30 September 2015

Klassiker noch mal versucht

Es ist ewig her, seit ich das letzte Mal einen Hemingway-Text gelesen habe. In jungen Jahren packten mich seine Kurzgeschichten durchaus, und »Der alte Mann und das Meer« las ich irgendwann in den allerfrühesten 80er-Jahren. Dieser Tag habe ich mir das Werk noch einmal vorgenommen – in einer schönen Hardcover-Ausgabe, die der Steinberg-Verlag in den frühen 50er-Jahren veröffentlicht hat.

Ab und zu habe ich Lust, mich auf echte Klassiker einzulassen; da bin ich dann erstaunlich zäh. So auch bei diesem Roman – oder meinetwegen eine Novelle –, bei dem eigentlich so viel nicht passiert hat, bei dem man aber ganz schön viel interpretieren kann, wenn man möchte. Gerade die interpretierbaren Dinge fand ich allerdings eher schlapp: das viele Nachdenken über den Lauf der Welt und die religiösen Andeutungen etwa.

Unterhaltsam war die Geschichte allemal: Der alte kubanische Fischer, der seit langem nichts mehr gefangen hat, der dann noch einmal allein hinausgeht aufs offene Meer und sich dort einen Kampf mit einem großen Fisch liefert – das ist faszinierend. Auch die Tragik der Geschichte, ihr letztlich trauriges Ende, das alles fand ich unterhaltsam, und das packte mich.

Umgehauen hat mich die Geschichte nicht. Sicher liegt das daran, dass ich sie kannte; der »Boa hey«-Effekt, den sie 1952 hervorrief, ist 2015 zudem sowieso nicht mehr so leicht zu schaffen. Und Hemingway wäre heute, schriebe er dieselben Texte, bei weitem nicht so »cool« wie vor 60 oder 70 Jahren. Da nagt einfach der Zahn der Zeit an den Texten.

Es ist allerdings klar, warum »Der alte Mann und das Meer« in den 50er-Jahren so erfolgreich wurde: Die Mixtur aus schlichter Sprache, vorgeblich einfacher Geschichte und intellektuellem Hintergrund begeisterte die Kritik und die normalen Leser gleichermaßen. Man kann das heute sehr wohl noch spüren, und das schwingt sicher mit, wenn man den Text mit den Augen von heute liest.

Sagen wir es so: Ich habe nicht bereut, »Der alte Mann und das Meer« noch einmal gelesen zu haben. Das Buch ist ein Klassiker, und man erkennt nach wie vor seine Bedeutung Ob man es gelesen haben muss, wenn man kein Experte für amerikanische Literatur ist, weiß ich allerdings nicht ...

29 September 2015

Alte Romane in digitaler Form

Hinter dem Wibra-Verlag verbirgt sich Winfried Brand, der in früheren Jahren allerlei Science-Fiction-Fanzines veröffentlichte und zuletzt vor allem als Dienstleister in Sachen E-Books tätig war. Er hat jetzt den Wibra-Verlag ins Leben gerufen und möchte dort vor allem alte Heftromane neu auflegen – allerdings nicht in gedruckter Form, sondern in Form von E-Books.

Zitat aus der Verlags-Information: »Hier können Sie wöchentlich neuen Lesestoff aus dem reichhaltigen Schatz der Trivialliteratur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts kostenlos herunterladen.« Die alten Romane wurden einer Rechtschreibkorrektur unterzogen, und man hat sie wohl behutsam bearbeitet.

Unter anderem gibt es die klassische Abenteuerserie »Rolf Torring«, die Krimiserien »Nick Carter« und »Frank Allan«, die Westernserie »Buffalo Bill« sowie die Abenteuer des Mafia-Bosses Al Capone. Da die Romane allesamt schon recht alt sind, gibt es keine Autoren mehr, die Anspruch auf ein Copyright und damit Tantiemen erheben können. Das macht die Kalkulation einfacher ...

Trotzdem will der Wibra-Verlag diese Romane kostenlos zur Verfügung stellen; weil die Aufbereitung der alten Daten genügend Zeit und damit auch Geld kostet, wirbt man um Spenden. Auf mich wirkt das wie ein schlüssiges und gutes Konzept. Das gefällt mir echt; mal schauen, ob ich doch mal in so einen »Rolf Torring« hineinschauen werde ...

28 September 2015

Start ins Leben

Ich habe die Kurzgeschichte »Start ins Erwachsenen-Leben« fertiggestellt, das heißt, dass der »rohe« Text steht. Nachdem in den vergangenen Wochen wegen diverser privater Arbeiten nicht viel Zeit übrig war, an eigenen Texten zu arbeiten, bin ich darüber ziemlich froh.

Die Geschichte ist für die Sammlung von Punkrock-Geschichten gedacht, an der ich seit über einem Jahr bastle und die eigentlich in diesem Jahr hätte erscheinen sollen. Aber da wohl noch einige Tage ins Land ziehen werden, bis ich mit meiner eigenen Zusammenstellung zufrieden bin, schadet es wohl auch nichts, wenn ich noch ein wenig Arbeit hineinstecke.

Um was es geht? Es ist eine Geschichte, die mein Abitur im Jahr 1984 thematisiert – allerdings ist es wieder eine Geschichte, in der ein Körnchen Wahrheit steckt, die aber ausreichend weit davon abweicht. So sind auch die Namen von Mitschülern und dergleichen durch die Bank erfunden. Und ganz nebenbei ist die Geschichte »Punkrock«, ohne dass es um Punkmusik und dergleichen geht ...

27 September 2015

Frau frisst Kind

Manchmal verstehe ich so Werbeleute gar nicht. Ich meine ... diese CDU-Kandidatin aus Rheinland-Pfalz, bei der ich mich weigere, mir den Namen zu merken – weil ich hoffe, dass die eh nicht zur Ministerpräsidentin gewählt wird –, die wirkt nun mal eher einschüchternd.

Aber muss man die gute Frau so abbilden und dann auch noch ein kleines Kind ihr so gegenüberstellen, dass sie – nun ja – nicht gerade wie eine Landesmutter wirkt? Meine Assoziation war nicht »Hilfe und Solidarität« sondern »Frau frisst Kind«.

Aber das liegt sicher nur daran, dass ich christdemokratische Logik noch nie verstanden habe ...

Brezeln aus Schwaben

Es ist nicht so, dass es in Karlsruhe keine guten Bäckereien gäbe. Eine Reihe von guten Betrieben liefert hervorragende Backwaren, und bei diesen Bäckereien kaufe ich gern ein; die großen Ketten meide ich, wo und wie es nur geht.

Will ich allerdings so richtig gute Brezeln essen, muss ich die Stadt verlassen. Vielleicht ist meine schwäbische Herkunft daran schuld, dass ich liebe eine Brezel verspeise, die von einer Bäckerei im Schwäbischen hergestellt wurde.

In diesem Fall bevorzuge ich stets den Bäcker Baier aus Herrenberg. Dessen Brezeln sind schmackhaft, sie sind geradezu elegant geformt, und sie kommen ohne jeglichen Schnickschnack aus.

Und so genieße ich Sonntags gelegentlich – und dann mit großer Freude! – leckere Brezeln, die aus der schwäbischen Provinz in die badische Metropole transferiert worden sind ...

26 September 2015

Vanna Inget singen schwedisch

Wie man Vanna Inget genau ausspricht, weiß ich nicht; wovon die Band aus Schweden singt, ist mir dazu ein völliges Rätsel – und dieses Rätsel konnte ich mangels Sprachkenntnissen noch nicht lösen. Zuletzt hörte ich die Langspielplatte »Ingen Botten«, auf der die Sängerin und ihre vier Musiker das zelebrieren, was sie auf der LP und der EP vorher schon geliefert hatten: eine wunderbare Mischung aus frühem 70er-Jahre-Punkrock und Power-Pop, für manchen Geschmack wohl zu viel Pop und zu wenig Punk, aber durchgehend klasse gemacht.

Klar ist es die Stimme von Karolina Engdahl, die durch die Songs trägt; ohne die locker klingende Gitarre, gelegentliche Ausflüge mit dem Synthie und der Orgel und dem immer auf den Punkt treffenden Schlagzeug würde das ganze aber nicht funktionieren. Ich sitze bei der Platte automatisch da, wackle mit dem Kopf und freue mich.

Ob das live zündet, weiß ich gar nicht; irgendwann würde ich die Band schon mal gern sehen, aber irgendwie habe ich das bislang nicht geschafft. Da muss ich wohl darauf hoffen, dass Erste Theke Tonträger aus Tübingen es irgendwann schaffen, die Band in meine Gegend zu lotsen.

25 September 2015

Nazis nach der Sommerpause

Auch das rechtsradikale Gesindel in Karlsruhe urlaubt im Sommer gern. Deshalb fielen die »Spaziergänge« des »Widerstandes« – so heißt der örtliche Pegida-Nachfolger – im Hochsommer aus. Am Dienstag, 22. September, ging es allerdings weiter, und ich beteiligte mich an der Gegendemonstration.

Ich war spät dran, weil ich so lange hatte arbeiten müssen. So verpasste ich die offizielle Gegenkundgebung, an der einige hundert Leute teilnahmen, und kam erst zu dem Zeitpunkt in die Innenstadt, als die »Widerstand«-Kundgebung bereits begonnen hatte.

Viel zu sehen war nicht. Im Nieselregen standen die Rassisten auf der Zähringerstraße, weiträumig abgeschirmt durch Hundertschaften der Polizei und allerlei Absperrgitter. Deutschlandfahnen wehten, ein Lautsprecher schepperte. Zu hören war nicht viel, da auf unserer Seite der Absperrung, also am Kronenplatz, ein Höllenlärm verursacht wurde.

Irgendwann liefen die Nazis los, und auch ich bewegte mich ein Stück weit. An einer anderen Stelle der Innenstadt, wo man wieder freie Sicht auf die kleine Nazi-Kundgebung hatte, war erneut alles abgeschirmt. Aber von dort aus konnte man immerhin seiner Abscheu lautstarken Ausdruck verleihen.

Witzige Idee einiger Aktivisten: Es wurde ein antifaschistisches Oktoberfest veranstaltet. In bayerischen Bierzelt-Klamotten wurden vegane Würste sowie Getränke ausgegeben; ob der Vuvuzela-Verleih damit zusammenhing, bekam ich gar nicht mit.

Danach eilte ich wieder zurück zum Kronenplatz, weil die Nazis ebenfalls zum Ausgangspunkt ihrer Demonstration zurückspazierten. Wieder Protestrufe, wieder eine Abriegelung der Polizei; dann zogen Teile der Gegendemonstranten in verschiedene Richtungen ab.

Noch später kesselte die Polizei in der Adlerstraße einige Dutzend Gegendemonstranten ein. Angeblich hatten einige Personen gegen das Vermummungsverbot verstoßen; es wurde ein »riesiges G'schiss« veranstaltet, und alle wurden erkennungsdienstlich verhandelt. Ich machte, dass ich wegkam.

Abschluss des Abends war eine Situation auf Höhe der Kneipe »Litfass«. Die verbliebenen Karlsruher Antifaschisten – wir vier mit unseren Fahrrädern – standen vor der Kneipe herum. Von dort bekamen wir die Rede der »Widerstand«-Sprecherin mit, aus Richtung des Kronenplatzes drang das Pfeifkonzert der Gegendemonstranten zu uns. Es war eine widerwärtige Mixtur aus Angst und Rassismus, die man – wer möchte – auf Youtube anhören kann.

Dann löste sich die Nazi-Kundgebung auf, die Polizei öffnete die Sperren, die sie vorher so abgesichert hatten. Und unsere winzige Gruppe hatte dann das schöne Empfinden, den Nazis »hautnah« gegenüberzustehen: Etwa ein Dutzend von der sportlich-jungen Fraktion, etwa der Dutzend Rentner, einige kernige Altnazis spazierten an uns vorüber. Danach wollte ich auch nur noch heim.

24 September 2015

Wenn ein Club bald zumacht ...

Das »Carambo« ist am Ende. Das zumindest habe ich aktuellen Berichten entnommen. Und das war und ist ein kleiner Schock für mich. Zwar war ich schon lange kein Gast mehr in der »Carambolage«, nehme mir aber seit Jahr und Tag immer wieder vor, da mal wieder aufzuschlagen.

Als ich in den frühen 90er-Jahren nach Karlsruhe zog, war das »Ram«, wie man es damals seltsamerweise auch nannte, eine seltsame Kneipe. Wenn man lange genug am Tresen herumhing, kamen die echten Nachtmenschen herein: Prostituierte und Zuhälter sowie ihre Gäste. Es war nicht immer cool, häufig eher seltsam – da ich aber immer besoffen war, wenn ich aus der Bar herauskam, habe ich sowieso massive Erinnerungslücken.

Besser wurde es im Verlauf der 90er-Jahre: Es wurden Konzerte veranstaltet, eine Reihe von guten Punkrock- und Hardcore-Bands spielte im »Carambo«, wie es jetzt nur noch genannt wurde. Teilweise übernachteten die Bands bei mir, teilweise nicht; als Besucher war ich fast immer da.

Ebenso war ich oft genug bei Disco- und Party-Abenden zugegen. Wie oft, das kann ich nicht schätzen. Die Musik war oft egal, Hauptsache war eh, dass es laut und voll wurde. Über zehn, zwölf Jahre hinweg war ich ein regelmäßiger »Carambo«-Gast, im Schnitt wohl zwei- oder dreimal pro Monat.

Wenn so ein Club zumacht, ist das traurig. Auch wenn ich selbst kein Stammgast mehr war und im Innern wohl niemanden mehr kennen dürfte – höchstens den Besitzer –, wird das »Carambo« fehlen. Nicht mir persönlich, aber meiner Erinnerung an spannende Zeiten in Karlsruhe.

23 September 2015

Carrions NN vom Alpenrand

Der Schriftzug ist echt schwer zu lesen, aber das gehört wohl zum Programm: Die Band Carrions NN stammte aus Italien, genauer gesagt kam sie vom nördlichsten Rand des Landes, also an der Grenze zur Schweiz. Die fünf langhaarigen Männer aus Sondrio spielten vom Ende der 80er- bis zum Ende der 90er-Jahre ihren Hardcore-Punk.

Ich habe ihre EP »Attimo di libertá« dieser Tage mal wieder angehört; sie kam 1993 bei dem italienischen Label Blu Bus heraus, das in jenen Jahren mit die wichtigsten Platten aus Italien veröffentlichte. Die EP mit ihren drei Stücken ist für diese Zeit sehr typisch.

Das Schlagzeug ist schnell, dazu sägt die Gitarre in rasantem Tempo durch die Stücke. Alles wirkt ein wenig hektisch, wenngleich kein Chaos-Punk entsteht. Die rotzig-brüllende Stimme des Sängers steckt voller Energie.

Der knallige Sound überzeugt, wenngleich man die Band echt nicht kennen muss. Für die italienischen Verhältnisse jener Zeit ist die Band sowieso erstaunlich »punkig«. Nicht von der Optik her, sondern eher vom Sound: Im Prinzip ist das pogotauglich und jenseits aller stilistischen Experimente, die es anfangs der 90er-Jahre gern in Italien gab.

Vor dem Widerstand

»Du bist aber echt spät dran«, wurde ich am Abend des Nazi-Aufmarsches begrüßt. »Und ich dachte schon, ich sei der letzte.«

»Ich war arbeiten«, maulte ich. »Einer muss ja das Steuergeld für den Polizeieinsatz bezahlen.«

»Und ich war beim KSC im Stadion, das war auch wichtig.«

»Wie ging's denn aus? Hoffentlich nicht schon wieder verloren.«

»Unentschieden war's.«

»Bei der aktuellen Situation im KSC ist das doch wie ein Sieg zu betrachten.«

»Ach, lass mich in Ruh'!«

Ruhig wurde es am Dienstag, 22. September 2015, dann doch nicht – aber dazu später mehr. Nazis waren da, die Polizei stresste herum, und der Nieselregen sorgte nicht für eine Volksfeststimmung.

22 September 2015

Markttag in Cluny

Am Samstag, 6. Juni 2015, erreichten wir bei unserer kurzen Reise nach Burgund auch Cluny. Die kleine Stadt ist vor allem dadurch bekannt, dass sich in ihr allerlei mittelalterliche Klöster – und deren Reste – erheben, die für die katholische Kirche und die gesamte Christenheit sehr wichtig sind. Mich interessierte das nicht so sehr, tatsächlich sah ich bei diesem Besuch keine einzige Kirche von innen.

Es war Markttag in der kleinen Stadt. Zwischen dem Dom und irgendwelchen Ruinen, entlang alter Gebäude und auf einem Kopfsteinpflaster erstreckten sich die Stände. Es gab Gemüse und Klamotten, Getränke und Gewürze; die Laune war gut, und wir stöberten tatsächlich bei irgendwelchen Ständen mit Hemden und T-Shirts.

Eine junge Frau mit langen blonden Haaren stand am Rand; sie spielte Gitarre und sang Chansons in französischer Sprache. Ich verstand kein Wort, aber es hörte sich gut an. In ihrem leeren Gitarrenkoffer lagen CDs, die sie verkaufte, und fast hätte ich eine gekauft.

Wir aßen in einem kleinen Restaurant zu Mittag, von dem aus wir einen schönen Blick auf altes Gemäuer und junge Marktbesucher hatten; wir tranken einen leichten Weißwein und bummelten danach weiter. In Cluny geriet ich an diesem Tag tatsächlich in eine völlig positive Urlaubslaune ...

21 September 2015

Europa-Park und Brand Eins

Ich war in meinem Leben zweimal im Europa-Park: einmal um 1979 herum, als ich Babysitter für das verwöhnte Kind reicher Eltern spielte und als Belohnung mit der Familie mitfahren durfte, einmal Mitte der 80er-Jahre als junger Journalist. Seither habe ich den großen südwestdeutschen Freizeitpark nur noch gesehen, wenn ich auf der Autobahn an ihm vorüberfuhr.

Unter dem Titel »Die Disneys aus Rust« hat die Zeitschrift »Brand Eins« einen interessanten Artikel über die Familie geliefert, die für den Europa Park verantwortlich zeichnet und ihn besitzt. Der Artikel gibt einen tollen Einblick in die Arbeit der Familie Mack – er hat mich allerdings nicht dazu angeregt, deses Freizeitvergnügen jemals freiwillig anzustreben ...

Guter Journalismus ist er aber allemal!

20 September 2015

Mainstream und Gesinnungsterror

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt einen durchaus kritischen Artikel zu der Art und Weise, wie die Berichterstattung in Deutschland während der sogenannten Flüchtlingskrise gelaufen ist und immer noch läuft. Die Medien hätten »die kritische Distanz verloren«, ihre Arveit sei zur »Kampagne« geraten. (Ein wenig unverständlich bleibt das schon: Jahrelang lief die Kampagne gegen Flüchtlinge, gegen sogenannte Asylanten – und das war offenbar absolut in Ordnung, das war anscheinend keine »Kampagne«.)

Lesenswert ist der Artikel. Die NZZ ist nicht als Hort des »Linken« bekannt, sondern hatte schon immer einen kritisch-konservativen Blick auf die Welt. Diesen paarte sie stets mit einem klaren Blick für journalistische Normen, weshalb ich das Blatt immer wieder gern las. Man muss ja, wenn man Zeitung liest, nicht immer die eigene Weltsicht bestätigt bekommen.

Noch lesenswerter sind die Kommentare, bei denen es mir die Spucke verschlägt. Ich habe nicht alle gelesen, dazu fehlen mir Zeit, Lust und Muße. Was aber auffiel: Kaum einer war rechtsradikal, kaum einer kam aus der dumpfbraunen Ecke. Aber es herrschte eine Einstellung vor, die mir geradezu Angst einjagt: Man freute sich über den NZZ-Artikel, weil er endlich Klarheit herstelle.

»Der Firnis gereifter demokratischer Zivilität ist offenbar hauchdünn in Deutschland«, schreibt ein offensichtlich gebildeter Leser. was er meint, macht er mit einem anderen Fremdwortsatz klar: »Der Klumpfuss infantil-totalitärer Herrsch- und Subordinationssucht scheint wieder unter entsprechenden Gewandungen hervorzulugen.« Was er meint: In Deutschland herrscht eine gleichgeschaltete Presse vor, die jedem vorschreibt, »pro Flüchtlinge« zu schreiben.

Weniger fremdwortgeplagt dann diese Aussage: »Diese weich gespülte Presse, war ja nicht zum aushalten, man glaubte sich schon fast in einem anderen Land.« Und das wird dann natürlich mit dem generellen Angriff auf alle garniert, die sich für Flüchtlinge und ihre Rechte aussprechen: »Diese Gutmenschen hatten alles im Griff, garantiert kommen sie auch nicht aus der hart arbeiteten Klasse.«

Auch schön: »Dass man wegen abweichender Meinungen in Deutschland einmal wieder ausgegrenzt wird und gar Angst um seinen Job haben muss, ist eine traurige Entwicklung.« Soweit ich weiß, hat unter anderem ein Busfahrer seinen Job verloren, der ein »Thor Steinar«-Shirt trug, als er abgewiesene Asylbewerber zum Abschiebeflughafen Baden Airport fuhr. Wer sich kritisch zum Thema Zuwanderung äußert, muss in meiner Welt bislang nichts befürchten, sondern kann in den regierenden Parteien bis an die Spitze kommen.

Wir leben in einem seltsamen Land. Die Mehrheit fühlt sich als Minderheit, viele scheinen sich unterdrückt vom Meinungs-Terror. Da kommen dann Aussagen heraus wie diese: »Ich bin ehrlich zutiefst erschüttert über die groß angelegte Zensur in den deutschen Medien!«

Die NZZ hat einen Artikel geliefert, dem ich nicht hundertprozentig zustimmen würde, der aber in sich verständlich und nachvollziehbar argumentiert. Das kann man diskutieren, man kann es gut finden und ablehnen. Was aber die meisten Kommentaren schreiben, ist ausuferndes Gejammer über eine angebliche Meinungs-Diktatur.

Wir sind schon seltsam, wir Deutschen.

19 September 2015

Fast die erste Demo

Teil vier der Serie »Wie mich Franz-Josef Strauß politisierte«

Im Jahr 1980 bewegte Franz-Josef Strauß die Republik. Wo der Politiker auftrat, wurde er mit Gegendemonstrationen auf der einen und jubelnden Menschen auf der anderen Seite empfangen. Ich war mittlerweile auf klarem »Anti-Kurs« und fand Strauß so richtig doof.

Als sich abzeichnete, dass er auch meiner Heimatstadt einen Besuch abstatten würde, war für mich eines klar. »Ich gehe hin und demonstriere gegen ihn«, verkündete ich bei einer Familienfeier, zu der ich – zähneknirschend – mit meinen 16 Jahren geschleppt wurde.

»Dann schlag ich dich so rum, dass du ein paar Tage lang nicht mehr gehen kannst«, sagte darauf hin ein entfernter Verwandter, der etwa zehn Jahre älter war und eigentlich nicht als politisch galt. Gegen den Strauß demonstriere nicht, das machten nur die Chaoten. Der Mann wolle endlich wieder Ordnung ins Land bringen, und das sei gut so.

In diesem Jahr wurde jungen Leuten noch klar gezeigt, wo's lang ging. Meine Meinung änderte sich nicht, zu einer Anti-Strauß-Demonstration ging ich allerdings auch nicht. So mutig war ich dann doch nicht.

18 September 2015

Splitter begeistert

Es gibt wenige Verlage, deren Programme ich richtig durchackere. Einer davon ist der Splitter-Verlag. Mir ist ja echt schleierhaft, wie die Mannschaft des vergleichsweise kleinen Verlages die immense Arbeit überhaupt schaffen kann – aber ich ziehe voller Respekt den Hut vor ihnen. Ein schönes Beispiel für die Arbeit der Splitter-Truppe ist das »Programm 15/16«, das seit zwei Monaten vorliegt.

Auf unglaublichen 214 Seiten, die auch noch richtig schön gebunden sind, gibt es Informationen zu den neuen Comics, stets kombiniert mit kurzen Leseproben. Vom knalligen Fantasy-Abenteuer mit einer Prise Sex bis hin zur anspruchsvollen Graphic Novel, vom Western zur Science Fiction – das Programm deckt viele Genres und Stilrichtungen ab. Ob »frankobelgische Abenteuer« oder »moderne Amerikaner« ... in diesem Programm kommen echt alle auf ihre Kosten.

Insgesamt werden 84 neue Comics präsentiert, die allesamt neugierig machen. Da ist echt keiner dabei, von dem ich sagen würde, dass er Mist sei. Nicht alles kann mir gefallen, das aber ist normal. Das sind durch die Bank gute Comics, die zeigen, wie sehr sich die »Neunte Kunst« in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.

Wer mal reingucken mag: Den Katalog gibt's natürlich in jedem Comic-Laden zum Mitnehmen. Man kann ihn aber auch kostenlos als PDF herunterladen. Wie das heute halt so ist ...

17 September 2015

Schreibtag Donnerstag

Manchmal habe ich das Gefühl, die eine Hälfte von Facebook besteht aus Katzenbildern, die andere aus Polit-Diskussionen über Flüchtlinge, Biodeutsche und andere Dinge. Die dritte Hälfte – merkt man, dass ich in der Schule Mathe abgewählt habe? – beschäfigt sich mit dem Schreiben, zumindest in meiner Timeline.

Viele Autorinnen und Autoren teilen mit, welche neuen Bücher und Geschichten sie geschrieben und veröffentlicht haben. Das macht mich neidisch, selbst wenn die Bücher in den kleinsten Hinterwäldlerverlagen erschienen sind; bei mir klappt das ja nicht so richtig.

Immerhin habe ich heute ein wenig geschrieben: eine ganz kurze Kurzgeschichte mit dem Titel »Duesenjaeger über Stalingrad« für meine Punkrock-Geschichtensammlung und zwei Drittel einer ebenfalls kurzen Kurzgeschichte mit dem Arbeitstitel »Am Containerhafen«. Beides mal garantiert keine phantastischen Elemente, keine Science Fiction, keine Fantasy, kein Horror ...

Comic-Umsetzung eines Krimi-Krachers

Ich kannte Darwyn Cooke bislang als Zeichner cool gemachter Superhelden-Comics. Er belebte »Catwoman« neu und schuf für den klassischen »Spirit« eine gelungene Neu-Interpration, die einen fast das geniale Original von Will Eisner vergessen ließ. Mit »Parker« wagte er sich auch an einen Krimi-Klassiker.

Die deutschsprachige Ausgabe des »Parker«-Comics erschien bereits im Frühjahr 2013, ich las sie dieser Tage endlich. Sie hatte schon vor der Veröffentlichung eine eher skurrile Vorgeschichte: Zuerst sollte der Comic im Eichborn-Verlag herauskommen, dann wurde dieser von Lübbe gekauft – und glücklicherweise führte man in Köln das Comic-Programm weiter.

Die Lübbe-Leute gaben sich redlich Mühe, den Band schön zu gestalten. Es ist ein Hardcover mit Schutzumschlag, bei dem auch die Druckqualität stimmt. Dabei kommen die eindrucksvollen Schwarzweiß-Zeichnungen des Künstlers hervorragend zur Geltung; sie werden immer wieder auch mit Blau unterstrichen und teilweise verfremdet.

Bei der Geschichte selbst wird auf knallharte Action und karge Dialoge gesetzt. Der Autor Donald Westlake, der unter dem Pseudonym Richard Stark die »Parker«-Krimis verfasste, siedelte seine Romane in den 60er-Jahren an. Entsprechend sind die Geschichten: harte Männer, gut aussehende Frauen, plötzlich ausbrechende Gewalt, kein Heldenepos oder dergleichen, sondern eine Geschichte aus kriminellem Milieu.

Bei der vorliegenden Geschichte geht es letztlich um eine knallige Rache. Der »Held« ist ein Gangster, eigentlich keine positive Figur, doch wie er seine Gegner um die Ecke bringt, ist für den Leser jederzeit nachvollziehbar. Die Geschichte ist spannend erzählt und wirkt so glaubhaft, wie man es von einem Gangster-Krimi erwarten kann.

Veredelt wird die Story allerdings durch die coolen Zeichnungen Darwyn Cookes, die wirklich eindrucksvoll sind. So entsteht ein echtes Comic-Kunstwerk, auf das man getrost das Label »Graphic Novel« drucken kann, ohne dass es »verkünstelt« erscheint. Empfehlenswert für Krimi- wie auch für Comic-Fans.

16 September 2015

Mein Schulranzen

Aus der Serie »Wie mich Franz Josef Strauß politisierte«

Der Wahlkampf wurde im Frühjahr 1980 schmutzig geführt, und es war häufig auch ein Kampf der »Alten« gegen die »Jungen«. Die »Jungen« waren grün oder anarchistisch, manche auch sozialdemokratisch, eine muntere Allianz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Helmut Schmidt nicht gerade mochten, den Kandidaten der CSU aber richtigehend hassten.

Wer aber wagte, gegen Franz Josef Strauß zu sein, bekam häufig Ärger von Eltern, Lehrern oder irgendwelchen Polizisten. Bei Demonstrationen im Land krachte es, und wer einen »Stoppt Strauß!«-Anstecker trug, konnte in Bayern von der Schule verwiesen werden.

In Baden-Württemberg war das nicht so schlimm. Trotzdem wurde ich für meinen riesigen »Stoppt Strauß!«-Aufkleber, den ich auf meinem Schulranzen angebracht hatte, nicht nur einmal blöd angemacht. »Bisch du so a linke Sau?«, war noch das Harmloseste – aber im Nachhinein muss ich mich ja bei Leuten bedanken, die so etwas sagten, trugen sie doch dazu bei, in mir eine politisch-gesellschaftliche Anti-Haltung auszuprägen.

Das Zimmer, in dem ich mein Jahr in der zehnten Klasse abzusitzen hatte, war im neuen Schulzentrum untergebracht. Im Schulzentrum in der Nordstadt von Freudenstadt hatte man die Hauptschule – im Untergeschoss mit wenig Licht – und das Gymnasium zusammengepackt.

Unser Klassenzimmer lag genau über dem Eingang zur Schule, und mein Sitzplatz war direkt am Fenster. Ich verbrachte unzählige Stunden damit, zu diesem Fenster hinauszuschauen und mich in den Tag – oder hinaus ins Universum – zu träumen, wenn ich nicht mehr oder weniger heimlich Heftromane durchschmökerte.

Irgendwann beschloss ich, meinen Schulranzen auf das Fensterbrett zu stellen. Jeder Mensch, der auf die Schule zuging und schräg nach oben sah, nahm ab diesem Zeitpunkt den leuchtend-roten Aufkleber mit »Stoppt Strauß!« wahr. Das war ein klares Statement, und ich war stolz darauf, wenn mich jemand darauf ansprach, mir entweder Prügel androhte oder mich dafür lobte.

Franz Josef Strauß politisierte mich. Vor allem seine Fans trugen dazu bei, dass ich einen Widerspruchsgeist entwickelte. Das muss ich dem Mann gegenüber, der in diesem Monat hundert Jahre alt geworden wäre, wohl bis in alle Ewigkeit positiv anmerken ...

15 September 2015

MYTHOR kommt wieder

In diesen Tagen kann ich mal wieder etwas machen, das aufs Schönste meinen Beruf mit meinen privaten Interessen verbindet. In meiner Jugend las ich nämlich sehr gern eine Heftromanserie, die den schönen Titel MYTHOR trug. Diese Serie erschien ab 1980, es handelte sich bei ihr um Fantasy, und ich fand schon damals ihre Titelbilder eher albern bis bedenklich – aber ich las die Romane gern.

Im September 2015 beginnen wir – also meine Kollegen und ich – endlich damit, die alten Romane neu zu veröffentlichen. Das machen wir, wie es sich heutzutage gehört, konsequenterweise im digitalen Format. Anders gesagt: Alle Heftromane aus dieser Zeit erscheinen jetzt als E-Books; nicht redigiert, sondern im Originalzustand.

Das freut mich sehr. In den frühen 80er-Jahren, als ich die Klassiker der Science Fiction und der Fantasy für mich entdeckte, las ich MYTHOR unglaublich gern. Es gab Romane, die ich schlecht oder albern fand, aber ich mochte den Serienkosmos, und es gab innerhalb dieses Kosmos immer wieder Beiträge, die mich richtig packten. Selbstverständlich gab es haufenweise Fantasy, die ich besser fand – aber als Serie mochte ich MYTHOR in all den Jahren sehr gern.

Anfangs der Nuller-Jahre konnte ich noch einmal 17 MYTHOR-Bücher veröffentlichen, damals in Zusammenarbeit mit dem Weltbild-Versand. Als Redakteur konnte ich sogar einen neuen MYTHOR-Roman betreuen. Aber es war halt keine Komplett-Ausgabe, nicht das, was ich wirklich wollte: die komplette Serie wieder anbieten, nicht nur für die Leser von damals, sondern auch für die heutige Generation.

Keine Ahnung, ob das »funktioniert«. Ich habe meine Sammlung von damals noch, sie ist lückenlos, wenn ich mich recht erinnere – aber ich habe die alten Romane nie wieder gelesen. Weggegeben habe ich sie allerdings ebensowenig. Vielleicht wage ich im E-Book-Reader noch einmal einen Blick ... auch auf die Gefahr hin, mir meine Jugenderinnerungen ein wenig zu beschädigen.

14 September 2015

Die Ja-Aber-Redner

Erstaunliche Argumente lese ich in diesen Tagen gelegentlich: Der Staat habe für alles Geld. Er könne die Banken retten, er könne haufenweise Flüchtlinge aufnehmen – der Begriff der »Scheinasylanten« fällt neuerdings wieder –, und er habe einfach für alles Geld. Nur nicht für die »armen Deutschen«, nicht für »unsere Leute«, denen es schlecht gehe, die Hunger leiden müssten oder die von Arbeitslosigkeit bedroht seien.

Eine interessante Argumentation: Denkt man sie zu Ende, heißt es doch schlicht, dass die Flüchtlinge schuld daran sind, dass die Hartz-IV-Sätze so niedrig sind oder es im reichen Bundesdeutschland viele arme Leute gibt, die sogar auf der Straße wohnen müssen. Der aktuelle Zustrom von Flüchtlingen, der Staat und Gesellschaft in der Tat beansprucht, sei also an allem schuld.

Merken die Leute, die mit dieser »Ja aber«-Argumentation vorgeblich »links« reden, eigentlich nicht, dass sie auf die alte Logik hereinfallen? Dass sie im Prinzip eine andere Art von Rassismus-Agenda betreiben?

Ernsthaft: Hatten die Hartz-IV-Empfänger eigentlich mehr Geld, bevor die Flüchtlingswelle rollte? Waren die Obdachlosenzahlen vor einem Jahr deutlich niedriger?

Selbstverständlich nicht. Wieder einmal werden die Armen als Argument benutzt, um gegen die noch Ärmeren aufzuhetzen. Als ob die Zahl der Obdachlosen in diesem Land etwas mit der aktuellen Welle der Zuwanderung zu tun hätte. Als ob eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die von ihrem Ex-Lover keine Unterstützung bekommt, vorher im Geld geschwommen wäre.

Wer vorher arm war, bleibt arm. Daran ändert die Zuwanderung erst einmal nichts. Aber es ist ein »wunderbares« Kalkül, Armut gegen Armut auszuspielen. Und ich finde es erschütternd, wie viele Leute darauf hereinfallen, die ich zumindest vom Namen her auch kenne ...

13 September 2015

Führer unser in dem Fernseher

Teil zwei der Serie »Wie mich Franz-Josef Strauß politisierte«

Ich war kein sehr politischer Jugendlicher in jenem Jahr 1980. Gelegentlich las ich den »Schwarzwälder Boten«, den meine Eltern abonniert hatten und der mir schon damals reichlich »schwarz« vorkam. Selten diskutierte ich ernsthaft mit, wenn es um Politik ging – dazu wusste ich zu wenig.

Doch mir war aus den Berichten meiner Eltern klargeworden, dass das Nazi-Regime vor allem das eigene Land ins Unglück gestürzt hatte – so erzählten es meine Eltern gar nicht, aber so kam es bei mir an. Ich wuchs mit Geschichten vom Krieg auf, und die waren alle nicht lustig.

Gelegentlich schaute ich bei einer alten Tante fern. Wir hatten selbst keinen Fernseher, also musste ich ab und zu zur »Dande Chrischdee«, wie wir sie auf gut Schwäbisch nannten. Sie wohnte in der Nähe, es gab meist selbstgebackene Kekse, und dort konnte ich auch mal einen »Tarzan« angucken.

Einmal liefen auch die Nachrichten, die meine Tante mit einer älteren Nachbarin gemeinsam konsumierte. Die Nachbarin, selbst eine alte Bauernfrau, schaute andächtig auf den Bildschirm und sagte irgendwann einmal mit überraschender Zärtlichkeit in der Stimme: »Des isch unser Führer.«

Gemeint war nicht Adolf Hitler. In den späten 70er- und frühen 80er-Jahren kam nicht jeden Tag irgendeine Hitler-Dokumentation im Fernsehen. Über den Bildschirm flimmerte Franz-Josef Strauß; der Bayer hielt wieder irgendeine Rede und polterte ins Mikrofon.

So wurde ich politisiert. Wenn das der neue Führer für die alten Damen war, leuchtete mir ein, dass er ein Faschist sein musste ...

12 September 2015

Nach der Brasilien-Tour

Die Band Überyou aus Zürich habe ich schon oft genug gelobt und abgefeiert. Im Herbst 2013 machten die Jungs eine Tour durch Brasilien, unterstützt und begleitet von der Band Nunca Inferno. Und wie es sich gehört, gab es dazu eine Split-EP, auf der sich jede Band präsentierte. Was hinterher noch übrig war, wurde von einem kleinen Label aus St. Gallen in der Schweiz unter die Leute gebracht.

Ich bekam eine von hundert handbearbeiteten Platten ab, deren Vinylscheiben in grüngelber Farbe glitzern. Damit habe ich ein echtes Schmuckstück für die Sammlung, das ich dadurch entwertete, indem ich es mittlerweile x-mal anhörte. Was die Brasilianer und die Schweizer hier nämlich machen, ist ziemlich klasse.

Überyou, die es vor allem live ordentlich krachen lassen, gehen diesmal in eine Richtung, de manche Bands aus den USA schon vor Jahren eingeschlagen haben: Der rauhe Gesang ist geblieben, die Musik ist immer noch Punkrock, aber man pendelt leicht in eine Folk-Richtung, ist damit weg vom knalligen Hardcore. Dabei bleiben die zwei Stücke stets melodiös und schmissig – gelungen sind sie allemal.

Ebenfalls zu fünft sind Nunca Inferno, die aus dem Süden von Brasilien stammen und in portugiesischer Sprache singen. Ihr Hardcore-Punk ist ebenfalls melodisch, mit rauhem Gesang, die Stücke haben zudem einige gelungene Breaks. Textlich bleibt man eher gesellschaftskritisch, ohne Parolen zu brüllen; es geht eher um die eigene Rolle eines Individuums zwischen richtig und falsch. Nachdenklicher Punk also, ohne dass er weinerlich klänge.

Gute Split!


11 September 2015

Schreibsommer 2015

»An welchem Projekt arbeitest du denn gerade?«, wurde ich dieser Tage gefragt. Als ich dann damit anfing, lang und breit von meiner Arbeit im Büro zu erzählen, wurde mir erst so richtig bewusst, dass ich buchstäblich seit Monaten nicht mehr viel an eigenen Projekten gearbeitet habe. Ich jammerte bei diesem Gespräch reichlich herum, was mir hinterher peinlich war.

Stand der Dinge ist, dass ich in den Sommermonaten wenig gebacken bekam, was das Schreiben eigener Romane und Kurzgeschichten anging. Das Projekt, das ich in diesem Sommer abschließen wollte – nämlich die Sammlung von Punkrock-Kurzgeschichten –, wird sich jetzt schlagartig auf den Herbst 2015 verschieben. Mindestens ...

Parallel dazu komme ich immerhin regelmäßig dazu, meine Fortsetzungen für »Und: Hardcore!« zu liefern. Es ist geradezu befreiend, einen Abgabetermin zu haben, der einen dazu zwingt, regelmäßig eine Fortsetzung zu liefern. Sonst wäre ich mit dem dritten Teil meiner »Peter Pank«-Trilogie in diesem Sommer auch nicht weitergekommen. Aber bis es den Roman mal als fertiges Buch gibt, kann ich noch nicht sagen. Frühestens 2016 ...

Eigentlich bastle ich seit längerem an einem Projekt, das im weitesten Sinne »phantastisch« ist, also in einer völlig ausgedachten Welt spielt. An diesem Projekt habe ich allerdings seit Monaten nichts mehr gemacht; ich habe nicht mal den betreffenden Ordner auf meinem Computer geöffnet. Wenn ich es nicht schaffe, sollte ich mich nämlich auch nicht stressen.

Seien wir ehrlich: Als Gelegenheitsschriftsteller und Hobby-Autor habe ich im Sommer 2015 ziemlich versagt. Aus diesem Grund muss ich dann eben immer von den Projekten erzählen, die ich mit meinen Kollegen und »meiner« Raketenheftchenserie verwirkliche ...

10 September 2015

Angespannt bei der Arbeit

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Wer schon immer mal wissen wollte, wie ich aussehe, wenn ich konzentriert arbeite, sollte sich dieses Bild genauer anschauen. Es ist nicht brandneu, sondern wurde im Sommer 2011 aufgenommen – aber so sehr dürfte ich mich in den Jahren seitdem kaum verändert haben. Es zeigt mich an meinem Arbeitsplatz im Verlag.

Im Hintergrund erkennt man die Ordner mit Exposés und Romanen. Zwar liegt längst alles Gedruckte auch auf Datenträgern vor, trotzdem blättere ich immer wieder gern in den Bergen von Papier – ich habe dazu einen anderen Bezug.

So ordentlich wie auf dem Bild sieht mein Schreibtisch im Spätsommer 2015 leider nicht aus: Papierstapel liegen überall herum, das hat sich leider so ergeben. Ich habe aber die Hoffnung, irgendwann dieses Chaos in den Griff zu bekommen. Chaostage haben schließlich auf der Straße stattzufinden und nicht in einem Büro ...

09 September 2015

Piraten im Weltall

Dass ich ein Fan der »Mark Brandis«-Hörspiele bin, habe ich schon oft genug erzählt. Dieser Tage hörte ich die Folge 24, die den Titel »Blindflug zur Schlange« trägt und ziemlich knallig ist: viel Action, viel Gewalt, dazu eine Veränderung der bisherigen »Brandis«-Serie.

Die Veränderung kommt recht früh: Nach den Ereignissen im vorherigen Hörspiel ist die bürgerliche Existenz des Raumfahrers Mark Brandis massiv gestört. Als Raumschiffkommandant im Dienste der VEGA – so der Name seines Arbeitgebers – kann er nicht mehr tätig sein. Als sein alter Freund Grischa verschwindet, offensichtlich das Opfer
eines Piratenüberfalls, entschließt er sich, auf eigene Faust tätig zu werden.

Er nutzt alte Kontakte und geht auf eine gefährliche Reise. Im Asteroidengürtel, wo die Weltraumpiraten ihr Unwesen treiben, will er seinem Freund helfen. Dabei wird er entführt und misshandelt, es kommt zu Kämpfen und Auseinandersetzungen, es gibt Tote und Verletzte – eine Reihe schneller Action-Elemente.

Für die »Mark Brandis«-Hörspiele geht es dabei recht heftig zur Sache. Zwar sparte man noch nie an Schießereien und Todesopfern; diesmal wird der Held aber auch schwer geprügelt, wenn nicht sogar gefoltert. Das war nicht übertrieben und vor allem im Rahmen der Geschichte durchaus glaubhaft – ich fand nur, dass es eine andere Art von Geschichte war.

Andererseits passt es zum gewünschten Endergebnis: Am Ende von »Blindflug zur Schlange« macht Brandis seine eigene Firma auf. Künftig will er sein eigener Herr sein und sich darum kümmern, dass Schiffbrüchige im All gerettet werden ...

Wie immer ist das Hörspiel spannend umgesetzt: knallige Geräusche, pointierte Dialoge, schnell erzählt. Das macht das Team von Interplanar einfach gut. Kein Wunder, dass die »Mark Brandis«-Episoden bei Science-Fiction-Fans einen so guten Ruf genießen.

08 September 2015

Urmel und Löwen

Dass Max Kruse ein Autor war, den ich mir zu merken hatte, bekam ich relativ früh mit. Als Kind las ich den ersten Roman des Schriftstellers. Es war »Der Löwe ist los«.

Im Verlauf der Jahre nahm ich mir das Buch mehrfach vor, auch die Fortsetzungen las ich gern; ich liebte die skurrilen Figuren und die wunderbaren Abenteuer. Ich reiste mit dem Löwen auf einem fliegenden Teppich, ich kämpfte gegen die Blechbüchsenarmee, ich war stets im Bilde, was rings um meine Lieblingsfiguren geschah.

Vielleicht sollte ich jetzt nach über vierzig Jahren noch einmal versuchen, diese Kinderbücher voller Phantasie und Überraschungen zu lesen. Der Grund ist ein trauriger: Im Alter von 93 Jahren ist der Schriftsteller Max Kruse dieser Tage verstorben, und dadurch wurden er und seine Figuren in meiner Erinnerung wieder lebendig.

Selbstverständlich liebte ich auch »Urmel aus dem Eis« sowie seine Fortsetzungen. Davon las ich allerdings nicht so viel – die Löwe-Bücher fand ich viel toller. Max Kruse, dessen Name für ein Kind schön einprägsam war, wurde wohl zu meinem ersten Lieblingsautor.

Mir ist klar, dass die meisten seine Geschichten über die Augsburger Puppenkiste vermittelt bekamen. Da ich ohne Fernseher aufwuchs – oder zumindest weitestgehend –, sah ich meine erste Puppenkisten-Sendung mit über zwanzig und fand sie doof.

Für mich wird Max Kruse immer der Autor bleiben, dessen Geschichten in diesen papplaminierten Kinderbüchern gedruckt wurden. Ich liebte sie, und ich mochte seine vielen Ideen. Und diese schöne Erinnerung wird auf jeden Fall von ihm bleiben.

07 September 2015

Abwechslungsreiches Radio

Wie schon am vergangenen Sonntag, so hatte ich auch an diesem Sonntag, 6. September, ein kleines Problem damit, meine Radiosendung akkurat zu planen. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie spontan vorzubereiten und dann eben mit irgendwelchen CDs zu arbeiten, die ich bei mir im Büro aus dem Stapel gefischt hatte. Dafür gelang mir die Mixtur im Querfunk – dem Freien Radio in Karlsruhe – dann doch erstaunlich gut, fand ich.

So richtig bekannte Bands gab es eher selten, sieht man vom Hardcore-Gebretter von Sick Of It All ab. Ansonsten hatte ich aus den USA melodischen Punkrock von Dan Sartain oder Masked Intruder, aber auch von den bekannteren Bands Only Crime und Generators.

Aus England kamen Templeton Pek und Random Hand dazu; beides eher moderne Bands, die Punk im Jahr 2015 halt anders interpretieren, als man das auf der Insel noch 1977 oder 1985 machte. Ansonsten aber spielte ich viel Zeugs aus Deutschland.

Mit Die Alten ging's musikalisch in die späte Zeit der Neuen Deutschen Welle, während Monochrome noch ein wenig IndieRock mit Emo kreuzte. Deutschpunk lieferten Raptus aus Köln und Captain Capgras aus Darmstadt, englischsprachiges Zeugs kam von Your Inner Durden oder Bouncing B.C.; mit Fluten aus Flensburg und Heißkalt aus Stuttgart kamen auch die Freunde des deutschsprachigen Emo auf ihre Kosten.

Ganef überzeugt

Er hat eine interessante Stimme, er spielt Gitarre und singt mit einem originellen Akzent. Und er nennt sich Ganef – den Begriff kannte ich vorher nicht, aber er stammt aus dem Jiddischen und bedeutet so viel wie »Gauner«. Gemeint ist ein Liedermacher, dessen CD »Straßenköter« ich dieser Tage zum ersten Mal gehört habe.

Ich gestehe: Am Anfang kam ich nicht in den Sound rein, dann flog die CD wieder aus der Anlage. Es dauerte Monate, bis ich es wieder versuchte, und dann klappte alles. Ich hörte den Liedern zu und fand sie – echt! – von Stück zu Stück besser. Vielleicht, weil ich mich stärker auf den eigenständigen Kosmos des Musikers und Dichters einlassen konnte.

Der Mann wurde in Odessa geboren, wo er auch aufwuchs, und zog im Jahr 1993 nach Deutschland. Er ist also russisch-jüdischer Herkunft, was er in manchen Stücken auch verdeutlicht. Selbstbewusst singt er in einem Stück beispielsweise »Ich bin ein Jude«, wobei er den Stolz auf sein Jüdischsein mit einiger Ironie verbindet.

Generell sind die Texte oftmals ironisch, vor allem mit einem gewissen Augenzwinkern gegenüber seiner »bescheidenen Person«, wie Ganef einmal singt. Dazwischen gibt es übrigens auch Lieder, die aus der Sicht von Kriminellen erzählt werden – Balladen gewissermaßen, die bewusst von den Rändern der Gesellschaft handeln.

Bei den Reimen kommt es dem Sänger nicht darauf an, dass diese »sauber« sind. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, machte mir dann aber immer mehr Spaß. Der Mann hat eine gewisse Sprachkunst, die mich in ihren Bann zog.

Und die Musik? Meist klimpert die Gitarre, gelegentlich kommen andere Instrumente dazu, etwa ein Klavier, mal klingt es nach klassischem Liedermacher, dann wieder wird geswingt und gejazzt – das alles ist abwechslungsreich und unterhaltsam gleichermaßen.

Langer Rede kurzer Sinn: Das ist eine echt coole CD, die mir von Mal zu Mal besser gefallen hat. Das sollten die anchecken, die mal gern über den Tellerrand gucken oder sich an originellen Reimen erfreuen können!

06 September 2015

Halbtag in Stuttgart

Es gab eine Phase in meinem Leben – eigentlich waren es zwei, aber das ist heute egal –, in denen Stuttgart für mich sehr wichtig war. Vor allem in den 80er-Jahren besuchte ich die Stadt oft: lungerte anfangs der 80er-Jahre im »Exil« oder im »Soho« herum, ging am Ende der 80er-Jahre sehr oft in die »Röhre« oder ins »Casino«. Als ich anfangs der 90er-Jahre den beschaulichen Schwarzwald verließ, um nach Karlsruhe zu ziehen, veränderten sich meine Bezugspunkte.

Unlängst war ich seit langem mal wieder in Stuttgart. Weil ich aus verschiedenen Gründen sehr viel Zeit hatte, bummelte ich einige Zeit durch die Innenstadt: die Königstraße hoch und runter, durch die Calwer Passage – die mich 1981 noch in maßloses Staunen versetzt hatte – und über den Rotebühlplatz, in die »Markthalle« und ein wenig durch den Schlossgarten. Das Stuttgart von heute bekam ich nicht mehr zusammen mit dem Stuttgart meiner Erinnerungen.

Die Stadt ist glitzerig geworden. Früher gab es auch in der Innenstadt viele schmuddelige Ecken, wo man ärmere Leute antreffen konnte, wo sich unsereins mit einer Dose Bier hinsetzte, ohne angestresst zu werden. Heute wirkt alles neu und modern und schick.

Auf den Straßen sah ich zumeist ordentlich aussehende Menschen, gepflegt und wohlhabend, im Einkaufswahn oder eher locker. Sie strömten in Massen durch die Einkaufsstraßen, sie wirkten alle unaufhörlich in Bewegung. Auf einmal kam mir Karlsruhe so richtig provinziell und kleinstädtisch vor; Stuttgart hat sich irgendwie zu einer Metropole gewandelt, in der ich keine Punks oder arme Leute wahrnehmen konnte.

Schön war allerdings eines: Es gibt wieder Skater in der Innenstadt. Junge Männer fegten mit ihren Brettern über einen Platz hinter dem Königsbau; sie übten, und sie filmten sich dabei. Sie wirkten fröhlich und engagiert zugleich, und sie waren ein wenig zersaust. Darüber freute ich mich im aufgeräumten, schicken Stuttgart dann doch am meisten.

05 September 2015

An den Rändern des Hardcore

In den 90er-Jahren zählten Refused zu den wichtigsten Hardcore-Bands aus Schweden: der wuchtige Sound zwischen Emocore, klassischem Hardcore und Metal machten die Band ebenso bekannt wie die knallige Show. Der kommerzielle Erfolg stellte sich ein, aber dann löste sich die Band auf.

Wie sehr die Band aber an den Rändern des Hardcore herumspielt, beweist die kleine CD »The New Noise Theology« von 1998. Auf der CD sind vier Stücke enthalten, die meilenweit vom klassischen Punk entfernt sind und auch mit Hardcore nur noch vom Ausgangspunkt her zu tun haben. Die vier Stücke pendeln zwischen Emocore-Gebratze und Elektro-Geplunker, dazwischen gibt es Metal-Einsprengstel und den eindrucksvollen Gesang, der zwischen Gebrüll und echtem Singen wechselt.

Das musikalische Spektrum, das die Band bei diesen vier Stücken liefert, ist beeindruckend und fasziniert mich heute noch; die vier Stücke sind ein großartiger Soundtrack für eine Autofahrt, wenn's mal ein wenig schneller sein darf ...

04 September 2015

Aus für die »Mystery Press«

Das finde ich extrem schade: Nach insgesamt 47 Ausgaben streicht die »Mystery Press« ihre Segel. Das »exklusive Magazin für Zaubermond-Fans«, das ich stets sehr gern gelesen habe, stellt sein Erscheinen ein. Die Gründe liegen auf der Hand – ein solches Magazin kostet richtig Geld, und die meisten Informationen lassen sich preisgünstiger ins Internet stellen.

Die aktuelle Ausgabe vom September 2015 zeigt trotzdem, warum ich das Magazin so gern gelesen habe. Auf zwölf farbigen A4-Seiten gibt es in erster Linie Informationen aus dem Programm des Verlages; dabei wird die Heftromanserie, für die ich inhaltlich verantwortlich bin, ordentlich bedacht, beispielsweise in Form eines Interviews mit dem Hörspielsprecher Santiago Ziesmer.

Frühere Ausgaben präsentierten Serien, die ich nicht so mochte: »Tony Ballard« fand ich immer grausig, aber ich las gern Hintergrundgeschichten zu dieser Gruselromanserie. Science Fiction in der Art der »Sternenfaust« mochte ich eher, weshalb ich die Beiträge dazu noch lieber schmökerte.

Der Zaubermond-Verlag hat sich in den Jahren seit Erscheinen der ersten »Mystery Press« gründlich verändert. Es ist nachvollziehbar und richtig, dass dann auch so ein Magazin verändert werden muss. Oder eben eingestellt. Ein wenig traurig finde ich es trotzdem ...

03 September 2015

Heiter Bis Wolkig und Die Roten Ratten

Warum ich die CD »Auferstanden aus Ruinen« so lange nicht angehört habe, weiß ich gar nicht: Sie kam 2007 heraus, sie lag lange Zeit bei mir im Stapel, und jetzt schnappte ich sie mir endlich. Um es kurz zu machen: Ich hätte sie auch im Stapel lassen können.

Die Band Heiter Bis Wolkig hatte in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren eine gewisse Popularität mit ihren Auftritten zwischen Comedy und Deutschpunk. Irgendwann löste sich die Band auf, irgendwann trat sie als Rote Ratten auf, und auf der vorliegenden Band sind quasi beide Kapellen drauf.

Wenn die CD gut ist, bringt sie ordentlich rockigen Deutschpunk, wenn sie schlecht ist, bringt sie blödelnde Lieder, die mir die Schuhe ausziehen: Wen interessiert beispielsweise, dass der Ich-Erzähler Holland wie die Pest hasst, wenn es um Fußball geht? Musikalisch kann man sich etwa die Hälfte der Stücke anhören, textlich ist es durchschnittlicher Deutschpunk mit schwerem Rock-Einschlag.

Ach ... ich glaube, es ist besser, ich lege die CD wieder in den Stapel, aus dem ich sie gefischt habe. Derzeit kann ich mir nicht vorstellen, sie in absehbarer Zeit wieder anzuhören.

Ich mache Radio

Nicht nur einmal in den vergangenen Jahren habe ich mir überlegt, meinen »Job« beim Querfunk niederzulegen. Seit 1995 mache ich Radio – und manchmal war die Lust einfach eher gering, eine neue Sendung in den Äther zu pusten. Derzeit ist meine Lust wieder ein wenig gestiegen, weshalb ich mich darüber freue, für diesen Sonntag eine Sendung vorbereiten zu können.

Am Sonntag, 6. September 2015, steige ich wieder in den Ring; die Sendung muss noch vorbereitet und zusammengestellt werden. Es gibt wohl ein »aus dem Gemüsegarten«, sprich, ich schaffe es nicht, einen vernünftigen Schwerpunkt zu planen. Aber die Musik wird hoffentlich trotzdem gut sein.

Derzeit träume ich geradezu davon, endlich eine Sendung mit Schwerpunkt »Amerikanische Punk-Bands und ihre Singles, die keine Auflage von über 500 Exemplaren erreichten« zu machen. Oder mal wieder »Krachmusik aus Singapur«. Aber da immer wieder etwas dazwischen kommt, wird es wohl noch eine Weile dauern.

Also sollten sich die Menschen, die Lust darauf haben, Punkrock und Hardcore und Artverwandtes zu hören, am Sonntag, 6. September 2015, um 22 Uhr vor ihrem Radio versammeln und den Querfunk anwählen. Das Radio darf auch gern ein Computer sein – die Sendung ist schließlich per Live-Stream zu hören.

02 September 2015

Punkrock-Gemüsegarten

Weil ich keine Chance hatte, eine »vernünftige« Sendung zusammenzustellen, wurde es am Sonntag, 30. August 2015, eine sehr spontan organisierte, aber dennoch recht abwechslungsreiche Radiosendung. Im Querfunk, dem Freien Radio in Karlsruhe, lief eine Ausgabe des ENPUNKT-Radios, die nach meinen Begriffen nicht gerade brillant war, aber viele gute Musikstücke lieferte.

Ich arbeitete mit CDs des OX-Fanzines sowie anderen Sampler-CDs, die sich an meinem Arbeitsplatz befanden. Dadurch hatte ich dann doch eine schöne Auswahl, wenngleich ich damit jede Band nur mit einem Stück vorstellen konnte. Das schadete in diesem Fall gar nicht ...

Bekanntere Bands waren Rantanplan aus Hamburg mit ihrem Ska-Punk oder Disaster Area, deren Skate-Punk aus Berlin mich in den späten 80er-Jahren begeisterte. Dee Andern aus Aschaffenburg fahren ein wenig zu sehr auf der Tote-Hosen-Welle, als dass sie mich komplet begeistern könnten, während die Smoking Guns aus Usedom eher mit Streetpunk und englischen Texten aufwarten können. Deutschpunk mit knalliger Hardrock- bis Metal-Kante stammte dann von Anfall aus Hannover und Dritte Wahl aus Rostock.

Bei den amerikanischen Bands wollte ich es ebenfalls krachen lassen: Liberteer mit wüstem Grindcore, Anti-Flag mit hymnischem Polit-Punk, Green Day und Bad Religion jeweils mit politisch-melodischen Stücken. Und dann noch die Derita Sisters aus Santa Barbara, die ich schon immer gern spiele.

Damit's nicht zu »schunkelig« wurde, pfefferte ich ein wenig Elektro-Zeugs rein. Die Türen aus Berlin fand ich live schon klasse, die mag ich auch auf Platte. Manual Kant aus Landshut in Bayern hingegen haben nicht nur einen tollen Namen, sondern machen einen schönen Indie-Sound mit einem Schuss Elektro und Punk.

Langer Rede kurzer Sinn: viel Abwechslung, wie ich finde – und das trotz der durchaus kritischen Bedingungen.

01 September 2015

Schlosslichtspiele zum wiederholten Mal

Es war ein wunderbarer Sommerabend; in Karlsruhe herrschten zum wiederholten Mal in diesem Sommer 2015 Temperaturen, die man eher am Mittelmeer oder in sonstigen Urlaubsgebieten erwartet. Wir fuhren – sehr gemütlich wegen der Hitze – nach Einbruch der Dunkelheit in die Fußgängerzone, stellten die Räder ab, bewaffneten uns mit einem leckeren Eis vom »Casal« und bummelten zum Schloss.

Ich schätzte, dass ich in diesem Jahr zum sechsten Mal die Schlosslichtspiele anschaute. Nach wie vor faszinierte mich dieses Kunstereignis, das die Innenstadt verzauberte. Wie mir ging es vielen anderen; wieder bevölkerten Tausende von Menschen den Bereich vor dem Schloss, teilweise mit Stühlen, Decken, Kühlboxen und anderem ausgestattet.

Ganz neu für mich war die Show »Reverb« eines ungarischen Künstlers. Ungarische Künstler hatten bereits die bisher beste Show am Schloss gestaltet, die mich schon bei der Eröffnung begeistert hatte. Auch jetzt zog mich die abstrakte »Verwandlung« des Schlosses in seinen Bann: Das Gebäude verwandelte sich vor meinen Augen, es flackerte und splitterte sich gewissermaßen auf. Beeindruckend zudem die Musik – da mochte ich dann elektronische Klänge.

Eher verspielt war die Show danach. »Flick_KA« setzte Bürger der Stadt selbst in Szene. Die Fassade des ehrwürdigen Schlosses wurde zu einer phantastischen Bildergalerie, bei der die Bürger selbst die Stars war. Ich verkniff mir, mich selbst mit einem Bild zu beteiligen – das ist auf jeden Fall eine schöne Idee.

Weniger schön, aber durchaus eindrucksvoll fand ich »Epilog« des Künstlers Holger Fötterer. Das überraschte mich, denn die Projektion war interaktiv: Während wir zuschauten, wurde das Bild jeweils neu berechnet und verwandelte sich vor unseren Augen. Das Schloss alterte, Efeu wucherte an den Fassaden hoch, Fenster zerbrachen, Bäume wuchsen, die Fassade wurde schmuddelig – so verstrichen 300 Jahre in die Zukunft.

Den Abschluss des Abends, bei dem ich wieder einmal beeindruckt war, bildete ein kühles Glas Weißwein auf dem Balkon. Der Vollmond, der groß und mächtig wirkte, sorgte für eine Hintergrundbeleuchtung, die zum stimmungsvollen Ausklang des Monats August passte.