17 Februar 2025

Schräge Biber im Schnee

Das »Bambi« ist der kleineste Saal in der »Schauburg«, dem schönen alten Kino in Karlsruhe. Dort laufen eigentlich die Filme, bei denen die Veranstalter vermuten, dass nicht viele Besucher kommen. Als ich an diesem Abend zu einer Vorstellung dort war, empfand ich’s als brechend voll. Wenn ich es richtig sah, war jeder Platz belegt, sogar die erste Reihe komplett gefüllt.

Gezeigt wurde »Hundreds Of Beavers«. Um es vorwegzunehmen: Ich hatte am Ende fast einen Krampf in der Gesichtsmuskulatur, weil ich so oft hatte lachen müssen. Der Film war sicher der witzigste und gleichzeitig bescheuertste Streifen, den ich seit Jahren gesehen hatte. Es ist ein Schwarzweißfilm, der ohne jeglichen Dialog auskommt und mit einem minimalen Budget von 150.000 Dollar gedreht worden ist.

Die haarsträubende Geschichte: Ein Mann versucht sich im tiefsten Winter als Trapper, und er will vor allem Biber jagen. Dabei geht alles schief. Er versagt auch bei der Jagd auf Waschbären und Hasen; doch langsam wird er besser. Am Ende muss er aber in die Stadt der Biber vordringen, um dort die von ihm erjagten Felle zurückzuholen.

Das klingt recht normal, ist aber unfassbar blöd – im positiven Sinn. Es geht damit los, dass die Tiere durch Menschen in albernen Kostümen dargestellt werden; so wird ein Pferd sogar von zwei Leuten verkörpert. Biber und Waschbären, Wölfe und Hasen – sie alle sehen albern und zum Schreien komisch aus.

Der Film vermengt ganz nebenbei alles, was dem verwirrten Hirn der Macher entsprungen ist: Es gibt eine zünftige Schlägerei im Wirtshaus, es gibt haarsträubende Verfolgungsjagden, es gibt Sequenzen, die eher an ein »Jump and Run«-Spiel erinnern und auch dank der Zeichentrick-Sequenzen so aussehen. Wer mag, kann den Film übrigens als Fantasy betrachten: Die Stadt der Biber mit all ihren Maschinen und dem Sägewerk geht zumindest in die Richtung.

Seien wir ehrlich: Der Film wirkt sicher noch stärker, wenn man ihn sich betrunken anguckt. Ich saß nüchtern im Saal, das war zeitweise anstrengend. Aber ich bin sicher, dass ich »Hundreds Of Beavers« so schnell nicht vergessen werde. Der Streifen lohnt sich!

14 Februar 2025

Skurrile Drohung

Die Phishing-Mails werden auch immer absurder. Diese Woche erhielt ich ein Schreiben, in dem mir »Zwangsgeld« angedroht wurde, das ich sofort zu zahlen hätte. Die Summe, die man in den Raum stellte, war ordentlich: 500.000 Euro – das ist eine Stange Geld, die ich nicht einfach so daheim herumliegen habe …

Der Grund: Ich hätte »unerlaubte Werbung« verschickt, zum wiederholten Mal. Und würde ich nicht gleich bezahlen, würden 25 Prozent Zinsen pro Tag fällig. Das Beste bei allem: Sollte ich nicht innerhalb von 24 Stunden tätig werden, würde das BKA tätig.

Wie immer frage ich: Gibt es wirklich Menschen, die auf so etwas hereinfallen und sich von solchen Aussagen verschrecken lassen? Wie verhalten die sich dann? Die halbe Million hat schließlich kein normaler Mensch daheim herumliegen. Skuril ...

13 Februar 2025

Eine Nacht im Victoria Guest Hotel

Bei meiner Reise durch Kamerun kam ich auch nach Limbe. Die kleine Küstenstadt liegt in der englischsprachigen Region des Landes. Trotz des Windes, der vom Meer her blies, empfand ich die Stadt als schwülwarm; bei jedem Schritt trieb es mir den Schweiß aus den Poren.

Ich übernachtete im Victoria Guest Hotel Limbe, wo ich ein schönes Zimmer bekam. Geplant hatte ich anfangs, vielleicht länger als nur eine Nacht zu bleiben – dann aber brach ein tropisches Unwetter über die Stadt herein. Der Regen drückte durch die geschlossenen Fenster, meine Klamotten und Bücher waren am nächsten Morgen nass. Im Gemeinschaftsraum des kleinen Hotels stand das Wasser; das Personal wirkte völlig überfordert.

Das Angebot des freundlichen Managers, der mich nach Douala mitnehmen konnte, weil er ohnehin dorthin fuhr, fand ich gut, und das nahm ich gern an. So blieb es bei einem halben Tag, einer Nacht und noch einmal einem halben Tag in einer kleinen Stadt am Meer und in einem kleinen Hotel, an das ich mich vor allem wegen des Unwetters erinnere ...

12 Februar 2025

Die Briefwahl steht an

In früheren Jahren war meine Ablehnung der allgemein bekannten Parteien so stark, dass ich zwar zur Bundes- oder Landtagswahl ging, dort aber bewusst ungültig wählte. In diesem Jahr ist das keine Alternative: Ich muss mein Kreuzchen setzen, weil jede Stimme zählt. Und ich will nicht, dass die AfD noch mehr Sitze im Parlament bekommt.

Nur weiß ich in diesem Jahr wieder nicht, wen ich wählen soll. Die Briefwahlunterlagen habe ich schon angesehen, ich bin aber völlig unschlüssig. Klar ist, wen ich nicht wählen werde – aber das ist immer einfach.

Parteien, die im rechtsextremen Spektrum unterwegs sind, brauche ich erst gar nicht in Erwägung zu ziehen. Parteien, deren Mitglieder bereit sind, mit den Rechtsradikalen zu stimmen und zu paktieren, kommen auch nicht in Frage. So ein Standpunkt ist nicht diskutabel.

SPD und Grüne ereiferten sich zuletzt darin, Abschiebungen zu fordern und die Grenzen gegen Migranten abzusichern. Die echten Probleme des Landes wurden von ihnen kaum thematisiert; es geht ständig um Migration und Sicherheit. Damit fallen diese Parteien auch auf die rechtsradikale Argumentation rein und machen sie sich zu eigen.

Und die Linke? Zwar haben sich die völlig bescheuerten Gruppierungen abgetrennt und einen eigenen Verein gegründet. Das unklare Verhältnis zum russischen Angriffskrieg und zu Israel macht es mir aber unmöglich, diese Partei zu wählen.

Was bleibt, ist erneut eine große Ratlosigkeit. Gruppierungen wie Volt oder die PARTEI sind keine echte Alternative. Ungültig zu wählen wäre also richtig – aber das will ich gar nicht.

Auf mich kommt also weiterhin das Grübeln zu. Und wenn ich mein Kreuz setze, wird man mein Zähneknirschen weit hören. (Wie weit muss man sich als Wähler eigentlich verbiegen, um eine Partei zu wählen, die man verärgert als das »kleine Übel« betrachtet?)

Sehr kurze Tiergeschichten

Bekannt geworden ist der italienische Autor Andrea Camilleri vor allem durch seine Romane um den Commissario Montalbano. Sie verkaufen sich in vielen Ländern erfolgreich, sie wurden mehrfach verfilmt. Daneben schrieb der 2019 verstorbene Schriftsteller aber auch Kurzgeschichten und Romane, die alle möglichen Genres abdecken. Zuletzt las ich von ihm »Rendezvous mit Tieren«, eine Sammlung von Kurzgeschichten.

Es sind lockere Geschichten, die der Autor in einem plaudernden Ton erzählt. Sie spielen in seinem Landhaus in der Toskana, in einem Zoo oder in einem privaten Gelände. Sie handeln von Katzen, von einer Tigerdame, von Papageien und Hunden. Sie erzählen von Tieren, die im Haus des Schriftstellers leben, und von Tieren, die er anderswo antrifft.

Die Geschichten sind vor allem sehr menschlich. Camilleri zeigt die Beziehungen zwischen den Tieren und den Menschen in einer sehr angenehmen Art. Wie integriert sich eine Schlange in einen Haushalt? Wie kann eine schwächliche Katze zum Mittelpunkt einer Familie werden? Und wie begrüßt eine Tigerdame im Zoo einen neugierigen Besucher?

Zu den Geschichten gibt es nette Illustrationen, so dass der Eindruck eines unterhaltsamen Lesebuches entsteht. Machen wir uns nichts vor: Das ist ein Buch für Fans. Wer Camilleri noch nicht so gut kennt, wird es vielleicht lahm finden.

Ich mochte es sehr – und wer nach einem Kontrastprogramm für die Montalbano-Krimis sucht, wird mit schönen Kurzgeschichten belohnt, die sich immer mal wieder angenehm lesen lassen.

11 Februar 2025

Was für ein großartiger Krach!

Das »Genre« der Punkrock-Romane ist in deutscher Sprache sehr klein. Ich muss das wissen, schließlich dilettiere ich ja mit meinen »Peter Pank«-Geschichten auch in diesem Bereich. Derzeit lese ich den definitiv besten Punkrock-Roman, den ich jemals gelesen habe (inklusive meiner eigenen natürlich!): Es ist »Krach« von Tijan Sila.

Der Roman ist rasant geschrieben, verbindet glasklare Beschreibungen von Punk-Konzerten und Schlägereien mit grandiosen Dialogen und allerlei Einsprengseln: das Leben in den 90er-Jahren in einer Kleinstadt in der Pfalz, die Herkunft aus einer bosnischen Flüchtlingsfamilie und – nicht zu vergessen – die unglückliche Liebe in der Jugend.

Wenn ich mit »Krach« fertig bin, schreibe ich dazu sicher eine Rezension. Hier und jetzt geht’s nur darum, meine Zwischendurch-Begeisterung zu artikulieren. Ein echter Punkrock-Kracher, großartig!

(Dass der Autor mittlerweile zu literarischen Ehren gekommen ist, macht mich ja ein bisschen misstrauisch. Aber »Krach« ist trotzdem super.)

Die Nez Percé im Comic

Zu den vielen schrecklichen Geschichten, die man über die »Eroberung« des sogenannten Wilden Westens erzählen kann, zählt der Untergang der Nez Percé. Dieses kleine Volk amerikanischer Ureinwohner zählte gerade mal 800 Leute, davon waren rund 300 Krieger. Ihr letzter Kampf ist in einem packenden Comic-Band nachzulesen, der im Splitter-Verlag erschienen ist und der den Titel »Chef Joseph« trägt.

Mit der Reihe »Die wahre Geschichte des Wilden Westens« präsentieren französische Comic-Schaffende ihre Sicht klassischer Wildwest-Geschichten. Dabei halten sie sich vordergründig an historische Fakten; ich bin mir aber sicher, dass vor allem an den Storys über schießwütige Revolverhelden viel auszusetzen wäre.

Bei diesem Comic dürfte es da weniger Abweichungen zur historischen Korrektheit geben; die Geschichte an sich ist ja bekannt und wird nur ein wenig dramatisiert. Wobei die Hauptfigur gar nicht so sehr im Vordergrund steht: Chief Joseph ist zwar der Anführer der Nez Percé, aber er ist nicht die zentrale Figur des Comics.

Soldaten und Siedler sowie einzelne Stammeskrieger stehen im Vordergrund, und aus ihrer Sicht werden die entbehrungsreiche Flucht der Nez Percé, ihre Kämpfe und die verzweifelte Niederlage klar geschildert. Das ist nicht rasend spannend, schließlich weiß jeder, wie das Ganze ausgeht, aber gut gemacht. Und es packt einen bei der Lektüre.

Francois Corteggiani als erfahrener Western-Autor kennt sich mit den Gegebenheiten der Zeit aus; seine Darstellung der Nez Percé sowie der Soldaten und Siedler wirkt glaubhaft. Die Bilder von Gabriel Andrade ergänzen das hervorragend.

So entsteht unterm Strich ein sehr gelungener Western-Comic – empfehlenswert!

10 Februar 2025

Science Fiction aus Südkorea

»Unser Planet dreht sich um das Zentrum der Galaxis.« Das ist ein Satz aus der Geschichte »Die Sterne leuchten am Erdenhimmel« der Autorin Kim Bo-Young. Ein anderer lautet: »Der Himmel der Erde ist dunkel.« Damit schafft sie es, eine ganze Science-Fiction-Welt zu entwickeln, eine Realität, die sich von der unseren unterscheidet.

Und das ist wohl auch der Kern der Anthologie »Die Sterne leuchten am Erdenhimmel«, die im kleinen aber feinen Memoranda-Verlag erschienen ist. Südkorea ist für die meisten Menschen in deutschsprachigen Raum weit entfernt; man kennt die Produkte aus diesem Land, mag vielleicht sogar die typische Popmusik, weiß aber über die Literatur nicht viel. Die Perspektive vieler Menschen ist eher auf die USA ausgerichtet, auch die der Science-Fiction-Fans – da finde ich es gut, wenn einem die Perspektive aus Südkorea angeboten wird.

Herausgegeben wurde das Buch von Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann und Jaewon Nielbock-Yoon; die Autorinnen und Autoren waren mir zuvor allesamt unbekannt. Es handelt sich bei diesem Buch nicht um eine Übernahme aus dem Koreanischen, sondern um eine Original-Zusammenstellung. Die sieben Geschichten sind sehr vielseitig und lassen sich kaum in eine Schublade packen. Originelle Science Fiction bieten sie alle.

So erzählt eine Story von einer letzten Botschaft, die für die Menschen auf der Erde verfasst, aber dann nicht in den Boden des Mondes geritzt wird, sondern verloren geht. Oder eine andere zeigt einen Menschen, in dem gleich mehrere Bewusstseine leben, von denen aber nur eines eine Chance haben wird. Ein Außerirdischer namens Sisff steht in Kontakt zu den Menschen, und natürlich verläuft die Kommunikation nicht gerade optimal.

Alles lässt sich sehr gut lesen, die Geschichten sind durch die Bank gelungen, wenngleich natürlich nicht alle Geschmäcker bedient werden können. Es lohnt sich, diese Anthologie zu lesen, nicht nur wegen des »Exotenbonus« – ich empfehle sie den Menschen, die gern über den Tellerrand gucken und Science Fiction mögen.

Erschienen ist die Anthologie als Paperback mit Klappbroschur; es umfasst 204 Seiten und kostet 22,00 Euro. (Es gibt auch eine E-Book-Version für 12,99 Euro.)

(Die Rezension wurde im Januar 2025 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Hier teile ich sie aus dokumentarischen Gründen ebenfalls.) 

07 Februar 2025

Die Grundlage des Lebens in einem Magazin

Jeder Mensch weiß, dass Wasser die wichtigste Grundlage für alles Leben auf dieser Erde ist. Oder muss man sagen, jeder Mensch wisse es theoretisch? Zumindest könnte man auf diesen Gedanken kommen, sieht man sich an, wie Wasser verschwendet und verschmutzt wird. Der »Wasseratlas 2025« stellt dar, wie es derzeit um diese Ressource bestellt ist.

Der »Wasseratlas 2025« ist als Heft im A4-Format erschienen. Herausgegeben wurde er von der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem BUND.

Auf den 60 Seiten werden einzelne Themen – meist auf einer Doppelseite – mit Schaubildern und klaren Zahlen, Daten und Fakten präsentiert. Das ist aufschlussreich, wirkt extrem seriös und sauber recherchiert und ist so gehalten, dass man das Heft nicht am Stück lesen kann, sondern immer wieder einen einzelnen Beitrag durcharbeitet.

Manche Artikel stellen die Rolle der Industrie dar, andere zeigen die Veränderungen der Wasserwirtschaft. Verschiedene Weltregionen werden ebenso beleuchtet wie unterschiedliche Wirtschaftsbereiche. Der Situation in Deutchland gilt ein besonderes Augenmerk: Wo wird besonders viel Nitrat ins Wasser geleitet, oder welche Gebiete sind von möglichen Überschwemmungen betroffen?

Das Heft ersetzt sicher kein Grundlagenstudium. Für einen interessierten Laien wie mich ist es eine interessante Quelle an Informationen, die man zum Nachschlagen einsetzen kann. Lohnenswerte Lektüre!

06 Februar 2025

Der BuchmesseCon 1989 im Blick

Spricht man heute mit Menschen, die sich für Science Fiction oder Fantasy interessieren, über den BuchmesseCon, ist die Resonanz meist sehr positiv: Die Veranstaltung im Bürgerhaus in Dreieich wird zu Recht als eine der wichtigsten Treffpunkte für die Szene genannt; hier kommen viele Menschen zusammen, die sich für das Genre und seine Nebengebiete interessieren, hier präsentieren sich vor allem die kleinen Verlage.

Schaut man in die Vergangenheit, sieht man, dass der Con anfangs ganz anders ausgelegt war. Das belegt die Werbung für den vierten BuchmesseConvent, wie man das damals noch nannte.

Der Con wurde damals in einem katholischen Gemeindehaus veranstaltet, und er richtete sich vor allem an die Fans von Romanheften. Veranstaltet wurde er von Menschen, die vor allem aus dem »Grusel-Fandom« kamen; der Begriff »Gruselromane« wurde nicht abschätzig benutzt.

Für die Grafik, die man 1989 als Werbebild verwendete, zeichnete Werner Kurt Giesa verantwortlich. Der Autor war zu jener Zeit in der Szene sehr beliebt, hatte seine fannischen Wurzeln aber nie vergessen. Bei solchen Veranstaltungen war er stets sehr gern zu Gast, und so war er auch bereit, eine Illustration zu liefern.

Um es klar zu sagen: Ein Treffpunkt der Phantastik-Szene war der BuchmesseCon damals schon. Er war kleiner, er war »intimer«, und er war heftromaniger. In den späten 80er-Jahren wurde der Grundstein für eine Veranstaltungsreihe gelegt, die auch heute ihren fannischen Charakter – was ich hier positiv meine – nie verloren hat.

05 Februar 2025

Großartiges Sachbuch zur Literatur

Wer gerne liest, interessiert sich häufig auch für die Hintergründe zur Literatur und ihrer Geschichte. Dafür gibt es seit einiger Zeit ein Sachbuch, das ich allen Menschen empfehlen möchte, die Bücher mögen – ob diese nun gedruckt sind oder als E-Book angeboten werden, ist dabei fast gleichgültig. Gemeint ist das Sachbuch »Papyrus« der spanischen Wissenschaftlerin Irene Vallejo, das als Hardcover im Diogenes-Verlag vorliegt und sich spannender liest als so mancher Krimi.

Das liegt an der Art und Weise, wie die Autorin historische Details und Ereignisse miteinander verbindet. So etwas habe ich in dieser Form und Meisterschaft bisher nicht gelesen; ich war bei der Lektüre echt begeistert. Und das Gute daran: Man muss das Buch nicht am Stück lesen, man kann sich immer wieder Pausen erlauben – aber man kann es ebenso in einem Stück durchschmökern, weil es so spannend und mitreißend ist.

Und worum geht es denn eigentlich? Die Autorin spannt einen riesigen Bogen von der erzählenden Literatur eines Homer über die großen Bibliotheken – Alexandria ist immer wieder ein wichtiges Thema – bis hin zur heutigen Buchkultur. Sie vermittelt wunderbare Einblicke in die Gesellschaften der Griechen und Römer, aber auch der heutigen Zeit. Sie springt durch die Zeiten, sie beleuchtet die unterschiedlichsten Aspekte der europäischen Kulturen, und sie zeigt Entwicklungen, die vor 5000 Jahren begannen und heute noch gültig sind.

Sie gibt zudem zahlreiche Tipps für Sachbücher und klassische Romane aus allen Bereichen der Weltliteratur. Sehr interessant!

»Papyrus« ist eine Liebeserklärung an die Literatur, die in Form eines Sachbuches daherkommt. Das 700 Seiten starke Sachbuch ist durchgehend unterhaltsam und informativ. Ich kann es nur empfehlen, es ist eine echte Freude, diesen dicken Klopper zu lesen.

(Erschienen ist das Buch als Hardcover bei Diogenes. Es gibt aber auch eine E-Book-Version.)

04 Februar 2025

Es geht in die Schweinebucht

Zu den großen Comic-Reihen der frankobelgischen Kultur gehören »Spirou und Fantasio«; hierzulande werden die Alben bei Carlsen veröffentlicht. In der Sonderreihe »Spirou & Fantasio Spezial« bietet man darüber hinaus Geschichten an, die auch als Experimente dienen können. Ein typisches Beispiel hierfür ist Band 43, der den Titel »Die Schweinebucht« trägt.

Die Handlung spielt in den 60er-Jahren und greift ein historisches Thema auf: In Kuba hat die Revolution gesiegt, es regieren Fidel Castro und Che Guevara, man plant den Sozialismus. Das wollen die Amerikaner nicht auf sich sitzen lassen. Man will die neue Regierung mithilfe von Exilkubanern stürzen und lässt Soldaten landen. Doch in der sogenannten Schweinebucht erleiden die Amerikaner und ihre Verbündeten eine hässliche Niederlage.

Die historischen Eckpunkte werden in diesem Comic aufgegriffen und – anders ginge es ja nicht – stark verändert. Wie Spirou und Fantasio sowie die junge Reporterin Steffani nach Kuba kommen, wird durchaus witzig erzählt. Fantasio, der gerne große Sprüche klopft, richtet immer wieder ein Chaos an; Steffani wird von Che Guevara angebaggert – das alles ist hübsch in Szene gesetzt.

Christophe Lemoine, Elric Dufau und Michael Baril haben bei »Die Schweinebucht« eigentlich nicht so viel falsch gemacht. Die Geschichte wird temporeich erzählt und entspricht zeichnerisch dem Niveau, das man von einer neuen »Spirou«-Geschichte erwarten kann. Da kann ich beim besten Willen nicht meckern, das ist alles stimmig.

Trotzdem war ich nicht zufrieden mit diesem Comic. Vielleicht lag’s daran, dass mir Castro und Guevara zu albern dargestellt wurden, vielleicht auch daran, dass die blutige Invasion in der Schweinebucht zu einem Kasperletheater wird – das war mir doch zu albern.

Aber klar: Unterhaltsam ist das Ganze, gut gezeichnet sowieso. Wer alte »Spirou«-Comics schätzt, wird sich hier vielleicht wundern, aber nicht unbedingt ärgern …

03 Februar 2025

Jammern über neue Punks

Seit Punkrock irgendwann um 1976 anfing, gab es wohl immer wieder das gleiche Band: Die »alten Punks« stellten fest, dass es »neue Punks« gab, die anders waren. Und denen wurde natürlich ein Verrat an der Bewegung oder sonstiger Unsinn vorgeworfen. Das war in den 80er- und 90er-Jahren nicht anders. 

In der aktuellen Folge meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock'n'Roll« geht es unter anderem darum: War oder ist Emocore ein Teil von Punk, oder war das in den 90er-Jahren nur neumodisches Zeugs? Zumindest war man sich immer einig darüber, dass man die Polizei doof zu finden hatte.

Die aktuelle Folge trägt die Nummer 53, sie spielt – wie die vorherigen Folgen auch – im Sommer 1996 und gibt einige der Gedanken dieser Zeit wieder. Diskussionen, wie ich sie in diesem Text skizziere, führte ich selbst genug. Ich hoffe, dass die Leser, die »damals« dabei waren, sich entsprechend erinnern, während es für die »Neuleser« vielleicht wie eine Zeitreise anmuten mag.

Veröffentlicht wurde das Ganze in der Ausgabe 178 des OX-Fanzines. Sie kam heute per Post ins Haus. Ich denke, die Abonnenten erhalten sie ebenfalls in diesen Tagen; im Bahnhofsbuchhandel bekommt man das Heft ebenfalls.

30 Januar 2025

Unpleasant Surprise kamen aus Berlin

In den 80er-Jahren kaufte ich zahlreiche Tapes von irgendwelchen unbekannten Bands, häufig auch Zusammenstellungen mit Stücken von noch obskureren Kapellen. Das war preiswert und überraschte oft. Einer der Leute, bei denen ich diese Kassetten kaufte, war Matthias Lang aus Kindsbach, einem Ort in der Pfalz.

Wir lernten uns nie kennen, aber sein Label schätzte ich: Bei Irre Records kamen zahlreiche Kassetten zwischen Wave und Industrial, Pop und Kunst heraus, und die Auswahl verblüffte mich immer.

Kurz bevor er Mitte der 90er-Jahre mit Irre Records aufhörte, veröffentlichte Matthias Lang noch eine kleine Platte: limitiert auf 500 Exemplare, liebevoll gestaltet, garantiert nicht kommerziell verwertbar. Die Band hieß The Unpleasant Surprise und kam aus Berlin. Die Platte sieht auch heute noch schön aus: mit Textblatt, schön zum Aufklappen, alles in allem ein Kunstwerk, auf dem sich fünf Stücke finden.

Musikalisch ist es im Prinzip IndiePop, wie man es vor dreißig Jahren eben gespielt hat. Die Aufnahmequalität ist bescheiden, der Ton scheppert. Die Melodien wirken verschliffen, sie sind nicht sofort eingängig. Das ist keine Musik, die auf einen Hit schielt, die stattdessen eigenwillig ist.

Von der Band habe ich nach dieser Platte nie wieder gehört. Keine Ahnung, was aus den Leuten geworden ist. Die Platte »The Fear« ist typisch für den schrammeligen Kassetten-Sound der späten 80er-Jahre, auch wenn er hier auf Vinyl gepresst worden ist. Nett!

28 Januar 2025

Comic-Trilogie über ein besonderes Mädchen

Elle ist ein Mädchen, das irgendwo in Frankreich wohnt, das aber ebensogut in einem anderen Land der westlichen Welt leben könnte. Elle geht zur Schule, trifft sich mit Freundinnen und Freunden, hat die üblichen Probleme mit den Gefühlen und muss sich damit auseinandersetzen. Und Elle ist die Hauptperson des Comic-Dreiteilers »Elle(s)«, der im Toonfish-Verlag in Form kleinformatiger Hardcover-Bände erschienen ist.

Elles Freundinnen und Familie wundern sich immer wieder über die Auffälligkeiten des Mädchens. Mal ist Elle bestens drauf, dann ist sie abweisend und gemein. Mal sammelt sie Freundinnen um sich, mal scheint sie alle Welt zu hassen. Sie kann fröhlich und witzig sein, wirkt bei anderen Gelegenheiten aber tief traurig und verzweifelt. Es braucht einige Zeit, bis es klar wird: Elle ist eine multiple Persönlichkeit, und in ihrem Inneren bekämpfen sich die einzelnen Facetten ihres Bewusstseins.

Für Science-Fiction-Fans ist das kein neues Thema – selten habe ich es aber so jugendgerecht gesehen und gelesen. Die Handlung läuft dabei auf zwei Ebenen: Einerseits wird gezeigt, wie sich Elle verhält, wie sie ihre Mitmenschen begeistert oder abstößt. Andererseits geht’s in das Innenleben der Figur, wo sich die einzelnen Persönlichkeiten in einer eher phantastisch anmutenden Landschaft begegnen und auch bekämpfen.

Entwickelt wurde das Szenario von Kid Toussaint. Die Figuren werden sympathisch und glaubhaft gezeichnet, das Leben von Elle fasziniert, und die Konflikte in ihrem sind spannend.

Interessant finde ich die Bilder – es handelt sich um das Erstlingswerk von Aveline Stokart, die einen recht modernen Stil hat. Die Augen sind extrem groß, wie bei Mangas, die Farbgebung ist eher hell und bunt. Die Figuren wirken spielerisch, trotzdem ist immer klar, was sie denken und fühlen.

Mit »Elle(s)« ist den beiden eine Comic-Trilogie gelungen, die ich gern las, auch wenn ich sicher nicht die Zielgruppe bin. Wer einen Blick auf junge Leute mit speziellen Problemen werfen möchte, ist hier richtig – es ist sicher aber auch ein Comic, den man getrost Jugendlichen als Erstlektüre in die Hand drücken kann. (Und wer mir nicht glaubt, schaue sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Splitter-Verlags an.)

27 Januar 2025

Ein Lager, phantastisch?

Der Autor Jack Dann ist mir seit langen Jahren bekannt, seine wenigen Science-Fiction-Romane las ich allerdings nie. Den Roman »Der Tag, an dem ich unsichtbar wurde« fand ich befremdlich, wenngleich sehr unterhaltsam: eine Mixtur aus großem Amerika-Roman, der während des Bürgerkriegs spielt, und phantastischen Einflüssen.

Dieser Tage kam endlich seine Kurzgeschichte »Lager« dran, die im Original unter »Camps« veröffentlicht wurde. 1980 erschien sie in der Anthologie »Insekten im Bernstein«: eine sehr eindrucksvolle Lektüre, bei der ich mich hinterher allerdings fragte, ob man sie ernsthaft zur Science Fiction oder Fantasy zählen kann.

Es geht letztlich um ein Vernichtungslager der Nazis während des Zweiten Weltkriegs. Der Erzähler lebt im »Hier und Jetzt« – was zum Zeitpunkt des Schreibens dann die späten 70er-Jahre waren – in einem Pflegeheim, wo ihn die Erinnerungen an die Vergangenheit plagen. Seine Beziehung zu einer Pflegerin, die immer unklar bleibt, vermengt sich zudem mit seinen Gedanken an die Zeit im Lager und seine Freundschaft zu einem anderen Insassen.

Das Ende der Story bleibt recht offen, und sie wirkt eine Weile nach. Das ist keine oberflächliche SF- oder Fantasy-Idee, das ist mehr. Aber ist es überhaupt eine phantastische Geschichte? Ich war mir abschließend nicht sicher, auch deshalb, weil der Bezug zu »unserer« Literatur letztlich aus einem einzigen Satz besteht. Aber im Nachhinein ist es natürlich stark, dass so ein Text in einer SF-Anthologie veröffentlicht wurde ...

24 Januar 2025

Solidarität als Waffe

Die Zeiten werden härter und unangenehmer, das ist sicher. Damit meine ich vor allem die Situation auf politischer Ebene. Immer mehr Staaten werden von Rechtsextremen und Demokratiefeinden regiert, und auch bei uns ist die Demokratie schwerst unter Beschuss.

Ich könnte mich gemütlich zurücklehnen, mich betrifft das alles zum größten Teil nicht. Ich bin weiß und alt und hetero und cis – das ist eine ganz schön privilegierte Lage. Zu allem Überfluss übe ich einen Beruf aus, der meinen persönlichen Interessen entgegenkommt. Das ist schon sehr luxuriös.

Es gibt Millionen von Menschen allein in Deutschland, denen es nicht so gut geht. Und es sind Milliarden weltweit, bei denen ich das gleiche sagen und schreiben kann. Vor allem »queere« Menschen im weitesten Sinn werden von Ausgrenzung betroffen, leiden unter Hassattacken und scheinen zum persönlichen Ziel diverser Politiker und Milliardäre zu werden.

Was ich tun kann, ist einfach: Ich kann und muss solidarisch sein. Das klingt pathetisch und abgehobe, ist von mir aber ernstgemeint. Solidarität ist eine Waffe, die gegen Rechtsradikale und Rassisten helfen kann, gegen Schwulen- und Judenfeinde, gegen Menschenfeinde im Allgemeinen. Und solidarisch sollten sich halt auch Leute zeigen, die in einer privilegierten Lage sind …

23 Januar 2025

Toxoplasma in Karlsruhe

In den 80er-Jahren hörte ich die Band Toxoplasma gern und oft, aber ich sah sie nie live. Ich wohnte in einem Dorf im Schwarzwald, aus dem ich nur selten herauskam, und als ich anfing, wie ein Blöder auf Punk- und Hardcore-Konzerte zu fahren, löste sich die Band langsam auf.

Mitte der 90er-Jahre machten die Punks aus Neuwied weiter. Sie spielten uter anderem in Karlsruhe, wo sie in der »Steffi« auftraten, dem besetzten Haus in der Stephanienstraße. Das Konzert wurde 1995 veranstaltet, den Monat weiß ich nicht mehr.

Zu dieser Zeit fotografierte ich noch gern bei Band-Auftritten. Wenn es ging, nahm ich sogar Schwarzweißfilme, weil ich der Ansicht war, dass sie bessere Bilder hergaben. Fairerweise muss man sagen, dass ich nie ein guter Fotograf war.

Trotzdem finde ich mein Porträt von Wally, dem Sänger der Band, immer noch gut – es zeigt ihn in Aktion, während vor der Bühne im kleinen Kellerraum ein Pogo-Mob tobte ...

22 Januar 2025

Plauderei über Literatur und Leben

Der in der Schweiz lebende Schriftsteller Alex Capus ist durch Romane bekannt geworden, die ungewöhnliche Schauplätze und Figuren aufweisen. Die Handlung kann in den sogenannten Wilden Westen führen oder nach Ostafrika – der Autor ist weder auf eine Epoche noch auf ein besonderes Genre festgelegt.

Mit seinem Buch »Das kleine Haus am Sonnenhang« legt er ein leicht zu lesendes Werk vor, das kein Roman ist, aber auch keine Biografie, vielleicht eher eine literarische Bummelei durch Italien, die Vergangenheit und die Schriftstellerei. Ich habe es mit großem Vergnügen gelesen, und ich empfehle es jenen Menschen, die sich selbst fürs Schreiben interessieren, ganz besonders.

Es ist kein Roman, auch wenn viele Szenen schriftstellerisch »aufbereitet« worden sind, sondern eher eine Plauderei über das Leben, die Kunst und die Literatur. Ausgangspunkt ist ein kleines Haus, das der Autor in den 90er-Jahren in Italien kauft und dann über lange Zeit hinweg bewohnt. Er schildert, wie er an seinem ersten Roman arbeitet, wie er sich mit den Leuten im Dorf anfreundet und wie er versucht, ein geruhsames Leben zu führen.

Viele der Szenen, die Capus schildert, sind skurril. Seine Darstellung des italienischen Dorflebens ist voller Charme, enthält aber auch die Art von Italien-Klischees, die unsereins ja klammheimlich liebt. Da bricht bei Capus eindeutig der Autor durch; diese Kapitel machen allerdings trotzdem große Freude.

Das Buch plätschert ansonsten schön vor sich hin. Man langweilt sich auf keiner Seite, es ist alles unterhaltsam. Kein Wunder: Dieser Autor weiß einfach, wie man gute Roman schreibt. Man erfährt, wie die örtliche Polizei einen harmlosen Kriminalfall löst. Man erlebt mit, wie Freunde zu Besuch kommen und man viel Wein trinkt. Man erfährt, wie der Autor an seinem ersten Roman arbeitet.

Wer gemein sein möchte, merkt sicher an, dass der Capus in diesem Buch letztlich ausgiebig Nabelschau betreibt. Alles dreht sich um ihn, und man weiß eigentlich nicht, ob das nun eine Biografie oder ein Traktat über das gute Leben sein soll. Bei mir sorgte es auf jeden Fall für das Verlangen, mal wieder einen Roman von Alex Capus zu lesen.

Festzuhalten bleibt: Das Buch »Das kleine Haus am Sonnenhang« braucht niemand, höchstens große Fans des Schriftstellers. Aber es ist eine angenehme Lektüre, die mir gut gefallen hat.

21 Januar 2025

Schräger Kampf um Literatur

Das zehnte Jahrhundert unserer Zeit: Auf der iberischen Halbinsel haben sich die Mauren festgesetzt und verbreiten den Islam. In Cordoba hat man eine riesige Bibliothek errichtet, die das Wissen der Welt bündeln soll. Aufgrund politischer Verwicklungen soll nun der gesamte Bücherbestand vernichtet werden. Doch ein Sklave und eine Sklavin tun alles, um wenigstens Teile des literarischen Schatzes für die gesamte Menschheit zu retten ...

Das ist der Ausgangspunkt für den wunderbaren Comic »Das Buchmaultier von Cordoba«, der bereits Ende 2022 erschienen ist. Er vereint so vieles in sich, das ich ihn gleich mehrfach empfehlen müsste: Es ist eine historische Geschichte, die zugleich voller Komik ist. Man lernt, wenn man möchte, einiges über die europäische Geschichte des Islam, und man erfährt vor allem, dass die Feinde von Literatur und Wissen immer wieder antraten, Bücher zu verbrennen.

Verantwortlich für die Texte dieses gelungenen Comics ist Wilfrid Lupano, der sich hierzulande vor allem einen Namen durch seine Polit-Satire »Die alten Knacker« gemacht hat. Darüber hinaus hat er Fantasy-Comics geschrieben oder mit »Auf die Barrikaden« starke Geschichten aus der Zeit der französischen Kommune von 1871.

Auch bei diesem aktuellen Comic bekommt er es wunderbar hin, grotesken Humor mit brachialem Ernst zu verbinden. Es wird klar, dass das zehnte Jahrhundert hart war, dass Sklaverei überall eingesetzt wurde und dass Wissen als wertvoller Schatz galt, den aber nicht alle zu schätzen wussten.

In faszinierende Bilder umgesetzt wird der Text von Léonard Chemineau; ihm gelingt es ebenfalls, die skurrilen und witzigen Aspekte der Geschichte ebenso zu würdigen wie die ernsthaften. Die Bilder sind komisch, die Figuren wirken lustig – aber das Drumherum ist streckenweise bitter ernst. Trotzdem kann man die Bilder nicht anschauen, ohne immer wieder ins Grinsen zu kommen.

»Das Buchmaultier von Cordoba« ist ein gelungener Comic, meinetwegen auch eine Graphic Novel, der zeigt, dass Comics ein gutes Mittel sind – wie Literatur und Filme –, historische Themen so zu verbinden, dass sie spannend und interessant sind. Sehr lesenswert!

20 Januar 2025

Keine Meinungsfreiheit?

Weil einer meiner »Facebook-Freunde«, den ich nicht persönlich kenne, zu den Menschen gehört, die ständig über die heutige Zeit jammern, ging ich dieser Tage mal auf ihn ein. Es ging um die Meinungsfreiheit. Er war der Ansicht, so schloss ich aus seiner Aussage, dass es die bei uns nicht gäbe.

Ich schrieb: »Ich lebe in einem Land, in dem wir eine große Meinungsvielfalt haben, und zu dieser Meinungsvielfalt gehört eine vielfältige Presselandschaft, die nicht immer einer Meinung ist. Auch nicht meiner Meinung.«

Seine öffentliche Antwort war eindeutig: Er vermutete, dass ich »nunmehr nicht in der Realität« lebe, »sondern im Takatuka Land«. Man werde von ARD und ZDF belogen, und Bill Gates finanziere ja den »Spiegel«. Er verstehe nicht, wie so viel Ignoranz wie bei mir existieren könne.

Ich versuchte höflich zu bleiben, was nicht so einfach ist. Ein Auszug: 

»Wir leben in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit gilt. Du darfst ja hier auch sagen und schreiben, was Du meinst, obwohl ich anderer Meinung bin. Du wirfst mir jetzt Ignoranz vor, lieferst für Deine Behauptungen aber nicht den geringsten Beweis. Meinungsfreiheit heißt, dass Du auch meine Meinung ertragen musst, selbst wenn ich Deiner Ansicht nach in einem Takatukaland lebe – was immer das sein mag.«

Dann wurde er ein wenig ausfällig. Seine längere Tirade gipfelte in einer Aussage, die ich noch nicht verstehe: »Die nächsten Wochen werden es zeigen, wohin alles läuft.« 

Ist das jetzt eine Drohung, oder verfügt er über geheimes Wissen=? Droht die Zombie-Apokalypse?

17 Januar 2025

Rottendotcom

Seit ich 1996 zum ersten Mal einen Blick in dieses neue Medium namens Internet werfen konnte, sah ich unzählige Internet-Seiten. Vor allem in der frühen Phase war ich von der riesigen Welt fasziniert, die sich vor mir auftat. Obwohl ich noch mit einem Netscape-Anschluss ins Netz ging und ständig vergleichsweise hohe Telefongebühren zu bezahlen hatte, verbrachte ich viel Zeit damit, durch das uferlose Netz zu surfen.

Wann ich zum ersten Mal auf eine Seite stieß, die mich so richtig schockierte, weiß ich nicht mehr. Jemand sagte mir, ich solle mir mal »rotten.dot.com« anschauen. Das tat ich, und ich war gebührend verwirrend. Es war Ende der 90er-Jahre, und die Ansammlung schrecklicher Fotos und unfassbarer Bilder war schwer zu verdauen. Man sah Leichen und Körperteile, viel Blut und auch eine Reihe von »Fake-Fotos«, wie man unschwer erkennen konnte.

Ich war nicht so oft auf dieser Seite, vielleicht ein halbes Dutzend Mal, dann nicht mehr. Mir war klar, dass das nicht gut für mich war und dass ich das nicht anschauen sollte. Und irgendwann vergaß ich die Seite völlig; sie wurde immer mal wieder genannt, wenn es um die Anfänge des Internets ging.

Dieser Tage hörte ich eine aktuelle Folge des Podcasts »Browser History«, in der es um »rotten.com« ging, und einige Erinnerungen kamen hoch. Ich hatte auf einmal Bilder vor meinem Auge, die ich verdrängt hatte, zumindest hatte ich das geglaubt.

Schon hart, wie lange so ein negativer und fieser Eindruck bleiben kann …

16 Januar 2025

Ist das schon Art-Punk?

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil zehn

Ein Punkrock-Stück, das gut zehn Minuten lang ist? Geht das überhaupt? Und reden wir hier über Punkrock, oder ist das schon Postpunk oder Alternative oder Indie? Ganz ehrlich: Mir ist das ziemlich egal. Die Wipers haben in der ersten Hälfte der 80er-Jahre einige Platten veröffentlicht, die ich bis heute gern anhöre. Für mich zählen sie zu den besten Bands dieser Zeit überhaupt.

Höre ich mir heute »Youth Of America« an, verstehe ich das immer noch. Bei manch anderem Stück aus dieser Zeit frage ich mich ja schon, wie besoffen ich eigentlich gewesen sein musste, als ich das gut fand – bei den Wipers ist das nicht der Fall. Die Musik ist oft anspruchsvoller als der übliche Punkrock, weshalb ich die Platten früher ironisch gern als »Art-Punk« bezeichnet habe; so wie es Art-Rock gibt, müsste es ja auch Art-Punk geben.

Die Gitarre sägt unaufhörlich, der Sound ist insgesamt schneidend, fast metallisch, die Stimme wechselt ihr Tempo und wird am Ende wütend, nachdem sie am Anfang geklungen hat, als ginge es um eine harmlose Bestandsaufnahme. Ich habe die Band nie live gesehen, kann mir aber aufgrund dieser Aufnahme schon vorstellen, wie das live abgegangen sein muss – eine Spannung in den Stücken, die sich langsam aufbaut, die dann aber auch zu Pogo einlädt, nicht ganz so einfach wie die englischen Bands dieser Zeit und deshalb vielleicht etwas zu verkopft.

Für mich ist das Punkrock, und ich halte die Band immer noch für Punk, selbst wenn sie im Verlauf der Zeit immer mehr aus dieser Szene verschwand. »Youth Of America« ist vielleicht nicht das beste Wipers-Stück, aber sicher das Stück der Band, das ich am stärksten schätze. Ein echter Punk-Klassiker für mich!

15 Januar 2025

Poes Meisterwerk, künstlerisch umgesetzt

Wer den Namen Edgar Allan Poe kennt und in den Mund nimmt, denkt vor allem an seine großen Geschichten; der Autor gilt unter anderem als Erfinder von Krimi und Horror. Seine Geschichten über unheimliche Mörder machten ihn berühmt, sie werden bis heute publiziert und adaptiert.

Mit »The Raven« schrieb Poe darüber hinaus ein Gedicht, das seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1845 unzählige Male interpretiert und neu in den Handel gebracht wurde. Eine künstlerische Annäherung an das Gedicht unternahmen Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer; ihre Graphic Novel – oder muss man da eher »ihren Kunstband« sagen? – publizierte der Splitter-Verlag. Dort gibt man mit der beeindruckenden Graphic Novel »Im Westen nichts Neues« und anderen künstlerischen Bänden das bisherige Werk der beiden Künstler heraus.

Das Gedicht wird sowohl in englischer Sprache als auch in deutscher Übersetzung präsentiert. Pro Seite kommen nur wenige Zeilen von »Der Rabe« zur Geltung; so erhalten die Bilder viel Raum. Die künstlerische Darstellung ist wuchtig und eindrucksvoll; das sollte man gesehen haben. Ich empfehle, unbedingt die Leseprobe zu betrachten.

Mit der künstlerischen Umsetzung von »The Raven« ist ein echtes Gesamtkunstwerk entstanden. Man nimmt es gern zur Hand, man blättert und liest es nicht nur einmal. Stark!

14 Januar 2025

Elementare Erde

Am Sonntag ging es wieder zu einem Überraschungs-Menü ins »Fünf«; diesmal ging es innerhalb der Reihe »Region: Elementar« um das Element Erde. Ich hatte die vegetarische Version, die sehr gut war. Aber auch die fleischige Variante sah sehr ansprechend aus: Unter anderem gab es Steak vom Wildschwein.

Verblüffend fand ich den Rotwein. Bei Dornfelder aus der Pfalz hat man ja eine gewisse Erwartung, die in diesem Fall aber nicht erfüllt wurde. Der Wein erinnerte eher an einen sehr kräftigen Merlot aus Südfrankreich als an einen Dornfelder – klar, das macht der Barrique-Ausbau. Interessant war es trotzdem.

Auffallend war, wie viele Leute wir »vom Sehen her« kannten. Mit einigen Leuten war ich auf Demonstrationen gewesen, andere hatte ich schon im Pogo umgeschubst. Mehrheitlich herrschten mittlerweile graue Haare vor; »wir sind halt gemeinsam alt geworden«, wie nüchtern formuliert wurde.

10 Januar 2025

Familienbesuch der besonderen Art

Ich steuerte mein Fahrrad langsam an den Straßenrand, stieg ab und schob es einige Meter ins Buschland hinein. Zwischen zwei großen Grasbüscheln stellte ich es ab. Sicherheitshalber prüfte ich, ob es stabil stand und der Seesack immer noch gut verstaut war. Alles wackelte, wie es sich gehörte, aber das Rad fiel nicht um.

Erst dann nahm ich den Rucksack ab, trank einen Schluck Wasser und suchte mir einen großen, flachen Stein am Straßenrand, auf dem ich mich niederlassen konnte. Die Sonne knallte vom Himmel, wir hatten sicher schon elf Uhr, und es wurde immer wärmer. Das Radfahren strengte an, mein T-Shirt war vom Schweiß getränkt, vor allem der Rücken klebte. Aber das konnte ich ignorieren.

Langsam aß ich eine Mohrrübe, die ich mir auf einem Markt gekauft hatte. In der Ferne erkannte ich einen Lastwagen, der langsam näher kam; die Straße in diesem Bereich des Nationalparks verlief streckenweise fast gerade. Der Fahrer schien mich zu sehen, er bremste ab und wurde langsamer. Grüßend hob ich die Hand, er grüßte und rollte vorbei, dann fuhr er schneller. Eine Wolke aus feinem Staub und Abgasen blieb in der Luft hängen.

Was der Fahrer wohl gedacht hatte? Ich war mir sicher, dass nicht viele weiße Radfahrer im Kandé-Nationalpark im Norden Togos unterwegs waren. In diesem Januar 1987 war ich womöglich der einzige. Die Straßensperre am Eingang des Nationalparks, an der sich alle Auto- und Lastwagenfahrer ausweisen musste, hatte ich einfach umgangen; seither war ich praktisch allein unterwegs.

Rechts und links von mir erstreckte sich Savanne, meist niedriges Buschland, ab und zu mal Bäume. Ich hatte Giraffen gesehen, die sich nicht um mich scherten, und einige Antilopen, sonst nichts. Gefährliche Tiere gab es nicht, wie man mir gesagt hatte; ich brauchte weder vor Löwen noch Leoparden irgendwie Angst haben.

Während ich kaute, sah ich mich ständig um. Warme Luft trieb nun den Geruch des Buschlands an meine Nase, Pflanzen und Tiere und Staub; ich konnte nicht alles richtig zuordnen, fand es aber faszinierend. Insekten krabbelten über den Boden, in einem Strauch in meiner Nähe raschelte es, wohl ein Kleintier. Alles wirkte harmlos, und ich genoss meine Pause.

Bis auf einmal die Affen auftauchten. Es waren vielleicht zwanzig Tiere, junge wie alte und sicher beiderlei Geschlechts. Ich kannte mich nicht aus, wusste also nicht, welche Art es war. Aber ich erkannte, dass ich keine Schimpansen vor mir hatte, dass sie eher Mandrills oder etwas in der Art waren. Die großen Angehörigen der Familie wirkten durchaus wehrhaft, und ich wusste aus Berichten, dass man Affen nicht unterschätzen sollte.

Sie sahen mir zu, wie ich in meine Mohrrübe biss und kaute. Immerhin blieben sie brav auf der anderen Straßenseite; vielleicht hatten sie vor der Straße Respekt, oder sie empfanden Scheu vor mir.

Mir aber war auf einmal unwohl.

Langsam aß ich zu Ende, dann packte ich meinen kleinen Rucksack zusammen und hievte ihn mir auf den Rücken. Vorsichtig schob ich mein Fahrrad auf die Straße, ließ die Affen dabei nicht aus den Augen. Auch sie betrachteten mich unaufhörlich; ich kam mir vor, als sei ich im Zoo und werde von den Tieren bestaunt.

Als ich auf meinem Rad saß und in die Pedale trat, blickte ich mich irgendwann um. Die Affen hatten sich mittlerweile über die Straße verteilt. Zwei große Tiere saßen an der Stelle, wo ich gerastet hatte, und schienen sie zu betrachten.

»Puh«, sagte ich, und ich wusste nicht, ob ich überhaupt einen Grund hatte, erleichtert zu sein. Aber ich wusste, dass ich noch einige Dutzend Kilometer vor mir hatte, die quer durch den Nationalpark führten …

09 Januar 2025

Mal wieder Blues Brothers

Als der Film »Blues Brothers« zu Beginn der 80er-Jahre in die Kinos kam, damals noch in Freudenstadt, sah ich ihn recht zeitnah. Ich war begeistert: Die Musik fand ich großartig, die Dialoge amüsierten mich, und die Karambolagen mit irgendwelchen Polizeifahrzeugen waren superlustig.

In der Schule wurden Sprüche aus dem Film ständig in Unterhaltungen eingebaut. »Hey, dein Zigarettenanzünder ist kaputt!« fanden wir nicht nur einmal komisch, und »Wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs« wurde sogar in Science-Fiction- und Fantasy-Kreisen zu einem geflügelten Wort. Den Film sah ich in den späten 80er-Jahren noch einmal, als er im Kino quasi wiederholt wurde, und da mochte ihn immer noch.

Das ist alles sehr lange her. Dieser Tage sah ich den Film erneut, mehr als vierzig Jahre danach also. Meine Bilanz fällt heute durchwachsen aus – seither hat sich aber der Humor ebenso verändert wie meine Sicht auf die Welt. Alles andere wäre allerdings sehr verwunderlich ...

Die Musik mochte ich immer noch. Der schmissige Sound von Aretha Franklin oder Ray Charles funktioniert ebenso gut wie die Tanzeinlagen; das ist schmissig und macht gute Laune. Die Dialoge wirken heute teilweise falsch; das ist der Humor der späten 70er-Jahre in deutscher Übersetzung. Und manchmal fragte ich mich, wie das wohl im Original geklungen hätte.

Was ich mittlerweile blöd finde: die Karambolagen, die irrsinnigen Verfolgungsjagden, die Unmenge an zerstörten Fahrzeugen. Heute lache ich nicht mehr darüber, sondern frage mich ganz nüchtern: »Wenn sich so ein Auto überschlägt, was passiert denn mit den Fahrern?« Oder: »Sind die Leute nicht traumatisiert, wenn da einer mit voller Beschleunigung durch ein Einkaufszentrum fährt?«

Vielleicht bin ich humorlos geworden, vielleicht hat man heute andere Bilder im Kopf. Fakt ist: Der alte Film unterhält noch sehr gut, aber manche Albernheiten gehen heute nicht mehr.

08 Januar 2025

Hörenswerter Machtwechsel

Ich mag die Zeitung »Die Welt« nicht. Vielleicht muss ich eher schreiben: Ich mag sie nicht mehr. In früheren Jahrzehnten, so meine Wahrnehmung, war es durchaus sinnvoll, »Die Welt« ab und zu mal zu lesen: Das Blatt war konservativ bis ins Mark, aber gut geschrieben, und es schadet nicht, eine andere Meinung serviert zu bekommen. Mittlerweile finde ich »Die Welt« aber nicht mehr sonderlich lesenswert, wobei ich seit einiger Zeit keine Ausgabe mehr in den Händen hielt.

Von der »Welt«-Redaktion kommt allerdings ein Podcast, den ich dieser Tage zum ersten Mal gehört habe und den ich wohl abonnieren werde. Der »Welt«-Redakteur Robin Alexander und die Journalistin Dagmar Rosenfeld sprechen darin über aktuelle Politik, vor allem aus einer gewissen Innensicht des Politik-Betriebs. Die beiden sind gut vernetzt, sie kennen viele Leute persönlich, und sie verfügen offensichtlich über Handynummern, mit denen sie einen Politiker oder eine Politikerin auch »einfach mal so« anrufen können.

Klar ist das, was die beiden erzählen, nicht »links«. Aber es ist angenehm kritisch, und zwar in alle Richtungen. In der aktuellen Ausgabe, die vom Dezember ist, werden die aktuellen Wahlprogramme analysiert, wobei CDU, CSU und FDP ebenso ihren Spott abbekommen wie Grüne oder SPD. Ebenso werden die aktuellen Entwicklungen rings um die Vertrauensfrage des Kanzlers nachgezeichnet.

Ganz ehrlich: Das ist großes Kino, das macht richtig Spaß. Die beiden werfen sich die Bälle zu, und beim Zuhören kann man schon mal mitlachen. Man muss »Die Welt« echt nicht mögen, aber diesen Podcast finde ich gut.