30 April 2009

Sellt Sex wirklich?

Bisher habe ich auch immer geglaubt, daß die Werbeleute deshalb gern halbnackte Mädels in die Werbung bringen, weil sich das Produkt dann besser verkauft. Von wegen, »die Leute sind halt so, die fallen drauf ein«. Und von mir weiß ich, daß ich bei einer gut aussehenden Dame auf einem Werbeplakat immer hinguck, und wenn sie für C&A oder sonst eine Firma wirbt, die mich persönlich eigentlich nicht interessiert.

Glaube ich der »Süddeutschen Zeitung« und anderen Medien, die sich aber alle auf dieselben Umfragen und Ergebnisse stützen, ist das jetzt gar nicht mehr so. Der Reiz überlagere die Botschaft, man erinnere sich nur noch an das Motiv.

Mag ja sein, und manchmal ist mir »erotisierte« Werbung einfach zu doof: Nach den Werbespots für Axe habe ich mir auf jeden Fall vorgenommen, kein Deo und kein Duschbad mehr von denen zu kaufen. Nach dem Motto, »nachher glauben die Leute, ich glaube auch daran, daß mir mit diesem Duft die Mädels nachlaufen« ...

Jetzt erfahre ich, daß die Werbung eh nicht mich als Zielgruppe hat. Man will »pubertierende Jungs« ansprechen. Na gut, aus dem Alter bin ich ja langsam raus.

29 April 2009

Argies zum achten Mal

Die Argies aus Argentinien sind in ihrem Heimatland wohl mit den Toten Hosen hierzulande vergleichbar: Punkrock-Wurzeln und Super-Erfolg. Wenn die irgendwo auftreten, füllen sie die Hallen. Ein beneidenswerter Erfolg. Mittlerweile kamen haufenweise Touren durch die halbe Welt dazu, mit »Quien Despierta« liegt die achte CD vor, publiziert beim regen Label ANR Music.

Musikalisch ist die Band wie ihre deutschen Pendants längst weg vom normalen Punkrock. Da werden auch Pop- und Rock- und Ska-Elemente munter reingemix, was sich jetzt schlimmer anhört, als es ist. Einige ungestüme Punkrock-Kracher finden sich im Repertoire, einige Langweiler lassen sich auch finden.

Die Band wird wohl erwachsen. Und das heißt häufig, daß man das Feuer der »Jugend« hinter sich läßt.

Mir bleibt dann aber nur eine gute Rock-CD, die sauber gespielt ist und gut unterhält, bei der bei mir aber auch nach dem dritten Durchhören nix hängen bleibt. Das ist mir zu wenig und zu lahm.

Blitz bei rot

Jeden Morgen fahre ich über die Bundesstraße zur Arbeit. Auf Höhe der Neuen Messe - im Volksmund auch als »Millionengrab« bezeichnet - gibt es eine Ampelanlage, die gerne blitzt. Wer bei Rot drüber fährt, erhält ein schönes Flash-Light.

Ich weiß nicht, wie oft ich mich über das Lichtsignal amüsiert habe; vor allem, wenn ich im Rückspiegel wahrnahm, daß es mal wieder jemanden erwischt hat. Heute morgen war ich selbst einer der Trottel.

Das kommt davon, wenn man mit fiesem Heuschnupfen Auto fährt und dabei einem spannenden Hörspiel lauscht ... Ich war abgelenkt. So sah ich zwar, wie die Ampel auf Gelb schaltete, fand aber nicht, daß ich jetzt auf die Bremse treten müßte.

Der Fahrer auf der Spur nebenan trat in die Eisen und kam vor dem Haltestreifen zum Stillstand der Reifen, und ich rollte mit schätzungsweise 72 Stundenkilometern über die Ampel. Dunkelgelb war sie, so fand ich. Rot sei sie, so fand wohl die Ampel, denn ich bekam einen Blitz ins Gesicht. Jetzt muß ich wohl auf den Strafbescheid warten ...

27 April 2009

Phantasia Almanach

Die Edition Phantasia mit Sitz in Bellheim mag ich: Das ist so ein richtig kleiner, sehr feiner Kleinverlag, betrieben von zwei sympathischen Herren, die Ahnung von dem haben, was sie tun, und das auch noch mit Spaß an der Freude betreiben. Daß sie in der Pfalz wohnen (Bellheim, um es genau zu sagen; genau das Bellheim, wo unsereins in den 90er Jahren in den Räumlichkeiten eines katholischen Kindergartens amerikanische Hardcore-Bands wie Merel angeguckt hat), schadet ihrem guten Ansehen nur minimal.

Schlechte Witze beiseite: Das Buchprogramm der Edition Phantasia ist so, daß ich am liebsten alles kaufen würde. Da ich aber schlau genug bin, um zu wissen, daß ich eh nicht dazu komme, alles zu lesen, kaufe ich - ganz schlau! - nur etwa die Hälfte des Buchprogramms, um das dann auch nicht lesen zu können. Nun denn ...

Mit seinem kleinen Heft, das sie Phantasia Almanach nennen, schreibt sich der Kleinverlag erst recht in mein Herz: Die aktuelle Ausgabe 7 habe ich in der heutigen Mittagspause gelesen. Das Heft ist schlicht gehalten, einfach nur 24 Seiten im A5-Format, die ohne weiteren Schnickschnack auskommen, und gefällt mir inhaltlich dafür sehr gut.

Beeindruckend die düstere Jugend-Grusel-Story »Äpfel« von Ramsey Campbell; von dem Amerikaner habe ich vor Jahren einen famosen Kurzgeschichtenband gelesen, und der Mann kann wirklich phantastische Themen mit herausragender Literatur verknüpfen. Kurz und knapp dann eine Mischung aus Essay und Kurzgeschichte des kürzlich verstorbenen Autors James Graham Ballard - ein Plädoyer auf Flughäfen und die moderne Lebensweise zwischen Autobahnen und Glitzerpalästen.

Und richtig fies die Kurzgeschichte »Träumen, träumen, träumen« von Nick Mamatas, der im weitesten Sinne ja Punk-Literatur schreibt ... oder Hardcore ... in dieser Story tragen die Leute dann auch Hatebreed-T-Shirts und konsumieren Drogen. Als Abschluß dann noch zwei sehr kurze Texte von Paul Scheerbart aus der Zeit von vor dem Ersten Weltkrieg: sehr hübsch, auch und gerade des Gegensatzes wegen.

Es lohnt sich, die Edition Phantasia kennenzulernen. Stammkunden erhalten den hier bejubelten Almamach übrigens kostenlos. Grund genug, in diesem Fall auf den Buchhandel zu verzichten und direkt zu bestellen ...

26 April 2009

Wenn eine Heftroman-Autorin berichtet


Von einem Stundenlohn, der gerade mal zwölf Euro beträgt, berichtet die Schriftstellerin Anita Friedrich. Veröffentlicht wurde das sehr lesenswerte Interview in der Ausgabe 75 der ebenfalls sehr lesenswerten Zeitschrift »Federwelt«, die im Uschtrin-Verlag in München erscheint.

Die Autorin schreibt Liebes- und Bergromane, die früher in dem Verlag veröffentlicht wurden, für den ich heute arbeite, die aber auch bei Bastei und Kelter publiziert worden sind. Sie bezeichnet das Schreiben als ihren Traumberuf, wenngleich da nicht viel zu verdienen ist.

Gutes Interview, gutes Heft, das im übrigen den Schriftsteller Günter Kunert auf dem Cover hat. Das Interview mit dem alten Herrn - er wurde achtzig Jahre alt - ist allerdings etwas kurz; nun denn.

Darüber hinaus gibt es in der aktuellen »Federwelt« die üblichen anderen Beiträge: viele Tips, ein bißchen Lyrik und andere Texte, viel Information also und einen gewissen Schwerpunkt mit Lesungen, bei denen Autoren ja auch Geld verdienen können. (Ich ja nie, hüstel, aber ich lese ja auch nicht in seriösen Buchhandlungen aus meinen Büchern vor.)

Schön finde ich übrigens, daß das Interview zumindest auszugsweise auch im Internet nachzulesen ist. Wer alles lesen will, muss schon das fünfeinhalb Euro kostende Heft kaufen; wer sich fürs Schriftstellern interessiert, sollte das Heft eh abonnieren.

Kaltfront aus der DDR

Die Band Kaltfront war mir zu ihren Lebzeiten kein Begriff. Klar: Die Band kam aus Dresden, und von dort schwappte nicht viel zu uns herüber. Dabei spielte die in den Jahren 1987 bis 1990 ihren durchaus eigenständigen Deutschpunk. Das Label Teenage Rebel Records hat jetzt eine Platte veröffentlicht, die Demo-Aufnahmen aus dieser Zeit zusammenfaßt, insgesamt 20 Stücke, deren Aufnahmequalität natürlich ganz schön schwankt.

Mir leuchtet ja ein, daß man aus punk-historischen Gründen viele alte Bands wieder auf CD herausbringt. Auch Kaltfront bedeutet für die Entwicklung der Punk-Szene in der DDR wirklich viel, von daher ist die Veröffentlichung absolut sinnvoll und nachvollziehbar.

Nur stelle ich für mich fest, daß hier nichts zuckt: Ich hör's mir an, ich finde die CD interessant, und es sind einige gute Stücke drauf, die zeitweise ein wenig nach EA 80 klingen; »Der neue Tag beginnt« oder »Klimawechsel« haben eigentlich Hitqualitäten – aber unterm Strich packt's mich nicht.

Für Punk-Historiker und DDR-Nostalgiker ist die Platte sicher ein Muß. Ansonsten muß man sie aber echt nicht haben.

25 April 2009

Trauergesicht mit Zukunfts-Schock

Ich habe mir »Knowing« angeschaut, den neuesten phantastischen Film, der aus Hollywood auf deutsche Kino-Leinwände transferiert wurde. In der Hauptrolle ist Nicolas Cage zu sehen, der Mann mit dem traurigen Gesicht, den ich schon in Action-Filmen wie »Con Air« cool fand und der auch bei »Stadt der Engel« eine traurige Rolle spielen konnte - der Mann ist vielfältig, zumindest für meinen Geschmack.

Bei dem Streifen selbst versuchten der Regisseur und seine Mannschaft offensichtlich, alle möglichen Genres zu vermengen. Streckenweise hat das Ding echt Thriller-Charakter, man fiebert mit und will zusammen mit der von Cage verkörperten Hauptfigur hinter das Geheimnis eines merkwürdigen Zahlen-Kodes zu kommen. Dann wieder wird der Film zu einem Horror-Film, zumindest fast, mit dunklen Gestalten, die sich für Kinder interessieren, mit Taschenlampen, deren Licht durch dunkle Häuser sticht, und all den anderen Effekten, die man für Horror gerne nimmt. Und am Ende wird es glatt noch ein Science-Fiction-Film mit gut gemachten Effekten.

Das wiederum ist das, was am Ende hängen bleibt: Der Film hat zahlreiche hervorragende Effekte. Der Flugzeugabsturz ist brutal gut präsentiert (mit all dem Geschrei und den schrecklichen Toden), die Katastrophen-Szenarien am Ende bleiben im Gedächtnis hängen, die Gesichter der verängstigen Kinder - beeindruckend gemacht und mit spannender Musik unterlegt.

Gleichzeitig gilt für »Knowing« das, was mich an den meisten phantastischen Filmen stört: Ins Drehbuch wurde nicht so richtig viel Geld investiert, zumindest nicht in die Handlungslogik. Warum das ganze Versteck- und Trickspiel der Außerirdischen, warum überhaupt der Zahlen-Kode, der dem Überlegen der Auserwählten dient, warum wird überhaupt der Junge zum Auserwählten? Und so weiter.

Wer sich daran nicht stört, wird eineinhalb Stunden lang bestens unterhalten. Die letzten zwei Minuten sind zwar echt nervig, weil arg amerikanisch-kitschig, aber ansonsten gibt's vorher richtig viel Spannung. Und das ist für einen Popcorn-Film ja nicht das dümmste ...

24 April 2009

Traum-Erinnerung

Das Gefühl, aus einem Traum aufzuwachen und nicht mehr in der richtigen Realität zu sein, das kennt wohl jeder. Mir geschieht das alle halbe Jahre etwa, so denke ich, und nach einem solchen Traum liege ich da, schaue zur Decke und überlege mir, was jetzt eigentlich stimmt und was nicht.

In solchen Träumen habe ich mir meine Vergangenheit und mein Leben nicht nur einmal neu zusammengestellt. Freunde, die ich nie hatte, Verwandte, die seit Jahren tot sind, völlig veränderte Landschaften aus der alten Heimat.

Gelegentlich bastle ich daraus Texte, die dann auch publiziert werden. So vor einigen Jahren in einem Fanzine des ATLAN-Club Deutschlands; dort wurde meine Story »Radfahrt und Tunnel« veröffentlicht, und man kann sie auch im Internet nachlesen ...

23 April 2009

Rudi jetzt komplett

In den 80er Jahren abonnierte ich eine Stuttgarter Stadtzeitschrift, weil ich wissen wollte, was in der Landeshauptstadt so los war; von Freudenstadt und Dietersweiler aus bekam man das damals in den Zeiten vor dem Internet nicht so einfach mit. Recht schnell gab es eine Lieblingsrubrik für mich: den immer eine Seite langen Comic »Rudi«, den ein Tübinger Zeichner namens Peter Puck anfertigte.

Gern hatte er Bezüge zu der Tübinger Punk-Kapelle K.G.B. drin, gern ließ er szene-typische Figuren auftauchen und veräppelte sie liebevoll. Das gefiel mir, und es gab immer was zu lachen. »Rudi« war definitiv mein Szene-Comic der 80er Jahre.

Der Stuttgarter Comic-Laden Heinzelmännchen brachte die frühen Comic-Seiten in Sammelbänden heraus; irgendwann vor gut zwanzig Jahren und in schwarzweiß. Und jetzt hat der Ehapa-Verlag die gesammelten »Rudi«-Abenteuer neu und komplett publiziert, allesamt frisch koloriert und mit Anmerkungen versehen. Ich habe sie mir natürlich alle gekauft und finde sie genial - auch beim zweiten, dritten und vierten Lesen.

Puck schafft es mit seinem »Rudi«, allerlei subkulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen darzustellen, das alles unterhaltsam und buchstäblich über Jahrzehnte hinweg. Damit schafft er einen Einblick in bundesrepublikanische Verhältnisse, für die ein Soziologe tausend eng bedruckte Seiten bräuchte. Sehr schön!

An dieser Stelle gestehe ich eine Lüge. In meinem Roman »Vielen Dank Peter Pank« begegnet der Ich-Erzähler dem Comic-Zeichner Peter Puck in der Münzgasse in Tübingen. Es ist ja ein Roman, also kann das behauptet werden. In Wirklichkeit bin ich dem Zeichner in dieser Zeit nie bewusst begegnet, weder auf K.G.B.-Konzeten noch sonst wann. Aber es ist ja ein Roman, da ist die Lüge hoffentlich zu vernachlässigen ...

22 April 2009

Ballard ist tot

Ich habe nicht so viel gelesen von James Graham Ballard, und er steht in meiner persönlichen Liste von Lieblingsautoren nicht unbedingt auf dem ersten Platz; was ich aber von dem britischen Autor kenne, hat mich jedes Mal beeindruckt und begeistert. Am Sonntag, 19. April 2009, ist der Schriftsteller im Alter von 78 Jahren gestorben.

Dabei hat ihm nur eine Mischung aus Glück und eisernem Lebenswillen überhaupt den Tod so lang vom Leib gehalten. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als englischer Jugendlicher in Shanghai während der japanischen Besetzung interniert; mit buchstäblich letzter Kraft überlebte er ein Hungerlager.

Darüber schrieb er den Roman »Im Reich der Sonne«, der von Steven Spielberg verfilmt wurde. Die Verfilmung kenne ich nicht, aber der Roman ist eine der eindrucksvollsten Beschreibungen menschlichen Leids (und gleichzeitig menschlicher Fantasie), die ich kenne - gleichzeitig ein zutiefst humanistisches Werk.

Darüber hinaus verfasste Ballard anstrengend zu lesende Romane, die man mangels besserer Einordnung zur Science Fiction zählte, und haufenweise Kurzgeschichten, die mich teilweise echt umgeblasen haben, als ich sie zum ersten Mal las: Stilistisch waren die Texte exakt, die Bilder, die der Autor schuf, blieben lange hängen. (Bei Suhrkamp erschienen die Kurzgeschichten in der »Phantastischen Bibliothek«, unlängst druckte Heyne einen Sammelband mit kurzen Texten.)

Mit 78 Jahren ist Ballard jetzt gestorben. Bands wie Joy Division haben sich an seinen Ideen bedient, zahlreiche Autoren und Künstler ließen sich von ihm beeinflussen. Außerhalb des SF-Ghettos und des literarischen Undergrounds nahm man ihn dennoch kaum zur Kenntnis.

21 April 2009

Regen von der Decke

Eigentlich wollten wir nur Zeugs aus dem Keller räumen, um es auf den Sperrmüll für den nächsten Tag zu schaffen. Aber wenn man schon mal dabei ist, wird unsereins auch gern von anderen Dingen überrascht.

In diesem Fall von einem Wasserschaden: Eine der Leitungen, die unter der Decke unseres Kellers verlaufen, war angerissen, und es spritzte Wasser durch den Kellerraum. Immerhin waren wir zeitig daran, gottseidank gibt es Sperrmüll, die man aus dem Keller holen mag.

So konnten wir einen Eimer unter das triefende Loch binden, die Brühe vom Boden aufwischen und vor allem alles feuchte Zeugs aus dem Keller schaffen. Bücher blieben trocken, dafür erwischte es diesmal Baustoffe: Zement und Haftputz in Säcken saugt sich gut mit Wasser voll ...

Es wurde ein Freizeitvergnügen der besonderen Sorte, das auch alle Nachbarn zu aufgeregtem Reden, interessierten Hilfeangeboten und aufmunterndem Imwegherumstehen brachte. Letztlich war ja nichts passiert, die Aufregung legte sich, und irgendwann kam der Installateur, der das Loch abdichtete. Und jetzt warten wir auf die große Reparatur ...

20 April 2009

Kerl für Karlsruhe

Es war ein sonniger Nachmittag im April; ich hatte meinen Heuschnupfen halbwegs unter Kontrolle und genoß die warme Luft in einem Straßencafé. Und während ich so da saß, den Blick auf die Menschen am nahe gelegenen Kinderspielplatz gerichtet, lauschte ich unabsichtlich dem Gespräch in meinem Rücken.

»Ihr glaubt ja gar nicht, wie schwer es ist, sich anständige Unterhosen zu kaufen«, erzählte eine Frau mit jung klingender Stimme, die ohne Dialekt-Einfärbung daherkam. »Ich finde, die Männer haben's da einfacher.«

Kurz überlegte ich mir, ob ich mich umdrehen und ins Gespräch mischen sollte. Aber ich hörte lieber zu, verstand allerdings nicht, was die andere Frau sagte.

»Ich denk' schon, ich such' mir jetzt 'nen Kerl hier in Karlsruhe«, sagte die Rednerin von vorhin.

»Wieso das denn?« fragte eine andere Stimme. »Was hat denn ein Kerl damit zu tun?«

Ich widerstand erneut dem Impuls, mich umzudrehen, wandte meinen Kopf aber so weit, daß ich aus den Augenwinkeln mehr saß. Es waren drei Frauen, die eine blond, die anderen dunkelhaarig, allesamt ein bißchen rundlich und etwa Mitte zwanzig. Sie aßen Eis und tranken Kaffee, und sie schienen sich bestens zu amüsieren.

Die Blonde war die mit dem Unterhosen-Tick. Sie beugte sich nach vorne. »Dann«, so sprach sie mit Bestimmtheit in der Stimme, »kann ich nämlich seine Unterhosen anziehen.«

19 April 2009

Dreißig Jahre »tageszeitung«

Ich weiß nicht genau, seit wann ich Abonnent der »tageszeitung« bin; sicher schon länger als fünfzehn Jahre. Ich weiß aber noch ziemlich genau, wie die ersten »taz«-Ausgaben bei uns im Jugendzentrum auslagen, nachdem es vorher diverse linke Zeitungsprojekte gegeben hatte.

Das ist jetzt dreißig Jahre her, Respekt! Die »taz« hat mich durch zwei Drittel meines Lebens begleitet. Nicht immer fand ich jeden Beitrag gut, auch heute noch ärgere ich mich praktisch einmal am Tag über die Tageszeitung aus Berlin: Manche Artikel sind nicht gut geschrieben, manchmal sind sie mir zu unjournalistisch und einseitig.

Aber dennoch lese ich jeden Tag meine »taz«. Meistens abends nach Feierabend, weil ich tagsüber - wenn das Blatt vom Postboten gebracht wird - ja am Arbeitsplatz bin. Aber abends kann man diese Zeitung ebenfalls lesen, selbst wenn man - wie ich - tagsüber durch spiegel.online und andere Nachrichtendienste auf den aktuellen Stand gebracht wurde.

Was ich an der »taz« schätze, sind ihre Reportagen und ist ihr Blick aufs Ausland. In der »taz« lese ich über Afrika, in der »taz« findet Popkultur ebenso statt wie die sozialen Bewegungen. Die Mixtur ist es, die mir gefällt, und ohne den »Tom«-Cartoon auf der letzten Seite würde mir etwas fehlen.

Dreißig Jahre »taz«, das ist ein respektables Jubiläum. Eine fette Gratulation an die Kolleginnen und Kollegen nach Berlin!

18 April 2009

Die tapferen Frauen von Kabul

Manchmal gibt es Taten, vor denen ziehe ich stumm den Hut. Ganz aktuell: In Kabul demonstrierten Frauen gegen ein neues Ehegesetz, das im Prinzip ganz offiziell die Vergewaltigung in der Ehe erlaubt. In einem Land, in dem Frauen gern dafür getötet werden, daß sie Menschenrechte für sich fordern, ist das ungeheuer mutig.

Rund 200 Frauen zogen - zwar mit Kopftuch, aber eben nicht ganzkörperverschleiert - mit Transparenten durch die afghanische Hauptstadt. Es gab genug, die gegen sie demonstrierten; glaubt man den Medien, waren es nicht nur gut tausend Männer, die auch mit Steinen warfen, sondern ebenso Frauen, die das neue Gesetz gut fanden.

Und die tapferen Frauen von Kabul wagten es tatsächlich, in einer so kaputten, von Hass geschüttelten Gesellschaft wie in Afghanistan mit offenem Gesicht eine Demonstration gegen die Islamisten zu führen! Sie traten für Gesetze ein, wie sie bei uns selbstverständlich sind, die aber von den Super-Religiösen als gotteslästerlich betrachtet werden.

(Und man fragt sich ganz bescheiden, wozu eigentlich die Bundeswehr und haufenweise anderer europäischer und amerikanischer Truppenteile im Land stationiert sind, wenn die »von uns« unterstützte Regierung dann Gesetze verabschiedet, die hierzulande seit langem undenkbar sind ...)

17 April 2009

Kanadier knallen gut

Warum ich die erste Band am Donnerstag abend, 16. April, verpaßte, hat einen faulen Grund: Ich kam nicht aus dem Haus, war zu tranig, um gleich loszuflitzen. Dadurch verpeilte ich Liberty Madness, die an diesem Abend die Vorgruppe in der »Alten Hackerei« bildeten und - so erzählten mir einige - ziemlich klasse waren. Andermal vielleicht.

Danach aber D.O.A. aus Vancouver in Kanada, die ich zuletzt in den neunziger Jahren in Köln gesehen habe. Der nicht mehr taufrische Joey Shithead, der schon seit dreißig Jahren Punkrock macht, und seine deutlich jüngeren Mitstreiter, haben unlängst eine sehr gute Platte herausgebracht - und an diesem Abend bewiesen sie trefflich, daß alter Punkrock immer noch sehr überzeugen kann.

Die Band stieg gleich gut ein, das zweite Stück war auch sofort »World War Three«, und danach bollerte eine Mischung aus alten und Stücken ins Publikum. Vielleicht 80 oder hundert Leute waren nur anwesend, und nach einiger Zeit kam dennoch wachsend gute Stimmung auf. Es wurde ein wenig gepogt, ich wippte eifrig an meinem dezenten Stehplatz am Bühnenrand auf und ab, und einige Leute erwiesen sich als erstaunlich textsicher beim Mitsingen (ich kann ja maximal einige Refrains mitgrölen).

Das war großartig, und die Band schien die gute Stimmung auch zu spüren. Mehrere Zugaben wurden gegeben, darunter Cover-Versionen unter anderem von Johnny Cash; den Höhepunkt bildete dann ein ewig langes Stück, das von der schon lange zurückliegenden Zusammenarbeit der kanadischen Band mit der kalifornischen Punk-Legende Jello Biafra herrührt.

Tolle Band! Gutes Publikum! Solche Donnerstage lasse ich mir gern gefallen.

16 April 2009

Unter Germanisten zu lesen


Ich gestehe, daß mir bis vor einem Jahr die Zeitschrift Mauerschau völlig unbekannt war. Das ist in der Tat eine echte Schwäche, denn diese Zeitschrift beschäftigt sich mit der Germanistik und damit zusammenhängenden Themen. Okay, das ist sehr universitär und komplex, aber dennoch interessant.

In der aktuellen Ausgabe 1/2009, die dieser Tage erschienen ist, geht es darüber hinaus um »Konstruktion/Dekonstruktion«. Zwei Beiträge beschäftigen sich dabei mit PERRY RHODAN, der Science-Fiction-Serie, für die ich als Redakteur verantwortlich bin.

Ralf Wohlgemuth, den ich noch als PERRY RHODAN-Leser kenne, schrieb »Ich muss mich echauffieren! - Humorkonstruktionen in der Perry Rhodan-Serie und ihre Auswirkungen auf die Erzählwelt«. Der Text steht zum kostenlosen Download auf der Seite bereit; nicht uninteressant.

Darüber hinaus hat Ralf Wohlgemuth zusammen mit Sylvia Nürnberg ein ausführliches Interview mit mir geführt. Dazu sind die beiden sogar mal nach Rastatt gekommen und haben mir in einem Besprechungsraum ihr Mikrofon unter die Nase gehalten.

Immerhin kamen zwölf Seiten dabei raus; finde ich gut. Das Interview ist nicht auf der Mauerschau-Seite zum Runterladen; es wird in absehbarer Zeit bei der PERRY RHODAN-Seite dokumentiert werden. Ein Link folgt, freuen kann ich mich schon jetzt.

15 April 2009

Artikel für die SOL

Die neue Ausgabe der Zeitschrift SOL ist so neu, daß ich noch nicht einmal ein Cover im Netz finde: Die Nummer 54 sollte auf jeden Fall im April herauskommen und dann unter anderem an die rund tausend Mitglieder der PERRY RHODAN-FanZentrale gehen.

Nebst diversen Beiträgen über Autoren und Zeichner sind auch zwei Artikel von mir enthalten. Der eine ist »Teamtagung mit Schwerpunkt«, der mit netten Fotos glänzt und auch schon im Internet zu lesen war.

Auch der andere Text war schon im Internet zu lesen; es ist ein Blick in die Vergangenheit, wie ich sie gelegentlich unter der Rubrik »Der Redakteur erinnert sich« veröffentliche. Das Thema diesmal: »die Thoregon-Buchausgabe«, eine Buchreihe, die meine Kollegen und ich gegen Ende der neunziger Jahre beim Weltbild-Buchversand publizierten.

14 April 2009

Osterneid

Es war Ostermontag, die Sonne schien auf den schönen Platz vor meinem Fenster, und ich saß da und blickte hinaus. Neid packte mich, Neid auf all die Leute, die sich in der Sonne aalten.

Und ich saß in der Wohnung, das Fenster geschlossen, und rotzte vor mich hin. Das Osterwochenende war leider kein Highlight in diesem Jahr. Immerhin fuhr ich mit dem Rad am Samstag los, irgendwelchen Kram einzukaufen (schon mal Blumenerde und anderes mit dem Rad transportiert? sieht albern aus, geht aber), und das klappte ganz gut. Eine Stunde später legte ich mir feuchte Lappen auf die Augen.

Ich liebe das Frühjahr. Alles blüht, und man fühlt sich selbst so fit und munter. Aber das Gerotze, das macht zumindest mir keinen Spaß. Allergien sind so ziemlich die überflüssigste Erfindung, die der liebe Gott in seiner Schöpfung zusammengebastelt hat ...

11 April 2009

Blogger-Konferenz

»Warst du eigentlich in Berlin?«, werde ich dieser Tage gefragt. Und als ich seltsam schaue, wird nachgehakt: »Da war doch diese Blogger-Konferenz, und du bloggst auch.«

In der Tat fand vom 1. bis 3. März die re:publica'09 statt, eine sogenannte Social-Media-Konferenz - und ich war nicht dabei. Ich dachte nicht einmal daran, zur Re:publica zu fahren, um es ehrlich zu sagen. Es interessierte mich nicht.

Das mag jetzt arrogant klingen, ist es aber hoffentlich nicht: Der ENPUNKT-Blog ist die Fortsetzung meines Egozines mit anderen Mitteln. Bei einer Blogger-Konferenz geht es um andere Themen, und mit denen habe ich so viel nicht zu tun. Ich bin schließlich auch früher mit dem ENPUNKT-Fanzine weder Zeitungskongressen noch zu irgendwelchen ernsthaften Messen gefahren.

Möglicherweise habe ich einiges verpaßt. Ziemlich sicher sogar, um es konkret zu sagen. Schließlich waren viele gebildete Menschen anwesend, auch einige, die unsereins als »cool« bezeichnen würde. Aber ich fand's dann doch spannender, zwei Tage zu arbeiten und dann nach Solingen zu fahren ...

10 April 2009

Deathcore, Hardcore und anderer Krach

Mit Interesse habe ich die Ausgabe 14 des Fanzines Fuze gelesen. Mit Interesse deshalb, weil mich der Großteil der Musik darin gar nicht anspricht und ich das meiste - zumindest aus der Außenwarte - als metallischen Krach betrachte. Aber genau deshalb habe ich mir das Fuze so genau angeschaut ...

Bands wie Napalm Death kenne ich noch aus den 80er Jahren, zu einer Zeit, als sie tatsächlich als Grindcore galten, bevor sie zu Deathmetal wechselten - den feinen Unterschied zwischen den zwei Richtungen kann ich übrigens fast nie heraushören ... Und Comeback Kid oder Sick Of It All gehören ja eindeutig zum Hardcore, die kenne ich also teilweise schon lange.

Nur gibt es in dem Heft haufenweise Kapellen, die ich nicht mal vom Namen her kenne, von denen ich aber weiß, daß sie teilweise schon in Karlsruhe aufgespielt haben: In der »Stadtmitte« und anderen Läden finden häufig Konzerte statt, die unter »Hardcore« oder »MetalCore« laufen, von denen ich aber weiß, daß mir das kaum gefallen dürfte. Bandnamen wie We Butter The Bread With Butter oder Architects finde ich dann eher skurril, aber lustig.

Musikalisch ist das dann doch fast ausschließlich Metal. Das sehe ich auch, wenn ich die Artikel, Interviews und Plattenbesprechungen lese. Es geht häufig um die »richtige« Musik, um T-Shirts und andere Dinge, weniger um politische Einstellungen oder Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht - das zeichnet dann doch eher das Gespräch mit einer »echten« Punk-Band aus.

Ich fand das Heft trotzdem gut. 48 farbige Seiten mit haufenweise Anzeigen - dafür isses ja auch kostenlos. Das ganze ist gut geschrieben und sauber gestaltet; man merkt den Autoren an, daß sie sich auskennen und Spaß an der Sache haben. Und ich bin nach erfolgter Lektüre zumindest stückweise ein bißchen schlauer als zuvor ...

Wild Gift wirken neu und frisch

Eine Band, von der ich vorher noch nie etwas hörte (weil ich Fanzines auch nicht mehr so genau lese wie früher): Wild Gift aus Bonn und Umgebung. Die erste CD, die keinen eigenen Titel hat, liegt jetzt vor; es gibt auch eine Langspielplatte in kleiner Auflage.

Frauengesang finde ich gut, hier passt das ebenfalls. Die Band macht im Prinzip Deutschpunk, wenngleich gelegentlich mit englischen Texten abgewechselt. Inhaltlich ist man kritisch und politisch-wach, auch okay.

Leider geht das ganze nicht so recht ins Ohr, zumindest nicht bei mir. Auch nach dem dritten Anhören bleibt nicht viel hängen; die Melodien sind unterm Strich dann doch zu ruppig. Womöglich ist die Band live besser, auf Platte haut's mich nicht um.

09 April 2009

Tanzen und Texten


»Tanzen kurz vor Mitternacht«, so heißt die Kurzgeschichte, die ich verfaßt habe und die in der aktuellen Ausgabe 20 des famosen Fanzines Pankerknacker abgedruckt ist. Die Story spielt in Santa Barbara, also in Kalifornien, dort, wo auch die famose Fernsehserie »Psych« angesiedelt ist und wo ich vor einigen Jahren weilte. Sie ist in der Ich-Perspektive geschrieben, man darf sie also zur Popliteratur zählen, falls jemand unbedingt eine Schublade braucht.

Damit die Geschichte nicht so allein im Heft rumliegt, gibt es noch eine zweite. Die heißt »Am Bahndamm« und hat mit Punkrock oder anderer Musik nichts zu tun. Aber das muß ja auch nicht unbedingt.

08 April 2009

Lesung beim »New Noise«


Das »New Noise Festival« in Durmersheim bei Karlsruhe geht schon in die vierte Runde. Auch in diesem Jahr findet es statt - und diesmal gibt es neben diversen Bands, die auftreten, eben eine Lesung.

Diese wird von mir bestritten, was mich schon im voraus freut. Wie das ganze im Detail ablaufen wird, muß ich noch sehen; Lesungen bei Festivals funktionieren nach anderen Regeln. Aber das ganze sieht auf jeden Fall schon sehr nett aus.

Von den Bands kenne ich spontan nur Ende Oktober, bei der Flo singt - und der Kollege hat früher bei der Karlsruher Band Ladget mitgemacht, hat eine der ENPUNKT-Sendungen beim Querfunk laufen und hat mit Ende Oktober eine Band am Start, die Gebrüll und Geklimper zu einem spannenden Emo-Gebräu verbandelt.

Und Tom Mess war jahrelang bei Madstateworld dabei, die ich auf Platte immer cool fand, live aber gelegentlich ein bißchen zu poppig und unpunkig. Wie der Mann dann live auf der Bühne ist, interessiert mich auf jeden Fall.

Wird also ein schönes Wochenende im Juni, denke ich. Und bis dorthin ist auch der blöde Heuschnupfen vorbei, der mich in diesen Tagen sehr plagt.

07 April 2009

Hardcore ausm Pott

Das war ein ziemliches Gerappel, das ich am Sonntag abend, 4. April 2009, im örtlichen Radio Querfunk abfeuerte. Wieder mal Enpunkt-Radio, diesmal hatte ich Nordrhein-Westfalen als Thema.

Zwar spielte ich ein bißchen Deutschpunk von Supernichts und Überflüssig, etwas Indie-Rock von Law und Die Pigs, aber vor allem gab es diesmal Hardcore auf die Ohren. Aus Paderborn kamen unter anderem Woof, aus Lünen gab's Cidestep, dazu kamen einige weitere echte Kracher, die ich teilweise schon wieder vergessen habe.

Den Abschluß bildeten dann Hände Weg Johnny, das war dann geradezu besinnlich. Und es paßte zum Wochenende mit dem Solingen-Trip.

06 April 2009

Journalisten und Punks

Mal wieder ein wunderbarer Bericht über ein Punk-Festival in einer örtlichen Tageszeitung - in diesem Fall im »Solinger Tageblatt«. Ich verlinke den Artikel übers OX-Festival gern und empfehle ihn als »Gegengewicht« zu meinem eigenen Text: Der Autor dieses Artikels war anscheinend nicht auf derselben Veranstaltung wie ich.

Formulierungen wie die hier sind einfach Klasse: »Viele aus dem Publikum sahen nicht aus wie der personifizierte Bürgerschreck: Statt stacheliger Irokesen-Frisur und abgerissener Lederjacke trugen sie normale Klamotten und oft Halbglatze.«

Am besten ist aber der Teil des Artikels, in dem der Autor sich mir widmet. Er führte im Anschluß an meine Lesung ein kurzes Interview mit mir und biß sich vor allem am »Maschinengewehr, sing!« fest.

Der Text greife »die Vision einer verhassten Welt auf«, und es gehe darum, dass diese Welt mitsamt ihren Politikern und »Bullen« dann auch »lustvoll niedergemäht« werde. Das finde ich sehr amüsant, denn genau das steht ja im Text so nicht drin.

»Jeder Punk kennt das Gefühl, durch die Fußgängerzone zu gehen und alles um sich herum zu hassen«, zitiert der Bericht dann eine Aussage von mir, die ich so wohl auch gesagt habe. Laut Artikel hätten bei dem Text »einige Zuhörer die Stirn« gerunzelt; das habe ich selbstverständlich anders in Erinnerung.

Es ist tröstlich, daß die Journaille im Jahr 2009 noch immer so funktioniert wie vor dreißig Jahren, als Punk noch jung war. Und daß ich gegenüber einem Jung-Journalisten, der schätzungsweise zwanzig Jahre jünger ist als, offensichtlich als Bürgerschreck durchgehe, finde ich höchst skurril.

05 April 2009

20 Jahre OX als Festival

Samstag, 4. April 2009: In Solingen fand das OX-Festival statt - nachdem es das Fanzine jetzt schon seit zwanzig Jahren gibt, war das ein würdiger Anlaß. Ort war das »Cobra«, das ich als ziemlich coolen Laden empfand.

Rund 650 Leute waren anwesend, wie mir einer vom »Cobra«-Team (er spielt auch bei der Band Cave 4) erzählte. Das Durchschnittsalter war hoch, es waren viele Menschen jenseits der vierzig da, darunter Nietenpunks mit grauen Haaren; aber dazwischen immer wieder fitte junge Leute, darunter überraschend viele junge Frauen.

Von der ersten Band bekamen wir nicht viel mit. Drei Stücke Kick Joneses, die wie immer ihren melodischen 77-er-Punk schmetterten; wie immer gut.

Ich eilte in die Kneipe, wo ich eine Lesung absolvierte. Dummerweise wußte das Publikum nicht so viel davon, also hatte ich einen gehörigen Lärmpegel, gegen den ich mit lauter Stimme und lautem Mikro ankämpfte. Trotzdem hörten einige zu, einige Leute klatschten auch fleißig Beifall.

Sehr lustig: Der Journalist der örtlichen Zeitung geilte sich geradezu an dem Text »Maschinengewehr, sing!« auf, den ich als erstes gelesen hatte. Wahrscheinlich witterte er eine Affäre oder etwas ähnlich bedeutsames.

Von den Boxhamsters, die danach spielten, sah ich leider nicht viel, höchstens drei Stücke; die aber knallten ziemlich. Ich saß zu lange in der Kneipe herum, redete mit den vielen alten Kumpanen, die ich hier teilweise nach zehn Jahren mal wieder sah.

So bekam ich auch von der Lesung des Kollegen Axel Gräbeldinger leider nicht viel mit: Was mich vorher bei den anderen gestört hatte, tat ich jetzt ebenfalls - und laberte. Seufz.

Dafür dann EA 80; sehr düster, wie immer überzeugend. In Solingen gefielen sie mir weitaus besser als im Dezember in Karlsruhe - es knallte mehr.

Zur Abrundung die Spermbirds: Ich jubelte, ich pogte, ich hüpfte, ich slammte - großartige Live-Band mit einem großartigen Mob vor der Bühne. Ein Stagediver knallte mir mit dem Knie gegen den Schädel; jetzt habe ich eine Beule mit leicht bläulichem Fleck auf der Stirn.

Danach war ich ausgebrannt und ziemlich besoffen. In Hochdahl gab's noch eine Flasche Rotwein zum Absch(l)uß, und ein großartiger Abend war vorüber.

04 April 2009

Ganz normale Leute

Ich war im Gespräch mit ganz normalen Menschen; weder politisch noch gesellschaftlich fallen sie irgendwie aus der Reihe. Sie wählen sicher demokratische Parteien und sind zu Hause sehr vernünftige Familienmenschen.

Wir kamen auf das Thema Indien, und von Indien aus ging's zur Religion, und ich prahlte mal wieder mit meinem angelesenen Halbwissen: »Indien ist das Land, in dem weltweit fast die meisten Moslems wohnen – nach Indonesien also die Nummer zwei.«

Da waren alle verwundert. Das wußte man nicht. Wer im Geschichtsunterricht aufgepaßt hat, bekam irgendwann mit, daß Indien anhand religiöser Linien von Pakistan getrennt wurde – oder andersrum.

Ich gab ein wenig Geschichtsunterricht-Vertiefung, sehr kurz gefasst: »Damals trennte man das, aber die Grenzen waren natürlich so, daß Millionen von Moslems im indischen Staatsgebiet blieben. Mittlerweile gibt's eine Milliarde Inder, davon sind gut hundert Millionen Moslems.«

»Aha«, sagte dann der eine Mann. »Die Moslems werden also immer mehr.«

»Na ja«, meinte ich, »die Inder insgesamt werden ja immer mehr.«

»Stimmt schon. Aber es werden immer mehr Moslems. Des isch jo wie bei uns.«

Die Dame nickte mit dem Kopf. »Genau. Immer mehr Moslems bei uns. Bald gibt's keine Deutschen mehr.«

Kein weiterer Kommentar.

03 April 2009

Peter pogt in LU


Und wieder eine neue OX-Ausgabe ... Boah, ich habe die letzte Ausgabe noch nicht mal richtig geblättert, geschweige denn gelesen. Die Burschen in Solingen machen ihre Arbeit zu gut, ich komme da nicht mit.

Immerhin ist mein Fortsetzungsroman »Und: Hardcore!« auch in der aktuellen Ausgabe 82 enthalten. Nach wie vor treibt sich Peter Meißner alias Peter Pank in der weniger schönen Stadt Ludwigshafen herum, wo er allerlei Abenteuer erlebt.

Gastauftritte erleben die Bands Frohlix und Crowd Of Isolated, die in den späten 80er Jahren einigen Leuten durchaus bekannt gewesen sein dürften: Funpunk die einen, Hardcore die anderen, ziemlich vergessen bei der neueren Generation sind sie beide.

02 April 2009

Im Belagerungszustand

Kolonnen von Polizeifahrzeuge auf den Autobahnen, mittlere Panik bei den Kolleginnen und Kollegen, die in Baden-Baden und Umgebung wohnen: Der NATO-Gipfel steht bevor, und zwischen Freiburg und Karlsruhe herrscht bereits jetzt ein mittleres Chaos. Ein Landstrich steckt im Belagerungszustand.

Die Autobahn wird gesperrt, Landes- und Bundesstraßen sowieso, und niemand weiß, wie es mit der Bahn aussieht. Am Freitag haben sicherheitshalber alle Kolleginnen und Kollegen frei genommen, die in den »gefährlichen« Gebieten wohnen: Man kann aus Bühl oder sonstwo sicher noch morgens zur Arbeit nach Rastatt kommen; niemand aber kann garantieren, wann und wie die Heimfahrt funktioniert.

Man könnte meinen, die Welt stünde kopf. Zumindest im Großraum Mittel- bis Südbaden, um den es derzeit geht. Unabhängig voneinander haben zwei verschiedene Menschen vorgeschlagen, künftig sollten die Politiker ihre Treffen doch auf einer Bohrinsel im Nordatlantik abhalten.

Ich gehe weder zu den Demonstrationen, bei denen absurderweise sogar das Tragen von Kapuzenpullovern verboten worden ist, noch bleibe ich in der Region. Am Freitag wird noch gearbeitet, am Samstag fahre ich in die entgegengesetzte Richtung: In Solingen ist das OX-Festival, in dessen Rahmen ich eine Lesung halte. (Meinetwegen darf man mich jetzt mal wieder als »unpolitischen Oi!-Punk« beschimpfen; das zumindest habe ich schon lange nicht mehr gehört.)

01 April 2009

Seltsame Pornojagd

Es geschehen merkwürdige Dinge in und um Karlsruhe; ich bekomme sie nur aus den Medien mit, aber dann muß ich immer wieder den Kopf schütteln. Es geht um Jörg Tauss, den für den Wahlkreis Karlsruhe zuständigen Bundestagsabgeordneten.

Der SPD-Mann steht im Verdacht, sich zu sehr mit Kinderpornografie beschäftigt zu haben, und hat deshalb seine Kandidatur für die Wahl im Herbst 2009 zurückgezogen. Das ist mir insofern egal, daß ich ihn eh nicht gewählt hätte – so wie es aussieht, werde ich eh wieder für »ungültig« votieren. (Aber das ist ein ganz anderes Thema.)

Es gilt in diesem Fall die Unschuldsvermutung. Also glauben wir mal, daß stimmt, was Herr Tauss sagt: In seiner Eigenschaft als Abgeordneter hat er sich in den Sumpf der Kinderpornografie begeben, um herauszufinden, wie dieser funktioniert. Sein Ziel war nach eigenen Angaben, »einen Kinderpornoring zu sprengen«; so wird Tauss in den Medien zitiert.

Aha. Klingt logisch.

Selbst wenn alles stimmt, was Tauss sagt, muß er wegen unverständlichen Verhaltens weg. Ich nenne es »unverständlich«, weil andere Begriff möglicherweise als beleidigend ausgelegt werden könnten. Denn ...

Was denkt sich so ein Politiker eigentlich den ganzen Tag? Hat er zuviel Krimis gesehen? Glaubt er daran, daß Privatdetektive mit Schlips und Anzug erfolgreicher sind als Schnüffler in Uniform? Ist er der Ansicht, daß er unbedingt die Nase selbst in diesen Sumpf stecken muß?

Wollte ich versuchen, einen Roman über die deutsche Kindervergewaltiger-Szene zu schreiben, und müßte ich dafür recherchieren, wäre das erste, was ich machte, ein Gespräch mit der Polizei suchen. Und sei es nur, um mich abzusichern, um bei meinen Recherchen immer »überwacht« und »gesichert« sein.

Tauss dachte anscheinend, es ginge auch so; er sprach nicht mit der Polizei. Er glaubte wohl, daß geltende Gesetze – die schon den Besitz von Kinderpornografie verbieten – für ihn nicht gelten.

Da ist der Herr SPD-Politiker auf demselben Dampfer wie andere »Mächtige« dieser Zeit, die sich bereitwillig außerhalb der gesetzlichen Regelungen stellen. Und von daher ist es schon richtig, daß er seinen Stuhl räumt. Ob schuldig oder unschuldig, ist da schon fast zweitrangig.