26 Februar 2020

Ein Klingeln am Abend

Es war nicht einmal so spät am Abend, vielleicht ich, vielleicht 23 Uhr oder so. Ich saß an meinem Computer und schrieb Texte für mein Punkrock-Fanzine, während im Hintergrund die Musik lief. Immer wieder griff ich nach der Bierflasche, die neben mir am Rechner stand. Zu viel trinken wollte ich nicht, weil ich am nächsten Morgen arbeiten musste – aber wenn ich Punkrock-Texte schrieb, mussten die entsprechende Musik und das entsprechende Getränk stimmen.

Ich hatte die Platte »Wrong« der kanadischen Band NoMeansNo aufgelegt, die ich immer noch mochte, obwohl sie schon gut zehn Jahre alt war. Der Plattenspieler und die Boxen standen im Wohnzimmer, ich hielt mich abwechselnd in der Küche und in meinem Arbeitszimmer auf. Deshalb hatte ich die Musik entsprechend eingestellt, damit ich sie überall hören konnte. Meiner Ansicht nach war es nicht zu laut, sondern völlig in Ordnung.

Auf einmal klingelte es an der Tür. Verwundert blickte ich auf die Uhr. Ganz schön spät für jemand aus dem Haus, der mich besuchen wollte! Ich stand auf, die Bierflasche in der Hand und ging zur Wohnungstür, öffnete sie.

Draußen stand die Frau, die mit ihrem Mann unter mir wohnte. Sie war einen Kopf kleiner als ich und trug etwas, das aussah wie ein Morgenmantel. Hatte sie etwa schon geschlafen? Verwirrt betrachtete sie mich: zerrissene Hose, schmuddeliges T-Shirt, eine Flasche in der Hand.

»Könnten Sie die Musik ein wenig leiser machen?«, sagte sie ganz leise, geradezu schüchtern. Sie stotterte sogar ein wenig. »Es ist doch ganz schön laut, es dröhnt, und wir müssen morgen sehr früh aufstehen.«

Ich lief in diesem Augenblick wohl rot an, das war mir peinlich. »Sofort!«, versprach ich. Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich eilte ins Wohnzimmer, drehte den Ton deutlich leiser.

Mir war mein Fehler klargeworden: Die Boxen standen auf dem Boden, das Gewummer der Bässe drang nach unten durch. NoMeansNo war nicht jedermanns Sache, und die Nachbarn unter mir waren sehr zurückhaltende, höfliche und christliche Menschen. Ich hatte sie geradezu terrorisiert.

Unter Punkrock verstand ich schon, dass man die »Spießer« ärgerte. Aber das waren Nachbarn, mit denen ich keinen Streit hatte und die immer nett waren. Die wollte ich nicht ärgern. Und so war NoMeansNo der Grund dafür, warum ich in meiner Wohnung in der Hirschstraße künftig die Musik deutlich leiser hörte …

Empfehlenswerter Nachdruck für SF-Fans

Ich kenne mich mit der »frühen Phase« der deutschsprachigen Science-Fiction-Szene ganz gut aus; zumindest glaube ich das. Von Jakob Bleymehl hatte ich gelegentlich gehört, der Autor wurde in anderen Fanzines der 60er-Jahre immer wieder erwähnt – von seinen Werken liegt allerdings kein einziges in meiner Sammlung.

Aus rein egoistischen Gründen finde ich es deshalb sehr gut, dass im Verlag Dieter von Reeken – dessen Programm ich sowieso sehr schätze – Bleymehls »Beiträge zur Geschichte und Bibliographie der utopischen und phantastischen Literatur« veröffentlicht worden sind. Was 1965 in Form eines Fanzines und mithilfe von Spiritus-Umdruck publiziert wurde, liegt somit als schöner Paperback-Band vor.

Damals erstellte der Fan Jacob Bleymehl eine Übersicht zur phantastischen Literatur. Man kann sich heute nicht einmal mehr vorstellen, welche Arbeit das gewesen sein muss. Er muss Unmengen von Karteikarten beschriftet haben, die er später sortierte und dann sorgsam abtippte – um eine vernünftige Reihenfolge hinzubekommen.

Dabei entstand eine beeindruckende Zusammenstellung. Utopisch-phantastische Literatur verortete Bleymehl bereits im Jahr 800 vor Christi Geburt; Schwerpunkte seiner Sammlung lagen aber eindeutig im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Beim Durchblättern fielen mir unglaublich viele Bücher und Autoren auf, von denen ich noch nie gehört hatte – das ist schon eindrucksvoll.

Bleymehl war kein Wissenschaftler, wie die kurze Biografie belegt, die in diesem Buch enthalten ist. Er liebte die phantastische Literatur, er engagierte sich in der aufkeimenden Fan-Szene, er sammelte Bücher. Sein Geld verdiente er als Bäcker. Mit seiner »Sammlung Antares« veröffentlichte er selbst utopisch-phantastische Romane und Erzählungen in Form von Fanzines.

Schon klar: Man muss ein echter Fan von Science Fiction und Fantasy sein – wie ich halt ... –, um eine Freunde an Listen zu haben, die vor allem uralte Romane und Sachbücher auflisten. Ich fand aber auch die historisch-kritischen Einordnungen lesenswert, die Bleymehl 1965 verfasste. Seine Literaturgeschichte ist nicht wissenschaftlich, sondern subjektiv, sollte aber heute vielen Leuten um die Ohren gehauen werden, die allen Ernstes diverser Genre-Definitionen im Internet veröffentlichen, die weder Hand noch Fuß haben.

Das Problem: Das schön gemachte Paperback ist beim Verlag bereits vergriffen. Ich vermute, dass die Auflage entsprechend gering war. (Vielleicht kann man mit einer Anfrage trotzdem noch ein Exemplar aus den Rippen des Verlagsleiters leiern?) Ich werde es auf jeden Fall in Ehren halten; als ein wunderbares Sachbuch zur Science Fiction!

25 Februar 2020

Faschingsdienstag 2020

Normalerweise vermeide ich es, am Faschingsdienstag in die Innenstadt von Karlsruhe zu geben. Am Nachmittag rollt der Faschingszug durch die Stadt, Zigtausende von Menschen säumen die Straßen. Ich arbeite deshalb an einem solchen Tag im Büro oder flüchte in eine Gegend, wo Fasching unbekannt ist.

Aus Gründen, die nichts zur Sache tun, war ich an diesem Dienstag, 25. Februar 2020, nicht im Büro, sondern daheim. Und am späten Nachmittag musste ich in die Innenstadt, um dort etwas zu erledigen. Von Meter zu Meter wurde mir klarer, woher meine Abneigung gegen Fasching seit vielen Jahren kommt.

Dass Gruppen von Menschen unterwegs waren, die noch verkleidet waren und sicher zu viel getrunken hatten, fand ich weniger störend. Auch nicht die Gruppen besoffener Teenager; ich war selbst jung und weiß, dass es dazu gehört, öffentlich zu trinken und sich blöd zu benehmen. (Manche Leute behaupten, ich würde das heute noch gelegentlich tun.)

Was mir auffiel, war eine gewisse Grund-Aggression bei einigen Leuten. Vor allem Jungmänner, die in kleinen Gruppen und breitbeinig unterwegs waren, wirkten gelegentlich, als wollten sie Streit suchen. Das kann alles natürlich eine Projektion von mir sein: Ich finde Fasching doof, also interpretiere ich in die Menschen vielleicht Dinge hinein, die nicht vorhanden sind.

Ich war dennoch froh, als ich wieder daheim war und weiter arbeiten konnte. Und ich nahm mir vor, in künftigen Jahren wieder am Faschingsdienstag die Innenstadt von Karlsruhe zu meiden.

Künstlerischer Comic

Es ist schon einige Jahre her, seit »Signal To Noise« in deutscher Sprache erschienen ist. Weil mir der Comic beim ersten Durchblättern nicht gefallen konnte, legte ich ihn erst einmal in den Stapel. Aus diesem fischte ich ihn dieser Tage hervor, um ihn endlich zu lesen. Oder müsste ich hier eher »um ihn endlich durchzuarbeiten« schreiben?

Denn eine einfache Lektüre ist dieser Comic nicht, das hatten die Macher aber auch nicht vor. Der Texter Neil Gaiman, seit vielen Jahren einer der führenden Comic-Autoren überhaupt, und der Künstler Dave McKean nahmen sich ein Thema vor, das schon vom Start an eher experimentiell klang. Sie wollten eine Geschichte erzählen, die vom Tod und von der Hoffnung handelt, und dabei wollten sie völlig neue Wege gehen.

Zur Geschichte: Ein Filmemacher erfährt kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag, dass er bald sterben wird. Dabei arbeitetet er doch gerade an einem Film, der sich mit dem Ende beschäftigen soll, mit Menschen, die im Mittelalter darauf warten, dass ihre Welt untergeht. Wie soll dieser Mann dann damit umgehen, dass er bald stirbt?

Er gibt nicht auf. Auch wenn er sterben und seinen Film nie drehen wird, arbeitet er daran. Sein Hirn geht derweil auf Reisen, Bilder aus dem geplanten Film vermischen sich mit seiner eigenen Realität, sein Leben scheint sich in Splittern und Schatten aufzulösen.

Es fällt mir schwer, eine vernünftige Inhaltsangabe zu »Signal To Noise« zu geben. Mir fällt es noch schwerer, den Comic zu empfehlen. Streckenweise habe ich die Bilder und Texte nicht verstanden, auch in der Kombination nicht. Mir ist klar, dass alles künstlerisch wertvoll ist, aber das ändert nichts daran, dass ich manches nicht nachvollziehbar fand.

Letztlich handelt es sich um ein Gesamtkunstwerk: Einfache Comic-Seiten wechseln sich ab mit Collagen oder abstrakt wirkenden Malereien, vor die einzelne Wörter und Buchstaben gesetzt worden sind. Viele Seiten sind so gestaltet, dass ich sie mir gerne anschaute und faszinierend fand, ohne aber den Zusammenhang mit der eigentlichen Geschichte zu erkennen.

Der Begriff Graphic Novel, den ich sonst nicht sonderlich mag, ist hier zutreffend. »Signal To Noise« verweigert sich den Konventionen des Comics, ist in der Tat ein Gesamtkunstwerk und überrascht immer wieder durch neue Eindrücke. Ich finde das Ergebnis beeindruckend, denke aber, dass es nicht vollends gelungen ist – die Geschichte bleibt für meinen Geschmack zu sehr im Ungefähren.

24 Februar 2020

Die Surfers sind einfach großartig!

Es gibt Bands, bei denen frage ich mich seit Jahrzehnten, warum die nicht bekannter sind. Die Lombego Surfers zählen dazu, und ihre aktuelle Platte lässt mich diese Frage erneut stellen: Auf »Heading Out« zelebrieren die alten Herren eine furiose Mischung aus Surfsound, trockenem Rock'n'Roll und Protopunk, die ins Ohr und in die Beine geht.

Es ist die elfte Platte einer Band, die ich irgendwann um 1990 herum das erste Mal gesehen habe. Damals herrschte der Surf-Sound vor, es wurde weniger gesungen und mehr die Gitarre geschwungen. Für die aktuelle Platte griff man stärker in die Rock- und Punk-Kiste, vor allem die ersten Stücke der Platte sind knalliger und knackiger als früher.

Was dabei heraus kommt, ist bewusst schlicht gehaltene Musik mit glasklaren Gitarrenläufen, ohne schleimige Rock-Balladen oder Metal-Egozentrik. Die Gitarre schneidet die Songs geradezu, Bass und Schlagzeug bleiben bei einem konsequenten Geradeaus-Rhythmus.

Schon klar: Das hier sind keine jungen Hüpfer mehr, die locker einen Hit nach dem anderen aus der Hüfte ballern. Die Surfers machen seit dreißig Jahren ihre Musik, und das schaffen sie auf hohem Niveau. »Heading Out« ist eine Platte, die rockt und rollt, und das soll erst mal einer mit dieser Wucht nachmachen.

Starkes Ding!

21 Februar 2020

Von Frau Wolf geradezu besessen

Ich habe in diesen Tagen einen erhöhten Melodie-Bedarf, scheint mir. Anders ist nicht zu erklären, dass sich im Autoradio ununterbrochen – außer ich höre den Deutschlandfunk wegen aktuellem Politik-Kram – die CD von Frau Wolf dreht. Das ist im Wesentlichen eigentlich Popmusik mit deutschen Texten, durchaus schlau, aber nicht überzogen intellektuell, die gut ins Ohr geht und die eigentlich eher im Radio laufen sollte anstatt des üblichen Gejammers, das als »moderne deutsche Popmusik« gilt.

Eine Besprechung folgt noch. Aber heute habe ich vor allem den Ohrwurm »Hoch hinaus« im Ohr, der auch auf der CD ist und zu dem es ein nettes YouTube-Video gibt. Das läuft hier in Endlosschleife, könnte man sagen. Und warum?

Vielleicht liegt's am Text: »Himmelskörper, Firmament – ein Astronaut / Und es brennt und es brennt so schön« ... da kann man viel interpretieren, aber in mir erwacht der kleine Science-Fiction-Fan und freut sich über Melodie, Stimme und Texte.

Eine Japan-Grusel-Hörspiel-Trilogie

Das muss man erst einmal hinbekommen: Man nehme drei Gruselheftromane aus den frühen 80er-Jahren, die inhaltlich nur lose zusammenhängen, und mache daraus eine Trilogie von Hörspielen, die so klingen, als seien die ursprünglichen Romane für diese Form geschrieben worden. Zumindest klingt die Trilogie von »John Sinclair«-Hörspielen auf mich so, die ich zuletzt angehört habe.

»Shimadas Mordaugen« erschien 1983 mit der Bandnummer 281, »Xorrons Totenheer« folgte im selben Jahr mit der Bandnummer 283, und »Der Kampf mit den Giganten« trug im selben Jahr die Heftromannummer 285. In der Hörspielserie, die von Lübbe-Audio veröffentlicht wird, bilden diese drei Romane nun die Folgen 105 bis 107.

Lässt man die üblichen Übertreibungen und nicht-gruseligen Phantastik-Effekte weg, die »John Sinclair« schon immer auszeichneten, sind es drei knallige Hörspiele, die einen Spannungsbogen haben. Ein fieser Mafiaboss in London, japanische Mythologien, ein Herrscher der Zombies und die bizarren Waffen des Geisterjägers John Sinclairs prägen die Geschichte, die ganz schön abwechslungsreich verläuft.

Ich könnte nicht sagen, wo bei den drei Hörspielen die Originalgeschichte anfängt und wo die Hörspiel-Ergänzungen aufhören. Die japanischen Mythen, die sich über alle drei Episoden erstrecken, müssten »neu« sein, zumindest in der jetzigen Form, ebenso die Verbindung zwischen den Zombies und dem Mafioso. Letzten Endes ist mir so etwas allerdings egal – entscheidend ist ja, ob die Geschichte funktioniert.

Und da bin ich wieder zufrieden. Es gibt viel Action und Geschrei, knallige Soundeffekte und laute Musik, dazu ein wenig fernöstliche Mystik sowie Zombie-Angriffe. Wer sich darauf einlässt, wird mit gelungener Unterhaltung belohnt.

(Und klar: Das ist nicht anspruchsvoll. Nicht einmal nur ansatzweise. Aber mir macht das Spaß.)

20 Februar 2020

Mörderische Familie

Relativ spontan sahen wir uns den aktuellen Spielfilm »Knives Out« im Kino an. Der deutsche Untertitel »Mord ist Familiensache« ist gar nicht mal schlecht, trifft die Geschichte ja komplett auf den Punkt. Um es vorwegzusagen: Es ist ein Krimi, den ich sehr unterhaltsam und gelungen fand, ein Film ohne übertriebene Action und überzogene Effekte, eine gelungene Geschichte mit Ironie und Spannung, mit vielen Wechseln und einem wirklich gut aufgelegten Ensemble. Teuer war der Film nicht, letztlich filmte man alles in einem einzigen Gebäude.

Worum geht es? Ein Schriftsteller feiert seinen Geburtstag, er wird 85 Jahre alt. Seine Familie ist anwesend, seine Pflegerin sorgt für ihn. Doch am nächsten Morgen liegt der Mann tot im Bett, anscheinend hat er sich die Kehle aufgeschlitzt. Ganz klar: Das sieht aus wie Selbstmord.

Doch ein anonymer Mensch beauftrag einen Detektiv, herauszufinden, wer eigentlich der Mörder ist. Der Detektiv beginnt mit seiner Arbeit, und er kämpft sich in seinen Befragungen durch irrsinnig viele Widersprüche und Verwicklungen.

Als Detektiv glänzt Daniel Craig, der wieder einmal beweist, dass er halt mehr kann als »nur« James Bond. Die junge Pflegerin, die die Hauptverdächtigte ist, wird von Ana de Armas gespielt, von der ich noch nie gehört hatte, die ich aber sehr überzeugend fand. Mit Jamie Lee Curtis, Don Johnson oder Toni Collette ist noch eine ganze Reihe von amerikanischen Schauspielern vertreten, die man seit Jahren kennt.

»Knives Out« ist einer der Filme, bei denen ich mich schon darauf freue, sie ein zweites Mal anzusehen. Die vielen Verwicklungen würde ich mir gern noch einmal betrachten; ich hatte zwar das Gefühl, dass alles stimmig ist, aber man vergisst doch sehr viel in eineinhalb Stunden …

Irgendwie war der Film altmodisch, aber auf eine sympathische Art, so eine Art Verfilmung eines Agathe-Christie-Romans, den die Autorin so nie geschrieben hat – und gleichzeitig war er modern, weil letztlich alle Figuren irgendwie »grau« waren und bis zum Ende nicht so richtig klar wird, wer eigentlich welche Rolle spielt, wer lügt oder wer die Wahrheit sagt.

Um es klar zu sagen: Wer eine schöne Kino-Unterhaltung mit Herz und Hirn mag, sollte sich den Film »Knives Out« anschauen.

19 Februar 2020

Wenn sich Peter erinnert

Wieder einmal ist ein aktueller Teil meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock'n'Roll« erschienen, diesmal in der Ausgabe 148 des OX-Fanzines. (Das Heft zeigt die amerikanische Punkrock-Band Anti-Flag auf dem Cover, die ich seit ihrer ersten Platte mag. In so einem Umfeld bin ich gern vertreten.) Diesmal spielt die Fortsetzung auf zwei Zeitebenen, wenn man das so sagen möchte.

In der eigentlichen Haupthandlung ist Peter Meißner – ehemals als Peter Pank bezeichnet – auf dem Weg zu einem Mann, den er als Bethken kennt. Von diesem erhofft er sich einige Auskünfte über den angeblichen »guten Geist des Rock'n'Roll«, der ihm ziemlich auf den Nerv geht.

Auf der Vergangenheitsebene geht es um die Chaostage im Jahr 1994. Dort hat, so behaupte ich, mein nicht mehr ganz so junger Held diesen Bethken kennengelernt. Das hat schon alles seinen Sinn, auch wenn es für die Leser vielleicht noch gar nicht so wirkt.

Natürlich hängt Bethken mit diesem guten Geist irgendwie zusammen. Die Chaostage kommen allerdings nur zufällig in dieses Gemenge hinein. Aber so war es im wirklichen Leben ja auch mit den Chaostagen – da war sehr viel sehr zufällig …

Ein Sachbuch über eine »rechte« Ideologie mit ganz viel Technik

Das Thema der Künstlichen Intelligenzen ist seit einiger Zeit schwer in Mode. Das merke ich an der populären Literatur – vor allem dann, wenn Autoren aus dem Mainstream sich auf Science-Fction-Themen einlassen –, aber auch in Zeitschriften oder sogar auf Veranstaltungen wie dem LiteraturCamp in Heidelberg. Bei Science-Fiction-Fans und Technik-Interessierten wird das Thema meist oberflächlich behandelt, selten politisch, noch weniger gesellschaftsorientiert.

Als im Frühjahr 2019 das Sachbuch »Transhumanistische Mythologie« von Max Franz Johann Schnetker erschien, interessierte es mich sehr schnell. Ich kaufte und las es; bis zur Rezension dauerte es halt doch wieder einige Zeit. Veröffentlicht wurde es im Unrast-Verlag, der aus dem »linken« Spektrum kommt. Deshalb kann es nicht überraschen, dass das Buch vor allem eine Kritik des Transhumanismus ist.

Was sich dahinter genau verbirgt, ist gar nicht so leicht zu erklären. Im Prinzip fängt diese Ideologie mit der Künstlichen Intelligenz an – daran forschen derzeit viele Technik-Unternehmen, aber auch Staaten – und bringt letztlich eine Entmenschlichung mit sich. Manche Forscher und Technik-Philosophen machen sich sogar bereits Gedanken darüber, dass aus einer Künstlichen Intelligenz am Ende eine Gottheit entstehen könnte, die den Menschen weit überlegen ist. (Das halte ich für Unfug, aber man weiß natürlich nie, was noch passieren kann …)

Wichtig wäre aber – so die Transhumanisten –, dass die chaotischen Menschen mit ihren chaotischen Handlungen durch klar arbeitende Maschinen abgelöst werden. Aus menschlichem Chaos würde eine spezielle Art von Ordnung …

Das Buch stellt die einzelnen Theorien und Philosophien dar. Es zeigt, dass viele der Menschen, die den Transhumanismus propagieren, ein Menschenbild vertreten, das den einzelnen Menschen nicht mehr wertschätzt. In einer Gesellschaft, in der Maschinen auch das Denken übernehmen, braucht man ja – so die Logik – keine »unnützen« Leute mehr. In einem komplett entfesselten Kapitalismus ist es vielleicht sogar wünschenswert, wenn die Arbeitenden durch Maschinen ersetzt werden. Profitieren würden davon nur diejenigen, die hinter der Künstlichen Intelligenz oder den künstlichen Menschen stehen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich so ernstnehmen muss: Die Leute, die den Transhumanismus propagieren, schätzen vielleicht die technischen Entwicklungen falsch ein. Das Buch trug aber dazu bei, dass ich das Thema stärker beachten werde. Die Lektüre fand ich spannend, auch wenn sich das Buch streckenweise zu sehr auf Bücher und Aufsätze stützt, die ich leider nicht kenne – das machte die Lektüre dann streckenweise wieder schwer.

Aber klar: Hier geht es um Philosophie im weitesten Sinn. Niemand erwartet, dass das eine Lektüre ist, die dem eines Heftromans nahekommt … Der Blick auf die »Transhumanistische Mythologie« ist auf jeden Fall interessant, nicht nur für Science-Fiction-Fans.

18 Februar 2020

Start der Alternativwelten-Reihe

Ich mag Alternativweltgeschichten; für mich sind sie ein Teil der Science Fiction. Sie funktionieren dann besonders gut, wenn sie nahe mit unserer Realität verknüpft sind und die Frage des »was wäre wenn« sehr realistisch gestellt wird. Deshalb mag ich die französische Comic-Reihe »Jour J«, die hierzulande als »Tag X« im Panini-Verlag veröffentlicht wird.

Die Reihe wurde 2015 bereits gestartet – dass ich heute erst über den ersten Band schreibe, sei mir bitte verziehen. »Wer ermordete den Präsidenten?« greift eines der großen amerikanischen Traumata auf und packt es in eine spannende Comic-Geschichte.

Bei ihrem Comic trennen die Autoren Fred Duval und Jean Pierre Pécau im Prinzip schon im Jahr 1963 die Geschichtsschreibung. Es gibt kein Attentat auf John F. Kennedy, es gibt keine Änderung der amerikanischen Politik. Der Krieg in Vietnam wird weiter mit aller Härte geführt, die Amerikaner erobern sogar Nordvietnam, wobei es unzählige Tote gibt.

Das Attentat auf den Präsidenten erfolgt dennoch: in den 70er-Jahren. Und das Opfer ist Richard Nixon. Wie müsste eine Welt aussehen, in der das geschehen kann, und worin unterscheidet sie sich von der Welt, wie wir sie kennen?

Ihre Geschichte erzählen die beiden Autoren sehr spannend. Sie greifen die korrekten Fakten auf, sie bringen auch die bekannten Figuren der 60er-Jahren zum Einsatz, und sie lassen diverse Verschwörungstheorien in ihre Geschichte einfließen. Es entsteht eine spannende Parallelwelten-Story, die vor allem dann Vergnügen bereitet, wenn man einigermaßen die wahren geschichtlichen Ereignisse im Kopf hat.

Für die Grafik ist Colin Wilson zuständig. Der Neuseeländer ist in verschiedenen Bereichen unterwegs, wurde hierzulande vor allem durch die »Blueberry«-Jugendabenteuer bekannt und zaubert einen klaren, realistisch anmutenden Stil aufs Papier. Man glaubt den Bildern gewissermaßen, man erkennt Richard Nixon oder andere Politiker der 60er- und 70er-Jahre sofort.

Sagen wir es so: In Zeiten der sogenannten Fake-News, in denen man angeblich nicht mehr weiß, wem man glauben kann, passt ein solcher Comic wie die Faust aufs Auge. Ich habe den ersten Band von »Tag X« richtig gern gelesen und finde, dass es ein hervorragender Start für die Reihe ist. Weil die im Original in Frankreich einen ziemlichen Erfolg hingelegt hat, hoffe ich nur, dass sie auch hierzulande »funktioniert«.

Schneeschubser

Unsere Eltern wollten noch einmal los. »Wenn ihr schön brav seid und die Hofeinfahrt frei macht, kriegt ihr hinterher ein Schokolädle« versprach meine Mutter, drückte mich noch einmal und eilte zu dem VW-Käfer vor dem Haus. Mein Vater ließ den Motor schon laufen, damit das Gebläse die Scheiben von innen freimachte.

Meine Schwester ging noch nicht in die Schule, ich immerhin in die zweite Klasse. Es war ein kühler Februartag, seit drei Tagen schneite es immer wieder.

Wir nahmen die Kinderschippen aus dem Schuppen und gingen ein wenig an den Schnee, wie man das halt machte, wenn man klein war. Es schneite ununterbrochen an diesem Nachmittag, einer dieser Tage, an denen man Schnee schippte, um den Hof freizubekommen, und dann gleich wieder von Anfang an arbeiten konnte. Mein Vater nannte solche Tage die »Dreißig-Zentimeter-Tage«, weil es im Schnitt um die dreißig Zentimeter Schnee in den Hof setzte.

Wir waren eifrig bei der Sache, und wir versuchten, allen Schnee auf einen Berg zu werfen. Aus diesem sollte später unser erstes großes Schneehaus in diesem Winter werden. Die Technik kannten wir: Zuerst häufte man einen Haufen Schnee an, dann höhlte man ihn aus. Später setzte man ein Stühlchen rein und sorgte mit einer Kerze dafür, dass es innen drin behaglich aussah.

Unsere Schneeschaufeln knirschten auf den Steinchen, die unsere Hofeinfahrt bedeckten. Wenn man die Schaufel zu tief in den Schnee steckte, nahm man Steine mit. Das mochten unsere Eltern nicht, schließlich warfen wir den Schnee in den Garten, und dort gehörten sie nicht hin. Also passte ich entsprechend auf.

Meine Schwester hatte bald keine Lust mehr und stand unschlüssig herum. Aus einem Reflex heraus – typisch großer Bruder – schubste ich sie in den Schnee. Sie fiel hin, das Gesicht zur Hälfte in das kalte Weiß.

Sie begann zu weinen und wollte damit nicht mehr aufhören. Das einzige, was mir nach einige Zeit einfiel, war ein Vorschlag: »Dann schubs du mich auch doch mal.«

Sie überlegte kurz, dann verpasste sie mir einen Stoß. Ich tat so, als würde ich umfallen, und purzelte so in den Schnee, dass mich mein eigener Schwung auf unser künftiges Schneehaus warf und darüber hinweg.

Nun lachte meine Schwester, und sie schubste mich erneut. Ich fiel in den Schnee, stand auf und schubste sie. Beide lachten wir, und die nächste Zeit verbrachten wir damit, im Schnee zu toben und uns gegenseitig in den Schnee zu werfen.

Es wurde dunkel, und es wurde kälter, das Schneetreiben nahm zu. Es kümmerte uns nicht. Wir hatten Spaß daran, etwas zu tun, das normalerweise verboten worden wäre.

Als meine Eltern vom Einkauf zurück kamen, lag bereits wieder ordentlich Schnee in der Einfahrt. Wir zwei Kinder standen mitten in den Schneebergen, in den Woll- und Stoffklamotten klatschnass, völlig durchgefroren, laut lachend und fröhlich, während wir uns gegenseitig in den Schnee warfen.

Meine Mutter war entsetzt und schleppte uns ins Haus, während mein Vater erst einmal die Einfahrt vom Schnee befreite, bevor er den VW Käfer in den ehemaligen Stall – mittlerweile die Garage – brachte und die Einkäufe ins Haus schleppte. Zu der Zeit standen meine Schwester und ich schon im kalten Kinderzimmer, in dem längst das Feuer im Ofen ausgegangen war, wurden von meiner Mutter abgetrocknet und mit trockener Kleidung versorgt.

Die Tracht Prügel blieb aus, die es sonst vielleicht für unseren Unfug gegeben hätte. Immerhin wurde keiner von uns krank. Aber wir versprachen, nicht mehr so blöde und gefährliche Spiele im Schnee zu spielen.

17 Februar 2020

Anna Nitsche im Interview

Aus der Serie »Drei Fragen an …«

Mit ihrer Firma Simply Easy Marketing waren Anna Nitsche und Meike Grotheer für den Ablauf des Deutschen Phantastik-Preises im Jahr 2019 verantwortlich. Welche Rolle sie genau spielten, haben die meisten wohl nicht mitbekommen. Und weil es einiges an Kritik für den Preis gab – auch von mir –, frage ich sie einfach mal direkt. Das Interview wurde mit Anna Nitsche per Mail geführt.

Klaus N. Frick: Was ist eigentlich Simply Easy Marketing, und wie bist du dazu gekommen, dich für den Deutschen Phantastik-Preis zu engagieren?

Anna Nitsche: Simply Easy Marketing ist eine Agentur, die Autoren Hilfestellung in Sachen Buchveröffentlichungen und Marketing gibt. Wir entwickeln für jedes Buch ein individuelles Influecer-/Blogger-Marketing und stehen dem Autoren auch mit Profis wie Lektoren, Korrektoren und Grafikern zur Seite.

Zum Deutschen Phantastik-Preis kamen wir eigentlich ganz spontan. Da ich selbst schon seit acht Jahren in der Buchbranche tätig bin, hat man natürlich einiges an Kontakten. Darunter fällt auch Björn Sülter, der als ehrenamtlicher Chefredakteur des mitausrichtenden »Corona Magazine« in die Sache hineingeraten war und bereits damals die Idee forcierte, die Organisation in unabhängige Hände zu geben. Durch die bisherige gute Zusammenarbeit und meinen allgemeinen Einsatz für die deutsche Phantastik kam die Frage auf, ob wir als Agentur nicht die Organisation des Votings und der Gala würden übernehmen wollen.

Klaus N. Frick: Deine Rolle war mir im Vorfeld nicht klar: Was hast du im Detail für den Preis getan, und wie lief das eigentlich ab?

Anna Nitsche: Im Grunde war unser Aufgabenbereich die komplette Organisation des Wettbewerbs. Dazu gehörte die Zusammenstellung der unabhängigen Jury (eine Mischung aus Lesern, Bloggern und Journalisten), die Organisation des Leservotings von Longlist und Shortlist, die ständige Kontrolle und Überprüfung der Ergebnisse und die inhaltliche Ausrichtung der Gala auf der BuchBerlin 2019.

Björn Sülter hat sich somit letztlich nur noch um die Kooperation mit der BuchBerlin als Ausrichter der Gala gekümmert. Das war ihm insbesondere wichtig, da er selbst nominiert war und mit den internen Abläufen nicht in Berührung kommen wollte.

Mein Ziel war zudem, die Transparenz zu erhöhen und die Werbung im Onlinebereich drastisch zu steigern. Ich denke, wir haben insgesamt einen guten Job gemacht, der genug Luft nach oben für die nächsten Jahre lässt.

Klaus N. Frick: Es gab einige Kritik im Vorfeld des Preise – auch von Nörglern wie mir –, ebenso am Ende. Unter anderem wurde die Auswahl der Jury kritisiert (Selfpublisher und eher unbekannte Kleinverlage), am Ende dann die Tatsache, dass zwei Preise an den iFuB-Verlag gingen, den die meisten wohl als Veranstalter des Preises ansahen. Wie kommst du mit der Kritik klar, welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

Anna Nitsche: Da muss ich mal kurz eine Gegenfrage stellen. Oder mehrere. Erstens: Was ist das Problem mit Selfpublishern? Auch sie arbeiten hart an ihren Büchern, wahrscheinlich härter als ein Verlagsautor, weil sie natürlich die Kosten alleine tragen und liefern teilweise ganz wunderbare Resultate ab. Und welche unbekannten Kleinverlage meinst du genau?

Klaus N. Frick: Den SadWolf Verlag kannte ich bis vor drei Monaten nicht einmal vom Namen her – und da war ich schon sehr verblüfft, dass er gleich zwei Siegplätze belegen konnte …

Anna Nitsche: Ich bin immer der Meinung, dass jeder Autor ein Recht auf eine Nominierung hat und habe durch einige der Longlist-Nominierungen neue Autoren entdeckt, da ich selber auch nicht alle kenne. Die besondere Mischung dieses Jahr hat es für mich interessanter gemacht, und gerade zum Ausrichtungsort, der BuchBerlin, hat es gepasst, weil dort eher die Kleinverlage vor Ort sind und nicht die großen Verlage, die jeder kennt. Von daher sah ich mit der Auswahl kein Problem. Unsere Jury war breit gefächert, das zeigte sich dann auch in den Longlists.

Wie jedes Jahr durften natürlich auch die Leser noch einmal selbst Bücher nominieren, und genauso hätten diese Autoren in dem Fall auch im Voting enden können. So landete zum Beispiel unsere Gewinnerin Nicole Böhm auf dem Siegerplatz. Ihre Leser hatten sie im Nachhinein nachnominiert und dann für sie in Massen abgestimmt.

Dass Kritik an den beiden Gewinnern vom iFuB-Verlag aufkam, hat mich nicht überrascht. Allerdings muss man natürlich auch wissen und differenzieren, dass neben der Zeitschrift »phantastisch!« das nichtkommerzielle und rein ehrenamtlich betreute »Corona Magazine« der Mitausrichter war und nicht der Verlag selbst. Hier stelle ich mal die Gegenfrage, ob man Autoren, die an einem so schönen Projekt (das es seit über 20 Jahren gibt) in ihrer Freizeit und unentgeltlich mitwirken, bei einem solchen Preis ausschließen sollte?

Ich konnte das nicht, denn die Autoren an sich können nichts für diese Verbindung. Das war eine Entscheidung, die ich für mich getroffen habe und danach dann den Lesern die Wahl gelassen habe. Schaut man sich explizit in diesen beiden Fällen die Ergebnisse der Votings an muss man schlicht auch festhalten, dass beide Autoren sehr erfolgreiche, absatzstarke und im »Star Trek«-Fandom beliebte Bücher geschrieben haben. Der Erfolg beider Werke beim DPP verwundert mich somit nicht im Geringsten.

Klaus N. Frick: Wie geht es in diesem Jahr mit dem DPP weiter?

Anna Nitsche: Björn und ich haben uns nach langem Überlegen entschlossen, den Weg nicht weiter zu gehen und den DPP in andere Hände zu geben. Wir haben beide mit unseren eigenen Projekten derart gut zu tun, dass wir da für uns eine klarere Priorisierung schaffen mussten. Mit dem DPP wird es sicher weitergehen; das muss es auch! Er ist eine wichtige Institution in der Phantastikszene und sollte nun von anderen fortgeführt werden. Wir wünschen dem neuen Team in jedem Fall alles erdenklich Gute!

Klaus N. Frick: Vielen Dank für die ausführlichen Antworten!

16 Februar 2020

Die filmische Welt von Morgen

Als der Film um 2004 im Kino lief, verpasste ich ihn komplett. Deshalb war ich sehr gespannt darauf, ihn mir auf DVD anzuschauen – vom Design her, so dachte ich, müsste mir »Sky Captain and the World of Tomorrow« eigentlich sehr gut gefallen. Um es vorwegzunehmen: Die Optik war toll, die Handlung fand ich immer schrecklicher.

Der Film spielt in einer parallelen Realität. Es gab einen Ersten Weltkrieg, und in Deutschland scheinen die Nazis schon an der Macht zu sein. New York ist eine riesige Stadt, deren Hochhäuser in den Himmel ragen. Doch auf einmal marschieren Roboter durch die Straßen, die alles platt walzen. Soldaten und Polizisten feuern auf die Roboter, doch ihre Kugeln prallen an den Metalloberflächen. Polly Perkins, eine junge Reporterin, die ständig versucht, spannende Fotos zu schießen, wird fast von den Robotern zertrampelt.

Im letzten Augenblick taucht ein heldenhafter Flieger auf, der Sky Captain. Er stoppt die Roboter, die daraufhin spurlos verschwunden, und rettet Polly. Die beiden, gespielt von Gwyneth Paltrow und Jude Law, kommen auf die Spur des Bösewichts, hinter dem sich ein gewisser Dr. Totenkopf verbirgt, und retten nach vielem Hin und Her am Ende die Welt. Die Details muss ich hier nicht erzählen; die lassen sich im Internet nachlesen (wenn es denn sein müsste), sind aber eigentlich völlig egal.

Ich fand den Film am Anfang wirklich cool: auf alt getrimmt, in einer parallelen Wirklichkeit spielend, mit allen möglichen Science-Fiction-Elemente, die ich aus jahrzehntelanger Leserschaft und Kinogängerei kenne. Doch immer mehr nervte mich, dass die Handlung so unlogisch verlief – und zwar nicht unlogisch im Sinn von »das ist Absicht, damit das Genre veräppelt wird«, sondern unlogisch im Sinn von »keinen Plan von einer vernünftigen Handlung«. Eine nachvollziehbare Handlung schien auch nicht das Ziel des Regisseurs und seines Teams gewesen sein.

Klar – die technische Seite ist spannend. Der Film wurde mit einem recht modernen Verfahren gedreht. Die Schauspieler stehen nie in irgendwelchen Kulissen herum, sondern handeln vor grünen Wänden. Das führt dann dazu, dass man im Hintergrund eben eine Kulisse hat, die offenbar aus dem ersten Teil der »Herr der Ringe«-Trilogie entnommen wurde.

Aber ist das dann alles? Ich war am Ende froh, als ich den Film hinter mir hatte. Wäre er ironisch gewesen, hätte er mir vielleicht doch gefallen; in seiner Gesamtheit enttäuschte er mich massiv. Nichts, das man gesehen haben müsste …

14 Februar 2020

Barbies Traumhaus

Manchmal muss ich mich schon wundern: Seit Jahren lese ich die Diskussion im Netz oder bekomme sie im privaten Umkreis mit. Wie sehr werden junge Mädchen bereits in frühester Zeit auf ein Rollenverhalten festgelegt, wie soll man als Erwachsener damit umgehen? Und während unsereins sich noch überlegt, wie man sich in Geschichten und Romanen sinnvoll positioniert, hauen die Verlage entsprechende Kinderzeitschriften raus.

In diesem Fall: »Barbies Dreamhouse Adventures«. Ich habe das Heft noch nicht am Kiosk durchgeblättert, finde es vom Cover her auch gar nicht schlecht (von wegen »zielgruppenaffin«), frage mich aber trotzdem, was das soll, und wundere mich eben. Für Jungs gibt es Bücher, in denen sie Detektiv- und Indianer-Geschichten erleben können, für Mädchen gibt es ein Heft, in dem das Dasein als Hausfrau offenbar verherrlicht wird.

Wahrscheinlich gibt es einen Markt dafür. Und der Verlag macht so etwas natürlich vor allem deshalb, weil es einen Kundenkreis dafür gibt. Aber ich wundere mich trotzdem.

13 Februar 2020

Grußwort für einen Heftroman

Wenn ich Texte für die Science-Fiction-Serie schreibe, für die ich redaktionell verantwortlich bin, mache ich dazu keine Bemerkung und keinen Text in meinen Blog. Das käme mir seltsam vor – es ist nun mal mein Beruf. Und für die rhodanischen Dinge meines Lebens habe ich eh den Redaktionsblog.

Schreibe ich aber etwas für eine andere Serie, ist mir das eine Ehre – und darauf muss ich unbedingt hinweisen. »Wenn sich Matt Drax und Perry Rhodan treffen ...« – so lautet der Text meines Grußwortes, das in der Ausgabe 523 der Serie »Maddrax« veröffentlicht worden ist. Dabei handelt es sich um eine Science-Fiction- und Phantastik-Serie aus dem Bastei-Lübbe-Verlag, die in diese Tagen ihren zwanzigsten Geburtstag feiern durfte.

Für mich sind die Kollegen bei »Maddrax« keine Konkurrenten, sondern Kollegen – man arbeitet zwar nicht unbedingt miteinander, aber auf keinen Fall gegeneinander. Letztlich wollen wir alle das gleiche: Mit möglichst spannenden Romanen wollen wir möglichst viele Leser erreichen.

High Rise 8 aus dem Jahr 1988

Weil Ulrich Bettermann in dieser Woche verstorben ist, habe ich in meiner Fanzine-Kiste gewühlt. Dort finden sich nämlich einige Fanzines, die Ulrich veröffentlicht hat. Vor allem in den 80er-Jahren war er aktiv; seine Fanzines waren »fannisch« im positiven Sinn. Sehr gern las ich sein Fanzine »High Rise«, in der Ausgabe acht komme ich als »Figur« mehrfach vor.

Das Fanzine erschien laut Impressum im April 1988, es hatte eine Auflage von 50 Exemplaren, was damals für ein Egozine durchaus üblich war. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist ein Bericht vom FreuCon – Ulrich war damals aus dem hohen Norden in das beschauliche Freudenstadt gefahren. Das blieb nicht ohne Kulturschock aus …

»Der Beitrag von Klaus N. Frick wurde schließlich simultan aus dem Schwäbischen ins Deutsche übersetzt«, schrieb er über einen Vortrag, den ich gehalten hatte. Ansonsten bestand sein Con-Bericht aus Hinweisen zum Abendessen, aus persönlichen Anmerkungen und der Übernachtung im Jugendzentrum. »Zumindest die Rollenspieler unterbrachen ihre Tätigkeit nicht durch solch sinnlose Unterfangen wie Schlafen«, notierte Ulrich Bettermann zur Nachtruhe in Freudenstadt.

Wenn ich mir das heute durchlese, werde ich recht wehmütig: Ich kann mir solche Cons, bei denen spät abends auch mal eine Punk-Band aufspielte, oder das Programm eher chaotisch ablief, heute kaum noch vorstellen. Und mir fehlen Fans wie Ulrich, die solche Veranstaltungen danach in ironischer Weise beschrieben.

(Ach so: In diesem Fanzine ging es auch um Musik und Filme, dazu brachte er einen weiteren Teil der Fortsetzungsgeschichte unter. Wie es sich in den 80er-Jahren eben für ein Egozine gehörte …)

12 Februar 2020

Doch besser keine E-Books?

Ich finde es immer wieder interessant – nicht nur aus beruflichem Interesse –, wenn ich mitbekomme, wie es andere Verlagsleute mit dem Thema Digitalisierung so halten. Nicht alle sind da einer Meinung, um es vorsichtig zu sagen.

In der aktuellen Ausgabe des »börsenblatts« beispielsweise geht es vor allem um Kinder- und Jugendbücher. Der Verlagsleiter des Magellan-Verlages, der sich auf Kinder- und Jugendbücher spezialisiert hat, wird mit einer klaren Aussage zitiert: Bei seiner Verlagsphilosophie gehe es um »Optik und Haptik«, beides ginge in der digitalen Form verloren. Deshalb werde es auch von seinem Verlag »in absehbarer Zeit keine E-Books geben«.

Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die E-Books in ihrer jetzigen Form noch zu limitiert sind – es ist halt nur digitaler Text –, sehe aber halt auch, dass die Kunden nicht bereit sind, für ein teuer gemachtes E-Book den entsprechenden Preis zu bezahlen. Mir geht es da aus Kundensicht ähnlich, ich meckere also nicht.

Ich sehe, welche Möglichkeiten es eigentlich gäbe, ein E-Book entsprechend »wertig« zu gestalten, weiß allerdings auf der anderen Seite, was das kostet. Die Zukunft ist also an dieser Stelle noch sehr weit offen.

Eine Strategie, deshalb keine E-Books zu machen, halte ich allerdings für heikel. Aber Kinderbücher sind etwas anderes als Romane, das ist mir bewusst.

Klarer Science-Fiction-Comic

Der erste Band von »Drifter« ist schon vor einigen Jahren erschienen – es wird Zeit, dass ich die interessante Science-Fiction-Serie vorstelle. Wer Comics und Science Fiction mag, sollte von dem Comic zumindest mal gehört haben. Ich finde ihn gut, wenngleich ich den ersten Band erzählerisch noch nicht gerade brillant finde; dafür mag ich die künstlerische Präsentation.

Der Reihe nach: Die Menschheit hat sich ins All ausgebreitet und zahlreiche Planeten besiedelt. Ein Raumfahrer landet auf einer unwichtigen Welt, wo er sich mit den Einheimischen herumzuplagen hat. Die Leser lernen – wie der Raumfahrer – die seltsamen Bewohner der Welt kennen, sind ebenso verwirrt wie er und schlagen sich mit ihm durch die Wildnis ... und dann sitzt man da und hofft auf eine baldige Fortsetzung ...

Geschrieben wurde die Story von dem amerikanischen Comic-Autor Ivan Brandon, der schon bei diversen Superhelden-Geschichten mitgewirkt hat. Wie man einen Comic erzählt, weiß er also. Seine Hauptfigur treibt die Geschichte voran, die manchmal unnötigen Vor- und Rückblenden fand ich allerdings effekthascherisch und unnötig. Die vielen Szenenwechsel machen die Lektüre streckenweise sogar anstrengend.

Beeindruckend sind stattdessen die Bilder, die sich stilistisch kaum einordnen lassen. Klar, es handelt sich bei »Drifter« im weitesten Sinne um einen realistischen Comic, aber das genügt nicht – zwar werden die Bilder digital erstellt, aber sie wirken oftmals »wie gemalt«.

Der aus Deutschland stammende Nic Klein macht mit seinen Illustrationen die fremde Welt erst so richtig lebendig. Seine Landschaftsbilder sind eindrucksvoll, die Menschen mit ihren Gesichtern wirken realitätsnah. Das ist richtig gut gemacht und sprach mich stärker an als die eigentliche Geschichte.

Im ersten »Drifter«-Band sind die Hefte eins bis fünf des amerikanischen Image-Verlages zusammengefasst. Die Serie läuft in den USA längst weiter, auch hierzulande sind bereits weitere Bände erschienen. Die muss ich mir natürlich noch besorgen!

Rezensenten haben den Comic bereits als Space-Western vergleichen; es mangelt nicht an weiteren Vergleichen mit Western-Filmen. Das finde ich ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Sicher ist »Drifter« ein Comic, der vor allem von seiner Action profitiert. Und die wiederum profitiert von der starken Grafik.

Alles in allem ein interessanter Start in ein neues Comic-Universum. (Band eins ist 128 Seiten stark und kostet 25 Euro. Gibt's überall im Fachhandel oder kann dort bestellt werden.) Ach ja, und auf der Seite von Cross-Cult, dem herausgebenden Verlag, gibt es sogar ein Video.

11 Februar 2020

Erinnerungen zur Science Fiction und Unterhaltungsliteratur

Seit wann ich Jörg Weigand persönlich kenne, weiß ich gar nicht genau. Als Herausgeber von Science-Fiction-Anthologien und als Autor von Sachtexten über das Genre ist er mir seit den frühen 80er-Jahren bekannt. Im Verlauf der vergangenen Jahre las ich auch immer wieder Kurzgeschichten und Erzählungen, die er verfasst hat.

Im Verlag Dieter von Reeken erschien das Sachbuch »Abenteuer Unterhaltung«, das Jörg Weigand verfasst hat. Der Untertitel sagt schon klar, was den Leser erwartet: »Erinnerungen an 60 Jahre als Leser, Autor und Kritiker«. Es handelt sich weder um eine Autobiografie noch um eine chronologische Darstellung der Science Fiction.

Jörg Weigand erzählt, jedes Kapitel steht dabei für sich allein; dabei entsteht eine teilweise sehr sprunghafte Erzählweise. Er stellt seinen Werdegang dar: vom Jugendlichen, der sich für Literatur im Allgemeinen und Science Fiction im Besonderen interessierte, vom Studenten, der Kontakte zur französischen Literatur und Lebensart schloss, über den Herausgeber von Anthologien und bekannten Fernsehjournalisten bis hin zum heutigen Lebensabschnitt als Rentner in Südbaden.

In einzelnen Kapiteln präsentiert er Autoren und Herausgeber, die ihn beeindruckt haben, und erzählt von den Begegnungen mit ihnen. Walter Ernsting und Herbert W. Franke als langjährige Science-Fiction-Autoren sind ebenso dabei wie Heinz G. Konsalik oder Gert F. Unger, die nicht unbedingt durch große Literatur bekannt geworden sind.

Das finde ich bei diesem Buch tatsächlich spannend: Weigand hat keine Scheuklappen auf. Weder sieht er die Trennung zwischen E- und U-Literatur, noch blickt er von der Warte des Science-Fiction-Fans auf andere Spielarten der Unterhaltungsliteratur hinab. Es geht ihm um gute oder schlechte Unterhaltung, und es geht ebenso um die Bedingungen, unter denen Literatur entsteht.

Gelegentlich lässt er alte Streitereien aus früheren Zeiten aufleben, was ich bei der Lektüre unnötig fand. Konflikte mit »linken« und »rechten« Science-Fiction-Schaffenden in den 70er- und 80er-Jahren sind für heute Leser ein Relikt aus der Vergangenheit – wer sich damit nicht auskennt, wird viele Anspielungen nicht verstehen.

Machen wir uns nichts vor: Dieses Buch ist aus einer sehr egozentrischen Perspektive geschrieben – aber das verheimlicht es nirgends. Jörg Weigand blickt auf die Welt aus seiner eigenen Perspektive; das macht er sachkundig und stets gut lesbar. Man muss ihm nicht bei allen Schlussfolgerungen zustimmen, das erwartet er sicher auch nicht.

»Abenteuer Unterhaltung« ist eine schöne Mixtur aus Autobiografie und Sammelband; es werden viele Facetten der Literatur im Allgemeinen und der Science Fiction im Besonderen beleuchtet. Ich habe es gern gelesen und würde es all jenen Leuten empfehlen, die mehr über die Art und Weise erfahren wollen, wie Literatur entsteht. (Wahrscheinlich wäre es in manch studentischem Seminar eine sinnvolle Lektüre.)

Das Buch umfasst 241 Seiten, es ist als schönes Paperback mit Klappumschlag erschienen. Mithilfe der ISBN 978-3-945807-28-6 kann man es in jeder Buchhandlung bestellen. Ich empfehle, direkt beim Verlag Dieter von Reeken zu bestellen – dort gibt es zudem weitere lesenswerte Sachbücher zur Science Fiction.

Einige Sätze zu Ulrich

Der Tag beginnt mit einer traurigen Nachricht – ich habe sie eben über Facebook mitbekommen: Ulrich Bettermann ist gestorben,

Wir haben uns 1980 kennengelernt, zuerst schriftlich, weil wir im selben Club waren – es war die Interessenvereinigung Science Fiction, kurz IVSF –, und dann persönlich, als wir uns auf dem PERRY RHODAN-WeltCon trafen.

Über viele Jahre hinweg haben wir uns immer wieder gesehen und unterhalten. Auch wenn in den vergangenen Jahren der Kontakt dünner wurde – wie das halt leider oft ist –, hat Urich für ich immer dazu gehört.

Ich bin heute morgen sehr traurig.

10 Februar 2020

D.O.A. bollern wie in alten Zeiten

Man muss sich wirklich wundern, wie Joe Keithley das macht: Seit Ende der 70er-Jahre steht er auf der Bühne, seit damals macht er Platten, und man sollte eigentlich erwarten, dass er langsam alt und gemütlich wird. Aber dann haut er mit zwei Mitstreitern – die aktuelle Besetzung seiner Band D.O.A. – eine Platte wie »Fight Back« heraus, und ich bin fassungslos.

Klar, man könnte einwenden, dass sie so klingt wie viele andere Platten der Band davor: Es knallt und rumpelt, die Stimme klingt wütend wie eh und je, es gibt bollernde Melodien. Dazu machen Gitarre, Schlagzeug und Bass einen Punk-Sound, der halt so klingt, wie man ihn anfangs der 80er-Jahre schon in Kanada spielte.

Alle dreizehn Stücke auf der Platte, die 2018 aufgenommen worden ist und die ich mir als Vinylscheibe gegönnt habe, sind knallig. Die Melodien sind nicht leicht und eingängig, aber sie fräsen sich irgendwann ins Hirn. Man möchte zu diesem Sound durch die Wohnung hüpfen (und ich freue mich darauf, die Band mal wieder zu sehen), und eigentlich wundert man sich nur darüber, warum dieser Mann nicht altersmilde geworden ist, sondern immer noch diesen Sound spielt.

Textlich bleibt die grundsätzliche Kritik an Staat und Gesellschaft erhalten. Es wird über »Killer Cops« geschimpft, über schlechtes Bier gelästert (in »We Won't Drink This Piss«) und generell vom Leben erzählt (»You Can't Stop Me«). Das ist alles klar und eindeutig.

Und wer jetzt bemängeln mag, dass die Band ähnliche Stücke vor zwanzig und dreißig Jahren auch schon gemacht hat, dem widerspreche ich nicht. Nur hat sich so viel halt gesellschaftlich auch nicht geändert – und deshalb dürfen D.O.A. wie in alten Zeiten ihren Sound spielen. Respekt!

09 Februar 2020

Rauchen im Jahr 2020

Am späten Abend gingen wir noch auf eine Party, die in einer geräumigen Wohnung in der Oststadt von Karlsruhe veranstaltet wurde. Die Leute waren freundlich, es gab genügend zu essen und zu trinken, und die Musik hatte die angenehme Lautstärke, die mir half, sie einfach zu ignorieren.

Es waren vielleicht zwei Dutzend Menschen anwesend, nicht mehr. Man redete wild durcheinander, man trank viel, und man rauchte. Wahrscheinlich rauchten mehr als zwei Drittel der Anwesenden. Ich ärgerte mich nicht darüber, denn schließlich kannte ich das schon seit Jahrzehnten: Bei einer Party wird einfach geraucht.

Aber ich merkte irgendwann, dass ich das nicht mehr gewöhnt war. Meine Augen tränten, mein Hals war trocken, die Luft war stickig. Daheim zog ich die Klamotten aus und packte sie auf den Balkon, weil ich sie nicht in der Wohnung haben wollte. Dann duschte ich, weil ich nicht mit verrauchten Haaren ins Bett gehen wollte.

Ganz klar: Ich hatte mich verändert. Mich hatte es früher nie gestört, wenn geraucht worden war, auch wenn ich selbst das Rauchen nie ansprechend gefunden hatte. Aber im Jahr 2020 war es offenbar soweit, dass mich Rauchen immer mehr nervte. Da änderte es nichts daran, dass ich die Leute sympathisch und die Party sehr angenehm war.

Lag das an meinem Alter, oder wurde ich langsam einfach intolerant in dieser Frage? Ich würde es wohl selbst herausfinden müssen ...

06 Februar 2020

Starke Pisse auf der Bühne

Weil es Mittwochabend war und ich mich eh ein wenig schlapp fühlte, brauchte ich eine Weile, um mich aufzuraffen; dann aber fuhr ich doch in die »Alte Hackerei«. Es war der Mittwoch, 5. Februar, und ich ging von einem eher durchschnittlichen Konzert aus. Doch ich sollte mich gleich mehrfach irren: Das Konzert fing recht zeitig an, weshalb ich die erste Band gleich mal verpasste, und der Konzertraum war brechend voll.

Ich hatte die Band noch nie gesehen, kannte Pisse nur von irgendwelchen Tonträgern her und war entsprechend gespannt. Vom ersten Ton an legte das Quartett auf der Bühne knallig los: Wer mag, kann die Band ja zum Deutschpunk zählen, was nicht so richtig stimmt. Man macht Punk mit deutschen Texten, aber das war es dann schon.

Musikalisch erinnert mich das an die ganz frühen 80er-Jahre, an Bands wie Abwärts – das Ganze wird aber deutlich knalliger und schneller gespielt. Der Synthie und irgendwelche Geräusche werden mit klassischem Punkrock-Instrumentarium vermischt, das wirkt dann gleich mal anders. Dazu kommen der Stakkato-Gesang und recht kurze Ansagen; das sieht minimalistisch aus, funktioniert für mich aber sehr gut.

Nicht nur mir gefiel das, sondern auch dem Publikum. Es waren viele junge Leute da, an diesem Abend schien ich echt der Gesichtsälteste zu sein. Vor der Bühne wurde ein wenig getanzt – vorsichtiger Hüpf-Pogo halt –, viele Leute sangen mit, der Applaus war stets reichlich.

Recht schnell war das Konzert vorüber, die Band bolzte sich ruckzuck durch die Stücke. Ich trank nicht zu viel Bier, ließ mich später am Plattenstand in Fachgespräche verwickeln (»also du musst da schon beide Versionen dieser EP kaufen, weil die zwei Platten zwar identisch heißen und verdammt ähnlich aussehen, aber eben nicht identisch sind …«) und war an diesem Abend vergleichsweise früh daheim. Auch mal was.

Camera Silens von 1985

Ein wummerndes Schlagzeug, ein harter Bass, dazu eine sägende Gitarre und ein Sänger, der die Textzeilen rhythmisch herausbrüllt: Camera Silens waren eine typische französische Punkband in den frühen 80er-Jahren, die man sich auch heute noch richtig gut anhören kann. Zwar ist die Hitqualität der Platten nicht so groß – außer dem genialen »Pour La Gloire« –, aber die Band überzeugt durch eindeutigen Punkrock mit ebenso eindeutigen Texten.

Die Band hatte sich 1981 in Bordeaux gegründet; mit dem Namen bezog man sich auf die Isolationshaft der deutschen RAF-Gefangenen – das war in jenen Tagen auch in Frankreich ein Thema. Bereits 1988 löste man sich auf, aber davor gab's einige richtig gute Aufnahmen, von denen ich zuletzt die erste Platte noch mal ausgiebig hörte.

»Réalité« kam 1985 heraus, wurde 2011 neu veröffentlicht und ist richtig klasse. Die zehn Stücke sind allesamt in französischer Sprache. Da keine Übersetzung beilegt, bin ich auf meine schlechten Kenntnisse dieser Sprache angewiesen. Die Band singt über den Ost-West-Konflikt, der 1985 ein Dauerthema war, sie behandelt Selbstmord und Hausbesetzungen, den Kampf gegen die »kriminelle Klasse« und andere eher politische Themen.

Musikalisch ist das ruppiger Punk, die Melodien sind knapp und knallig – vom Hardcore ist man dennoch weit entfernt, und Metal-Einflüsse würde man vergeblich suchen. »Réalité« ist eine richtig starke Platte und weit besser als das meiste, was zur selben Zeit in Deutschland auf Vinyl gepresst wurde.

05 Februar 2020

Frühstück am Plage du Ris

Sonderlich schön fand ich die kleine Stadt Douarnenez tatsächlich nicht. Wir erreichten sie an einem feuchten und kühlen Tag während unserer Reise durch die Bretagne. Ich nahm die Stadt als eine Abfolge von schmalen Straßen und Fischereibetrieben wahr; eine Konservenfabrik am Stadtrand bildete den Abschluss. Aber den Plage Du Ris knapp außerhalb der Stadt fand ich ganz hübsch.

Wir stellten das Auto an der Straße ab und gingen die Treppen hinab, vorbei an den Häuschen, die man bei schönem Wetter wohl als Umkleidekabinen nutzen konnten. Die Bucht war ausgesprochen schön, ein breiter Sandstrand wurde von einer sanften Anhöhe abgelöst, die mit Gras bewachsen war und die bei warmen Temperaturen sicher voll mit Sonnenhungringen war.

Auf der Steinmauer entlang des Strandes war es uns zu kühl, wir zogen uns ein wenig zurück. Auf einer Holzbank saßen wir dann und frühstückten, während ein strammer Wind hellgraue Wolken über einen dunkelgrauen Himmel scheuchte. Ich zog meine Jacke bis zum Kragen hoch und starrte auf das Meer hinaus.

Erst nach einiger Zeit bemerkte ich, dass sich tatsächlich einige Surfer in dem Wasser tummelten. Sie hatten einige schöne Wellen, offenbar machte es ihnen auch viel Freude. Sie trugen Neopren-Anzüge, trotzdem fand ich sie sehr tapfer. Bei diesen Temperaturen hätte mich niemand ins Wasser gebracht. Höchstens in einem echten Notfall.

Als wir den Strand verließen und zu unserem Auto zurückgingen, sah ich immer wieder auf das Meer hinaus. Es sah auch von oben kalt aus. Bei schönem Wetter war der Plage Du Ris sicher angenehm. Aber …

Mittlerweile ist der Strand übrigens geschlossen. Zu viel Dreck im Wasser, zum Baden nicht mehr geeignet. Schauen wir mal, wie sich das im Frühjahr und Sommer 2020 entwickeln wird.