19 März 2024

Historische Reise durch ein grusliges Amerika

Seit die erste Ausgabe von »Manifest Destiny« erschienen ist, sind einige Jahre vergangen: 2014 begann die Serie in den USA, seit 2016 wird sie in Deutschland veröffentlicht – aber ich las den ersten Band dieser Ausgabe erst vor einigen Tagen. Er konnte mich fesseln, und ich überlege mir, die Fortsetzungen des Comics ebenfalls zu erstehen.

Die Handlung erweist sich schon in diesem ersten Band, der unter dem Titel »Flora & Fauna« erschienen ist, als spannender Genre-Mix. Erzählt wird von der legendären Lewis-Clark-Expedition, die 1804 das Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten von der Ost- zur Westküste durchquerte. Dabei mussten allerlei Hindernisse überwunden werden.

Was aber bis heute niemand weiß: Zu den Hindernissen zählen auch allerlei Monster, die aus dem Wald kommen und die Expedition angreifen. Tatsächlich ist der Comic nichts anderes als die Verbindung eines historischen Abenteuers mit teilweise heftigen Horror- und Fantasy-Elementen. Zombies treten auf, seltsame Pflanzenwesen geben sich ein Stelldichein, es gibt eine einzige Abfolge von Gefahren.

In Szene gesetzt wurde diese Geschichte von Chris Dinges. Er zieht seine Story spannend auf, und die Szenenwechsel sorgen dafür, dass es einem nie langweilig wird. Gelungen!

Die Zeichnungen von Matthiew Roberts haben gelegentlich einen leichten Anflug von »Underground«-Stil; sie wirken manchmal, als seien sie nur schnell hingeworfen. Seine Mixtur aus Phantastik und Realitätsnähe bekommt der Künstler aber gut hin, und die Farbgebung durch Owen Gieni gefällt mir ebenfalls.

Der erste Band von »Manifest Destiny« war und ist für mich ein gelungener Einstieg. Es geht in eine historische Zeit mit teilweise derber Phantastik – das hat was!

18 März 2024

Ein Abo für die Klassiker

Der Hirnkost-Verlag ist mir nicht nur deshalb lieb und teuer, weil dort meine »Peter Pank«-Romane erschienen sind und ich dort zusammen mit Volker Langenbein »Totengräbers Tagebuch« veröffentlichen konnte. Der Verlag hat in jüngster Zeit eine Reihe hervorragender Science-Fiction-Anthologien herausgegeben und etabliert sich als einer der besten Genre-Verlage unserer Zeit.

Absolut lohnenswert ist die Reihe mit dem schönen Titel »Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction. Verantwortlich dafür zeichnet Klaus Farin, der die Reihe zusammen mit Hans Frey – leider Kurzem verstorben – ins Leben gerufen hat. Alle bisher veröffentlichten Bücher sehen toll aus: Es handelt sich um schön gestaltete Hardcover-Ausgaben, die neben dem klassischen Romantext ein ergänzendes Nachwort enthalten.

Manche Titel kannte ich schon, von einigen hatte ich bisher nicht einmal den Namen gehört. Es ist sicher eine lohnende Ausgabe. Ich empfehle ein Abonnement – dann verpasst man keines der Bücher und ist immer auf dem Laufenden, was diese Reihe angeht. Abonnenten zahlen einen reduzierten Preis, was sich mit der Buchpreisbindung verträgt, und erhalten die Bände immer nach dem Erscheinen zugeschickt.

Ganz ernsthaft: Wer sich für Science Fiction interessiert und mehr von den Klassikern wissen möchte, für den ist diese Buchreihe absolut sinnvoll!

15 März 2024

Tafelbild, nachgereicht

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Beim Seminar in Wolfenbüttel stand ich nicht nur einmal am Flipchart und malte darauf herum. Unter aderem ging es um die Kurzgeschichte als solche, unabhängig von allen Gedanken daran, ob diese nun phantastisch ist oder nicht. 

Also stellte ich mich an die »Tafel« und schrieb auf, was sich im Plenum an Vorschlägen und Hinweisen fand. Die Ergebnisse schrieb ich auf. Machen wir uns nichts vor: Den teilnehmenden Personen waren die meisten der Wörter, die ich an die Tafel schrieb, völlig klar – aber es war trotzdem interessant, sie alle einmal zu bündeln.

Und so entstand ein Tafelbild, das sich erstaunlich gut lesen lässt und das alle wesentlichen Elemente auf einen Blick zusammenfasst. Das dokumentiere ich an dieser Stelle dann doch sehr gern.

Abwechslungsreiche Fanzine-Lektüre

Um es vorwegzunehmen: Man muss kein Mitglied im Science-Fiction-Club Deutschland e.V. (SFCD) sein, um das Fanzine »Andromeda Nachrichten« gut zu finden. Das belegt die Ausgabe 284, die ich dieser Tage las und für die Sylvana Freyberg redaktionell verantwortlich zeichnet. Dabei ist völlig klar, dass mir nicht alle Artikel in diesem 126 Seiten starken A4-Heft gefallen und es Themen gibt, die mich nicht interessieren – Computerspiele etwa –; es ist die Gesamtheit, die überzeugt.

Dabei kam der der beste Beitrag für meinen Geschmack eh am Ende. In seiner satirischen Geschichte »Das Versagen« – in der ich als Figur eine unrühmliche Rolle einnehme – schreibt Klaus Marion über den zunehmenden Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf das Schreiben und stellt die Frage, warum das in der Science Fiction eigentlich nie ein Thema war.

Interessant fand ich die Beiträge über den Magischen Realismus, also die phantastische Literatur aus Südamerika. Da hätte ich mir allerdings mehr redaktionelle Eingriffe – häufigere Absätze hätten den Text lesbarer gemacht – gewünscht; aber man kann ja nicht alles haben.

Das gleiche gilt für manch anderen Beitrag in diesem Heft: Wenn man ein Spalten-Layout hat, müssen die Absätze einfach kürzer sein, sonst wird der Text rasch weniger gut lesbar. (Der eigentlich interessante Artikel über den Autor Walter Tevis und sein Werk ist dafür ein gutes Beispiel ...)

Angesichts der Vielzahl an Beiträgen ist das vielleicht gar nicht so schlimm. Das Heft an sich ist höchst lesenswert, und es mangelt nicht an Beiträgen, die man anlesen oder auch durchschmökern kann. Dazu zählen die vielen Rezensionen ebenso wie Con-Berichte. (Na ja: Muss wirklich ein Buch ausführlich vorgestellt werden, das 1991 erschienen ist? Gibt es sonst nichts, das aktuell ist?)

Aber gut: Das Kennzeichen eines Fanzines ist ja, dass es Beiträge von Fans versammelt. In der aktuellen Ausgabe der »Andromeda Nachrichten« mangelt es nicht an gelungenen Beiträgen. Und das wiederum finde ich gut!

(Wer sich für das Heft interessiert, findet auf der Internet-Seite des SFCD e.V. weitere Informationen. Dort kann man es sich auch als PDF herunterladen.)

14 März 2024

Schwelgerischer Pop von Tocotronic

Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge von Tocotronic; die Band war schrammelig, ja, geradezu punkig. Ich sah die Band einmal live, es war im alten »Substage« in Karlsruhe, und ich fand das Konzert gut. Klar, ein studentisches Publikum, bei dem nur gedämpfte Stimmung aufkam, aber eine gut aufgeräumte Band auf der Bühne, die sichtlich Spaß bei ihrem Geschrammel hatte.

Das ist lange her. Das wird einem klar, wenn ich nach einiger Zeit die Platte »Das rote Album« anhöre; na ja, eigentlich hat die Platte keinen Titel, aber sie ist halt rot, und deshalb hat sich dieser Begriff eingebürgert. Sie kam 2015 heraus, und ich kaufte sie mir als Doppel-LP, weil das einfach schöner ausseht und ich das Auflegen einer Platte nach wie vor schätze.

Die vier LP-Seiten sind großzügig bestückt; kein Wunder, bei nur insgesamt zwölf Stücken. Aber das störte mich nicht, für mich ist so eine Klappcover-Geschichte auch ein Gesamtkunstwerk, für das einfach andere Regeln gelten als für gewöhnliche Tonträger.

Musikalisch ist das weit weg vom Schrammel-Sound früherer Jahrzehnte. Die Band schwelgt in einem Pop, der schon fast Breitwandcharakter hat – ohne dass das Ganze aber überinszeniert wirkt. Man bleibt bei den Gitarren, das wird nur selten durch andere Geräusche unterstützt, aber es ist glatt gespielt, es wirkt geradezu schwelgerisch. Die Melodien sind gelungen, der Sänger hat eine klare Stimme, und das lässt einen recht schnell mitschwingen und mitsummen.

Bei den Texten ist man gewohnt verkopft. »Sie lesen jede Zeile / in der Wüste der Langeweile« – auf solche Sätze muss man erst einmal kommen. Die Texte sind eher persönlich, sie gehen nicht auf politische Inhalte ein oder erzählen klare Geschichten. Sie laden eher zu Interpretationen ein, sie sind vielschichtig – das ist dann Popmusik für Menschen, die sich auch mal gern mit den Texten beschäftigen.

Dazu zähle ich ja gar nicht. Für mich ist »Das rote Album« schlicht gute Popmusik mit deutschen Texten. Das kann ich mich immer mal wieder anhören, ich brauche allerdings die Stimmung dazu.

13 März 2024

Der Commissario altert

Ein toter Mann wird aufgefunden, ganz offensichtlich ein Mordopfer. Commissario Montalbano und sein Team beginnen mit ihren Ermittlungen. Schnell stellt sich heraus: Das Opfer war durchaus wohlhabend und verlieh Geld »auf privater Basis« zu hohen Zinsen an andere Menschen. Zugleich war der Ermordete zu Lebzeiten vom Theater begeistert und brachte mit einer Truppe von Laienschauspielern ambitionierte Stücke auf die Bühne.

Es gibt – so viel lässt sich feststellen – eine Reihe von Kontakten, die für eine Mordtat in Frage kämen. Aber es gibt keinerlei konkreten Hinweise, und so stochert die Polizei im Dunkeln. Für Montalbano, der sich langsam mit der Schauspielerei und einem bestimmten Theaterstück vertraut macht, kommt erschwerend hinzu: Seine Gefühle sind verwirrt, weil seine langjährige Beziehung kriselt und er eine neue Kollegin unglaublich begehrenswert findet ...

Die Rede ist von »Ein tiefer Blick in die Seele«, dem aktuellen Band der »Montalbano«-Serie des italienischen Schriftstellers Andrea Camilleri. Der Autor ist zwar schon verstorben, aber es gibt noch eine Reihe von unveröffentlichten Bänden – die »Montalbano«-Krimis sind immer gut geeignet für eine lockere Unterhaltung, die aber mit deutlichen Spuren von Tiefgang kombiniert wird ...

Im aktuellen Fall ist der eigentliche Mord fast eine Nebensache. Interessanter lesen sich die Verwirrungen des Commissarios und seine Probleme mit den Veränderungen in seinem Leben. Der erfolgreiche Polizist kommt nicht damit klar, dass er älter wird, und er schämt sich nicht nur einmal für die Politik seines Landes.

In solchen Szenen lässt sich feststellen, dass Andrea Camilleri alles andere als ein Autor oberflächlicher Urlaubskrimis war – in seinen Werken ging es immer auch um die Politik und ihre Auswirkung auf die einzelnen Menschen. Diesmal kommt eine philosophische Note hinzu, ausgelöst durch die Diskussion um das Theater und die Figuren, die darin auftreten.

Seien wir realistisch: Wer ein regelmäßiger Leser der »Montalbano«-Serie ist – so wie ich –, wird an diesem Buch seine Freude haben. Wer die Serie bisher nicht kennt, muss nicht unbedingt bei diesem Alterswerk einsteigen; viele Hinweise zur psychologischen Seite des Helden sind ohne Vorkenntnisse nicht so leicht zu verstehen, denke ich ...

(Ich habe mir die Hardcover-Version gekauft. Es gibt natürlich auch ein E-Book. Und mit dem Taschenbuch ist in absehbarer Zeit ebenfalls zu rechnen. Und alles gehört zum Programm von Bastei-Lübbe.)

12 März 2024

Ein historischer Comic, der beeindruckt

Um es gleich zu sagen: Der Comic »1629 – oder die erschreckende Geschichte der Schiffbrüchigen der Jakarta« ist ein absoluter Prachtband, der allerdings auch etwas hochpreisig ist. Der Umschlag des Buches sieht großartig aus, die gesamte Gestaltung des dicken Werkes beeindruckt schon, und die Geschichte sowie die Bilder haben mich dazu gebracht, jede Seite mehrfach anzuschauen.

Dabei klingt die Geschichte auf den ersten Blick gar nicht spektakulär: Es geht um die Reise eines niederländischen Schiffes vom Hafen in Holland aus bis in die Kolonien, also ins heutige Indonesien. Bei dieser Fahrt gibt es neben den üblichen Matrosen und Soldaten sowie einigen Passagieren zwei Besonderheiten: Es reist eine Frau aus einer »besseren Familie« mit, und es befinden sich Kisten mit Unmengen von Geld und Silber an Bord. Das alles sorgt quasi automatisch für Spannungen.

Als Comic-Autor ist mir Xavier Dorison seit Jahren ein Begriff; er hat sich in vielen Genres bewährt. Bei diesem Comic griff er auf Archive zurück und erzählt nun eine Geschichte, die auf historischen Fakten beruht. Seine Darstellung einer Schifffahrt kommt mir extrem realistisch vor. Die sozialen Gegensätze werden von ihm krass dargestellt.

Die Schiffsführung herrscht mit eiserner Hand über die Matrosen; die Strafen sind barbarisch und werden derb geschildert. Bei den sozialen Unterschieden geht Dorison bis ins Detail: Die Scheiße läuft buchstäblich auf die Köpfe der armen Passagiere hinunter.

Das alles setzt Timothé Montaigne mit einer brachialen Realitätsnähe in Szene. Große Ansichten des Schiffes und des Meeres gehören ebenso dazu wie Details der Gesichter und der Hände. Man merkt dem Künstler an, wie sehr er sich mit den Schiffen vertraut gemacht hat; das wirkt alles lebensecht und real.

Schon klar, das ist nicht jedermanns Geschmack; dieser Blick auf die Realität des 17. Jahrhunderts ist streckenweise schon grob. Aber die Bilder vergisst man nicht!

Starker Comic!

11 März 2024

Ein Tafelbild aus Wolfenbüttel

Ich bin wirklich nicht besonders gut darin, Vorträge, Referate und Seminare durchzuplanen. Das führt unweigerlich dazu, dass meine Tafelbilder, die ich auf ein Flipchart oder eben auf eine Schiefertafel male, nie hundertprozentig »sauber« sind. Allein schon deshalb, weil ich als guter Schwabe der Ansicht bin, man sollte nicht zu viel Papier verschwenden, und deshalb dazu neige, so eine Seite von oben bis unten vollzumalen.

Ganz so schlimm war es nicht, als ich am gestrigen Sonntag in Wolfenbüttel kurz darstellte, welche Möglichkeiten es gibt, im deutschsprchigen Raum eine Kurzgeschichte mit Science-Fiction- und Fantasy-Hintergrund zu veröffentlichen. Ich nannte nur die Publikationen und Verlage, bei denen ich mich einigeraßen auskannte, verwies auf die Zeitschrift »Federwelt« und ließ mich am Ende bereitwillig auf die Diskussion über die Plattform Wattpad ein, von der ich sehr angetan bin.

Dass sich aus diesem kurzen Vortrag eine Reihe von Diskussionen ergab, versteht sich wohl von selbst ... Autorinnen und Autoren sind allesamt Individualisten – es ist nicht immer einfach, sie »auf Spur« zu halten und eine Diskussion soweit einzugrenzen, dass sie nicht zu lang dauert.

Ein perfektes Tafelbild wäre hier vielleicht dann doch von Vorteil. Man weiß es nicht – ich werde das wohl nie hinbekommen ...

09 März 2024

Der zweite Tag mit Stilkritik

Heute bin ich bereits den zweiten Tag in Wolfenbüttel und an der dortigen Bundesakademie. Das eigentliche Seminar begann ich gestern bereits mit einer Art Vortrag. Ich erzählte den Autorinnen und Autoren – »aus gegebenem Anlass«, wie man so schön sagt –, was für mich Unwörter sind und wie man sie vermeidet. Warum Begriffe wie »Maßnahme« nicht gut sind und warum man ein Wort wie »beziehungsweise« meiden sollte – und so weiter.

Am heutigen Tag ging mein Co-Dozent Olaf Brill ebenfalls auf Stil und Grammatik ein. Er hatte Klassiker wie »Deutsch für Profis« dabei, mit deren Hilfe er auch über Stil referierte. Viele Aussagen hatte ich zwar irgendwann auch gelesen, aber längst vergessen. Ich fand es selbst gut, einige dieser Aussagen mal wieder zu Gehör zu bekommen.

Ansonsten machten wir fleißig Textarbeit, in dem wir die Texte besprachen, die von den Autorinnen und Autoren eingereicht worden waren. Und wir stellten eine Schreibaufgabe, die von allen Anwesenden erfolgreich – und mit unterschiedlichsten Ergebenissen – gemeistert wurde. Wie immer fand ich die Ergebnisse sehr interessant!

08 März 2024

Wolfenbüttel trotz Bahnstreik

An diesem Wochenende halte ich mich zum wiederholten Mal in Wolfenbüttel auf. An der dortigen Bundesakademie für kulturelle Bildung bin ich einer von zwei Dozenten für ein Seminar, das sich an Autorinnen und Autoren richtet, die phantastische Kurzgeschichten schreiben. 

(Klar, manche schreiben zudem Romane. Und wie ich seit heute weiß, haben praktisch alle einen unveröffentlichten Fantasy-Roman in der Schublade ...)

Die Anreise gestaltete sich eher anstrengend. Ich hatte eine Fahrkarte mit Platzreservierung für die Deutsche Bahn, aber die ließ ich stornieren. Wegen des Bahnstreiks war ich mir sicher, dass ich es mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht schaffen würde, zeitig an der Akademie zu sein.

Die Fahrt mit dem Auto verlief besser als geplant, vor allem ohne Stau. Und da ich gute Musik an Bord hatte, die laut aus den Boxen krachte, kam ich gut durch den Verkehr. Nun schauen wir, was alles passieren wird – der erste Seminartag ist vorüber.

Mein Co-Dozent ist in diesem Jahr der Autor und Redakteur Olaf Brill. Wir kamen heute schon flott in das Seminar hinein; die teilnehmenden Leute sind allesamt engagiert. Aber am Abend wartet dann doch eher ein Bier auf mich ...

07 März 2024

Die gesegnete Königin

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil fünf 

Auch wenn ich selbst es langsam kaum noch hören kann, ist »God Save The Queen« eines der Stücke, die mich in den späten 70er-Jahre geradezu umfegten. Die Sex Pistols sah ich nie live, aber ich weiß noch gut, wie ich das Lied zum ersten Mal im Radio hörte und wie es mich elektrisierte. Die Wut auf das System, die Ablehnung gängiger Bürgerlichkeit – das alles wurde klar auf den Punkt gebracht.

Die Band veröffentlichte eine einzige Langspielplatte, die für die Punkrock-Szene wegweisend war, wurde vor allem aber durch ihre Auftritte berühmt. Das ist alles bekannt und wurde von unzähligen Journalisten und Doktoranden bis zum Erbrechen seziert. Mir sind diese »seriösen« Betrachtungen zu einem großen Teil sehr zuwider.

Höre ich mir das zynische Lied über Queen Elizabeth heute an, wird mir klar, warum die Band damit bekannt wurde und warum man sie entweder hasste oder liebte. Rein musikalisch lockt das heute niemandem mehr hinter dem Ofen vor … der Zahn der Zeit.

06 März 2024

Mutanten und Masken

Eine Zukunft, deren Zeit einigeraßen unbestimmt ist, die aber eindeutig nach einem schrecklichen Atomkrieg liegt: Die Menschen leben in einer Gesellschaft, die einer Diktatur ähnelt und in der seltsame Regeln gelten. Unter anderem werden immer wieder Jagden veranstaltet.

Ein Mensch wird ausgewählt, und unbekannte Männer setzen sich auf seine Spur, um ihn zu töten. Eine Möglichkeit zur Flucht ist die »tote Stadt«, über die nur wenig bekannt ist. Dort leben Mutanten, seltsame Menschen, die ihre Gesichter hinter Masken verbergen müssen.

Das alles ist der Ausgangspunkt für »Die tote Stadt«, einen Science-Fiction-Roman von William Voltz, der 1965 zum ersten Mal erschien und mehrfach nachgedruckt worden ist. Die Ausgabe, die ich las, erschien 1987 als Moewig-Taschenbuch. Aktuell gibt es den Roman nicht in gedruckter Form zu kaufen – außer gebraucht –, man kann sich aber die E-Book-Version herunterladen.

»Die tote Stadt« ist ein echtes Frühwerk von Voltz, und es lässt sich heute noch erstaunlich gut lesen. Die Motive sind bekannt,Voltz hat sie später immer wieder selbst in seine Romane eingebaut: Menschen, die ihre Gesichter hinter Masken verbergen, eine zerstörte Erde nach einem Atomkrieg, die Hoffnung auf ein Weiterleben der Menschheit auf einer fernen Welt.

Das Ganze ist spannend erzählt, es gibt viel Action und Verfolgungsjagden, und am Ende wird die Auflösung des Ganzen ein wenig arg »auf dem letzten Drücker« präsentiert. Das war damals durchaus üblich, das Werk passt also in seine Zeit – und man kann klar feststellen, dass Voltz schon 1965 wusste, wie man eine gute Science-Fiction-Geschichte mitreißend und durchaus glaubhaft erzählt.

Der Autor hat später wichtigere Werke geschrieben, »Die tote Stadt« lohnt aber auch heute noch eine Lektüre. Schöner Science-Fiction-Klassiker!

05 März 2024

Der dritte »Sammelbant«

Mit der Figur des kleinen Jungen Hartmut hat sich der Comic-Zeichner Hartmut Klotzbücher – er signiert als »Haggi« – schon vor langer Zeit in der deutschsprachigen Comic-Geschichte verewigt. Die Figur wurde in Heften vorgestellt, sie tauchte als Werbemaskottchen des Carlsen-Verlags auf, und ich mochte sie immer.

Mittlerweile liegen die »Hartmut«-Geschichten als Sammelbände im Gringo-Verlag vor, und ich las dieser Tage endlich den »Sammelbant 3«. Der trägt den schönen Titel »Der Hartmut hat schon fiel erlept«.

Die Inhalte kannte ich praktisch schon alle aus den Heften, aber das macht nichts. »Hartmut«-Geschichten mag ich seit dem ersten Tag, auch wenn sich dieses Mal bei der Lektüre erste Ermüdungserscheinungen einstellten.

Das liegt vielleicht daran, dass der Witz irgendwann doch ausgereizt ist: Hartmut ist ein kleiner Junge, der als ganz schlichte Strichzeichnung dargestellt wird und der so spricht, wie man sich das von Kindern vorstellt, die aus Schwaben kommen. Aus »erzählt« wird so ein »verzelt«, um ein Beispiel zu nennen.

Bei den kurzen Geschichten, die sich nur über eine Seite erstrecken, funktioniert das meist gut. Hartmut ist halt ein Junge, der Dinge falsch versteht und nicht richtig einordnet. Das ist dann mal blöd, wenn er beispielsweise über Prostitution stolpert, aber durchaus witzig, wenn er Widersprüche in der Erwachsenensprache aufgreift.

Sind die Geschichten länger, gefallen sie mir nicht mehr. Dann wirkt der spontane Witz nicht so gut, dann verlassen den Comic-Künstler offenbar seine Gags. Vielleicht war die Zeit für den guten Hartmut auch irgendwann vorüber.

Ich habe mich über den dritten »Sammelband« trotzdem gut amüsiert. Wer diese Art Comics mag, sollte die »Hartmut«-Bände eh kennen; erschienen ist diese Ausgabe bei Gringo-Comics.

04 März 2024

Bücher im Obertor

Ich war zum ersten Mal in meinem Leben in Radolfzell, der kleinen Stadt am Bodensee. Als ich zum ersten Mal durch die Altstadt bummelte, stieß ich auf die Buchhandlung am Obertor, trat ein und kam so schnell nicht wieder hinaus – und als ich ging, hatte ich prompt wieder Bücher gekauft. (Um gleich zu spoilern: Während meines Aufenthalts in Radolfzell war ich sogar ein zweites Mal in der Buchhandlung.)

Aber warum denn eigentlich?

Das lässt sich so genau nicht sagen. Vielleicht lag es an der verwinkelten Art, wie sich die Räumlichkeiten aneinanderreihten, von einem Eingang zum anderen, um das Büro der Buchhandlung und eine Treppe nach oben herum. Das wirkte geheimnisvoll und ein wenig »verruschdelt«, sprich, damit wurde ich automatisch zum Stöbern eingeladen.

Vor allem, wenn man hinten anfängt, also über den Hof in die Buchhandlung kommt: Dort stolpert man zuerst über die Kinderbücher; über die Reisebücher kommt man irgendwann in den vorderen Teil des Ladens, wo man Krimis und allgemeine Literatur findet. Science Fiction fristet ein absolutes Schattendasein, das gleiche gilt für Comics – dafür scheint man sich bei der Literatur nicht nur auf die gängigen Verlag zu konzentrieren, sondern sortiert auch den Wagenbach-Verlag ordentlich ins Regal.

Die Angestellten machten einen kompetenten Eindruck; ich hörte einigen Gesprächen zu, die sie mit Kunden führten. Und so war der Laden das, den ich bei einer Buchhandlung liebe: Alles wirkt so, als ob es mit viel Verstand ausgesucht, und so fand ich eine kuratierte Auswahl an Büchern, die mir unaufdringlich präsentiert wurde.

Solche Läden liebe ich einfach!

01 März 2024

Quadro Nuevo auf der klag-Bühne

In der Stadt Gaggenau im Murgtal gibt es seit vielen Jahren einen Veranstaltungsort, und ich habe es in all den Jahren nie geschafft, dort einmal aufzuschlagen. Gemeint ist die klag-Bühne – frage mich niemand, wofür das »klag« steht –, in der ständig Konzerte und Kabarett-Abende stadttfinden.

Am Donnerstag, 29. Februar 2024, steuerten wir den Ort an. Wir waren zeitig dran, mehr als eine halbe Stunde vor Beginn betraten wir den Saal. Da war dieser schon so gut wie voll. Es gab keine Reihenbestuhlung, sondern es standen Tische und Stühle im Saal. Und um diese Tische saßen Leute, die aßen und tranken. Im Prinzip hatten wir es also mit einer Kneipe zu tun, bei der eben auch Musik live gespielt wurde.

Wir fanden einen guten Platz – lustigerweise am Presse-Tisch –, bestellten Getränke und sahen den anderen Leuten beim Essen zu; wir hatten daheim gegessen. Beim nächsten Mal würden wir das anders machen. Und irgendwann kamen dann die Musiker auf die Bühne.

Quadro Nuevo stammen aus Bayern, und die vier Männer hatte ich vor Jahren schon einmal gesehen. An diesem Abend präsentierten sie eine bunte Mixtur aus früheren Platten und Auftritten; wer mag, kann das als Jazz bezeichnen oder in die riesige Schublade der Weltmusik einordnen.

Ein Samba oder ein Tango aus Südamerika, eine Serenade aus Neapel, ausgedehnte Klaviersoli und viele andere musikalische Einflüsse reihten sich aneinander. Das war stilistisch sehr abwechslungsreich; manche Stücke waren ruhig, fast träumerisch, bei anderen wäre ich gern gestanden und hätte mich ein wenig bewegt. Die Leute von Quadro Nuevo sind redselig und machen einen sehr netten Eindruck; auf der Bühne wurde viel gescherzt, das Publikum lachte viel, und am Ende gab es einen langen Beifall.

Ich fand das Konzert großartig, eine abwechslungsreiche Mixtur der unterschiedlichsten Stile und das alles mit viel Humor und Augenzwinkern serviert. Quadro Nuevo werde ich sicher mal wieder sehen, und die klag-Bühne sollte ihc mir merken.

29 Februar 2024

Ich stilisierte mich in Texten

Gegen Ende des Jahres 1983 rieb ich mich in verschiedenen Tätigkeiten auf: Morgens ging ich in die Schule, mittags arbeitete ich an der Tankstelle oder im Lager des Supermarktes, abends war ich für die örtliche Tageszeitung tätig, und an den Wochenenden machte ich mit meinem Fanzine »Sagittarius« weiter. Unterm Strich war das ein strammes Programm.

Mein Problem bei alledem war: In keinem dieser Bereich hatte ich einen Anschluss an die Themen, die mich interessierten. Weder in der Schule noch in der Familie oder an einem der Arbeitsplätze teilte jemand meine Interessen für Science Fiction, krachige Musik und seltsame Comics. Ich hatte ein großes soziales Umfeld und fühlte mich trotzdem oft allein.

In dieser Phase schrieb ich Texte – ich nannte sie »Gedichte«, weil ich die schnodderige Art mochte, mit der sogenannte Underground-Autoren schrieben. Und so entstand am 22. Dezember 1983 der Text »Mal wieder«, in dem ich mich ganz schön stilisierte ... als ob ich damals Ahnung von Cognac gehabt oder viele Frauengeschichten hinter mich gebracht hätte. Der Text wurde nie veröffentlicht, was gut so ist – heute habe ich Lust dazu. 

Mal wieder 

Ich hockte an meinem Schreibtisch,
ne Flasche Cognac neben mir
(fast leer, nicht gerade schlecht),
seit Wochen keine Ideen mehr,
keine Ideen, keine Frauen, kein Geld,
der Cognac war der Rest.

Im Radio lief Jethro Tull,
»Locomotive Breath«, eine knalligere Version,
und ich fühlte mich elend,
weit weg von der Menschheit,
vielleicht irgendwo am Rand,
einfach nicht beim Durchschnitt.

Noch ein Schluck,
in der Flasche gurgelte es verdächtig leer,
und ich warf meine Schreibmaschine
mit Wucht in die Ecke,
holte Schmierpapier und einen Füller,
und dann schrieb ich wieder etwas,
Gedichte, einfach Gedichte.

28 Februar 2024

Dreizehn starke Erzählungen

Die kanadische Schriftstellerin Alice Munro schätze ich, seit ich vor Jahren einen Sammelband ihrer Erzählungen gelesen habe. Nun endlich kam ich dazu, »Was ich dir immer schon sagen wollte« durchzuschmökern, einen weiteren Sammelband, der insgesamt 13 Texte enthält. Im englischsprachigen Original wurde das Buch bereits 1974 veröffentlicht, hierzulande liegt es seit 2012 vor.

Die Geschichten spielen oft in ländlichen Regionen Kanadas, zeitlich sind sie häufig in den fünfziger Jahren angesiedelt. Gelegentlich wird der Zweite Weltkrieg erwähnt, der noch nicht so lange vorüber ist. Oft sind die Figuren »einfache Leute«, deren Leben sich verändert und das die Autorin mit viel Sympathie für sie schildert. Zentral sind stets die Frauen, auf die sie ihre Aufmerksamkeit richtet. Und oft enden die Geschichten offen – man kann sich als Leser also den weiteren Verlauf selbst ausdenken.

Alice Munro erzählt beispielsweise von einer Frau, die sich in einen Schriftsteller verliebt hat – die Erzählung ist streckenweise eine scharfe Satire – und die mittlerweile seinen Erfolg aus der Ferne bewundert. Sie schildert zwei Mädchen, die drei Jungs dazu anspornen, ein altes Boot zu reparieren, um mit ihnen auf Reisen zu gehen. Sie zeigt zwei Schwestern, die gemeinsam alt werden, ohne dass sich an ihren grundsätzlichen Konflikten etwas ändert.

Es sind alltäglich wirkende Geschichten, in denen sich die Entwicklung von Figuren und ihrer Gesellschaft widerspiegelt. Wer nur Genres wie Science Fiction, Fantasy oder Krimi mag, wird hier vielleicht enttäuscht. Ich empfand die Texte als Bereicherung.

Jede Geschichte wird in einem Tonfall präsentiert, der auf unnötige Experimente verzichtet. Die Autorin lässt die Geschehnisse vor den Augen ihrer Leser abrollen, eine persönliche Wertung vermeidet sie, denn das ist Aufgabe der Figuren. Sie selbst hält sich zurück – damit bekommt man einen tiefen Einblick in das Innere der jeweiligen »Heldin«.

»Was ich dir immer schon sagen wollte« ist durchgehend gelungen. Man kann das Buch nicht am Stück lesen, denn jede Erzählung wirkt in einem nach – aber es sind 13 Texte, die man immer wieder lesen kann. Toll!

27 Februar 2024

Ungewöhnlicher Blick auf das Universum der Schlümpfe

Seit vor Jahrzehnten die ersten Geschichten mit den »Schlümpfen« erschienen, damals erfunden und gezeichnet von Peyo, ist die Optik der kleinen blauen Zwerge wie festgezimmert. Sie sehen praktisch gleich aus, sie verhalten sich auch ähnlich. Mit der Reihe »Schlümpfe Spezial« soll diese klassische Linie bewusst verlassen werden. Bei Toonfish ist mit »Der Schlumpf, der vom Himmel fiel« der erste Band dieser neuen Reihe erschienen, und ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich davon ein Fan werde oder ob ich diese Optik ablehnen soll.

Die Geschichte beginnt konventionell: Auf einmal ist ein neuer Schlumpf im Dorf. Er fällt vom Baum, wobei er sein Gedächtnis verliert, und wird dann als Amnesieschlumpf bezeichnet. Beim Versuch, seine Herkunft herauszufinden, erreicht eine Expedition mutiger Schlümpfe auch das Gebiet der Menschen, wo unter anderem der tapfere Ritter Johann auftaucht – dabei handelt es sich ebenfalls um eine Figur, die vor Jahrzehnten von Peyo erfunden worden ist und aus dessen Geschichten die Schlümpfe erst entstanden sind.

Soweit klingt die Geschichte fast gewöhnlich. Viele Witze machen aber schon klar, dass die Zielgruppe nicht die Kinder sind, die sonst »Schlumpf«-Geschichten mögen. Sie zielen auf erwachsene Comic-Leser, die entsprechende Anspielungen verstehen können.

Noch stärker fällt das bei der Grafik auf. Mir war der Comic-Künstler Tebo bisher nicht bekannt. Wie er aber die einzelnen Schlümpfe neu definiert, das ist mutig und riskant zugleich. »Das sind nicht mehr meine Schlümpfe!«, dürften manche Leser bei der Lektüre dieses Comic-Bandes nicht nur einmal ausrufen.

Tebos Schlümpfe sehen skurril aus, sie haben verschieden geformte Körper, und manche von ihnen wirken wie Zerrbilder. Das ausgesprochen nette und kindgerechte Universum der Schlümpfe sieht bei ihm sehr andersartig aus – aber nicht schlecht.

Um es klar zu sagen: Der Stil ist gut, die Geschichte ist sehr witzig – aber klar, das sind nicht mehr die »Schlümpfe«-Geschichten, die man von früher her kennt. Aber wer die kleinen blauen Gesellen mag, kann sich an dieser popkulturellen Version vielleicht ebenfalls erfreuen. Checkt unbedingt die Leseprobe!

25 Februar 2024

Israelisch in Frankfurt

Das Restaurant ist klein, und es liegt in einem Gebiet von Frankfurt, in dem Wohnhäuser das Bild bestimmen: Dieser Tage war ich zum ersten Mal im »Jaffa Market«, einem israelischen Restaurant im Westend der Main-Metropole. Ich fand das Essen lecker, und ich kann das Lokal empfehlen.

Wobei ich nichts zur Weinkarte und dergleichen sagen kann: Es war am Mittag, und da verzichte ich meist auf Alkohol. Aber das Essen schmeckte: Wir gönnten uns je eine Suppe und je ein Hauptgericht; dazu gab's Wasser, Saft oder alkoholfreies Bier. Und einen Nachtisch gab's ebenfalls. 

Wie die Gerichte hießen, merkte ich mir nicht unbedingt; wer mag, kann sich ja die Speisekarte anschauen. Wir probierten gegenseitig, und ich fand alles lecker. (Wie Fleischgerichte sind, weiß ich logischerweise nicht.)

Die Räumlichkeiten sind schlicht, hier wird nicht geprotzt. Das kann man in Frankfurt ja auch anders haben; in der Stadt trumpfen manche Lokale rein optisch unglaublich auf. Das »Jaffa Market« bietet halt Tische und Stühle, im Sommer kann man draußen sitzen, und durch die große Scheibe kann man das überschaubare Treiben einer Wohnstraße betrachten.

Eine Unisex-Toilette entspricht sicher nicht dem Geschmack aller Leute, als Musik lief irgendwas aus dem Radio. Die Preise selbst sind – für Frankfurt sicher normal – nicht im Niedrigpreis-Sektor.

Ich würde einen Besuch im sympathischen »Jaffa Market« jederzeit wiederholen. Vielleicht steuere ich das Lokal im Rahmen der nächsten Buchmesse an; es ist eine echte Alternative. (Eine Viertelstunde zu Fuß ...)

22 Februar 2024

Chefredakteure und andere Chefs

»Als ich im Verlagswesen anfing«, erzählte ich in lockerer Runde im kleinen Kollegenkreis, »hatte ich eine klare Vorstellung davon, wie ein Chefredakteur auszusehen hatte. Wer Chefredakteur war, trug immer Krawatte, idealerweise hatte er zudem immer einen Anzug an und lief nur selten locker durch den Flur. Und er hatte eine Assistentin, die ihm den Kaffee brachte.«

»Davon träumst du doch noch heute.« Die Kollegin lachte.

»Ich bewunderte wirklich einen der Chefredakteure«, behauptete ich. »Der hat sich nicht seinen Kaffee selbst geholt, der hatte alles klar geregelt: Punkt zehn Uhr stand auf seinem Schreibtisch eine Tasse Kaffee – natürlich an einer exakt definierten Stelle rechts von seinem Ellbogen –, die auch das für ihn ideale Maß an Zucker und Milch enthielt. Daran wurde nicht gezweifelt, und das behielt er bis zur Rente bei.«

Als mich alle ansahen, als erzählte ich eine Schauergeschichte, grinste ich. »Echt jetzt!«, fügte ich hinzu. »So war das früher, und zwar in unterschiedlichen Abstufungen.«

»Ich hab auch eine Geschichte, die sich genau so ereignet hat«, sagte auf einmal eine Kollegin, die sonst eher schweigsam war. »Es war Mitte der 90er-Jahre, als gewisse Chefredakteure von heute noch mit zerrissenen Hosen und bunten Haaren ins Büro gekommen sind.«

Nachdem alle gelacht hatten, erzählte sie weiter. »Ich arbeitete damals für den Buchvertrieb, und die einzelnen Vertriebsleute hatten einen gewissen Standesdünkel. Eines Tages rief mich eine Vertriebsdame an, die für einen Außendienstbezirk zuständig war und nur einen Tag in der Woche im Verlag arbeitete. Sie brauche mich dringend. Ich eilte zu ihr ins Büro, wo sie hinter ihrem Schreibtisch saß. Sie sagte mir, ich solle zu dem Schrank gehen, der rechts von ihr stand. Dort liege eine Mappe im mittleren Fach auf der rechten Seite. Ich fand diese Mappe gleich, hatte sie dann in der Hand und wartete ab, was ich damit tun sollte. Üblicherweise musste man irgendwelche Unterlagen kopieren, die dann an andere Leute verteilt werden sollten.«

Es fiel mir nicht zum ersten Mal auf: Die Kollegin verstand etwas davon, die Spannung zu schüren. Sie lehnte sich zurück, nahm einen Schluck aus ihrer Teetasse und schloss für einen Moment die Augen, als müsste sie sich erinnern. Wir anderen am Tisch hielten den Atem an.

»So stand ich neben der Vertriebsdame, die Mappe in der Hand«, erzählte sie weiter und setzte ihre Tasse ab. »Ich wartete auf weitere Anweisungen. Doch die Vertriebsdame klopfte mit der flachen Hand auf ihren Tisch, links von sich selbst und sagte, ›legen Sie es einfach da hin‹, und das tat ich und war danach wieder auf dem Flur.«

»Das heißt«, fragte ich gedehnt, »die hat dich also durch den halben Verlag laufen lassen, um etwas aus einem Schrank zu holen, der zwei Meter von ihrem Stuhl entfernt war?«

»Ja. Mehr war’s nicht.«

»Hammer.« Ich guckte ins Leere. »Das werde ich nie schaffen.« Mir wurde klar: Bei den Führungskräfte-Seminaren in den Nuller-Jahren hatte ich offenbar versagt. »Bis zur Rente schaffe ich das nicht mehr.«

21 Februar 2024

Wortkarger Hamburg-Krimi

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts: In Hamburg hat sich eine rumänische Familie, die unter der Fuchtel eines ominösen Cousins in den Karpaten steht, einen gewissen Ruf erarbeitet. Die Männer sind in der Immobilienbranche tätig, verkaufen Gebrauchtwagen nach Afrika oder betreiben Diskotheken. Sie sind in ein Netzwerk eingewoben, zu dem ein bekannter Journalist, ein Abgeordneter der SPD und ein einflussreicher Rechtsanwalt zählen. Der Filz funktioniert hervorragend – doch als auf einmal ein 16 Jahre alter Jugendlicher an einer Überdosis stirbt, verändert sich sehr schnell sehr viel.

So lässt sich der figurenreiche und zugleich schmale Roman »Die Stadt, das Geld und der Tod« gut zusammenfassen. Verfasst wurde er von Frank Göhre, von dem ich vor Jahren schon einmal einen sehr guten Krimi gelesen hatte. Göhre schrieb zahlreiche Romane, wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und war als Drehbuchautor erfolgreich.

Dieser Roman ist in einem Stil geschrieben, den ich als »karg« bezeichnen würde. Die Sprache ist extrem reduziert, die Beschreibungen sind superknapp, die Dialoge kommen auf den Punkt, hier ist kein Wort zu viel. Es treten viele Personen auf, die sich alle kennen – als Leser muss man der Handlung konzentriert folgen.

Gleichzeitig entfaltet diese Sprache, die mich oft an Kurzgeschichten erinnert, einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Die Figuren sind klar charakterisiert, ihre Rollen im Beziehungsgeflecht werden eindeutig geschildert, und manche Handlungen führen zu unausweichlichen Konsequenzen.

Eine lohnenswerte Lektüre! Nicht nur für Leute, die Hamburg kennen, nicht nur für Leute, die Krimis mögen. 

Erschienen ist der Roman bereits 2021 im Culturebooks-Verlag; er ist vergleichsweise dünn, was ich als positiv empfinde, und ein wenig hochpreisig, was ich auf die mutmaßlich geringe Auflage zurückführe. Aber er lohnt sich für einen kritischen und ohne unnötiges Wort auskommenden Blick auf die Hansestadt Hamburg.

20 Februar 2024

Stress in der Virchow

Langsam biege ich mit meinem Wagen in die Virchowstraße ein, wie ich das fast jeden Morgen mache. Die Straße ist schmal: Auf der einen Seite stehen parkende Autos, auf der anderen Seite kommt ein Gehsteig. Zudem ist sie gewölbt und voller Schlaglöcher, was bedeutet, dass ich sie immer sehr langsam befahre.

Eine Person kommt mir auf dem Rad entgegen. Für ein Auto und ein Fahrrad ist die Straße zu schmal, also ziehe ich nach rechts und stelle mich soweit in die Einfahrt eines Hofes, dass sich genügend Platz zwischen meinem Auto und dem Gehsteig ergibt. Das mache ich nicht nur aus Gründen der Höflichkeit und Verkehrssicherheit – ich halte mich schlicht an die Verkehrsregeln. Als sich die Person nähert, erkenne ich, dass es sich um eine grauhaarige Frau handelt.

Von hinten rollt ein anderes Auto heran. Der Fahrer kann nicht an mir vorbei; dazu müsste er auf den Gehsteig, der an dieser Stelle recht hoch ist. Ich sehe im Rückspiegel, dass er fuchtelt; dann haut er mir die Lichthupe rein. Einmal, zweimal, dreimal flackert es hinter mir auf. Ich reagiere nicht.

Langsam fährt die Frau mit dem Rad auf mich zu; sie wirkt ein wenig unsicher. Als sie auf meiner Höhe ist, hebt sie grüßend die Hand. Ich grüße zurück, blicke in den Rückspiegel, warte die drei Sekunden, bis sie vorbei ist, und fahre dann weiter.

Während ich langsam die Straße weiterfahre, blicke ich erneut in den Rückspiegel. Die Frau hält nun mit dem Rad mitten auf der Straße an, sie kann nicht weiterfahren. Der Autofahrer steht ihr gegenüber und gibt ihr die Lichthupe. Einmal, zweimal.

Wie es weitergeht, erkenne ich nicht. Ich erreiche das Ende der Straße und biege rechts ab. »Zu viel Stress am frühen Morgen«, murmle ich.

19 Februar 2024

Endlich einmal Schwarzwaldbahn

Als ich noch ein Kind war, erzählte mir mein Vater nicht nur einmal von der Schwarzwaldbahn. Er schwärmte von den technischen Leistungen, die von den Ingenieuren und Arbeitern erbracht worden waren, von den Brücken und den Tunnels, und er sagte mir oft, dass wir einmal diese Bahnstrecke fahren sollten. Vor allem zwischen Triberg und St. Georgen lohne sich das, aber eigentlich sei es schon ab Offenburg schön und bleibe bis Villingen spannend.

Wir reisten nie mit dieser Bahn. Sie lag gewissermaßen quer zu unseren Fahrten durch den Schwarzwald, und so bot sich mir nie die Möglichkeit, meine Heimat auf diese Weise wahrzunehmen. Ich musste sechzig Jahre alt werden, um die Strecke zu nutzen.

Ich fuhr sie komplett: In Karlsruhe stieg ich ein, am Bodensee verließ ich den Zug. Die Fahrt dauerte gut drei Stunden, der Komfort war angemessen. Ich hatte ein Buch dabei, das ich lesen wollte, aber ich guckte die meiste Zeit zum Fenster hinaus, staunend wie ein kleines Kind.

Die Strecke war mir im Prinzip bekannt. In den langen Jahren, die ich in Karlsruhe wohne, ergab es sich einige Male, dass ich mit dem Auto quer durch den Schwarzwald fuhr, auf Strecken, die ich seit meiner Kindheit kannte. Aber nun fuhr ich mit der Bahn durch kleine Städte bis nach Offenburg, um von dort aus zum Schwarzwald aufzusteigen.

Und tatsächlich war es wunderbar, zwischen Hausach und Villingen »quer durchs Gebirge« zu rollen, gemütlich im Sessel, mit einem ungehinderten Blick auf Berge und Täler, auf Bäume und Wiesen, auf kleine Häuser und große Höfe. Ich genoss die Reise sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt.

Nun endlich verstand ich, was mein Vater mir damals erzählte … Gerne mal wieder!

09 Februar 2024

Verlagsarbeit in den 80er-Jahren

Da ich nicht so richtig weiß, wie die Leser des Fanzines OX im Jahr 2024 aussehen, schreibe ich meinen Fortsetzungsroman »Der gute Geist des Rock’n’Roll« ein wenig ins Blaue hinein. Ich könnte mir vorstellen, dass die meisten Leser männlich sind und sich in einem Altersspektrum bewegen, das im Durchschnitt etwas jünger ist als ich – aber nicht zu sehr. Daher glaube ich, dass die meisten sehr gut nachvollziehen können, was im Kopf meines Ich-Erzählers abgeht, wenn ich ihn von seinen Abenteuern in der Mitte der 90er-Jahre berichten lasse.

Die aktuelle Folge 47 erschien dieser Tage in der OX-Ausgabe 172, wie immer war sie eineinhalb Seiten lang. Die Szene spielt vor allem im Innern des Verlags, für den Peter Meißner im Sommer 1996 arbeitet. Unter anderem gibt es kurze Einblicke in die interne Kommunikation, dann beginnt ein Besuch im Archiv.

(Ich arbeitete in den 80er-Jahren zuerst bei einer Tages- und später bei einer Wochenzeitung. Die Archive dort sahen natürlich völlig anders aus als diejenigen, die ich in dieser Geschichte beschreibe.)

TikTok und anderes für Nazis

Seit vielen Jahren lese ich das »Antifaschistische Infoblatt« aus Berlin; jede Ausgabe bietet viele Informationen, die man aus der allgemeinen Presse nicht erfährt. Die Zeitschrift ist staats- und gesellschaftskritisch, wie der Titel schon nahelegt, und nimmt eine sehr klare Position ein. In der Ausgabe 141 zeigen verschiedene Autorinnen und Autoren, wie der »Informationskrieg« in diesen Zeiten funktioniert und sich Rechtsradikale im Internet immer stärker breitmachen.

Das ist nicht unbedingt neu. Bekanntlich waren Rechtsradikale mit dem »Thule-Netzwerk« schon aktiv, als in Deutschland die meisten Leute noch nicht einmal ahnten, dass das Internet auf sie zukommen würde. Es liegt nahe, dass sie auch versuchen, in neuen Netzwerken auf sich und ihre Ziele aufmerksam zu machen. Neu ist allerdings, wie aktiv sie sind und um wieviel erfolgreicher sie vorgehen als die demokratischen Parteien.

Mit Interesse las ich, wie sich die verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen auf Plattformen wie TikTok oder Instagram präsentieren. Gezeigt wird darüber hinaus, wie sich die türkischen Rechtsradikalen vernetzen oder wie ChatGPT rechtsradikale Muster verstärken kann. Wenn man das alles so liest, wird einem schwindlig – da wird noch deutlicher klar, dass es nicht genügt, einmal im Jahr zu einer bürgerlichen Demonstration auf die Straße zu gehen.

Natürlich bietet das Heft auf den 68 Seiten im A4-Format wieder haufenweise anderer Themen. Es gibt kleinere Artikel etwa zu Elon Musk und seinen antisemitischen Äußerungen oder Hintergründe zum sogenannten Budapest-Komplex (in Ungarn stehen Antifas vor Gericht; gleichzeitig werden in Europa mit Steckbriefen weitere Antifas gesucht, die Nazis angegriffen haben sollen). Man wirft immer mal wieder einen Blick aufs Ausland, in diesem Fall auf die Schweiz, Österreich oder Schweden.

Wie immer ist das Heft lesens- und lohnenswert. Ich schaffe es selten, eine Ausgabe komplett zu lesen, weil mir ja bei meinen Lektürewünschen immer mal wieder das Leben oder die Arbeit dazwischen kommen … Aber diese Ausgabe 141 las ich komplett – jeden Text! –, und das spricht irgendwie für sich.

08 Februar 2024

Kurze Haare in Köln

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«


Als ich im Frühsommer 1993 zum ColoniaCon nach Köln fuhr, war ich mit meiner Rolle als – immer noch – frischgebackener PERRY RHODAN-Redakteur nicht sehr vertraut. Die meisten Besucher kannte ich aus gemeinsam Fan-Zeiten; ich ging seit Jahren auf die Cons in Köln, ich hatte jahrelang meinen Fanzine-Tisch auf dieser Veranstaltung, und ich war dort unter anderem durch eifrigen Konsum von Alkoholika aufgefallen.

Und nun sollte ich die Science-Fiction-Serie vertreten, für die ich seit einem halben Jahr tätig war? Erschwerend kam hinzu, dass auch Journalisten vor Ort waren. Unter anderem war ein Fernsehteam anwesend, das über unsere Serie berichten wollte und mich deshalb für Hintergrundgespräche benötigte. Vor allem aber wollte man einige Fans vorstellen.

Das Bild zeigt mich, wie ich mit einem Fernsehjournalisten spreche. Da ich nicht einmal mehr weiß, wie der Mann hieß, habe ich den Bildausschnitt so gewählt, dass er wegfällt – damit sieht man bloß mich, und ich denke, dass man mir das Unwohlsein ansieht. Mit dem »FreuCon«-T-Shirt zeigte ich den anwesenden Con-Besuchern meine immer noch vorhandene Beziehung zur Fan-Szene. Aber man sieht mir an, dass ich mit der neuen Rolle noch ein wenig fremdelte …

(Die Aufnahme stammt wohl von Peter Fleissner. Leider kann ich das nicht mehr nachvollziehen.)

Ich liebte die Ramones

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil vier

Ich sah die Ramones nie live: Als sie frisch und modern waren, hörte ich sie im Radio – ausgerechnet im Deutschlandfunk und im Radio Beromünster wurden sie oft gespielt –, aber für Konzerte war ich damals schlicht zu jung. Als ich alt genug war, auf Konzerte zu fahren, trat die Band nur noch in großen Hallen auf, und ich hatte keine Lust auf das Publikum, das ich bei solchen Veranstaltungen vermutete.

Aber in meiner ersten musikalischen Punkrock-Sozialisation war die Band ein Kracher. Ab 1977 wurde die Musik im Radio gespielt, an der schrägen Decke in meinem Zimmer hing ein Ramones-Poster, das ich aus einer »Bravo« hatte.

Als ich »Roket To Russia« kaufen wollte, scheiterte ich, weil die herumlungernden Jugendlichen im Plattenladen meinten, ich solle »vernünftige Musik« hören. Lange Geschichte … Meine erste Vinylscheibe der Ban müsste dann 1979 oder 1980 die Doppel-Live-LP gewesen sein.

Heute wirkt das alles ein wenig schrammelig und harmlos, damals fegte es mich komplett um. Und »Sheena Is A Punkrocker« ist nach wie vor ein Klassiker. Die rohe Energie des Stücks und der schmissige Sound ist immer noch klasse!

07 Februar 2024

Ein ganz schön trauriger Anblick

Den Pendragon-Verlag schätze ich seit vielen Jahren. Dort veröffentlicht man nicht nur die schöne Ausgabe der Krimis von Robert B. Parker, hier werden auch Autoren wie James Lee Burke präsentiert. Zudem leistet man sich neben den Krimis ein literarisches Programm, in dem es viel zu entdecken gibt.

Doch bei »Raues Wetter«, einem Roman von Robert B. Parker, fragt man sich, was bei dessen Produktion eigentlich schief gegangen ist. Die Seiten wirken, als habe man eine alte Übersetzung genommen, nachlässig eingescannt, nicht bearbeitet und dann mithilfe der »Suche-Ersetze«-Funktion einige charakteristische neue Fehler eingebaut. Es kann sein, dass man das bei späteren Ausgaben berichtigt hat (die Leseprobe bei Amazon sieht wesentlich besser aus), aber mein Buch ist eine unfassbare Ansammlung von Rechtschreib-, Redigier- und Scan-Fehlern.

Sieht man davon ab, bleibt ein spannender Roman übrig. Er beginnt mit einer Hochzeit, auf die ein Attentat verübt wird. Der Detektiv Spenser, der als Leibwache angestellt worden ist, weiß auch gleich, wer für die Tat verantwortlich ist: der sogenannte Graue Mann, ein Killer, mit dem er schon gelegentlich zu tun hatte. Es gibt noch eine Entführung, und dann fängt Spenser an, zu schnüffeln und zu bohren – bei all diesen Verbrechen scheint nämlich einiges nicht zu stimmen.

Letztlich läuft die Geschichte auf ein spannendes Fernduell hinaus. Spenser und der Graue Mann können sich nicht leiden, sie hassen sich aber auch nicht. Beide folgen ihren »Regeln«, an die sich halten. Und so ist das Spannende an diesem Roman vor allem, wie sich Spenser und sein Gegner belauern, wie sich auf ihre Weise kommunizieren und wie sie zu einem Finale kommen wollen. Das wiederum ist nicht unbedingt typisch für einen Krimi und macht wieder einmal klar, warum Robert B. Parker mich fasziniert, selbst wenn der Roman unglaublich schludrig aufbereitet worden ist.

Der Roman lebt natürlich auch davon, dass Spenser mit seinem Freund Hawk zusammenarbeitet und seine Freundin Susan immer wieder mitmischt. Das ergibt fast automatisch Dialoge, die bei der Lektüre viel Freude bereiten: trocken und trotzdem oft witzig, manchmal philosophisch, manchmal sarkastisch.

Allein dafür lohnt es sich, Parker-Romane zu lesen! Und ich schaffe es sogar, peinliche Verlagsfehler zu ignorieren …

06 Februar 2024

Originelle Science-Fiction-Parallelwelt

Es ist schon eine Weile her, seit ich über den ersten Band des Comic-Dreiteilers »Die drei Geister von Tesla« geschrieben habe. Mittlerweile habe ich alle drei Bände gelesen, und das ist ein Grund für mich, noch einmal auf die Trilogie hinzuweisen. Wer originelle Science Fiction mit einem faszinierenden Stil mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren!

Die Geschichte spielt in den vierziger Jahren, während des Zweiten Weltkriegs also, und in den USA. Doch es ist nicht der Zweite Weltkrieg, wie wir ihn aus den Geschichtsbüchern kennen: In dieser parallelen Welt spielen riesenhafte Roboter ebenso eine Rolle wie beeindruckende Erfindungen und trickreiche Geheimagenten.

In den drei Bänden entwickelt sich eine rasante Geschichte, in der ein Erfinder namens Nikola Tesla ebenso auftaucht wie einige andere Personen, die man aus »unserer« Geschichte kennt. Die jungen Helden entdecken allerlei Geheimnisse, es gibt Verfolgungsjagden und einen packenden Showdown mitten in New York.

Erzählt wird das alles von Richard Marazano, der seine Figuren geschickt durch den Dreiteiler führt. Der Autor entwickelt eine wunderbare Parallelwelten-Science-Fiction mit zahlreichen gelungenen Ideen, in die sich die Figuren hervorragend einfügen.

Ohne die großartige Optik wäre das aber alles nichts. Guilhem Bec liefert ein paralles New York, das durchgehend in Sepiafarben erscheint. Die Bilder sind realistisch, man glaubt fast dieser Welt mit ihren Robotern und Soldaten, mit spionierenden Jungs und verzweifelten Wissenschaftlern – so stark ist das gezeichnet.

»Die drei Geister von Tesla« ist eine gelungene Science-Fiction-Geschichte, die inhaltlich und optisch überzeugt. Wer’s nicht glaubt, schaue sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlags an.