31 August 2017

Schmeichelhaftes Porträt ausm Jahr 2003

Aus der Serie »Ein Bild und seine Geschichte«

Für das kleine Heft »Ein Editruser wird 40«, das im Dezember 2003 veröffentlicht wurde, gestaltete Swen Papenbrock das Bild für die Rückseite. Weil es mir auch nach all den Jahren so gut gefällt, stelle ich es an dieser Stelle der Öffentlichkeit vor.

Es ist ein sehr schmeichelhaftes Porträt – immerhin hatte ich damals schon viel zu viele Falten im Gesicht –, aber es ist trotzdem sehr cool. Vor allem zeigt es letztlich die zwei Herzen, die seit vielen Jahren in meiner Brust schlagen: Ich mag halt Science Fiction und Punkrock, und das seit so langer Zeit, dass ich das kaum noch vermitteln kann ...

Ein Editruser wird 40

Es war eines der schönsten Geburtstagsgeschenke für mich: Zu meinem vierzigsten Geburtstag – der auch schon wieder einige Jahre zurück liegt – bastelten meine Kolleginnen und Kollegen einen echten Heftroman für mich. »Ein Editruser wird 40« kam am 9. Dezember 2003 heraus, die Auflage war sehr überschaubar, aber der Inhalt hatte es in sich.

Alte Freunde wie Hermann Ritter und Günther Freunek lieferten amüsante Artikel, in denen sie mich auf die Schippe nahmen; Autorenkollegen ergänzten diese Betrachtungen durch ihre augenzwinkernden Texte. Und die Zeichner machten sich durchaus lustig über meine Bemühungen, einige Reste von Punkrock mit meinem bürgerlichen Alltag als Redakteur auf eine Linie zu bringen.

Das Fanzine war 40 Seiten stark und enthielt viele Bilder und Texte. Ich war gerührt, als ich es erhielt, und ich las es nicht nur einmal. Dann versackte es im Regal – wie so vieles –, woraus ich es dieser Tage wieder fischte. Und ich war erneut gerührt, als ich es durchlesen konnte.

(Das Titelbild, das ich hier präsentiere, stammt von Ralph Voltz. Man kann sich ja darüber streiten, inwiefern es mir überhaupt ähnlich sah. Heute wäre die Optik sowieso eine andere ...)

30 August 2017

Mein Zweitleben als Zivilpolizist?

Dass mich junge Punks gelegentlich seltsam anschauten, wenn ich auf entsprechende Veranstaltungen kam, passierte mir in den 90er-Jahren nicht nur einmal. Ich sah zu »unpunkig« aus für sie, und ich war zu alt. Wer schon die dreißig überschritten hatte und eine Stino-Frisur auf dem Kopf hatte, musste entweder ein Spießer sein – oder noch viel schlimmer, ein Zivilpolizist.

Insofern ist die Szenerie, wie ich sie in der aktuellen Folge von »Der gute Geist des Rock'n'Roll« schilderte, nicht ganz aus der Luft gegriffen. Erfunden ist der achte Teil meines Fortsetzungsromans im OX-Fanzine allerdings komplett. Es gab zwar Treffen von Jung-Punks im Schlossgarten von Karlsruhe, die regelmäßig von der Polizei aufgelöst wurden – warum auch immer –, aber die ganze Szenerie entspringt nicht meiner Erinnerung, sondern meiner Phantasie.

Was mir an meinem Fortsetzungsroman so gut gefällt – auch und gerade am aktuellen Teil, der in der Ausgabe 133 des Magazins erschienen ist –, ist halt die Tatsache, dass ich versuchen kann, einen Teil meiner Biografie in Romanform umzusetzen. Das ist selbstverständlich ein Roman, kein Tatsachenbericht ... aber es gibt genügend Leser, denen das Spaß macht.

Und während ich mich darüber freue, dass der aktuelle Text erschienen ist, habe ich längst mit den Arbeiten an der nächsten Fortsetzung begonnen. Man soll mir schließlich nicht nachsagen, dass ich die Termine völlig überziehe ...

29 August 2017

Sauna auf der Straße

Der Sonntag versprach schönes Fahrradwetter: Es war nicht zu heiß, und die Wolken am Himmel deuteten darauf hin, dass die Sonne nicht zu sehr knallen würde. Also konnte ich eine kleine Radtour einplanen; nichts großes, aber halt ein wenig durch die Gegend nordöstlich von Karlsruhe. Auch der Wetterbericht – via Internet – versprach ernsthaft, dass es trocken bleiben würde.

Es ging in aller Ruhe durch die Oststadt von Karlsruhe, durch Durlach und über die Streuobstwiesen dahinter bis Grötzingen, von dort aus in den Bergwald. Auf der Höhe des Gutes Werrabronn begann ein sanfter Nieselregen, der anfangs nicht störte, mich aber bis nach Weingarten hinunter begleitete.

Ich schaffte es bis zum beeindruckend hässlichen Rathausplatz der Gemeinde, wo ich mir im Eiscafé Cortina ein Eis holte, mich unter ein Segeldach setzte und dem dann einsetzenden Dauerregen zuschaute. Das ging gut eine halbe Stunde lang, bis der Regen aufhörte, zuerst in ein sanftes Nieseln überging und sich dann irgendwie auflöste.

Der Rückweg verlief ohne Probleme. Fuhr ich auf einer geteerten Straße oder einem Gehweg, rollte ich unaufhörlich durch den Dampf, der vom Asphalt aufstieg. Die Temperatur betrug sicher um die 26 oder 28 Grad, und das Wasser, das vorher gefallen war, dampfte in einer einzigen Wolke über die Straßen und Plätze.

Im Wald hingen die frischen Nebelschwaden feucht und klamm zwischen den Bäumen. Der Waldweg zwischen Weingarten, Büchig und Hagsfeld war eine kühle Sauna, die Straßen danach einen hitzige Sauna. An diesem Nachmittag wurde ich mehrfach klatschnass und trocknete dann wieder, wenn die Sonne herauskam.

Das hatte dann auch wieder was ...

23 August 2017

Ihn riefen die Sterne

Als der Autor Hanns Kneifel im März 2012 starb, war ich ebenso schockiert wie viele andere; damit hatte ich nicht gerechnet. Ich schrieb damals einen Nachruf, ich war auch bei der Beerdigung, aber so richtig fassen konnte ich es nicht. In diesen Tagen ist ein Buch erschienen, das an den verstorbenen Autor erinnert.

Es trägt den Titel »Ihn riefen die Sterne«, wurde von Rainer Schorm und Jörg Weigand zusammengestellt und enthält viele Beiträge. Darunter ist einer von mir – ich schrieb »Erinnerungen an Hans Kneifel«. Zugegeben: Das ist kein origineller Titel, aber darum ging es mir nicht. Ich wollte tatsächlich meine Erinnerungen an einen Autor niederschreiben, der mich vor allem in meiner Jugend sehr geprägt hat.

Das Buch sieht gut aus, und ich bin stolz darauf, als Mitarbeiter darin vertreten zu sein. Gelesen habe ich es noch nicht – aber das werde ich bei nächster Gelegenheit nachholen!

22 August 2017

Reluctant Famulus, die Nummer 112

Ich lade mir immer mal wieder ein »E-Zine« herunter, also ein Science-Fiction-Fanzine, das man kostenlos auf elektronischem Weg beziehen kann. Es dauert dann immer seine Zeit, bis ich es lesen kann. Aus dem Grund habe ich erst dieser Tage die Ausgabe 112 von »The Reluctant Famulus« gelesen – das 48 Seiten starke Fanzine wurde bereits im Sommer 2016 veröffentlicht, vor ziemlich genau einem Jahr.

Herausgeber ist Thomas D. Sadler, von dem ich vorher nichts gehört hatte – angesichts der Tatsache, dass er schon 112 Ausgaben seines Fanzines publiziert hat, belegt das sehr deutlich, wie wenig Ahnung ich von der amerikanischen Fan-Szene habe. Er wohnt in Owenton, Kentucky, nicht gerade eine der zentralen amerikanischen Gegenden, und sein Fanzine hat einiges an skurrilen Inhalten zu bieten.

Die Mixtur aus Science Fiction, obskuren Dinosaurier-Geschichten, UFO-Berichten, Leserbriefen und persönlichen Einblicken in das Leben in Kentucky fand ich amüsant und verwirrend zugleich. Irgendwie hatte alles einen starken Egozine-Charakter, obwohl verschiedene Mitarbeiter an dem Blatt mitwirkten.

Ich las es nicht komplett, überflog manchen Artikel und manchen Leserbrief nur. Kein Wunder: Schließlich verstand ich einen großen Teil der Inhalte einfach nicht so richtig. Am Ende blieb bei mir hängen: »The Reluctant Famulus« ist definitiv originell – ob ich davon weitere Ausgaben brauche, weiß ich allerdings noch nicht.

21 August 2017

Auf belgisch in den Westen

Ich hatte zwar schon einen Führerschein, aber noch kein Auto, vor allem hatte ich kein Geld. Also reiste ich per Anhalter, im Sommer 1984 völlig normal. Um von Berlin zurück in den Westen zu kommen, stellte ich mich in aller Frühe am Grenzübergang Dreilinden auf.

Es war gegen sieben Uhr, ich war einer der ersten. Ich wollte weg sein, bevor der Grenzübergang von Heerscharen von Anhaltern bevölkert wurde, die über die Transitstrecke nach Westdeutschland wollten. Das hielt ich für eine gute Idee.

Der Fahrer, der hielt, war ein Belgier. Normalerweise hätte ich bei ihm und seiner Sportkarre nicht einmal den Daumen rausgehalten; solchen Fahrer nahmen einen nie mit. Er kurbelte die Scheibe herunter und fragte in sehr gutem Deutsch: »Hast du einen Führerschein, kannst du fahren?«

Ich bejahte, sagte aber nicht, dass ich so gut wie keine Fahrpraxis hatte. Es hätte ihn kaum interessiert. Nicht einmal meinen Führerschein wollte er sehen. Der Typ sah aus, als hätte er die Nacht durchgemacht, stank nach Alkohol und Rauch und Schweiß. Ich platzierte mich auf dem Fahrersitz, er krabbelte auf die Seite, dann lehnte er den Kopf zurück und pennte ein.

Problemlos kam ich durch die Zollkontrollen, langsam schaukelte ich durch die DDR. Am Grenzübergang bei Braunschweig wurden wir nur nachlässig kontrolliert. Der Belgier wurde kurz wach, schlief dann sofort weiter.

Wohin ich genau wollte, interessierte ihn nicht. Das Ruhrgebiet, wo ich Punks besuchen wollte, lag für ihn eben auf der Strecke. Als Fahranfänger hielt ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, zudem fühlte ich mich mit dem Sportwagen sehr unsicher.

Irgendwann wurde er wach, schaute auf die Uhr und ärgerte sich. Ich fuhr ihm zu langsam. »So komme ich ja nicht pünktlich nach Hause«, zeterte er lautstark. Wir wechselten die Sitze, und er fuhr weiter.

Mit Restalkohol, den ich nicht schätzen konnte, und mit ständig überhöhter Geschwindigkeit rasten wir durch Niedersachsen. Der Belgier hörte laute Musik, saß verkrampft am Steuer, starrte durch die Windschutzscheibe und brabbelte zornig vor sich hin.

Bei Hamm ließ er mich aussteigen. Wahrscheinlich konnte er mich nicht mehr sehen. Ich war nicht einmal traurig darüber und kaufte mir an der Tankstelle erst einmal ein Bier, um meine Nerven zu beruhigen.

Das waren die 80er-Jahre. Manchmal denke ich, dass ich froh sein kann, sie überlebt zu haben.

18 August 2017

Der Höhepunkt der »Valerian«-Saga

Ich gehöre zu den Science-Fiction-Fans, die sich auf die Kinoversion von »Valerian« gefreut haben – und bislang habe ich den Film verpasst ... Aber weil ich das Original in Comic-Form so mag, holte ich mir kürzlich den vierten Teil der Gesamtausgabe von »Valerian und Veronique«.

Ich bin ziemlich begeistert – und das, obwohl ich die Original-Alben im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte mehrfach gelesen habe. Die Alben, die in diesem vierten Band enthalten sind, dürften der Höhepunkt der Serie sein: nicht sofort-sogleich verständlich, aber künstlerisch wie erzählerisch auf einem sehr hohen Niveau.

Als der Zeichner Jean-Claude Mézières und der Autor Pierre Christin ihre Serie in den 60er Jahren begannen, war sie noch reichlich naiv; das Science-Fiction-Abenteuer war knallbunt und wirkte noch oberflächlich, war aber schon damals um Längen besser als die Konkurrenz. Die Alben, die in diesem vierten Band enthalten sind, entstanden in den frühen 80er-Jahren – in dieser Zeit war die Comic-Szene wesentlich erwachsener, da konnten sich die Künstler größere Freiheiten erlauben.

Der vierte Band enthält die ursprünglichen Alben »Das Monster in der Metro«, »Endstation Brooklyn«, »Die Geister von Inverloch« und »Die Blitze von Hypsis«. Das Besondere dabei: Sie spielen zu einem großen Teil auf der Erde – und zwar während des zwanzigsten Jahrhunderts. Paris und New York, aber auch Schottland zählen zu den Schauplätzen der Handlung.

Das nutzen der Autor und der Zeichner zu vielen witzigen Ideen. So wird es zum Running Gag, dass der sauber geschnittene Kunstrasen vor einem schottischen Schloss von Außerirdischen ebenso verwüstet wird wie von einem landenden Raumschiff – und die Schlossherren bleiben »very british« und sehr cool.

Darüber hinaus sind die Geschichten voller kosmischer Verwicklungen, esoterischer Anwandlungen – die vier Elemente spielen eine Rolle – und emotionaler Schwierigkeiten. Valerian und seine Veronique haben es nicht einfach; sie benötigen die Hilfe von allerlei anderen »Helden«, die allesamt skurril sind.

Ich wiederhole mich gern: Die Serie zählt zur absoluten Pflichtlektüre für jeden Science-Fiction-Fan. Und der vierte Band ist sicher der Höhepunkt der Serie – leider nur richtig verständlich, wenn man die vorigen Bücher auch gelesen hat.

17 August 2017

Zum dritten Mal das Gästebuch

Ich verspreche: Das ist das – vorerst – letzte Mal, dass ich aus dem FreuCon-Gästebuch von 1985 zitiere. Viele Einträge von damals sind mir übrigens im Jahr 2017 nicht mehr erklärbar, viele Gags von damals lassen sich nur durch die Situation vor Ort begründen, und viele Sprüche waren wohl auch 1985 schon doof.

Die Illustration, die ich hier zeige, ist ein Beispiel für die schnelle Kreativität, wie sie beispielsweise Anton Atzenhofer an den Tag legte. Da kam der arme Kerl an, bekam das Gästebuch vor die Nase gehalten und musste gleich einen Eintrag zaubern.

Er hätte ja auch nur seinen Namen reinschreiben können – aber er lieferte lieber gleich eine Zeichnung. Der Aufwand dafür dürfte keine Minute gedauert haben.

Und allein für solche Zeichnungen und Sätze werde ich diese Gästebücher wohl noch weitere Jahrzehnte aufbewahren. Vielleicht gebe ich sie dann irgendwann in ein Fandom-Museum ... was es ja leider nie geben wird ...

Nochmal das Gästebuch von 1985

Nachdem ich am gestrigen Mittwoch ein Bild aus dem FreuCon-Gästebuch von 1985 gezeigt habe, wiederhole ich das. Mir macht das Stöbern in alten Büchern sehr viel Freude – aber man muss die alten Gags wirklich erklären ...

Dieser Gag stammt von Willmar Plewka, in den 80er-Jahren ein unglaublich aktiver Science-Fiction-Fan, der viele Fanzines publizierte und auch international vernetzt war. Sein Gag spielt auf die Tatsache an, dass Christian »Krischan« Holl in jener Zeit vor allem durch seine Zeichnungen bekannt war, in denen er vor allem Drachen darstellte.

Und Wilmars Drachen spielt auf Krischans Drachen an. Das fanden wir damals sehr lustig. Ist so ein Witz heute noch verständlich?

16 August 2017

Blick in ein Gästebuch von 1985

Da ich dieser Tage in meiner Rubrik »Der Redakteur erinnert sich« über das Jahr 1985 geschrieben habe, fischte ich endlich einmal eines meiner alten Gästebücher aus dem Schrank. Solche Bücher benutzte ich in den 80er-Jahren, wenn ich einen Con veranstaltete, also ein Treffen von Science-Fiction-Fans.

Allerlei Leute verewigten sich in diesem Gästebuch. Nicht alle Einträge waren genial, manche bestanden nur aus einer krakeligen Unterschrift. Viele Dinge waren aber unglaublich komisch – zumindest damals. Heutzutage fällt es schwer, manchen Witz zu kommentieren und zu erläutern.

Ich präsentiere eine Seite, auf der sich die Zeichner Anton Atzenhofer – genannt Atze – und Christian Holl, den alle nur Krischan nannten, ein wenig duellieren. Zuerst verewigte sich der eine in Schwarz auf der Seite, dann folgte der andere in Blau, stets als Drache, dann kam die finale Reaktion des Kollegen Atzenhofer.

Mag sein, dass das albern war. Damals zählte das zum Programm eines Cons, der offenbar kein echtes Programm hatte. Und wenn ich es heute anschaue, muss ich zumindest grinsen.

15 August 2017

Simenon-Gesamtwerk offiziell

Dass ich die Diogenes-Ausgabe der Romane von Georges Simenon mag, habe ich in diesem Blog oft genug zum Ausdruck gebracht. Seit einiger Zeit gibt es keine neuen Romane mehr, die bisher veröffentlichten sind nicht mehr lieferbar. Es war klar, dass die Verträge ausgelaufen sind – Details dazu wurden aber nicht verlautbart.

Heute melden die Internet-Seiten der Fachblätter »Börsenblatt« und »Buchreport« einige weitere Details. Nach diesen Berichten hat der Sohn des Schriftstellers die Lizenz mit dem Verlag nicht verlängert. Gründe wurden hierfür nicht gennant.

Dieses Vorgehen ist nicht nur für den Verlag unverständlich, sondern auch für mich als Leser: Seit vierzig Jahren betreut Diogenes den Autor, zuletzt wurde die wunderbare Edition mit allen Maigret-Romanen publiziert. (Von den 75 Bänden habe ich 25 gekauft, die restlichen wollte ich ebenfalls kaufen und lesen.)

Alles Jammern nutzt nichts. Ich werde schauen, dass ich fehlende Bände im Second-Hand-Geschäft bekomme, sehe aber nicht ein, irrsinnige Sammlerpreise zu bezahlen. Ein möglicher neuer Verlag wird's bei mir da nicht so einfach haben. Da bin ich halt auch wieder Spießer. Menno.

14 August 2017

Ich sah endlich Jupiter Ascending

Als Science-Fiction-Fan, der ab und zu auch mal ins Kino gehen möchte, habe ich es seit vielen Jahren echt schwer. So wollte niemand mit mir ins Kino gehen – allein finde ich es doof –, als vor zwei Jahren »Jupiter Ascending« gezeigt wurde.

Dabei zeichneten doch Andy und Lana Wachowski für den Streifen verantwortlich, und deren »Matrix« halte ich immer noch für großartig. Ich mochte auch die Vorschau für »Jupiter Ascending« – aber mehr ging nicht. Also schaute ich ihn mir dieser Tage endlich auf DVD an.

Um es kurz zu machen: Ich wand mich streckenweise vor Grausen. Vielleicht war die Story im Kino beeindruckend, weil da einfach die optischen Effekte funktionieren. Auf DVD empfand ich das Ganze als eine Ansammlung von unglaublich peinlichen Dialogen und effekthascherischem Geballer.

Dabei hätte die Geschichte ja auch gut laufen können, und wer 150 Millionen Euro zur Verfügung hat, sollte doch ein wenig Geld in eine vernünftige Story investieren können. Den Anfang mochte ich: Jupiter Jones, gespielt von Mila Kunis, putzt Toiletten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist in Wirklichkeit aber die Erbin eines – wie auch immer gearteteten – Weltraum-Imperiums.

Die Begrifflichkeiten gehen da übrigens früh durcheinander. Die Macher des Films oder die Übersetzer wussten wohl nicht, was eine Galaxis oder ein Universum ist. Aber das wissen gelegentlich ja nicht einmal die Leute, die hierzulande Science Fiction veröffentlichen. Ähnliche Peinlichkeiten stören aber nur spießige Leute wie mich, scheint mir.

Der Rest der Geschichte kann überall nachgelesen werden. Das umfangreiche Geballer nervte mich irgendwann, die Blicke in das All und auf die Weltraumstationen fand ich ansprechend. Aber der Weltentwurf war dünn bis zum Gehtnichtmehr – unter dem Niveau der 60er-Jahre-Heftromane –, und die Schauspieler konnte ich nie ernstnehmen.

Alles in allem ist »Jupiter Ascending« ein Beispiel dafür, warum Science Fiction von manchen Leuten nicht ernstgenommen wird. Wer diesen Film sieht und als »gut« angepriesen bekommt, wird nur kopfschüttelnd davorsitzen und sich wundern. Schade um das viele Geld, das in diesem Film verbrannt worden ist.

(Ich gehöre nicht zur Mehrheit; viele Leute mochten den Film. Kritiken sprechen von »bahnbrechenden Ideen« und loben sogar die Dialoge. Geschmäcker sind halt verschieden.)

12 August 2017

Abstürzende Brieftauben nach dreißig Jahren

Wann genau ich mir die Platte »Das kriegen wir schon hin« gekauft habe, lässt sich mit dem Abstand von so vielen Jahren kaum noch nachvollziehen. Aufgenommen und veröffentlicht wurde sie 1986; also kaufte ich sie mit hoher Sicherheit im Jahr darauf. Die Abstürzenden Brieftauben – ein Punkrock-Duo aus Hannover – war zu jener Zeit schwerstens angesagt, man kam an den beiden nicht voran.

Schon damals war die Musik irgendwie ein Anachronismus. Die neue Welle im Punkrock war der Hardcore, der in allen europäischen Länden hochschwappte. Aus Italien und Dänemark, aus England und aus Norwegen kamen Bands, die rasend schnell spielten und einen Sound lieferten, den man zuvor nicht gekannt hatte.

Die Tauben aus Hannover hingegen klangen stark nach den englischen Toy Dolls, vermengten schnellen Punkrock mit schunkeligen Rhythmen und deutschen Texten, brachten alberne Texte oder interpretierten klassische deutsche Schlager, indem sie diese einfach in drei- bis vierfacher Geschwindigkeit spielten.

Höre ich mir das alles nach dreißig Jahren an, verstehe ich, warum ich die Platte recht schnell als uninteressant betrachtete und im Regal stehen ließ. Vielleicht lag's daran, dass ich kein Teenager mehr war ... Der Sound war dumpf, die Musik eher schlicht, die Texte viel zu albern. Hardcore-Punk war damals die stärkere Richtung, und auch im Deutschpunk gab es genug zu hören, das mir besser gefiel.

So kann ich die Platte »Das kriegen wir schon hin« heute vor allem als ein Zeitdokument sehen: Da war Punk noch mal kurz davor, so richtig kommerziell zu werden; die Band schmückte sogar die »Bravo« und wurde in dieser immer wieder abgefeiert. Heute kommt einem das seltsam vor, 1986 bis 1989 fanden das viele Leute richtig klasse.

Ich stelle die Platte wieder ins Regal. Schauen wir mal, wie sie in zehn Jahren auf mich wirkt ...

 

11 August 2017

Ideenhändler als künftiger Beruf?

»Mir fällt es schwer, Ideen zu entwickeln«, sagte mir einmal jemand, der gerne Science-Fiction-Kurzgeschichten schrieb. »Ich sitze dann immer da, und mir fällt nichts ein.« Das ist eine Empfindung, die ich tatsächlich nicht nachvollziehen kann. Mein Problem ist eher, dass ich zu viel Ideen habe und diese nicht kanalisieren kann.

Kanalisieren heißt: Die ganze Zeit wird der Kopf mit irgendwelchen Geschichten geflutet – es geht jetzt nicht mal darum, ob die gut oder brauchbar oder sonstwie relevant sind. Die Geschichten sind da, und sie plagen mich, wenn sie nicht aus dem Kopf kommen.

Ich radle mit dem Rad durch den Wald, und ich denke über eine Fortsetzung von »Das blutende Land« nach. Welche Figuren könnten auftauchen, welche Geschichte will ich erzählen?

Ich sitze im Training an irgendeiner Maschine, und mir fallen Szenen aus Afrika ein, aus denen ich Geschichten machen könnte: Militärkontrolle in Burkina-Faso, Geldeintreiber in Kamerun, Tuareg in Algerien, Kiffen in Marokko, Radfahren in Senegal, Geldwechseln in Togo, Elefanten in Sambia ... und so weiter.

Dazu kommen Punkrock-Geschichten, also auch biografisches Zeugs, Fantasy-Geschichten, Ideen für meine liebste Raketenheftchenserie, Konzepte für neue Heftromanserien und so weiter. Es ist eine Flut, die nicht immer genial ist – wirklich nicht –, aber nicht aufhören mag.

Das Hirn ist voll mit Dingen, die sich immer wieder zu neuen Bildern formen. Und wenn ich die nicht aus dem Kopf bekomme, tun sie weh. Weil ich aber dummerweise nicht tagaus, tagein schreiben kann – die meisten Dinge interessieren ja niemanden, wie der bescheidene Erfolg meines Afrika-Buches zeigt –, sondern Geld verdienen muss, frustriert der Ideenstau.

Also bin ich immer mit einem Block und einem Stift unterwegs. Ich notiere mir Ideen, ich schreibe Szenen auf, ich kritzle Dialoge auf Zettel und in Blocks. Dann verschwinden sie vielleicht recht schnell wieder, und zwei Jahre später weiß ich nicht einmal mehr, was die Notizen zu bedeuten haben – aber sie sind aus dem Kopf.

Die Empfindung aber, keine eigenen Ideen zu haben, kann ich nicht teilen. Vielleicht sollte ich doch mal mit einem schwungvollen Ideenhandel anfangen ...

10 August 2017

Eigentlich spielen Haloroid ja Grunge

Ich war nie ein richtig großer Fan von Grunge-Rock; zu Beginn der 90er-Jahre nervte mich das Genre sogar. Mittlerweile muss ich allerdings einsehen, dass diese Richtung die Rockmusik bereichert hat. Deshalb ist es absolut okay, wenn sich heutige Bands auf den Grunge jener Zeit berufen.

Bei Haloroid aus Nürnberg glaube ich zumindest, entsprechende Einflüsse heraushören zu können. Die CD, die ich von ihnen hörte, kam zum Jahresende 2016 heraus. Sie brauchte einige Anläufe, bis ich sie länger im CD-Player ließ, sie mir also ins Ohr ging.

Die vier Musiker machen recht lange Stücke, die manchmal auch ein wenig zäh sind; mal erinnern sie an Hardrock, wie er in den 70er-Jahren erfunden wurde, dann wieder kommen die Grunge-Anklänge durch. Die Melodien stimmen, die Stimme des Sängers legt sich angenehm über die insgesamt fünf Stücke der CD »Repeat Repeat Repeat«.

Das ist alles gut gespielt, das geht auch ins Ohr, packt aber zumindest mich nicht. Auf die Dauer sind mir die Stücke zu gedehnt, zu sehr ausgewalzt, manchmal zu spannungsarm. Klar, das ist Absicht, und die Bandmitglieder wissen, was sie tun – aber es packt mich dann doch nicht.

Ich bin allerdings sicher, dass es genügend andere Leute geben wird, die auf diese Art von handgemachter Rockmusik stehen, auch und gerade im Jahr 2017 ...

Popkultureller Ausflug nach Genua

Ich mag Romane, die dazu beitragen, dass sich mein Bild von bisherigen Gegebenheiten verändert. Ein Beispiel dafür ist der Roman »›Kopf hoch‹, sagte der Silberfisch in meiner Badewanne«, den die Lektorin und Autorin Simona Turini verfasste. (Dass sie keinen Kilometer von mir entfernt wohnt und wir gelegentlich an subkulturellen Orten fast übereinander stolpern, sei der Vollständigkeit hier angemerkt.)

Der Roman spielt in Genua, allerdings ist es ein anderes Genua, als ich es in den 80er-Jahren kennengelernt habe. Das liegt sicher daran, dass die Autorin fast zwanzig Jahre jünger ist als ich und dass sie einen studentischen Blick auf die Stadt wirft. Der Roman scheint autobiografisch zu sein, aber das macht nichts.

Um was es wirklich geht, ist gar nicht so einfach festzustellen: Die Hauptperson ist eigentlich in Genua, um dort zu studieren. Vor allem aber stromert sie durch die Straßen, trifft auf verschiedene Menschen, trinkt Unmengen von Wein und beschäftigt sich in einer alten Buchhandlung damit, Bücher zu sortieren. Zwischendurch feiert sie mal in einem besetzten Haus, hat Sex oder läuft vor der Polizei weg.

Es ist kein spannender Roman, aber einer, der einen in seinen Bann ziehen kann. Die Handlung wirkt manchmal ein wenig ziellos – aber das passt zu der Hauptfigur, die ebenfalls ziellos durch die Welt spaziert und nicht so richtig weiß, was sie will. Die Handlung plätschert somit ein wenig vor sich hin, immer wieder unterbrochen durch starke Bilder, die die Autorin heraufbeschwört.

Wer mag, kann »›Kopf hoch‹, sagte der Silberfisch in meiner Badewanne« getrost in das weite Feld der Popliteratur einsortieren. Die Autorin beschäftigt sich in ihren sonstigen Texten eher mit Zombies und anderen Monstern – hier bleibt sie akribisch im Hier und Jetzt. Phantastische Einblicke bietet ihr Text trotzdem, einer davon wird im Titel des Romans gewissermaßen gespiegelt.

Das schön gestaltete Buch ist bereits im März 2016 als Hardcover im Amrun-Verlag erschienen, um fasst 150 Seiten und kostet 13,80 Euro. Zu beziehen ist es mithilfe der ISBN 978-3-95869-225-1 über alle Buchhandlungen. Und wer mal einen ungewöhnlichen Blick auf Italien werfen möchte, sollte sich sowieso darauf einlassen.

09 August 2017

Kaffee im Salon de Thé

Es war noch früh am Morgen, zumindest für einen Urlaubstag. Die Straßen waren voll mit Fußgängern, die Straßenbahn ruckelte vorüber. Ich ließ mir meinen Kaffee schmecken, dazu ein Croissant, vielleicht würde ich hinterher noch eine Kleinigkeit essen.

Bei Alain Batt, dem Salon de Thé in der Innenstadt von Nancy, ließ es sich gut aushalten, vor allem an einem der kleinen Tische, die auf dem Gehweg platziert waren. Die Patisserie mit winzigem Lokal machte einen sympathischen Eindruck, das Personal tratschte mit den Kunden, und die Auslagen saßen mit all den Leckereien absolut einladend aus.

Es war warm genug, dass man mit kurzer Hose und T-Shirt auf die Straße gehen konnte; die Hitze des Tages kündigte sich schon langsam an. Ich schaute mir die Straßenkarte an, weil ich mir überlegte, wie ich von Nancy weiterfahren sollte. Aus dem Augenwinkel sah ich zu, welche Leute sich auf der Straße bewegten.

Zwei Punks gingen mit einem großen Hund vorüber, ein altes Ehepaar betrat die Patisserie, und junge Leute trieben sich in kleinen Gruppen auf der Straße herum. Ein Mann im dunklen Anzug, die Krawatte vom Wind gebeutelt, hielt in der einen Hand die Zigarette, während er mit der anderen ein Telefon ans Ohr hielt. Ich empfand die Stimmung als angenehm, fast einlullend.

Die Frau neben mir nahm ich erst wahr, als sie mir ihre Hand vors Gesicht hielt. Die Finger schienen nur aus Haut und Knochen zu bestehen, die Nägel sahen aus wie Ruinen. Mein Blick wanderte über die zerschlissenen Turnschuhe und die pinkfarbene Jogginghose nach oben, vorbei an dem blassblauen Oberteil. Die Frau sagte etwas, das ich nicht verstand, es klang nach Dialekt.

Ich war sprachlos, noch nie hatte ich einen derart dünnen Menschen gesehen. Die fadenscheinige Hose schlotterte um die klapperdürren Beine, die Adern zeichneten sich unter der blassen Haut der Unterarme ab, im Gesicht hielt sich offenbar keine Farbe. Ich saß da, den frisch duftenden Kaffee vor der Nase, und starrte die Frau an; mir fiel nichts ein.

Die Szene dauerte keine Sekunde – dann drehte sich die Frau herum und ging davon, im Neunzig-Grad-Winkel über die Straße, vorbei an der Straßenbahn, die gerade anhalten musste. Auf der anderen Straßenseite sprach sie einen Passanten an, einen rundlichen Mann mit Schnauzer. Der Mann winkte unwillig ab, sie eilte weiter, huschte geradezu über die Straße.

Ich löste mich aus der Erstarrung, starrte auf meinen Kaffee und das Croissant. Mir wurde bewusst, dass die Frau gebettelt hatte, was ich nicht kapiert hatte. Zu spät. Und mir wollte jetzt auf einmal nichts mehr schmecken.

08 August 2017

Meine Science-Fiction-Memoiren?

»Das ist doch nur ein Trick von dir, klammheimlich deine Memoiren zu schreiben.« Ich weiß nicht mehr, wer das zu mir sagte – aber die Person hatte nicht unrecht. Auf der Internet-Seite »meiner« Raketenheftchenserie schreibe ich in einer Reihe namens »Der Redakteur erinnert sich« immer wieder über Dinge aus meiner Vergangenheit. Die Texte haben mit meinem Job zu tun, mit der Science Fiction oder mit der Fan-Szene, und sie sind recht subjektiv.

So schrieb ich im Juli unter der Überschrift »Auch eine Begegnung der dritten Art« darüber, wie ich 1979 meine erste Science-Fiction-Kurzgeschichte verfasste. Ich war damals fünfzehn Jahre alt, da sind viele seltsame Formulierungen hoffentlich verzeihbar.

»Die geplante PERRY RHODAN-Box« hatte da natürlich mehr mit meiner Arbeit zu tun, in diesem Fall mit einer geplanten Kooperation mit Weltbild. Die kam 2010 nicht zustande, aus Gründen, die heute nichts mehr zur Sache tun.

Am meisten interessieren sich die Leser dieser Kolumnenreihe für Texte, die mit der eigentlichen Inhaltsarbeit zu tun haben. In »Wie die Exposés zur Abruse anfingen« schrieb ich beispielsweise über eine Exposébesprechung im Oktober 1993. In »Kristallwesen und Zwillingsschwestern« setzte ich diesen Bericht fort.

Ins Jahr 2004 wechselte ich, als ich »Wir starteten das ATLAN-Jahr« veröffentlichte. Es ist ja eigentlich erschütternd, wie viele Details ich aus diesem Jahr tatsächlich schon vergessen habe – an viele ATLAN-Besprechungen erinnere ich mich aber immer noch sehr gut.

»Ein Vortrag in Berlin« wechselt dann ins Jahr 1999 – das ich einen Tag danach eine Punkrock-Lesung in der »KvU« hielt, verschwieg ich den Lesern dieser Kolumne. Nicht aus Bösartigkeit, sondern weil das einfach zwei verschiedene Themen sind.

Eher traurig stimmte es mich, den Text über »Eckhards erste Tage« zu verfassen: Wie war das eigentlich 1996, als Eckhard Schwettmann die Marketing-Abteilung für unsere Serie überhaupt erst aufbaute?

07 August 2017

Ein Kinderbuch für mehr Phantasie

Dass Kinder meist noch über die Phantasie verfügen, die man ihnen in der späteren Jugend dann austreibt, ist allgemein bekannt. Wohlmeinende Pädagogen, die Bilderflut der modernen Medien und ängstliche Eltern sorgen dafür, dass Jugendliche auf Effizienz getrimmt werden – damit sie sich hinterher umso besser in das System einpassen.

Da finde ich es erfreulich, dass es so viele so schöne Kinderbücher gibt, die den »Kleinen« dazu verhelfen, ihre eigene Phantasie zu entwickeln. Ein gelungenes Beispiel dafür ist »Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben« von Pamela Zagarenski. Die Künstlerin stammt aus den USA, wo sie schon Preise gewonnen hat, aber vor allem Kinderbücher gestaltet und auch Gemälde anfertigt.

Das merkt man ihrem Buch an: Großformatige Bilder, die sich über je eine Doppelseite ziehen, illustrieren eine Geschichte, die mit wenigen Worten auskommt und in einem Kind den Wunsch auslösen sollte, sich selbst Geschichten auszudenken. Die Bilder sind künstlerisch, weit entfernt etwa von einem Comic-Stil, und sie laden dazu ein, immer wieder draufzuschauen und Details zu betrachten.

Heldin des Buches ist ein kleines Mädchen, das ein Buch voller Geschichten ausleiht. Als es damit nach Hause geht, fallen aber alle Buchstaben zu Boden; das Mädchen erreicht sein Zuhause quasi ohne Text. Immerhin gibt es einen freundlichen Fuchs, der die Buchstaben aufsammelt und aufbewahrt.

Das Kind schaut sich daheim das Buch an, stellt fest, dass es nur noch Bilder enthält. Sein Geist entwickelt in der Folge eigene Geschichten, die voller Magie und Spannung sind; die Phantasie entsteht aus den Bildern. Und als das Mädchen am nächsten Morgen den Fuchs wiedertrifft, gibt es für den ebenfalls eine Geschichte ...

Wahrscheinlich sollten sich viele Erwachsene, die ihr Dasein in freudlosen Berufen fristen, ein solches Buch kaufen und sich selbst darauf einlassen, die Geschichten zu Ende zu denken oder zu träumen. Kinder schaffen das wahrscheinlich selbst ganz gut, wenn sie noch nicht vollständig vom System absorbiert worden sind.

Mit seinen wunderschönen Bildern und den Textideen, die in der kurzen Geschichte erzählt werden, lädt »Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben« dazu ein, sich selbst auf die Reise zu fremden Welten zu begeben. Wer Kinder hat (oder Bekannte mit Kindern), sollte sich dieses Buch zumindest anschauen – ich halte es für ein richtig tolles Geschenk.

Wobei man es sich auch selbst schenken kann ... die meisten Erwachsenen leiden schließlich eher an einem Mangel an Phantasie als an zu vielen »Spinnereien und Träumen« im Kopf.

Erschienen ist das Buch im Knesebeck-Verlag, es hat 40 Seiten und ist schön gedruckt. Zum Preis von 12,95 Euro und mithilfe der ISBN 978-3-86873-942-8 kann man es in jeder Buchhandlung bestellen; auf der Internet-Seite des Verlages stehen einige der großformatigen Doppelseiten zur Ansicht zur Verfügung.

06 August 2017

Ein Bébé von 1963

Ich wühle immer mal wieder gern in den alten Schätzen meiner Fanzine-Sammlung; gelegentlich wundere ich mich darüber, was man früher so geschrieben hat. Und ich bin sicher, dass man in fünfzig Jahren ähnlich über die schriftlichen Ergüsse von heute denken wird.

Vieles von dem, was in dem Fanzine »Bébé« steht, ist beispielsweise schon heute schwer zu verstehen. Veröffentlicht wurde es im Juli 1963, als »Verlag« ist ein »Verlag für jugendgefährdende Literatur« angegeben – ein ironischer Seitenhieb auf die damalige Debatte über »Schundliteratur« – und Herausgeber war Burkhard N. Blüm.

Das mir vorliegende Exemplar trägt die Nummer 34 und wurde für Walter Ernsting gedruckt. (Genau der Mann, der damals schon die Serie PERRY RHODAN mitbegründet hatte.) Insgesamt betrug die gesamte Auflage nur 40 Exemplare, für ein Umdruck-Fanzine durchaus üblich.

Der Herausgeber war im Juli 1963 ein frischgebackener Student mit Sitz in Frankfurt. Wenn er über andere junge Leute schrieb, benutzte er gern die Formulierung »wir«; um sein Studium zu finanzieren, jobbte er auf dem Bau. Von »1968« gab's noch keine Anzeichen, rebellisch und weltoffen fühlte man sich als Student damals aber schon.

Enthalten ist die Übersetzung eines Prosagedichtes, das der kanadische Autor Barry Lord verfasst hatte; das lässt sich übrigens auch heute noch gut lesen. Unter der Rubrik »Ars Amatoria« beschäftigt sich der »Bébé«-Herausgeber ausführlich mit der damaligen Situation in der Szene der Science-Fiction-Fans, dem sogenannten Fandoms. Die Clubs verloren an Bedeutung, die freien Fanzines wurden für die nach wie vor wachsende Szene immer wichtiger.

Alles in allem bot das Fanzine damals eine spannende Lektüre; so etwas fehlt mir heute oft. Da setzte sich ein junger Mann hin, schrieb in pointierten Sätzen seine Weltsicht auf, schrieb über andere Fanzines und brachte das alles sehr klar und dynamisch zum Ausdruck. Toll, so etwas heute zu lesen!

05 August 2017

Mal wieder ins ZKM gehen?

Da wohne ich in einer Stadt, die ein ZKM hat – und besuche es so gut wie nie. Das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe ist eine Einrichtung, wie es sie weltweit nur sehr selten gibt; man kann zurecht stolz darauf sein. Ich gehöre dummerweise zu den Leuten, die mit vielen Aspekten dieses Museums nicht viel anfangen können und die sich mit Museen generell schwertun; aber ich glaube, ich muss in den nächsten Monaten öfter hingehen.

Man möchte sich im kommenden Halbjahr unter anderem mit dem »rasanten technologischen und sozialen Wandel zu Beginn des digitalen 21. Jahrhunderts« beschäftigen. Wie haben sich Kunst und Wissenschaft beeinflusst, wie hängen die digitale Zeit und die Kunst zusammen? Das klingt wieder schrecklich verkopft, was mich möglicherweise von einem Besuch des Museums abhalten kann, könnte aber doch besuchenswert sein.

Ansprechend klingt beispielsweise »Open Codes. Leben in digitalen Welten« ... »Mit der Ausstellung versucht das ZKM, durch Dokumente, Artefakte und Kunstwerke die Entwicklungslinien der Physik und Mathematik der letzten 300 Jahre aufzuzeigen«, heißt es in der Ankündigung. Und: »Es werden der heutige Stand der innovativsten zeitgenössischen Digitaltechnologien, von Robotik bis künstliche Intelligenz, von Sensorentechnologie bis Bio-Design, sowie deren soziale, politische und gesellschaftliche Folgen vorgestellt.« Könnte dann doch spannend sein, oder?

Ähnlich interessant klingt für mich »Radical Software«; diese Ausstellung läuft sogar so. Dabei präsentiert man »amerikanische KünstlerInnen und Wissenschaftler vor, die in den 1970er-Jahren bereits erste Visionen einer vernetzten Welt formulierten«. Das klingt nach Science Fiction, das erinnert mich an die Anfänge von Cyberpunk – ich denke, das sollte ich mir an einem Schlechtwettertag in diesem Jahr unbedingt mal anschauen.

Wahrscheinlich kommt meine Abneigung gegen mancherlei Museen daher, dass die Ankündigungen so unnötig kompliziert formuliert werden. Da macht das ZKM leider keine Ausnahme. Dabei halte ich mich für einen vielseitig interessierten Menschen ... der dann doch lieber viel zu oft bei den bekannten Comics, SF-Romanen und Punk-Bands landet ...

04 August 2017

Junge Leute in Karlsruhe, gestern

Donnerstag am frühen Abend: Noch ist es hell, noch sind die Menschen unterwegs, die etwas einkaufen wollen, und vermengen sich mit den Menschen, die zum Essen und Trinken ausgegangen sind.

Ich fahre mit meinem Rad durch die Erbprinzenstraße in Karlsruhe, schlängle mich zwischen Fußgängern hindurch. Es ist immer noch schwülwarm, jede Bewegung treibt einem den Schweiß aus den Poren.

Am Kiosk am Ludwigsplatz wird das Gedränge dichter. Fast muss ich absteigen, aber ich komme im Schritttempo durch. Des Rätsels Lösung: Junge Leute mit Streich- und Blasinstrumenten stehen da, umlagert von Schaulustigen, und spielen klassische Musik.

Die Stimmung ist richtig gut, alle scheinen sich zu freuen. Kultur von jungen Menschen in der Innenstadt – das finden alle gut.

Ich erreiche den Stephansplatz. Dort haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Leute vom »Widerstand Karlsruhe« getroffen, um ihre Angst vor Fremden und ihren Hass auf Ausländer zum Ausdruck zu bringen, umlagert von Gegendemonstranten und beschützt von der Polizei. Der Spuk ist fürs erste vorüber.

An diesem Abend haben junge Punks den Platz für sich entdeckt. Vor Freude falle ich fast vom Rad: ein halbes Dutzend junger Punks, struppige Haare und abgerissene Haare inklusive. Drei Millisekunden lang glaube ich, versehentlich durch eine Zeitmaschine gefahren zu sein – aber es ist Realität.

Sie trinken Bier, sie hören – wie es es sich gehört – schlechten Deutschpunk der sechsten oder siebten Generation, scheinen sich dabei richtig gut zu amüsieren. Punkrock mit jungen Leuten in der Innenstadt – das finde dann zumindest ich richtig gut.

03 August 2017

Zukunft war auch mal moderner

Die Dieselskandale, der Klimawandel, die Flüchtlinge, die Zukunft der Arbeit – mir tun die Politiker eigentlich leid, weil sie sich ständig mit so komplexen Themen beschäftigen müssen, auf die es keine Antworten gibt. Da müsste man eigentlich intensiv um die Zukunft ringen, müsste darum arbeiten, welche Ziele die richtigen sind, müsste sich mit Fachleuten und deren Arbeit beschäftigen, um die richtigen Antworten zu finden.

Dummerweise passiert genau das nicht.

Die Politiker schwatzen, wenn sie sich nicht gerade von der Industrie am Nasenring durch die Landschaft ziehen lassen. Sie machen Wahlplakate, auf denen sie allerlei Kram versprechen, von denen jeder weiß, dass sie es eh nicht einhalten werden. Und sie ignorieren die dringend notwendige Auseinandersetzung um die Zukunft.

Vielleicht habe ich zu viel Science Fiction gelesen, vielleicht bin ich einfach auch nur ein tumber Träumer. Aber selbst ein Mensch ohne zu viel politisches Wissen kann sich denken, dass es so bald nicht mehr weitergehen kann. Und es wäre beispielsweise die Aufgabe einer ohnehin chancenlosen Oppositionspartei, stärker auf solche Themen hinzuweisen.

Wie soll das denn weitergehen mit der globalen Gerechtigkeit? Das bisherige Gerede von Gerechtigkeit wird rein national betrachtet: Wir nehmen den Reichen vielleicht einige Euro ab und geben sie den Hartz-IV-Empfängern. Grundsätzlich richtig – aber was machen wir mit der Milliarde Afrikanern, die auf der anderen Seite des Mittelmeers sitzen?

Die komplexe Welt der Gegenwart wird in der nahen und fernen Zukunft nicht einfacher werden. Es ist jetzt schon klar, dass alles noch schwieriger werden wird. Es geht nicht darum, die Dieselmotoren ein bisschen besser zu machen – das sage ich als Dieselautofahrer –, sondern es geht darum, den Verbrennungsmotor schnellstmöglich abzuschaffen und endlich auf umweltfreundliche Autos umzusteigen oder sich ein ganz neues System auszudenken. Das geht nicht ohne irrsinnige Investitionen.

Es kann nicht darum gehen, afrikanischen Potentaten dafür Geld zu geben, dass sie ihre Bevölkerung einsperren. Es muss jetzt daran gearbeitet werden, dass diese Länder endlich auf die Füße kommen, dass ihre Bevölkerung eine Chance hat – und das kostet nicht einige Milliönchen, das kostet irrsinnig viel Geld. Es ist offenbar billiger und vor allem eifacher, am bisherigen System der Ausbeutung aktuell nichts zu ändern.

Es gibt haufenweise Probleme. Doch im Wahljahr werden diese Probleme nicht diskutiert, sondern verschleiert oder gar national verbrämt. Während die Bundeskanzlerin sich schon irgendwie durchmerkeln wird, geht die Opposition auf einen Kurs, der nicht gerade zukunftsorientiert ist.

Vielleicht habe ich zu viel Science Fiction gelesen. Vielleicht habe ich echt keine Ahnung von Politik. Aber dass es so nicht weitergehen kann, sollten doch auch Politiker merken ...

02 August 2017

Bei der Heiligen Theresia

Mit dem Prinzip der Heiligen innerhalb der Katholischen Kirche bin ich vertraut, wenngleich ich es nicht so richtig verstehe. Im Prinzip bietet man den Gläubigen eine Reihe von kleinen Göttern an, zu denen sie beten können, wenn es ihnen schlecht geht. Aber wenn man schon mal in einer Stadt weilt, in der eine »echte« Heilige gelebt hat, muss man sich das zumindest mal anschauen.

Dachte ich. Also hielten wir an, als wir durch Lisieux kamen.

Die Stadt in der Normandie ist nicht weiter wichtig. Im Krieg wurde sie stark zerstört, danach wurde sie eher unterdurchschnittlich wieder aufgebaut. Die Innenstadt ist somit wenig ansehlich – aber die meisten Besucher schauen sich ohnehin nur die Wallfahrtskirche an, die am Stadtrand errichtet wurde.

In der Stadt wirkte die Heilige Theresa, auch Therese oder Thérèse geschrieben. Im neunzehnten Jahrhundert war sie eine berühmte Kirchenlehrerin, die allerlei Wunder tat und deshalb bis heute verehrt wird. Sie war – so heißt es in ihren Biografien – ständig auf der Suche nach der Heiligkeit; als wurde sie allerdings wirklich nicht (1873 bis 1897).

Ihr zu Ehren wurde eine prunkvolle Wallfahrtskirche errichtet, zu der auch ein kleiner Park, ein Museum und andere Gebäude gehören. (Bei einem Bus hatte ich aber den Eindruck, dass die Reisenden vor allem die öffentlichen Toiletten aufsuchten, um dann gleich weiterzufahren.)

Wer sich dort aufhält, kann viel Zeit damit verbringen, Heiligenblder und Statuen anzuschauen. Ich fand fast interessanter, den Gläubigen zuzuschauen, die teilweise von weit her zu der Kirche fuhren. Eine Wallfahrt erlebte ich allerdings nicht mit.

Der Anblick der Kircheninnern, das recht modern wirkte, aber dennoch genügend Prunk ausstrahlte, machte auf mich einen wuchtigen Eindruck. Interessieren würde mich da immer, was die Nonne von damals zu dem Bau sagte, den man in ihrem Namen errichtet hat. Ob es ihr peinlich wäre?

Mit Heiligen kann ich nicht viel anfangen. Den Glauben möchte ich den Menschen nicht nehmen, das ist ihre Privatsache. Auch in der Wallfahrtskirche sprang kein Funke auf mich über. Aber ich fand's dann doch interessant, sie besucht zu haben ...

01 August 2017

Radiosendung mit spontaner CD-Auswahl

Was macht man eigentlich, wenn man feststellt, dass der fünfte Sonntag im Monat ist und man nichts für die Radiosendung vorbereitet hat? Man improvisiert. Das zumindest war mein Ding am Sonntag abend, 30. Juli 2017. Mir fiel zu spät ein, dass ich im Querfunk eine Sendung zu fahren hatte, und entschied mich spontan, diesmal ganz spontan zu sein ...

Es ging dann doch ganz einfach: Ich stöberte im CD-Regal herum und fischte allerlei Sampler hervor, die ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Damit, so dachte, ließe sich doch eine brauchbare Sendung zusammenbasteln. Ich finde, das gelang dann doch ganz gut.

Ich spielte viel Zeugs aus Deutschland, unter anderem deshalb, weil ich zwei CDs von Teenage Rebel Records dabei hatte. Damit ließ sich gut Terrorgruppe und Lokalmatadore spielen, District und Vageenas, eine ziemlich gelungene Mischung, wie ich finde, die ich mit den Schwarzen Schafen und den Public Toys gut abmischte.

Eine Ergänzung erbrachten amerikanische Bands. Ich stellte fest, dass Sampler von BitzCore Records dafür gut geeignet sind ... So konnte ich die Tocic Reasons ebenso spielen wie die Zero Boys, aber ebenso die göttlichen Black Market Baby und die knalligen Freeze.

Dazu noch ein bisschen Skapunk, ein wenig Oi!, und fertig war eine Sendung ohne Konzept, aber mit richtig viel guter Musik. Fand zumindest ich ... (Und wer wissen will, wie das aussieht, wenn eine Sendung während der Sendung konzipiert wird, schaue sich die Abbildung hier an.)