06 Oktober 2021

Maskenlos durch den Tag

Als ich die Bäckerei betrat, setzte ich – wie in einem Reflex – die Mund-Nase-Maske vors Gesicht. Diese Bewegung war mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich sie schon unbewusst machte. Auf die Frau, die hinter mir in der Warteschlange stand, achtete ich nicht.

Eine der Verkäuferinnen hinter dem Tresen bediente mich. Ich bestellte Brötchen und Brezeln, wie man das in einer Bäckerei eben so macht. Dann kramte ich meinen Geldbeutel aus der Hosentasche und legte einen blauen Schein auf den Tresen.

Die andere Verkäuferin sprach die Frau an, die nach mit in die Bäckerei gekommen war. »Sie müssen eine Maske aufsetzen.« Ihr Tonfall war sehr höflich, sie hatte einen Akzent, den ich als »russisch« betrachtet hätte.

Erst da erkannte ich, dass die Frau neben mir keine Maske trug. Aus Reflex trat ich einen Schritt zur Seite.

Die Frau neben mir lächelte. »Ich habe eine Maskenbefreiung«, sagte sie bereitwillig und griff nach ihrer Tasche, begann mit einer Hand darin zu suchen.

»Nein, nein.« Die Verkäuferin winkte ab. »Ich glaube Ihnen. Aber eigentlich …«

»Ja, schon, aber …« Die Frau lächelte erneut und nahm ihre Hand aus Tasche.

Ich war mit dem Bezahlen und dem Verstauen des Wechselgeldes fertig, verabschiedete mich und ging. Vor der Tür nahm ich im Reflex meine Maske herunter und verstaute sie in der Jackentasche. Ein kühler Wind ging, ich schloss die Jacke und trat zu meinem Fahrrad.

Hätte ich mich in der Bäckerei einmischen sollen? Hätte ich auch etwas sagen müssen? Oder war es besser, dass ich die Klappe gehalten hatte?

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