das Bild. Dann winkte er und verschwand in der Dunkelheit, bevor ich noch mehr als ein »danke« hervorstoßen konnte.

Ich stand da und starrte ihm nach. Und mit dem Bier, das Dipl.-Ing. Jürgen Leppert mir gebracht hatte, lief der Rest der Radiosendung wie geschmiert.

30 August 2024

Die Rache des Kreuzritters

Es ist eine Weile her, seit ich zuletzt ein Hörspiel der »John Sinclair«-Serie gehört habe. Dieser Tage hörte ich mir die Folge 49 der »Sinclair Classics« an, die den martialischen Titel »Die Rache des Kreuzritters« trägt. Zumindest am Anfang fand ich die Story ungewöhnlich; wenn am Ende dann Köpfe fliegen und das Blut spritzt, weiß ich aber wieder, dass ich im Universum des Geisterjägers gelandet bin …

Der Reihe nach: Die Geschichte beginnt im Elsass. Zwei deutsche Paare machen dort Urlaub, ausgerechnet in der Nähe einer Burg, auf der angeblich der Geist eines alten Kreuzritters sein Unwesen treibt. Natürlich lassen sich die Touristen nicht von irgendwelchen Warnungen abhalten und zelten auf der Burg. Dort treffen sie auf einen skelettierten Geist, der auf einem toten Pferd reitet, aber sein Schwert schwingen kann, ebenso auf John Sinclair, den Geisterjäger aus London, und einen deutschen Kollegen.

Wieder einmal hat mich das Hörspiel gefesselt, auch wenn der Inhalt schon arg an den Haaren herbeigezogen ist. Skelette auf Pferden, magische Symbole an einem Tor, dann aber wieder echte Leichen ohne Köpfe, die allerdings nach Blut dürsten – hier wird allerlei miteinander vermengt, was vielleicht nicht so richtig sinnvoll zusammenpasst. In einem Roman würde mich das mit Sicherheit stören, in einem Hörspiel finde ich es unterhaltsam.

Die Geschichte wird knallig präsentiert: effektvolle Geräusche, schnelle Dialoge, viel Geschrei und gut eingesetzte Musik. Das ist plakativ, aber sehr gut gemacht. Und man will dann selbst als kritischer Hörer gern wissen, wer von den vier Touristen stirbt und wer überlebt. Sehr gerne angehört, sehr spannend!