26 Februar 2021

Roxy Music und der Geschmack

Im Autoradio begann ein neues Stück. Ich hörte nur die einleitenden Töne, das seltsame Geplunker am Anfang – und alles war wieder da. Die Stimme im Kopf, der Sänger, die schlurfende Musik und der Geschmack im Mund. Ich sah mich wieder, wie ich über dem Waschbecken hing, und ich war in Gedanken auf dieser Party im Winter 1979/80, bei der mir so unendlich schlecht war.

Roxy Music lief, das Stück hieß »Dance Away«. Zu diesem Stück versuchten wir uns im Tanzkurs in der »Tanzschule Herrmann« in Freudenstadt am Disco-Fox, und ich stellte mich mehr schlecht als recht an. Schon damals hätte mir klar sein müssen, dass ich vielleicht mal so Dinge wie Pogo oder Slamdance einigermaßen hinbekommen würde, aber sicher keinen Disco-Fox und schon gar keinen Cha-Cha-Cha oder was wir damals sonst so lernen mussten.

Aber Roxy Music. Das war damals neu und angesagt, die Band galt als »groß« und die Musik als durchaus intellektuell und »anspruchsvoller Pop«. Es lief aber auch bei dieser Party, die einer meiner Freunde veranstaltete und zu der er den halben Tanzkurs einlud. Ich war nach einigen Bieren völlig besoffen und musste kotzen, schaffte es zwar zum Waschbecken, hinterließ dort aber eine unfassbare Sauerei, die ich nicht wegwischen konnte.

Ich war gerade mal 17 Jahre alt, glaubte zu dieser Zeit noch, ich würde einmal ein berühmter Schriftsteller werden, und träumte davon, mit meinem eigenen Fanzine große Auflagen zu erreichen. Mit der Schule hatte ich meine Probleme, und zum Erwachsenwerden zählte in diesem Winter offensichtlich dazu, möglichst schnell möglichst viel Alkohol zu trinken.

Später hatte ich einen Filmriss und wurde heimgefahren; mein Fahrrad holte ich später ab. Aber zu allem lief im Hintergrund meines Kopfes dieses »Dance Away«. So brannte sich Roxy Music bei mir ins Hirn und in die Geschmacksnerven.

Dabei ist das Stück wirklich nicht so schlecht, wie ich dann feststellte, als ich es zu Ende hörte – zum ersten Mal seit gut vierzig Jahren …

Die »AN«-Ausgabe 272

Ich habe in jüngster Zeit immer mal wieder über das Fanzine »Andromeda Nachrichten« geschrieben, dessen Qualitäten ich dabei stets gelobt habe. Die Ausgabe 272 vom Januar 2021, zu deren Lektüre ich erst dieser Tage gekommen bin, zählt eindeutig dazu: Das Heft erstrahlt im A4-Format und einem farbigen Titelbild, die 148 Seiten weisen ein professionelles Layout auf, und auch den Inhalt finde ich meist richtig gut.

Klar gibt es Dinge, die mich nicht interessieren – den Beitrag über die »eGames« überblättere ich immer –, die ich aber grundsätzlich gut finde; so was muss in so ein Heft rein. Und ebenso gibt es Beiträge, die ich nur überfliege, weil sie mich eh ärgern; konkret meine ich dabei die Berichterstattung über die von mir betreute Science-Fiction-Heftromanserie.

Absolut lesenswert ist das Interview mit dem Schriftsteller Tom Hillenbrand, der nicht nur Science Fiction schreibt, sondern auch spannende Krimis und sogar historische Romane. Traurig ist die Lektüre der Nachrufe auf Dieter Steinseifer, der sich jahrzehntelang um die Fan-Szene im deutschsprachigen Land verdient gemacht hat und zum Ende des Jahres 2020 gestorben ist. Damit sind zwei wesentliche Schwerpunkte dieser Ausgabe genannt.

Wie es sich gehört, gibt es sehr viele Rezensionen: zu aktuellen Romanen und Anthologien, zu Fanzines und Comics. Das ist richtig viel, und es qualitativ recht unterschiedlich. Bei manchen Rezensionen habe ich hinterher den Wunsch, den Roman zu kaufen, bei anderen bin ich schon von der Inhaltsangabe gelangweilt. Aber das Heft verschafft mir einen schönen Überblick über aktuelle Publikationen im weiten Feld der Science Fiction – das ist auch im Internet-Zeitalter noch sehr sinnvoll.

Ich könnte, wenn ich wollte, über diese aktuelle Ausgabe nur auf einem sehr hohen Niveau meckern. Das muss aber nicht sein, also lasse ich es gleich. Ein gelungenes Heft!

25 Februar 2021

Ich schrieb über »Mister Dynamit«

Im Frühsommer 1986 begann mein erstes Engagement in Rastatt. Kurz zuvor hatte man eine Abteilung für Public Relations gegründet, die sich vor allem um die aktuellen Titel der Buchverlage kümmern sollte, aber auch um PERRY RHODAN. Da passte ich gut ins Bild, das waren schließlich Themen, bei denen ich mich einigermaßen auskannte.

Für die Heftroman- und Taschenbuchserien war die dreiköpfige Public-Relations-Abteilung aber ebenfalls zuständig. Und so schrieb ich Texte über Western und Liebesromane, wenn sich das anbot, aber ebenso über eine damals erfolgreiche Reihe: Gemeint ist »Mister Dynamit« – eine Reihe, die von dem deutschen Schriftsteller C. H. Guenter verfasst wurde.

Den Autor selbst lernte ich nicht kennen. Ich las einige seiner Romane, vertiefte mich in die Konzepte und sprach mit dem zuständigen Redakteur. Dann verfasste ich meinen Text, der im September 1986 an die Öffentlichkeit ging. Wie die Resonanz in der Presse darauf war, weiß ich allerdings nicht mehr …

Wenn Punks schon Walzer tanzen …

Als ich die False Prophets um 1990 endlich live sehen konnte, war die große Zeit der Band in gewisser Weise schon vorüber. Ihre Platte »Invisible People« kam ebenfalls 1990 heraus. Es ist eine Mini-LP, die sechs vergleichsweise lange Stücke enthält, mir aber trotz diesen Längen immer noch richtig gut gefällt. Veröffentlicht wurde die Platte damals übrigens bei dem niederländischen Label Konkurrel; seither folgten diverse andere Auflagen, auch auf CD.

Klar ist das alles oft entfernt vom knalligen Hardcore-Punk, wie er anfangs der 80er-Jahre aus den USA kam. Und es hat nichts zu tun mit dem, was Ende der 80er- und vor allem zu Beginn der 90er-Jahre an Hardcore aus New York zu uns nach Deutschland schwappte. Die False Prophets waren um 1990 alles andere als modern, und vielleicht trug das dazu bei, dass ich sie so gut fand und auch heute noch gern anhören kann.

Schon das erste Stück der Platte belegt das gut: »Never Again, Again« enthält tatsächlich Passagen, zu denen man Walzer tanzen kann. (Ich spielte zu der Zeit bei diversen Veranstaltungen den DJ; wenn das Stück lief, tanzten wirklich einige Leute einen witzigen Walzer dazu.)

Auch andere Stücke auf dieser Platte sind abwechslungsreich, sind nicht unbedingt typisch für Punkrock oder Hardcore, wechseln das Tempo und die Tonlage, haben eine »schwingende« Grundstimmung. Der Sänger moduliert seine Stimme, dass es einem zeitweise schwindlig wird, die Stücke haben zwar eine durchgehende Melodie, wechseln aber oft ihre Richtung.

Ich würde nicht sagen, dass die »Invisible People« eine wichtige Platte ist oder eine, mit der die Band besonders gut repräsentiert wird. Aber es ist immer noch eine gute Platte und mir längst lieber als vieles von dem, was zu dieser Zeit sonst in der Hardcore-City New York auf Vinyl gepresst wurde.

24 Februar 2021

Bei Hinterwäldlern unterwegs

Die Wälder von Vermont müssen ganz schön düster sein, ausgedehnt und weitläufig und vor allem bewohnt von allerlei seltsamen Leuten. Zumindest bekomme ich langsam einen Eindruck dieser Region, nachdem ich zwei Romane von Castle Freeman gelesen habe, die genau dort spielen. Zuletzt hatte ich »Männer mit Erfahrung« in der Hand – und das war wieder eines der schmalen Bücher, bei denen ich gern ein Kapitel noch mal lese oder nach erfolgter Lektüre mir noch einmal den Anfang zu Gemüte führe.

Seltsame Männer verdingen sich in Vermonts Hinterwäldler-Region alsnHolzfäller oder verbringen ihre Zeit in einer alten Fabrik mit Biertrinken, Herumsitzen und Reden. In dieser Welt muss sich Lilian behaupten, eine junge Frau, die sich von einem Kerl namens Blackway bedroht fühlt. Ihren Freund hat er erfolgreich vertrieben, und jeder vernünftige Mensch rät ihr, die Gegend ebenfalls zu verlassen. Doch Lillian ist stur und gibt nicht so schnell auf.

Nachdem ihr der Sheriff klar gesagt hat, dass er ihr nicht helfen kann, fährt sie in die alte Fabrik, stellt sich einer Gruppe alter Männer und beginnt dann mit ihrem privaten Feldzug gegen Blackway. Unterstützt wird sie sie von einem jungen Arbeiter der Marke »schlicht, aber stark« und einem alten Mann. Sie stoßen in die Wälder von Vermont vor, haben eine Reihe von seltsamen Begegnungen und erleben am Ende einen knalligen Showdown.

Das klingt vergleichsweise unspektakulär, wird aber von Castle Freeman in einem grandiosen Stil geschildert. Die Dialoge sind durch die Bank lakonisch und trocken. Hier treffen keine Geistesriesen aufeinander, hier handeln einfache Leute, die auch mal die Fäuste sprechen lassen oder zu einer Schusswaffe greifen. Und die großen Wälder von Vermont sind offenbar ein ideales Gebiet für Leute, die keine Lust auf die Regeln der Zivilisation haben …

»Männer mit Erfahrung« ist ein großartiger und erfreulich schlanker Roman. Die Figuren sind durch die Bank »knorrig«, und sie verhalten sich entsprechend. Knackige Dialoge und knappe Beschreibungen herrschen vor, die sozialen Umstände in den Wäldern der Region werden gestreift, Gewalt gibt es häufig aber wird nicht übertrieben.

Ob man diesen Roman unbedingt als Thriller bezeichnen muss, wie es der Verlag tut, weiß ich nicht. Es handelt sich dabei um realitätsnahe Gegenwartsliteratur, die auf jeden Fall nichts zu tun hat mit dem häufig blutleeren und langweiligen Kram, der einem in Deutschland als sogenannte Gegenwartsliteratur verkauft wird.

23 Februar 2021

Kinderbuch-Klassiker, künstlerisch umgesetzt

Der Autor Roald Dahl verfasste haufenweise Geschichten und auch einige Romane, die mit phantastischen Motiven spielten. »Hexen hexen« zählt zu seinen Kinderbuch-Klassikern, und es lag nahe, daraus einen Comic zu machen. Dieser erschien 2020 im Reprodukt-Verlag, und dazu gab es beim Gratis-Comic-Tag 2020 auch ein kostenloses Heft.

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Ich tat mich sehr schwer mit dem Comic. Pénélope Bagieu hat das Kinderbuch in einen Comic umgesetzt, der bewusst »krakelig« wirkt. Die Zeichnungen sind unsauber, die Farbgebung ist verschwommen. Mir ist klar, dass das als »künstlerisch« gilt, aber ich kann damit nicht viel anfangen.

Die Geschichte des kleinen Mädchens, das lernt, mit Hexen umzugehen und ihr schreckliches Verhältnis zu Kindern zu entlarven, ist nach wie vor gelungen. Die Zeichnungen sind nichts für mich: zu künstlerisch wahrscheinlich. Aber gut: Ich muss ja auch nicht alles mögen – es wird sicher genügend Leute geben, die den Stil mögen.

22 Februar 2021

Eine klassische Pizzeria ist weg

Zuletzt waren wir im Sommer 2020 in der Pizzeria »San Felice« in Karlsruhe-Neureut, rund zwei Kilometer von unserer Wohnung entfernt und deshalb sowohl mit dem Rad als auch mit dem Auto sehr gut zu erreichen. Wir saßen im Freien, mit Corona-Abstand zu Nachbartischen, im Garten zwischen den schönen Büschen und Bäumen, und dort genossen wir ein gutes Abendessen mit leckerem Wein.

Als wir an diesem Sonntag bei wunderbarem Frühlingswetter einen größeren Corona-Spaziergang bis in diese Gegend unternahmen, stellten wir fest, dass die Bäume und Büsche vor dem Gebäude allesamt abgeholzt worden waren. Es lagen nur zusammengezackte Äste herum; das Gebäude wirkte zudem, als stünde es vor einem baldigen Abriss.

Tatsächlich hat das »San Felice« zum Jahresende 2020 seine Pforten geschlossen, wie ich nach kurzer Internet-Recherche erfahren habe. Nachvollziehbar: Der Wirt gehörte zu den ersten Italienern, die in Karlsruhe ein italienisches Restaurant eröffneten, und will nach über vierzig Jahren endlich seinen Ruhestand genießen. Das Gebäude wird abgerissen, eine Investorengruppe wird ein neues Gebäude hinsetzen – man kann nur hoffen, dass es nicht hässlich wird.

Mit dem »San Felice« verschwand ein weiteres Restaurant, in dem ich mich seit Jahrzehnten sehr gern aufhielt. Die Pizzeria Centrale war seit den 80er-Jahren meine liebste Pizzeria, sie ist zu. Das »San Felice« war qualitativ sicher besser, zeichnete sich aber vor allem durch seine Weinkarte und ein manchmal snobistisches Publikum aus. Beide waren aber immer sichere Anlaufpunkte für mich.

Von den drei »alten« Pizzerien ist nur noch das »Pomodoro« in der Innenstadt übrig. Ich kann nur hoffen, dass dieses Restaurant die Pandemie-Zeit übersteht. Um das »San Felice« trauere ich auf jeden Fall ein bisschen.

18 Februar 2021

Bubi und die Drahtschere

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

Mein Freund Bubi gehörte in der Schule nicht zu den hellsten oder lernwilligsten Köpfen, aber ich hielt ihn für sehr schlau. Wenn er etwas sagte, glaubte ich ihm. Hatte er eine gute Idee, folgte ich ihm bereitwillig.

Wie schlau er war, wurde mir spätestens an dem Tag bewusst, an dem er mir erklärte, was das Wort »provisorisch« bedeutete. »Das kommt von Professor, und es sagt, dass etwas besonders gut ist«, sagte er mit viel Überzeugung. »Weil wenn etwas von einem Professor kommt, ist es immer besonders gut.«

Wir gingen in die erste Klasse, wir sprachen das Wort »provisorisch« eher »professorisch« aus. Ich brauchte Jahre, bis ich lernte, die Begriffe auseinanderzuhalten und korrekt zu benutzen. Aber Bubi hatte eben stets die besten Ideen.

So erzählte ich ihm an einem schönen Frühsommertag, während wir über die Wiesen von unserer Schule aus nach Hause gingen, von den Problemen, die wir mit einigen unserer Nachbarn hatten. Von den einen fühlte ich mich schikaniert – sie hatten nicht nur einmal einen Ball beschlagnahmt, der in ihren Garten gefallen war –, von den anderen wurde mir ständig mit Prügel gedroht.

Bubi grinste. »Ich habe eine Idee.« Er erklärte sie mir, und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Wir gingen beide nach Hause, wo jeder von uns zu Mittag aß. Später trafen wir uns wieder, an einem Gebüsch zwischen dem Haus meiner Eltern und der Lehmgrube, in der wir oft spielten. Bubi präsentierte mir das, was er mitgebracht hatte: eine Drahtschere.

»Die habe ich bei meinem Vater ausgeliehen«, informierte er mich. »Der weiß nichts davon, und ich muss sie zurückbringen. Aber jetzt können wir sie benutzen.«

Sein Plan war einfach, und er basierte darauf, dass am frühen Nachmittag keine Erwachsenen auf der Straße waren. Die Männer waren allesamt in den Fabriken und Werkstätten, auf Baustellen oder auf dem Feld, die Frauen – wie das damals üblich war – entweder in der Küche beschäftigt oder gerade beim Einkaufen.

Bubi und ich betrieben klassische Arbeitsteilung: Ich kletterte über den Bretterzaun, der unser kleines Fußballfeld vom Garten der einen Familie trennte, und scheuchte dort die Hühner auf, die auf der trockenen Erde ihre Kreise zogen. Bubi machte sich währenddessen mit der Drahtschere am alten Maschendrahtzaun auf der anderen Seite des Gartens zu schaffen.

Beide waren wir erfolgreich. Wild gackernd und unter übertriebenem Flügelschlag flatterten die Hühner in alle Richtungen, einige davon auch in unsere Richtung. Das war nicht ungewöhnlich; die wenigen Autos, die durch unseren Weg kamen, wurden wegen der Hühner stets sehr langsam bewegt.

Eines der Hühner bugsierte ich in Richtung des Maschendrahtzauns, den Bubi auf einer Länge von vielleicht einem halben Meter aufgeschnitten und auseinandergezogen hatte. Gemeinsam scheuchten wir das Huhn so, dass es genau durch dieses Loch in den Garten des Nachbarn flatterte. Dort ließen wir es in Ruhe.

Feixend sahen wir zu, wie das Huhn anfing, die Samen aus einem Beet zu picken. Es scharrte mit den Füßen, es arbeitete mit dem Schnabel, und es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis das Huhn das sorgsam geharkte Beet verwüstet haben würde. Dann zogen wir den Maschendrahtzaun vorsichtig zusammen, schön langsam, damit wir uns an dem rostigen Draht nicht die Finger aufschlitzten, und in einer Weise, damit nicht gleich auffallen würde, was wir getan hatten.

Während wir in unseren Garten hinunterliefen und ihn auf der anderen Seite verließen, um zur Lehmgrube zu eilen, verbissen wir uns das Lachen. Erst als wir in unserem Versteck saßen, umgeben von Gebüsch auf der einen und von einem Haufen zerborstener Steine auf der anderen Seite, lachten wir schallend und kamen aus dem Lachen fast nicht mehr heraus.

»Und jetzt?«, fragte ich irgendwann. Bubi hatte schließlich immer die besten Ideen, er wusste bestimmt weiter.

Er sah mich an. »Keine Ahnung. Das Huhn wird irgendwann aus dem Garten rauskommen, hoffe ich zumindest, und dann wird sich jeder fragen, was geschehen ist.«

Wir gingen in die Lehmgrube, versteckten uns dort weiter zwischen Büschen und Steinhaufen, sahen den Arbeitern zu, wie sie dort zu Werke gingen, beobachteten Frösche und Molche, kletterten einen Berg hinauf und spazierten durch den Wald – all die Dinge, die wir als Erstklässler eigentlich jeden Tag und mit ungebrochener Begeisterung taten. Am späten Nachmittag trennten wir uns, und jeder ging nach Hause.

Als ich daheim war, stellte ich fest, dass das Huhn nicht mehr im Garten das Nachbarn unterwegs war, dass dessen Beete aber gründlich verwüstet waren. Der Nachbar, ein vierschrötiger Mann mit Glatze und dickem Schnauzer, stand zwischen seinen Pflanzen und brüllte jemanden an, den nicht nicht sehen konnte.

Immerhin wurde nicht ich verdächtigt. So eine Tat traute mir niemand zu. Aber dafür musste man ja auch so schlau sein wie mein Freund Bubi.

17 Februar 2021

Der gesamte kosmische Zufall

Im Jahr 2020 wäre der kanadisch-amerikanische Spielfilm »A Billion Stars« in die deutschsprachigen Kinos gekommen – im Original hieß er übrigens »Clara«. Das fiel aus den bekannten Gründen aus, weshalb ich von diesem Film nichts mitbekam. Gestern sah ich ihn – mehr aus Zufall – auf einem Streaming-Portal. Trotz einiger Schwächen möchte ich diese Mischung aus Wissenschaft, Liebesgeschichte und Science Fiction empfehlen.

Der Film trägt in der deutschsprachigen Version die Titelergänzung »Im Universum ist man nicht allein«, womit auch schon die Prämisse angerissen ist. Hauptfigur ist nämlich ein Astronom, der sich mit der Suche nach außerirdischen Signalen beschäftigt. Aus seiner Perspektive wird erzählt, wie die Suche nach fernen Planeten abgeht, es wird auch angedeutet, wie kompliziert es ist, Forschungszeit an einem der großen Teleskopie zu erhalten.

Der Astronom leidet an einem persönlichen Trauma, das sich nur stückchenweise entblättert, was vielleicht erklärt, warum er so besessen arbeitet und forscht. Er lernt eine junge Künstlerin kennen, die ihm hilft – und natürlich wird aus den beiden ein Paar. Das wird sehr lange sehr schön erzählt. Am Ende wurde es mir eine Prise zu herzschmerzig, aber das ist Geschmackssache.

Seien wir fair: »A Billion Stars« ist ein schöner Film, aber kein Spannungskracher. Man merkt schon, dass er mit kleinem Budget gedreht wurde – es spielen keine großen Stars mit, und es gibt keine aufgemotzten Effekte.

Beeindruckend sind trotzdem die Weltraumbilder: Kamerafahrten durch die Unendlichkeit, vorbei an gleißenden Sternhaufen und riesigen Nebeln, Ansichten einer Sonnenoberfläche, von der sich riesige Flares lösen. Das fand ich immer großartig! Hier wird die Faszination des Weltraums vermittelt, das sollte jeden Science-Fiction-Fan faszinieren.

Die Liebesgeschichte ist aber auch schön erzählt, sehr feinfühlig und auch emotional. Beide Hauptfiguren sind gebrochene Charaktere, und es braucht einige Zeit, bis die Zuschauer einigermaßen wissen, was bei ihnen schief gelaufen ist. Am Ende gipfelt die Liebesgeschichte in einem echten Science-Fiction-Thema, das ich teils großartig, teils kitschig fand. Das muss dann der Zuschauer für sich entscheiden.

Ich möchte »A Billion Stars – Im Universum ist man nicht allein« auf jeden Fall empfehlen: ein Science-Fiction-Film der neuen Generation, nicht nur für die beinharten SF-Fans gedacht …

Sehr klassische Phantastik-Geschichten

Als der Moewig-Verlag in den späten 70er-Jahren damit begann, Science Fiction in Form von Büchern mit silberfarbenem Einband zu veröffentlichen, war die PERRY RHODAN-Serie das Flaggschiff. Daneben brachte man aber auch Romane und Kurzgeschichtensammlungen von amerikanischen Autoren in den Handel. Einen Titel davon habe ich dieser Tage endlich gelesen: »Die besten SF-Stories von Robert Bloch« kam 1980 heraus, enthält Geschichten aus den Jahren 1943 bis 1971 und bietet mit 350 Seiten ein schönes Lesevergnügen.

Wobei der Titel ja eigentlich eine Täuschung ist: Die meisten der mehr als ein Dutzend Geschichten haben mit Science Fiction im klassischen Sinn nicht viel zu tun, sondern sind Phantastik im weitesten Sinn. Zwar hat die Geschichte »Der Zug zur Hölle« (im Original: »That Hell-Bound Train«) 1958 den Hugo Award für die beste Kurzgeschichte gewonnen – das ändert aber nichts daran, dass es eine Geschichte ist, die unheimliche Züge aufweist und in der sich der Satan als Zugführer erweist. Gut geschrieben, immer noch sehr gut lesbar – aber beim besten Willen keine Science Fiction.

Das aber macht nichts. Die Geschichten sind allesamt sehr unterhaltsam. Sie sind nicht zwingend originell – Ideen, die in den vierziger Jahren überraschen konnten, sind mittlerweile in Filmen und Fernsehserien sowie in dickleibigen Romanen durchgekaut worden.

Der Autor schreibt über Zeitreisende und Jack The Ripper, über ein unheimliches Haus, Hexen auf einem fremden Planeten, ein mysteriöses Orakel oder einen Menschen, der auf grausige Art und Weise besessen ist. Viele Geschichten steuern auf eine Pointe zu – das wurde in den Zeitschriften, für die Bloch vor allem schrieb, sehr gern gesehen.

Überraschend ist, dass vergleichsweise oft Psychiater und Psychotherapeuten eine Rolle spielen. Sie kommen nie besonders gut weg; man könnte daraus schließen, dass der Autor öfter mit Angehörigen dieses Berufsstandes zu tun hatte.

Und seien wir ehrlich: Die Rolle der Frau ist in diesen Geschichten häufig eher »reduziert«, sprich, Frauen spielen häufig keine große oder nur eine dekorative Rolle. Heute würde man das zu Recht als eine sexistische Darstellung anprangern, in den 50er- oder 60er-Jahren waren solche Zuschreibungen nicht nur in der Populärkultur üblich.

Ich habe mich bei der Lektüre von »Die besten SF-Stories von Robert Bloch« nicht gelangweilt. Manche moderne Anthologie wies für mich weniger Höhepunkte auf. Somit kommt dieses Buch dann mehr als vierzig Jahre nach seinem Erscheinen in mein Bücherregal …

16 Februar 2021

Ein Blick auf den digitalen Januar

Wie immer ist es durchaus spannend, sich aktuelle Verkaufszahlen anzuschauen und diese zu vergleichen. Das machen die Verkäufer von Autos ebenso wie die örtliche Brauerei oder die Verkäuferin auf dem Markt. Und ich als Redakteur betrachte gern die Entwicklung im sogenannten Digitalgeschäft, sprich, bei den E-Books.

Glaubt man den Zahlen, die von Media Control ermittelt und im »buchreport.express« veröffentlicht worden sind, ist das Jahr 2020 bislang für die E-Book-Verkäufe sehr erfolgreich gewesen. Der Absatz – also die verkauften Titel in Stückzahlen – im Januar 2021 lag um 18 Prozent über dem Stand vom Januar 2020. Bei Umsatz – hier geht es dann um das echte Geld – gab es ein Plus von 16 Prozent.

Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen; wie immer eigentlich. Allein schon deshalb, weil es im Januar 2021 offenbar sehr viele Preis- und Rabattaktionen gab, die dazu führten, dass die potenziellen Kunden einfach mehr digitale Bücher für weniger Geld kauften. Aber auch deshalb, weil in diesen Verkaufslisten nur E-Books erfasst werden, die mehr als drei Euro kosten. (Das heißt, dass die meisten der Romane, für die ich verantwortlich bin, beispielsweise bei solchen Listen schlichtweg nicht gewertet werden.)

Trotzdem kann man wohl einen Schluss ziehen: In Zeiten der Pandemie, in denen die meisten Leute daheim bleiben müssen und in denen die Buchhandlungen geschlossen haben, werden vermehrt E-Books gekauft. Ob und wann sie gelesen werden, ist dann eh eine andere Frage.

15 Februar 2021

90 Jahre theoretisch

Man würde heute sagen, sie war durch den Krieg traumatisiert. Sie selbst hätte das nie so formuliert. Aber ich war mir sicher, dass viele Ängste und Sorgen meiner Mutter aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs kamen.

Sie wurde am 15. Februar 1931 geboren und wuchs im sogenannten Dritten Reich auf. Als »der Führer« durch Freudenstadt fuhr, um den Westwall im Schwarzwald zu besichtigen, stand sie am Straßenrand und schrie wie alle anderen »Sieg heil!« Das Kriegsende war für sie immer verbunden mit dem Beschuss von Freudenstadt, der brennenden Innenstadt und den zahlreichen Vergewaltigungen, die sie teilweise mitbekam.

Direkt nach dem Krieg arbeitete sie als »Mädchen für alles« im Haushalt der Eltern, dann als Hilfsarbeiterin bei verschiedenen Firmen. Sie pflanzte Bäume im Wald, sie war zeitweise Weberin, sie arbeitete in einer Raffinerie und in einer Druckerei, sie zog zwei Kinder auf, sie war lange Zeit als Putzfrau in einem Unternehmen beschäftigt, das ihre Sozialbeiträge nicht abführte, und deshalb erhielt sie zuletzt eine Rente, die deutlich unter dem Hartz-IV-Satz lag.

Ich habe meine Mutter als pfiffig und bauernschlau in Erinnerung, als eine Frau, die sich nur langsam aus alten Denkmustern entfernte. Sie gewöhnte sich langsam an mein sehr anderes Leben: Als ich noch daheim wohnte, übernachteten bei Science-Fiction-Cons manchmal ein Dutzend Leute bei mir; manchmal beherbergte sie auch Punks – nicht unbedingt begeistert, aber mit zupackender Nächstenliebe. Und wenn wir einen Con im Jugendzentrum veranstalteten, kam sie vorbei, um uns »Fasnetsküchle« zu bringen.

Gebildet war sie nicht. In ihrem ganzen Leben las sie nur ein einziges Buch; Lesen war für sie eine Pflicht, keine Entspannung. Sie sang gern und laut, sie war im Kirchenchor, und sie hatte viele Bekannte und Freundinnen im Dorf. Ich bedauere sehr, dass ich es nicht mehr schaffte, sie mal ins Auto zu setzen und nach Südfrankreich zu kutschieren – das Ausland hatte sie praktisch nie gesehen: ein bisschen Elsass und Südtirol, die Schweiz und Österreich, mehr nicht.

Heute wäre meine Mutter neunzig Jahre alt geworden. Gestorben ist sie in den Nuller-Jahren. Ich denke noch oft an sie.

Yum Yums machten Power-Pop

In den 80er-Jahren war Norwegen für mich vor allem das Land, aus dem rabiate Hardcore-Bands kamen. In den 90er-Jahren kannte man das Land als die Ecke, in Deathmetal und Blackmetal sprossen, beides Sounds, mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Umso überraschter war ich deshalb, als ich zum ersten Mal die Yum Yums hörte.

Die Band kam aus Oslo, gründete sich bereits in den 90er-Jahren, fiel mir aber erst Ende des Jahrzehnts auf. Vor allem ihre Langspielplatte »Blame It On The Boogie« hatte es mir damals angetan. Die kam 2002 heraus, man kann sie aber auch heute noch gut anhören – obwohl sie damals schwer auf ein »Disco-Image« setzte: Auf dem Cover war eine Discokugel-Cover abgebildet, auf der Rückseite posierten die Musiker als locker-coole Typen.

Musikalisch passte das: Die Band servierte eine sehr poppige und nur gelegentlich punkige Mischung aus dem Bubblegum-Sound der 70er-Jahre mit einer Prise Rock'n'Roll und Punkrock, alles mit vielen Melodien versehen, mit gelungenem Chorgesang, mit flotter Instrumentierung, stets weit weg vom rasanten Hardcore-Punk, den ich ansonsten mit Oslo assoziierte. Jedes der 14 Stücke auf dieser Platte ist ein Hit, man kann sie alle sofort mitsummen und mitsingen; eigentlich ist es überraschend, dass so eine Band nicht so richtig fett berühmt wurde.

13 Februar 2021

Die Bier-Folgen der Pandemie

Noch vor einigen Tagen machte ich Witze darüber, schlechte Witze, wie sie während dieser verdammten Pandemie offensichtlich normal sind. Ich meinte: Weil es keine Volksfeste gibt und aktuell Karneval ausfällt, habe das sicher einen direkten Einfluss auf den Umsatz der Brauereien. »Viele Gelegenheiten, öffentlich Bier zu trinken, gibt es derzeit einfach nicht.«

Auf der Internet-Seite einer Fachzeitschrift erhielt ich jetzt die Bestätigung: Ich hatte mit meinem lockeren Spruch sogar recht. Die Leute saufen offensichtlich mehr – aber in den eigenen vier Wänden. Weil die Kneipen geschlossen sind und man sich nicht öffentlich betrinken kann, haben die Bierbrauer echte Probleme.

Laut BBC müssten in Großbritannien rund 50 Millionen Liter Bier vernichtet werden – weil das Verfallsdatum abgelaufen ist. Das Bier steckt zumeist in den Fässern, die von den Kneipen an die Brauereien zurückgegeben worden sind. Klar, in Großbritannien sind die Kneipen auch alle zu.

Auch in Deutschland wird Bier vernichtet. Man spricht generell von einem starken Rückgang des Bierkonsums. Und bei Heineken, einem der größten Brauerei-Konzerne überhaupt, will man rund 8000 Arbeitsplätze streichen. Der Grund: ein starker Rückgang der Umsätze und vor allem der Gewinne …

12 Februar 2021

In der alten Kaserne

Ich hatte Lust, mir mal wieder die Gegend anzusehen, in der früher mein Großvater gewohnt hatte. Sein Haus existierte längst nicht mehr, und auf der Wiese, wo wir als Kinder noch Ostereier gesucht hatten, stand ein Industriebetrieb. Aber auf der anderen Seite der Bahnlinie, das war mir bekannt, erstreckte sich entlang eines Hügels eine Kaserne, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Franzosen genutzt worden war.

Mit meinem Rad steuerte ich das Viertel an, das mir völlig fremd vorkam. Wann war ich zum letzten Mal dort unterwegs gewesen? Ich wusste es nicht, es musste lange Zeit her sein. Ich fuhr durch das große Tor, an dem sich kein Wachhäuschen mehr erhob, und rollte vorsichtig über das Kopfsteinpflaster.

Rechts und links standen die Kasernengebäude, die längst in Wohnungen umgewandelt worden waren. Zwischen ihnen hatte man zusätzliche Wohnhäuser errichtet, teilweise mit Steinmauern umgeben, deren Krone mit roten Dachziegeln bewehrt waren. Dadurch hatte sich eine enge Bebauung ergeben, die mich eher an Kleinstädte in Frankreich erinnerte als an eine Kaserne.

Irgendwann schob ich mein Rad, die Straßen wurden enger und ein wenig steil. Rechts und links kamen immer wieder Torbögen, durch die ich in Innenhöfe sehen konnte. Neben den Toren wiesen große Schilder darauf hin, wer in dem Haus wohnte oder welche Firmen sich dort angesiedelt hatten. Alle Namen waren in französisch, also hatte man in der Kaserne den französischen Charakter beibehalten, obwohl ich mich im Schwarzwald aufhielt.

Bei einem Hof nahm ich an, dass sich dahinter eine Weinhandlung befand. Neugierig betrat ich ihn und stellte mein Rad ab. Die Ladentür war verschlossen. Ich betätigte eine Klingel, aber niemand kam. Also sah ich mich um und entdeckte eine Tür nebenan, die nur angelehnt war.

Ich stieß sie auf, kam in ein Treppenhaus und ging die Stufen hoch. Dann erreichte ich einen Flur, in dem ich nur gebückt weitergehen konnte. Ich rief »Hallo!«, aber niemand antwortete. Also ging ich weiter, und der Flur wurde niedriger, bei jedem Schritt, den ich zurücklegte. Er verwandelte sich in eine Abfolge kleiner Zimmer, durch die ich mich richtiggehend zwängen musste.

In einem Zimmer sah ich ein Kinderbett, über dem buntes Spielzeug baumelte, im anderen Zimmer erhob sich ein trutziges Regal, in dem allerdings nichts stand oder lag. In einer winzigen Küche waren Teller und Tassen so auf einem Tisch angeordnet, als ob jemand erst kurz davor gegangen wäre. Aber ich traf niemanden an.

Immer wieder rief ich »Hallo!« oder »Ist da jemand?«, aber kein Mensch antwortete. Als ich ein Wohnzimmer betrat, das erstaunlich groß und hell war, schöpfte ich Hoffnung. Ich trat an das Fenster, durch das die Sonne schien. Von dort aus hatte ich einen Blick über die Wohnanlage, über die Wiesen dahinter, auf die Kulisse der Stadt, die sich auf dem nächsten Hügel erhob.

Und dann erkannte ich, was im Hof geschah: Ein Bagger rollte durch das Tor; wer ihn fuhr, sah ich nicht. Er steuerte mein Rad an, das mitten im Weg stand. Ich schrie vor Entsetzen auf, drehte mich um und wollte losrennen.

Da wachte ich auf.

Niemandsland – Ausgeliefert

Mittlerweile habe ich auch den zweiten Teil des Doppel-Hörspiels »Niemandsland« gehört, der den schönen Titel »Ausgeliefert« trägt. Wie ich schon einmal erzählt habe, hat der Zaubermond-Verlag das Thema in zwei getrennte Episoden gepackt, was ein wenig unfair ist: Im zweiten Teil wird gewissermaßen eine Handlung abgeschlossen, während eine andere anfängt – das ist dann für die Fans der Serie ein Abschluss und ein Cliffhanger gleichermaßen, während »normale Leute« so gut wie nichts verstehen könnten.

Aber soviel ist klar: Noch einmal spielt die Handlung in Panama und in London gleichzeitig. Das Team von Dorian Hunter wird angegriffen, während der Dämonenkiller in eine tödliche Falle gerät. Erstaunlicherweise wird er nicht gleich umgebracht, sondern man verlangt von ihm gewissermaßen, seine Überzeugung zu verraten. Wie das Ganze ausgeht, ist sehr spannend und ließ mich atemlos zuhören.

Dann kommt die zweite Hälfte dieses Hörspiels, und die Szenerie wechselt komplett: ein Telefonat, bei dem nicht klar ist, ob das schon Telefonsex ist oder nur ein heißes Vorspiel, dann eine indirekte Bedrohung und die angekündigte Suche nach dem legendären El Dorado. Damit endet »Niemandsland – Ausgeliefert« sehr offen und macht auf die Fortsetzung extrem neugierig.

Unterm Strich ist es aber tatsächlich eine verwirrende Folge, die wegen des Cliffhangers sehr viele Fragen offen lässt. Als Hörer ist man enttäuscht über die offenen Fragen und gleichzeitig neugierig auf die Fortsetzung. Aber wie immer ist das Ding gut gemacht: mit starken Stimmen, tollen Geräuschen und einer hervorragenden Regie!

11 Februar 2021

Aventurischer Bote im Jahr 1989

Als sich im deutschsprachigen Raum die Rollenspiel-Szene entwickelte – in den Jahren ab 1980 –, war alles noch sehr chaotisch. Spielleiter bastelten sich ihre Unterlagen selbst, die Regeln wurden häufig »frei Schnauze« entwickelt. Das änderte sich im Verlauf der 80er-Jahre immer mehr, und am Ende des Jahrzehnts gaben die professionellen Verlage den Ton an.

So zumindest war meine Wahrnehmung. Ein Beleg dafür ist ein Heft wie der »Aventurische Bote«, dessen Ausgabe 19 ich mir dieser Tage genauer anschaute (es gab keinen speziellen Grund dafür, das Heft fiel mir eben in die Hände). Redaktionsleiter war damals Ulrich Kiesow, einer der Erfinder des Spielesystems »Das Schwarze Auge«, den ich auch einmal kennenlernte.. Das Rollenspiel wurde damals von Schmidt-Spiele vertrieben, und von denen kam offiziell auch der »Aventurische Bote«.

Für Rollenspieler war das dünne A4-Heft ein Quell für Tipps und Informationen, was diese Ausgabe belegt: acht Seiten mit Hintergründen zu Dämonen, mit einer Liste gebräuchlicher Namen und einigen Notizen aus den Provinzen der Spiele-Welt. Wer sich auf Aventurien einließ und engagiert bei »Das Schwarze Auge« mitmischte, kam eigentlich kaum um dieses Heft herum – bis heute ist es ein schönes Nachschlagewerk zur Entwicklung eines Rollenspielsystems.

Abschied von Franz Wittich

Aus Hannover kam die Punkrock-Band mit dem schönen Namen Franz Wittich. In den Nuller-Jahren hauten die fünf Männer einige »kleine Platten« heraus. Ich habe nur eine Platte in meinem Besitz; mit »Wir sind ne Gang« legte die Band im Jahr 2012 ihr Abschiedswerk vor (ein Bandmitglied war verstorben).

Fünf Stücke sind auf der EP drauf, und die knallen alle: Im Prinzip ist das Hardcore, wie man ihn ab Ende der 80er-Jahre spielte, mit einem rauhen Gesang und wütenden Gitarren (es gibt zudem eindeutige Anleihen an die legendären 7 Seconds). Weil die Texte aber in deutscher Sprache sind und sich auch sehr »klassisch« anhören, stecke ich die Band getrost in die Deutschpunk-Ecke.

Das ist hier nicht abschätzig gemeint, ganz im Gegenteil: Franz Wittich bollern sich durch die fünf Stücke, dass es eine wahre Freude ist. »Menschheitsmaschinen« hat nichts mit »L'Homme Machine von Julien Offray de La Mettrie zu tun (ich schalte meinen Klugscheißermodus ja schon wieder aus), sondern ist ein sarkastischer Blick auf die aktuelle Welt.

Stücke wie »Blockwart« könnten auch aus den 80er-Jahren sein, in »Grau« geht's um Leben und Arbeit und das öde Durchschnittsleben – und das kann man eigentlich auf alle Stücke münzen. Wer Deutschpunk mag, sollte diese Band unbedingt anchecken. (Auch via Bandcamp möglich!).

10 Februar 2021

Wie war das mit der Krawatte?

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«


Gelegentlich erzählen Leute, die mich schon sehr lange kennen, Geschichten über mich, die mir selbst fremd vorkommen. Mache beginnen so: »Du hattest doch früher immer eine Krawatte um den Kopf.« Und dann kommt irgendwelcher Unfug dazu …

Seien wir ehrlich Zu Beginn des Jahres 1981 fand ich mich schon sehr »freakig«. Ich hatte meine Lehre geschmissen, ich hörte seltsame Musik, ich hing im Jugendzentrum herum und arbeitete in einem Supermarkt und an der Tankstelle, und ich ließ mir die Haare wachsen. Um die irgendwie zu bändigen, beschloss ich, ein Stirnband zu nutzen.

Das hatte ich nicht. Also nahm ich mir kurzerhand eine Krawatte und band mir diese – mit einem akkuraten Knoten – um den Kopf. So kam ich zu der Krawatte als Stirnband. Ich fiel auf wie ein bunter Hund, egal wo ich war.

Das Bild zeigt es sehr schön. Es wurde im August 1981 in Stuttgart aufgenommen. Im Kurhaus des Stadtteils Bad Cannstatt wurde der StuCon veranstaltet, eine Veranstaltung für Science-Fiction-Fans also. Ich lernte viele neue Leute kennen, gab mir redlich Mühe, bei jeder Gelegenheit aufzufallen, und zeigte gern den »Stinkefinger«. Das Bild schoss Horst Illmer, der es mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

09 Februar 2021

Comic-Mix aus Action-Thriller und Science Fiction

Bei »Bob Morane« handelt es sich um einen echten Klassiker der modernen Abenteuerliteratur: Es gibt mehr als 200 Romane, die den Helden als Hauptfigur haben, dazu eine umfangreiche Comic-Serie – das war das einzige, was ich davon bislang kannte – sowie Auswertungen für das Fernsehen. Mit »Bob Morane Reloaded« liegt für den Comic ein modernisierter Neustart vor. Die ersten zwei Bände sind in deutscher Sprache im Splitter-Verlag veröffentlicht worden, und ich habe sie mittlerweile gelesen.

Die Handlung ist ziemlich politisch: Der ehemalige Soldat Robert Morane, der wegen eines Zwischenfalls in Nigeria seinen Job verloren hat, wird zum Berater des nigerianischen Präsidenten ernannt. Er wirkt an einem Programm mit, das den schönen Titel »Bildung gegen Mineralien« trägt, eine besondere Art von Entwicklungshilfe also …

Die Idee setzt auf der alten Geschichte des Nürnberger Trichters auf: Schülerinnen und Schüler sollen einen Helm erhalten, der dabei hilft, ihnen potenzielle Lerninhalte direkt in das Gehirn zu projizieren. Die jungen Leute würden damit schneller lernen, das Bildungssystem würde komplett umgekrempelt. Aber natürlich lässt sich eine solche Neurotechnologie auch für ganz andere Inhalte einsetzen, wie sich schnell herausstellt.

Bob Morane sieht sich auf einmal in ein intrigantes Spiel verwickelt, in dem es nicht nur um Bildung geht, sondern um milliardenschwere Rohstoffe und den Kampf um die Ressourcen Afrikas …

Die beiden Bände, die ich gelesen habe, machen den Eindruck, den Auftakt zu einer größeren Geschichte zu bilden. Sie verbinden eine aktuelle Action-Handlung mit Science Fiction und einem politischen Thema, und das ist insgesamt sehr gut gelungen.

Für das Szenario zeichnen drei unterschiedliche Autoren verantwortlich; mir ist dabei nicht klar, wer welche Rolle spielt. Sie schaffen es auf jeden Fall, eine spannende Geschichte zu erzählen, die ich modern finde, die auch Raum für Emotionen lässt, die aber vor allem ruckzuck nach vorne geht. Bob Morane als Held steht im Zentrum, ist aber nicht so ein cooler Hecht wie etwas James Bond.

Von Dimitri Armand stammen die Bilder, die an die Klassiker des frankobelgischen Abenteuer-Comics erinnern, auch wenn sie natürlich der heutigen Zeit entstammen. Die Action ist gelungen, das Innere von Häusern ist ebenso klar gestaltet wie die Weite von Landschaften oder die Gesichter. Der Stil ist kräftig und passt zur Geschichte – das hat mir richtig gut gefallen.

Wie die neue Version des schon alten Action-Helden weiterlaufen wird, bleibt abzuwarten. Den Anfang fand ich schon mal ziemlich gut. Für Leute, die Science Fiction mit starkem Hauch von Realität mögen, ist es auf jeden Fall empfehlenswert!

Ein Kaffee-Abonnement

Ich würde nicht behaupten, dass ich mich mit Kaffee auch nur ansatzweise gut auskenne. Ich trinke gern Kaffee, und ich probiere immer wieder andere Sorten aus. Im Verlauf der Jahre haben sich bei mir diverse Sorten als Favoriten ausgebildet. Bei der Firma Ettli bin ich mittlerweile Stammkunde.

Dabei handelt es sich um eine Kafferösterei aus Ettlingen, einer kleinen Stadt bei Karlsruhe, die auch einen Laden in der Innenstadt von Karlsruhe unterhält. Dort kaufe ich regelmäßig ein, was während der Corona-Pandemie weiterhin gut geht.

Am besten finde ich seit einiger Zeit, dass es regelmäßig Spezialitätenkaffees gibt: jeden Monat eine neue Sorte. Diese Sorten gibt es in speziellen Dosen, und ich kaufe sie immer. Nicht alle finde ich gleichermaßen lecker, aber es sind immer wieder neue Geschmacksrichtungen. Man lernt ja nie aus.

Derzeit gibt es »Mexico Finca Muxbal«, der tatsächlich – wie die Beschreibung verrät – sowohl vollmundig als auch würzig ist. Ich würde ihn sogar noch als »kantig« bezeichnen und konnte mich bislang noch nicht damit anfreunden. Aber bis die Packung leer ist, müssen ja noch einige Tassen getrunken werden …

08 Februar 2021

Kein Seminar im März

Kurz an dieser Stelle erwähnt: Eigentlich wäre ich ja Anfang März 2021 zu einem Seminar für Autorinnen und Autoren nach Wolfenbüttel gefahren, dort an die Bundesakademie für kulturelle Bildung ... Das fällt natürlich aus, wegen der immer noch laufenden Corona-Pandemie (und das ist richtig so). Hiermit vermeldet.

Es handelt sich um das Kurzgeschichten-Seminar, das wir für das Frühjahr 2020 geplant hatten und das wir schon einmal ausfallen lassen mussten. Jetzt hoffen wir einfach darauf, dass wir das Seminar im Frühjahr 2022 erleben können.

Die Red Dons überzeugen mich

Zu den Bands, die ich seit den 80er-Jahren geradezu verehre, zählen die Wipers. Der treibende Gitarrensound, die ausdrucksvolle Stimme, die klugen Texte und die guten Melodien – diese Band war für mich immer das ideale Bindeglied zwischen Punk und »Indie«. Umso verblüffter bin ich, wenn ich mir die Red Dons aus Portland anhöre; diese Band erinnert mich an die Wipers, ohne dass sie versuchen würde, den Stil der 80er-Jahre zu kopieren.

Ich hörte mir erst dieser Tage die Platte »Notes On The Underground« an, die bereits 2010 aufgenommen und 2013 veröffentlicht wurde. Auf der EP sind drei Stücke zu hören, die allesamt so klingen, wie ich oben die Wipers beschrieben habe. Klar, die Stimme ist anders, und die Gitarre klingt anders, und überhaupt sind die Red Dons natürlich viel frischer. 1983 ist auch einige Jahre her …

Aber was die Red Dons auf dieser kleinen Platte machen, gefällt mir richtig gut. Das ist ein treibender Sound mit einer betörenden Mischung aus Geschrammel und Melodie, mit einer tüchtigen Portion Energie und dem Gespür für den poppigen Effekt an der richtigen Stelle. Die drei Stücke gehen gut ins Ohr, sie haben nicht unbedingt die Qualitäten für einen schnellen Hit, sind aber absolut gelungen.

Ich werde mir wohl auch die anderen Platten der Band kaufen und ansonsten so lange fleißig bei Bandcamp reinhören. Die Red Dons überzeugen mich!

07 Februar 2021

Zu Besuch in einer Stadt

Wir bogen bei Weinsberg von der Autobahn ab und fuhren über die Landstraße weiter. Der Motor meines VW-Käfers heizte das Auto auf, wir hatten die Fenster und die Dachluke geöffnet. Im Spätsommer 1987 herrschten hohe Temperaturen, und das Auto entwickelte sich bei solchem Wetter immer zu einer rollenden Sauna.

»Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte meine Freundin, nachdem sie gut zehn Minuten lang schweigend neben mir gesessen und die Landschaft betrachtet hatte: sanfte Hügel, winzige Siedlungen, gelegentlich ein Weinberg, insgesamt viel Landwirtschaft. Durch die offenen Fenster drang nicht nur die warme Luft, sondern gelegentlich auch der Duft nach Gülle.

»Du wirst es noch sehen«, versprach ich. »Es ist eine Überraschung.«

»Sag schon!«

»Wir fahren in eine kleine Stadt, in der ich bisher nur einmal war. Ich hoffe, ich finde den Weg wieder.«

»Hier?« Sie wies nach vorne, auf die Hügel, die Buschketten, die Wälder in der Ferne. »In dieser ländlichen Einöde?«

»Genau hier.« Ich drückte die Kassette in den Rekorder vor uns. Irgendeine aktuelle Punk-Band schepperte aus den Lautsprechern. »Ich war da einmal und fand alles toll.«

Ich erkannte immer wieder einige Straßen und Hügel wieder, bog bald von der Bundesstraße ab und folgte einer schmalen Landstraße, die sich einen Hügel hoch und dann durch einen Wald schlängelte. Auf der anderen Seite des Waldes empfing uns eine Nebelbank, die wir durchquerten. Als wir auf der anderen Seite des Nebels herauskamen, lag ein Tal vor uns, umgeben von bewaldeten Hügeln, und in dessen Zentrum erhob sich eine kleine Stadt, deren Straßen um einen eckigen Platz gruppiert waren.

Es war nicht viel los. Nur wenige Autos waren auf der Straße unterwegs, Fußgänger sah ich nur wenige. Als wir uns dem Stadtzentrum näherten, fand ich sofort einen Parkplatz unter einigen großen Bäumen.

»Hier warst du also schon einmal«, stellte meine Freundin fest. »Das sieht schon ziemlich verschlafen aus.«

»Es sieht nicht nur so aus, es ist auch verschlafen.«

Wir hielten Händchen und spazierten durch die Straßen. Die Häuser waren alt, aber sie sahen aus, als seien sie gut gepflegt. Das Fachwerk war akkurat herausgearbeitet, die Sandsteintreppen machten einen stabilen Eindruck. Bald erreichten wir den zentralen Platz, einige Dutzend Meter im Quadrat. Einige Bäume spendeten Schatten, vor einem Café standen Tische und Stühle.

»Hier ist es«, sagte ich erleichtert. »Wir müssen unbedingt einen Kaffee trinken.«

»Wir müssen?« Sie lachte. »Das hört sich ja so an, als ob es eine staatsbürgerliche Pflicht wäre.«

»So ähnlich.« Ich blieb stehen und zeigte auf die Fassaden der Häuser. Dahinter erhoben sich die bewaldeten Hügel. »Ist das nicht schön?«

»Ein bisschen spießig vielleicht, aber sehr hübsch. Wie heißt diese Stadt eigentlich?«

»Keine Ahnung. Ich habe nie auf das Ortsschild geachtet. Und auf der Straßenkarte ist sie nicht eingezeichnet.«

»Du machst Witze!«

»Nein, nein«, beteuerte ich. »Das ist genauso. Komm, lass uns hinsitzen und einen Kaffee trinken.«

Es wurde eine gelassene halbe Stunde vor dem Café. Wir redeten ein wenig, wir sahen den Passanten zu, wir genossen die träge Ruhe auf dem stillen Platz. Die Getränke schmeckten, die Torte schmeckte himmlisch. Die ältere Frau, die uns bediente, trug eine Schürze und eine Bluse, und beides sah aus, als stammte es aus einem vergangenen Jahrhundert. Aber sie nahm keinen Anstoß an unseren Lederjacken und zerrissenen Hosen, sondern war höflich, ja, fast herzlich.

»Das ist wirklich nett hier«, sagte meine Freundin, nachdem ich die Rechnung bezahlt hatte, nicht ohne ein ordentliches Trinkgeld zu geben. »Und jetzt?«

»Wir gehen wieder. Ich habe alles, was ich machen wollte, hier erledigt.«

Sie wirkte verwirrt, sagte aber nichts. Wir hatten schließlich noch eine ordentliche Strecke vor uns, bis wir daheim im Schwarzwald waren. Die Pause im Café passte uns beiden gut, ich fühlte mich wach und frisch, und so konnte ich gut weiterfahren. Ich merkte ihr aber, dass es in ihr gärte.

»Was ist?«, fragt ich, während wir zum VW-Käfer zurückgingen.

»Diese Stadt hier«, sagte sie langsam. »Oder dieses Dorf, was auch immer. Was ist das?«

»Eine kleine Stadt, die von der Zeit vergessen worden ist«, sagte ich locker. »Mir gefällt es hier, ich komme immer wieder gern hierher, auch wenn ich niemanden kenne. Es ist, als sei sie ein Teil von mir.«

Sie sah mich ernst an. »Manchmal verstehe ich dich nicht.«

»Geht mir allerdings auch so.«

Wir gingen zum Auto und fuhren danach über die Landstraße zurück zur Autobahn. Auf der Rückfahrt hörten wir laute Musik, oder wir lästerten über andere Autofahrer. Über den Besuch in der Stadt sprachen wir nie wieder. Und nachdem wir uns wenige Wochen später getrennt hatten, verloren wir uns aus den Augen.

In die kleine Stadt fahre ich immer noch regelmäßig, ich unternehme die Reise aber stets allein und nur, wenn es sich anbietet. Sie ist nach wie vor auf keiner Landkarte verzeichnet, auch mein Navigationsgerät zeigt keinen Weg dorthin. Ich trinke meinen Kaffee im gleichen Café, und ich werde von derselben sympathischen Frau bedient wie früher.

Und ich weiß: Erst nachdem ich meinen Kaffee getrunken und bezahlt habe, kann ich die kleine Stadt wieder verlassen. Sonst werde ich zu einem der wenigen Menschen, die auf den Straßen unterwegs sind – hinter dem Wald und der Nebelwand, in der kleinen Stadt ohne Namen und ohne Geschichte.

06 Februar 2021

Gruppen fröhlicher Menschen

Der Mann beugte sich nach vorne und lachte laut und herzlich. Er war vielleicht sechzig Jahre alt, hatte graue Haare und wirkte sportlich und sehr fröhlich. Auch die Leute, die er anlachte, machten einen munteren Eindruck. Einige hielten »Coffee To Go«-Becher in der Hand, andere nicht. Sie standen zwischen 50 und 120 Zentimeter auseinander.

Es war der Samstag, 6. Februar 2021. Ich war mit meinem Rad am Rand der Innenstadt von Karlsruhe unterwegs, keine zehn Meter vom Ludwigsplatz entfernt. Dort gab es eine kleine Espresso-Bar, die im Sommer normalerweise stark von Menschen frequentiert wurde, die im Freien saßen und die Passanten betrachteten, während sie rauchten, redeten und tranken.

Doch eigentlich war ganz Deutschland in einem sogenannten Lockdown. Es gab Ausgangsbeschränkungen und Kontaktgebote, eine Maskenpflicht und andere Dinge, die von der Regierung als »Maßnahmen« bezeichnet und von den teilweise rabiaten Gegnern ihres Vorgehens als »Schikanen« angesehen wurden.

Davon spürte ich an dieser Straßenkreuzung nichts. Über zwei Dutzend Leute standen herum, alle in Gruppen von drei bis sieben Leuten, die sich unterhielten. Niemand trug Maske, teilweise hatten die Leute ihre Kaffeebecher in der Hand. Das sah nicht politisch aus, eher allgemein fröhlich. Man hatte sich halt in der Stadt getroffen und war bester Dinge.

So beginnt die dritte Welle, dachte ich, während ich machte, dass ich schnell von der Kreuzung wegkam.

05 Februar 2021

Tiere an einer Schule

Es gibt Comics, mit denen kann ich nichts anfangen, und wenn ich mir noch so viel Mühe gebe. Ein Beispiel dafür ist »Beastars«. Die Serie stammt von Paru Itagaki und wird hierzulande von Kazé Manga verlegt. Beim Gratis Comic Tag 2020 gab's von dieser Serie ein kostenloses Heft, das ich endlich gelesen habe.

Die Geschichte spielt an einer Schule, die von Tieren besucht wird. Fleischfresser und Pflanzenfresser sitzen in derselben Klasse, es gibt durchaus Konflikte, aber man kommt miteinander klar. Doch dann wird ein Pflanzenfresser in der Nacht umgebracht, und der Wolf Legoshi wird als erster Schüler verdächtigt. Dabei ist er eigentlich sehr sensibel und hat mit dem schrecklichen Mord nichts zu tun.

Die Grundidee ist nicht neu: Wir nehmen Tiere, stecken sie in menschliche Klamotten und machen daraus eine Allegorie auf menschliches Verhalten. Ich kenne mittlerweile eine Reihe von Comics, bei denen das sehr gut funktioniert; zuletzt fand ich »Schloss der Tiere« sehr beeindruckend.

Bei »Beastars« erkenne ich durchaus, dass sich Paru Itagaki einiges bei seiner Geschichte gedacht hat. Trotzdem zündet sie bei mir nicht: Die Zeichnungen finde ich zu oberflächlich, die Dialoge sind durch die Bank schwach. Ich bin hier ganz offensichtlich nicht die Zielgruppe.

Der Fall Rublew

Offensichtlich handelt es sich bei der zwölften Folge der Serie »Mark Brandis Raumkadett« um den vorläufigen Abschluss. Seit diese Folge unter dem Titel »Der Fall Rublew« im Frühjahr 2017 erschienen ist, hat es zumindest keine weitere Veröffentlichung aus dem »Mark Brandis«-Universum mehr gegeben.

Es hört sich im übrigen auch wie ein Abschluss an – ohne dass ich jetzt zu viel über den Inhalt verraten möchte. Die Hörspielserie erzählt schließlich vom ersten Teil an, wie ein Junge davon träumt, zu den Sternen zu fliegen, wie er es irgendwann an die Astronautenschule schafft, wie er immer wieder in spannende Abenteuer verwickelt wird und letztlich sein erstes Kommando erhält. Und davon handelt eben »Der Fall Rublew«.

Sagen wir es so: Dieses Hörspiel erzählt vor allem vom Übereifer eines jungen Mannes, von Befehlsverweigerung – aus guten Gründen zwar, aber ... – und von einer Katastrophe. Das ist streckenweise sehr spannend und dramatisch gemacht, als Hörer denkt man sich aber unweigerlich die halbe Zeit »warum macht er das?« oder »wieso ist der so blöd?«

Am Ende gibt es für die Hörer einen halbwegs versöhnlichen Abschluss. Nach diesem könnte Interplanar-Produktion die Serie natürlich weiterführen – aber eigentlich ist das der ideale Anschluss an die Jugendabenteuer die eigentliche »Mark Brandis«-Serie. Ich überlege mir allen Ernstes, die noch einmal vom ersten Hörspiel an zu hören – nachdem ich zuletzt mit »Mark Brandis Raumkadett« so viel Freude hatte.

(Zur Info: Die Hörspiele sind bei Folgenreich erschienen. Man kann sie immer noch kaufen, als CD meine ich, aber man kann sie auch im Download erwerben und bei diversen Streaming-Kanälen anhören. Wer spannende Science-Fiction-Unterhaltung hören möchte, ist bei den zwölf Hörspielen auf jeden Fall richtig.)