28 Februar 2015

Peter in der Zielgerade

Es ist bereits die Folge 54: In der Ausgabe 118 des OX-Fanzines erschien die aktuelle Folge meines Fortsetzungsromans »Und: Hardcore!« – weiter geht es mit den »Peter Pank«-Epos. Die Handlung lässt sich rasch zusammenfassen: Zusammen mit einem Journalisten und einer undurchsichtig wirkenden, aber reichlich coolen Frau dringt Peter Meißner in einen »Schuppen« ein, der schon zu Beginn des Fortsetzungsromans eine Rolle spielte. Dort vermutet man allerlei Nazi-Kram.

Derzeit bin ich noch nicht ganz sicher, wie viele Folgen es noch sind, bis der Roman zu Ende ist. Sind's zwei oder drei? Auf jeden Fall soll das fertige Buch im Verlag des Archivs der Jugendkulturen erscheinen. Seien wir aber mal realistisch – das wird frühestens im nächsten Jahr der Fall sein.

27 Februar 2015

Tolle Gestaltung, lahmer Inhalt

Manchmal kaufe ich Bücher nur deshalb, weil sie toll aussehen. Das machte ich bei dem Roman »Der Hals der Giraffe« der deutschsprachigen Schriftstellerin Judith Schalansky; sowohl für den Inhalt als auch die Gestaltung hatte die Autorin sehr viel Lob erhalten. Und das machte mich dann doch sehr neugierig ...

Um es vorwegzunehmen: Will man wissen, warum die anspruchsvolle deutsche Literatur so erbärmlich und langweilig ist, sollte man sich diesen Roman einmal angucken. Wer ihn durchlesen möchte, benötigt ein wenig Zeit. Er ist nicht kompliziert geschrieben, enthält keinerlei stilistischen Experimente, ist aber einfach sterbenslangweilig.

Das Feuilleton liebte das Werk dennoch: In der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« wurde »Der Hals der Giraffe« euphorisch besprochen. Die Rezensentin bescheinigte sogar, es handele sich um »einen aufregend trockenen Roman über die brennenden Fragen unserer Zeit«. Er sei quasi »die Spitze der literarischen Evolution«.

Eigentlich handelt es sich um einen Lehrerinnen-Roman. Hauptfigur ist eine Lehrerin in einer Kleinstadt irgendwo im Osten der Republik, die schon zu DDR-Zeiten und während der sogenannten Wende im Schuldienst tätig war. Sie ist stur, sie schwört auf Professionalität und knallhartes Lernen. Wer sich nicht anpasst, der rasselt durch.

Die zynische Hauptfigur, die eigentlich mit der aktuellen Welt nicht klarkommt, ärgert sich über Schüler und Lehrer, und sie verzweifelt an der Welt, die sie mit einem dauernd-miesepetrigen Blick beäugt. Während in ihrer Wahrnehmung rings um sie die Welt zerfällt, versucht sie grimmig den Kurs zu halten.

Wie die Autorin es schafft, aus diesem eigentlich interessanten Thema eine so langweilige Lehrveranstaltung zu machen, das ist schon klasse. Der Blick durch die Brille der Hauptfigur ist gelungen – wenn geplant war, die Lehrerin so darzustellen, hat die Autorin ordentlich gearbeitet. Da aber eigentlich den ganzen Roman über nichts passiert, kommt so gut wie keine Spannung auf.

Der Roman hat wenig Handlung, sondern besteht aus sehr viel Innensicht, aus Reflektionen und Gedanken; gelegentlich gibt es Interaktion. Die Hauptfigur ist unangenehm, und das beschreibt die Autorin natürlich gut; trotzdem packte es mich einfach nicht. Der Spiegel, den die Autorin ihren Lesern vorhalten wollte, kam bei mir nicht besonders gut an. Unterm Strich war's dann eine quälende Lektüre, mehr nicht.

Ach so: Die Gestaltung des Romans ist wirklich klasse. Der Umschlag besteht aus einem groben Leinen, das man so eigentlich nie sieht; darauf wurde das Skelett einer Giraffe geprägt. Im Inhalt gibt es einige Illustrationen von Tieren aller Art – das hat weniger mit dem eigentlichen Romaninhalt zu tun als vielmehr mit dem »Meta-Thema«: Wieviel Anpassung benötigt man als Mensch, um in der heutigen Umwelt überleben zu können?

»Der Hals der Giraffe« ist im Suhrkamp-Verlag erschienen; der Roman ist noch im Handel erhältlich, allerdings nicht mehr in der superschicken Leinen-Ausgabe. Aber wer sich trotz meines kritischen Blicks für den Roman interessiert, wird ihn sicher auch in einer anderen Version gern kaufen ...

26 Februar 2015

Rennen in der kalten Stadt

Dienstag abend, 24. Februar 2015: Der erste offizielle Aufmarsch der »Pegida Karlsruhe« sollte ablaufen, und ich wollte dabei sein, um diesen Aufmarsch mitzublockieren. In ziemlicher Hektik fuhr ich von der Arbeit nach Hause, zog mir wärmere Kleidung an und machte mich auf den Weg in die Innenstadt von Karlsruhe.

Weil ich mit dem Rad unterwegs war, nahm ich die Route entlang des Stephanplatzes, der großmaßstäblich von der Polizei abgeriegelt war. Überall waren Gruppen von Männern unterwegs, die dem Platz zuströmten. Das typische Nazi-Ornat trugen die wenigsten, viele von ihnen wirkten aber miesepetrig und schlechtgelaunt.

Ich stellte mein Rad an der Karls-Apotheke ab und wollte zum Ludwigsplatz. Zu meinen Bekannten ließ mich die Polizei erst nach einiger Diskussion durch. Offensichtlich überforderte mein Aussehen ihr Schema – dann stand ich bei den Gegendemonstranten.

Es blieb lange Zeit langweilig. Die Polizei riegelte den Stephanplatz ab, auf dem die Pegidioten ihre Kundgebung abhielten. Wir konnten sie kaum sehen, geschweige denn hören. Wir standen am Ludwigsplatz, froren und brüllten ab und zu mal irgendwelche Parolen. Von der anderen Seite des Stephanplatzes her kamen andere Demonstranten; es gab dort auch Rangeleien, aber wir sahen nichts konkretes.

Irgendwann liefen die Pegidioten los. Die nächste Stunde war ein Katz-und-Maus-Spiel in der Innenstadt. Überall waren Gruppen von Demonstranten unterwegs, überall rannten Einsatzkräfte der Polizei durch die Gegend. Wir wollten den Nazi-Aufmarsch blockieren, die Polizei riegelte ständig irgendwelche Straßen ab.

Am Zirkel – auf Höhe des Badischen Kunstvereins – wurden wir sogar eine Viertelstunde lang von Polizeiketten »eingekesselt«. Die Pegidioten marschierten vorbei, es kam zu einigen hektischen Aktionen. Hier flog der eine Böller, durch dessen Detonation es zu den zwei verletzten Polizisten gab.

Unsere Gruppe wollte zum Schlossplatz, wo wir die Schlusskundgebung der Pegida anschauen wollten; wir gingen als Ortskundige irgendwelche Schleichwege, liefen durch die Ritterstraße und standen auf einmal dem kompletten Pegida-Mob gegenüber, der bereits auf dem Rückweg vom Schloss war. Ich war in dem Moment sehr froh, dass die Polizei zwischen uns und denen stand ...

Zu sehen gab es rund 200 beinharte Nazis, zwischen denen sich einige normale, bürgerlich gekleidete Menschen aufhielten, die Plakate in die Luft hielten, auf denen sie ihre Meinung äußerten. Der Großteil der Pegida-Demo bestand aber aus sehr kräftig aussehenden Jungmännern mit schlechter Laune.

Die Pegida-Demo war zwischen Polizeiketten und der Unterführung entlang des Schlossplatzes eingekeilt. Auf der anderen Seite der Unterführung kam es zu Gerenne; wir sahen Demonstranten, die von der Polizei gescheucht wurden – während die Pegidioten begeistert johlten. Dabei kam es zu den zwei weiteren verletzten Polizisten, die beim Rennen unglücklich stürzten.

Unsere kleine Gruppe schrie eifrig »Nazis raus!« – wobei ich schon froh war, dass die Polizei zwischen uns und denen stand. Hinter uns hatte man mittlerweile die Straße abgesperrt, so dass keine Verstärkung zu uns durchkam.

Ein Polizist sprach mich beim Vorbeigehen halblaut auf Badisch an: »Sie haben ja so recht.« Ein anderer sagte zu einer Frau aus unserer Gruppe: »Es ist Ihnen schon klar, dass die Kundgebung aufgelöst ist. Die können jetzt heimgehen, wir stehen zu Ihrem Schutz da.« Die Pegida-Demo skandierte mittlerweile »Danke, Polizei!«

Danach wurde es wieder hektisch. Die Polizei machte den Weg für die abmarschierende Pegida frei – wir gingen freiwillig aus dem Weg; vereinzelt kam es gegenüber unserer Gruppe zu Schubsereien. Unter wütendem »Nazis Raus«-Gebrüll wurden die Pegidioten durch die Stadt geführt; wieder gab es überall Polizeispaliere und Gruppen von Gegendemonstranten. In meinen Augen war die Innenstadt von Karlsruhe voller aufgebrachter Leute.

Am Stephanplatz endete alles. Es kam zu einer Rangelei zwischen einer Gruppe Nazis und einer Gruppe Demonstranten, es kam zu gegenseitigem Beschimpfen – dann war es vorüber. Die Pegida war marschiert und hatte sich dabei als knallharter Nazi-Aufmarsch entpuppt. Wieder einmal etwas auf der Straße gelernt ...

25 Februar 2015

Presse und Pegidioten

Wenn ich einen Standpunkt der Pegidioten teilen kann, ist es tatsächlichi der, die bundesdeutsche Presse zu kritisieren. Der Begriff »Lügenpresse« ist aus den unterschiedlichsten Gründen falsch – aber wie falsch und unlogisch häufig berichtet wird, lässt sich täglich an unzähligen Beispielen festmachen. So schreiben viele der sogenannten Journalisten einfach voneinander ab oder übernehmen kritiklos die Aussagen der Polizei.

Ein schönes Beispiel dafür erlebte ich am gestrigen Abend und an der Reaktion der sogenannten Qualitätsmedien am heutigen Tag. (Ich verzichte auf die Angabe von Quellen. Wer mithilfe von »Pegida« und »Karlsruhe« googelt, dürfte genug finden.) Einen Bericht liefere ich vielleicht noch nach, hier erst einmal einige Sätze zur Pressereaktion.

Die Medien schreiben von 200 »Islamkritikern« oder »Pegida-Anhängern«; dass es sich zu zwei Dritteln um beinharte Nazi-Schläger und Hooligans handelte, zwischen die paar »bürgerlichen Demonstranten« mit ihren putzigen Schildern kaum auffielen, wird verschwiegen. Auf der anderen Seite wird mal von »700 Pegida-Gegnern« gesprochen, dann sind es wieder »jeweils mehrere hundert« – was nach meiner Rechnung dann mehr wären als 700. Aber zwischen denen sind dann auch wieder »100 gewaltbereite Linksautonome« oder auch »bis zu 200 teils gewaltgeneigte Teilnehmer der Gegenveranstaltungen«.

Wie immer schwanken die Zahlen, wie immer nimmt man irgendwelche Angaben, ohne sie auch nur einmal selbst nachzuprüfen. Und es bleibt ein Bild: Brave Demonstranten unter schwarz-rot-goldenen Fahnen wurden von bösen Linken angegriffen, und die Polizei hat alles getan, damit alles friedlich bleibt.

»Danke, Polizei«, skandierten die Pegidioten am Ende. »Danke, liebe Medien«, skandiere ich in meinem Redaktionsbüro vor mich hin und schäme mich für meinen Berufsstand.

24 Februar 2015

Lübbe, Beam und Streaming

Es ist immer wieder interessant, die Informationsblätter genau anzugucken. So erfuhr ich heute über die Internet-Seite des »Buchreports«, was die Kollegen bei Bastei so alles vorhaben. Auf dem sogenannten Investorentag hat der Verlag mit Sitz in Köln »neue Komponenten der Digitalstrategie« präsentiert.

Unter anderem geht es darum, die Firma Beam E-Books – mit der ich seit Jahren gut zusammengearbeitet habe –, die seit dem vergangenen Herbst zu Lübbe gehört, zu einer »Streaming-Plattform für Serienformate« auszubauen. Man spricht von internationaler Vermarktung, peilt Märkte wie Indien oder China an und möchte vor allem ein Flatrate-Angebot schaffen.

Auf den ersten Blick klingt das ganz vernünftig: Zu Lübbe gehören Serien wie »John Sinclair« und »Jerry Cotton«, und bei Beam ist die Romanheftserie, für die ich verantwortlich bin, sicher einer der Spitzenreiter. Serien und Serien gesellen sich einfach gern. Und wenn die Kunden gern Serien gucken, hören oder lesen, ist es schlau, ihnen das alles in einem vernünftigen Maß zu präsentieren.

Die Autoren müssen sich in solchen Fällen immer sehr genau überlegen, wo sie selbst bleiben – da heißt es sicher, die einzelnen Verträge sehr genau anzuschauen. Aber in einer sich wandelnden Medienwelt bleiben die bisherigen Verträge und Vertriebsstrukturen sicher nicht dieselben.Was wirklich passieren wird, weiß keiner – Lübbe versucht derzeit, einige Dinge neu zu machen, und selbstverständlich kann nicht alles funktionieren. Schauen wir mal ...

Leipzig im Blick

Buchmessen sind für mich mittlerweile zu Terminen geworden, die das Jahr gliedern. Im Frühjahr geht's nach Leipzig, im Herbst geht's nach Frankfurt. Dazu kommen Ostern, Weihnachten und Neujahr – das ist meine Jahresaufteilung. Irgendwie finde ich es faszinierend, wie ich mein Leben immer stärker an Ereignisse anpasse, die »von außen« auf mich zukommen.

Gejammer wäre an dieser Stelle unnötig; ich freue mich nämlich auf die Buchmessen. So fahre ich im März mal wieder nach Leipzig: nicht privat wie aus unterschiedlichen Gründen in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren, sondern halt im Auftrag einer gewissen Romanheftserie.

Wen es interessiert: Vom 13. bis 15. März 2015 bin ich in der Halle 2.0 anzutreffen, dort gibt es den hoffentlich schönen Stand H 312, wo ich zwischen Büchern und Hörspielen sowie anderen Dingen sitze, einen schicken Anzug trage und einen möglichst seriösen Eindruck hinterlasse ...

23 Februar 2015

Krum Bums knallen

Krum Bums stammen aus Austin, Texas; die Band gibt es seit dem Jahr 2000. Wenn ich es richtig kapiert habe, bezieht sich der Name der Band auf arme Jugendliche, die in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts in den Depressionsjahren in Banden zusammenlebten. Was die fünfköpfige Band ansonsten macht, lässt sich praktischerweise mit Hardcore-Punk umschreiben.

Ich habe die Platte »As The Tide Turns« aus dem Jahr 2006 mal wieder angehörigt, die von dem Schweizer Label T.S.O.R.-Records veröffentlicht wurde. Netterweise hat das Label eine Picture-LP veröffentlicht, die auf beiden Seiten schick bedruckt worden ist und rein optisch schon mal gut aussieht.

Musikalisch wie textlich macht die Band vieles richtig: Der Sänger hat eine charakteristische Stimme, mit der er brüllt und knarzt, die anderen Bandmitglieder machen den Chor dazu, ansonsten gibt es ein amtliches Hardcore-Brett mit schnellen Gitarrenläufen, wummerndem Bass und knalligem Schlagzeug, keine Metal-Soli, keine überflüssigen Breaks, einfach ordentlicher Hardcore-Punk, wie man ihn anfangs der 80er-Jahre bei den Engländern entwickelt hat, nur eben knalliger gespielt. Geiles Brett!

22 Februar 2015

Ein Guest House in Trinidad

Manchmal ist es schon interessant, eigene Erinnerungen mit aktuellen Bildern zu vergleichen. Das Internet mit seinen unerschöpflichen Vorräten an Bildern und Dokumenten ist eine merkwürdige Erinnerungshilfe.

So ging es mir dieser Tage, als ich einen Rechnungsbeleg des Airport View Guest Houses in der Hand hatte – das liegt in Piarco, einem Ort in Trinidad. Dort war ich im November 2002 für eine Übernachtung, und ich mochte es sehr.

In meiner Erinnerung war das ganze ein eher schlichtes Gästehaus. Mein Zimmer war sauber, die Toilette und das Bad waren auf dem Flur, ich hatte einen schönen Balkon und eine nette Grünanlage direkt vor der Tür. In den Gemeinschaftsräumen standen Fernseher und dergleichen zur Verfügung; das Gästehaus hatte damit eher einen Hostel-Charakter.

Von dem Haus spazierte ich in einer überschaubaren Zeit in die Innenstadt, die Bushaltestelle war in der Nähe, und von dort aus konnte ich flott zum Strand fahren. Alles war sehr angenehm dort, und ich hatte das Personal als locker und positiv-unprofessionell in Erinnerung.

Mittlerweile ist das Gästehaus im Internet vertreten; man kann es über diverse Seiten buchen, und es prunkt mit allerlei Beschreibungen, die mit meiner Erinnerung nicht viel zu tun haben. Will ich also eine Geschichte schreiben, die in diesem Haus spielt, muss ich meine Erinnerung bemühen – die heutige Realität hat mit dem damals von vor über einem Dutzend Jahren nicht mehr viel zu tun ...

21 Februar 2015

Keine kroatische Band

Eigentlich sollte an diesem Freitag abend, 20. Februar 2015, in der »Alten Hackerei« eine kroatische Band spielen, von der ich noch eine Woche zuvor nicht einmal den Namen gekannt hatte. Aber nachdem ich mir auf Bandcamp die Stücke der Band angehört hatte, richtete ich mich auf einen sehr krachigen Abend ein. Frohgemut schlug ich gegen halb elf Uhr abends in der Punkrock-Kneipe in Karlsruhe auf – um zu erfahren, dass die Kroaten nicht spielen würden.

Immerhin spielten Lost Again, die ursprünglich aus der Region stammen, auch wenn die drei Musiker heute in der Republik zerstreut sind. Ich hatte die Band schon lange nicht mehr gesehen und war dann doch gespannt. Bis der erste Ton erklang, verbrachte ich die Zeit mit Labern und Biertrinken – wie immer eigentlich.

Als die Band auf der Bühne stand, dauerte es wegen der Unterhaltungen einige Zeit, bis ich es endlich ins Innere der »Alten Hackerei« schaffte. Ich wurde positiv überrascht: Lost Again erwiesen sich als ganz schön druckvoll. Schnellen Punk gab es, der immer mal wieder knackige Melodien dazwischen haute; der große Hit fehlte allerdings, so dass bei mir hinterher nicht so viel hängen blieb. Die Band ließ es auf jeden Fall gut krachen – ein schönes Konzert.

Hinterher gab's noch ein Bier sowie weitergehende tiefschürfende Gespräche: Szene-Tratsch beispielsweise über Freunde und Bekannte, Musiker und Fanzineschreiber. So mochte ich es, und in bester Laune düste ich gegen halb zwei Uhr dann nach Hause.

20 Februar 2015

Abgefahrener Kinoknaller

Ich habe mir – ohne vorher auch nur ansatzweise über den Streifen zu wissen – den aktuellen Kinofilm »Inherent Vice« angeschaut. Sieht man davon ab, dass ich zeitweise nicht so recht wusste, was ich von dem schrägen Film halten sollte, muss ich abschließend sagen, dass ich mich großartig amüsiert habe.

Wobei es einigermaßen schwierig ist, die Handlung des Filmes von Regisseur Paul Thomas Anderson halbwegs vernünftig zusammenzufassen. Soviel lässt sich sagen: Der Film führt in das Kalifornien des Jahres 1970, und die Hauptperson ist ein dauernd bekiffter Hippie und Privatdetektiv namens Doc Sportello.

Er ist ständig damit beschäftigt, sich allerlei Drogen reinzupfeifen, legt sich mit der Polizei an und versucht ganz nebenbei, eine Beziehung mit einer Frau aus der Staatsanwaltschaft zu führen. Neben den bekifften Hippies, die meist nichts auf die Reihe bekommen, haben in dem Film die Nazis von der Arischen Bruderschaft, esoterische Hippies, knallharte FBI-Agenten und hübsche Nackedeis einen Auftritt.

Großartig gespielt wird die Hauptperson von Joaquin Phoenix, bei dem ich mich die ganze Zeit fragte, ob und wie er die Dreharbeiten überstanden hat: entweder komplett zugedröhnt oder eben »straight edge« und stocknüchtern. Mit weiteren Hollywood-Stars wie Josh Brolin, Owen Wilson, Reese Witherspoon und Benicio Del Toro ist der Film sowieso hochkarätig besetzt.

Großartige Unterhaltung, ernsthaft! Allerdings nicht ganz einfach – man benötigt einen gewissen Hang zu seltsamen Geschichten, um das gut zu finden. (Während des Films gingen Leute raus und kamen nicht wieder.)

18 Februar 2015

Maladroits aus Südbaden

Dass es immer wieder neue Punk-Bands gibt, die sich bewusst an den späten 70er-Jahren orientieren, den alten Kram aber ohne jeglichen Pathos und irgendwelche Verklärung aufnehmen, gefällt mir sehr. Eine dieser Bands sind die Maladroits, die aus der Gegend südlich von Freiburg kommen und im Sommer 2014 in der »Alten Hackerei« in Karlsruhe zu überzeugen wussten.

Ich kaufte mir damals gleich ihre aktuelle EP »Rock'n'Roll Roboter«, auf der sich vier knackige Stücke befinden: flotter Punkrock, der seine Anleihen beim frühen England-Punk nimmt, aber auch immer mal wieder zum schroffen Ami-Sound der frühen 80er-Jahre nimmt. Die Texte sind knapp, die Stücke werden bewusst geschrabbelt, dass es eine wahre Freude ist.

Die Maladroits gefallen mir richtig gut; sie passen auch zum Label: Bei Spastic Fantastic Records sind in jüngster Zeit reihenweise Punk-Bands veröffentlicht worden, die den alten Sound mit viel Spielfreude auffrischen.

17 Februar 2015

Französische Komödie

Zwischen all den Science-Fiction-Filmen und Krimi-Action-Knallbummbeng-Streifen mag ich es ab und zu, eine lockere Komödie oder sogar einen Liebesfilm anzugucken. Und so kam dieser Tage dann »Paris Manhattan« in den DVD-Player, ein Streifen der französischen Regisseurin Sophie Lellouche, der 2012 in den Kinos war.

»Paris Manhattan« ist kein sonderlich anspruchsvoller Film, sondern eher die Art französischer Film, bei der man sich leicht und ein wenig intellektuell zugleich unterhält. Es handelt sich um eine Liebesgeschichte, bei der ausgerechnet Woody Allen eine wichtige Rolle spielt; angesiedelt ist sie in einer jüdischen Familie in Paris.

Hauptfigur ist Alice, eine gut aussehende Blondine, die als Apothekerin gut durchs Leben kommt, aber in Herzensdingen ein wenig schwierig ist: Mit den meisten Männern hat sie Probleme, weil sie deren oftmals aufgesetzte Art zu schnell durchschaut. Ihr Vater will sie ständig mit irgendwelchen Typen verkuppeln; Alice spricht aber am liebsten mit einem großen Wandplakat, das den amerikanischen Regisseur Woody Allen zeigt.

Selbstverständlich geht am Ende alles gut, selbstverständlich gibt es haufenweise skurrile Situationen und witzige Dialoge – das ganze ist sehr französisch, was den Unterhaltungswert angeht,. Und wer gerne Koordinaten hat, dem sei gesagt, dass der Film mehr Woody Allen als »Sex and the City« ist. Was dann doch einem Kompliment beikommt ...

16 Februar 2015

Zwei Narren an der Ecke

Dass die Region um Karlsruhe in punkto Fasching oder Fasnet weit vorne mitspielt, das wusste ich schon lange. Wie wild es aber in unserer Region abgeht, das bemerkte ich erst, als ich am Samstag, 14. Februar 2015, in der Innenstadt von Durlach unterwegs war.

Schon von weitem hörte ich die Musik. Ein Leierkasten spielte irgendwelche Melodien, die mir bekannt vorkamen, die aber ganz schön leierten – bei einem Leierkasten gehört das natürlich dazu. Auf der Höhe des Schlossplatzes sah ich dann die Narren, die sich vor Begeisterung fast überschlugen.

Sie standen in der Pfinztalstraße, hatten sich so günstig platziert, dass sie auch genügend Sonne abbekamen. Einer drehte am Leierkasten, so dass die Melodien herauskamen, der andere saß daneben. Beide trugen traditionelle Kostüme in roter Farbe, beide wirkten gelangweilt und uninspiriert.

Die Musik leierte, die Passanten eilten unbeeindruckt vorbei, die zwei Narren starrten vor sich hin. Kein Anfall von Frohsinn, keine Attacke von Narretei. Fasnet ist mittags um 16 Uhr offensichtlich ein echt hartes Geschäft ...

15 Februar 2015

Als die UK Subs langweilten

Wenn man sich die Entwicklung mancher klassischen Punkrock-Band anschaut, stellt man fest, in wie vielen Phasen die meisten Bands irgendwelchen Mist bauten. Die englische Kapelle UK Subs, in der ja außer dem Gründungsmitglied Charlie Harper seit über drei Jahrzehnten alle anderen Musiker ausgewechselt werden, ist dafür das beste Beispiel.

Die besten Stücke der Band stammen aus den späten 70er- und frühen 80er-Jahren; danach kam nicht mehr viel nach. In vergangenen Jahrzehnten langweilte die Band durchaus bei Live-Konzerten, 2012 und auch danach aber überzeugte sie beispielsweise durch einen druckvollen Auftritt.

Höre ich mir heute die Langspielplatte »Normal Service Resumed« aus dem Jahr 1993 an, kann ich gut feststellen, wie die Band manchmal in einer »kreativen Klemme« steckte. Auf dem Cover posiert man mit langen Haaren, in den Stücken herrscht zeitweise eine unangenehme Metal-Gitarre vor. Ohne die charakteristische Stimme des Sängers käme man nicht einmal auf die Idee, dass es die »echte« Band sein könnte.

Mit »Here Comes Alex« wird sogar ein Stück der Toten Hosen gecovert, mit »Joyride« gibt es eine weitere Cover-Version. Zum Ausgleich ist »Brixton« mit seinen eingestreuten Ska-Elementen und dem Geheul von Polizeisirenen fast ein Abgesang auf die rebellischen 80er-Jahre.

Seien wir fair: Die Hälfte der Stücke auf dieser Platte ist mies, ein Viertel ist okay, ein Viertel sogar gut. Für eine brauchbare EP hätte das also gereicht – aber man musste eine »große« Platte machen. Empfehlenswert ist die »Normal Service Resumed« also nicht; da gibt's weitaus besseres von dieser Band zu entdecken.

14 Februar 2015

Die ENPUNKT-Abonnenten

Als 1988/1989 die Zeitschrift SAGITTARIUS eingestellt wurde, die ich 1979 gegründet hatte, schafften es meine Mitstreiter und ich, alle Abonnenten anzuschreiben. Wir boten ihnen an, dass sie ihre ausstehenden Abo-Gelder zurückerhalten könnten; einige spendeten uns das restliche Geld freundlicherweise. Als dann 1989 die Firma liquidiert wurde, hatte ich ein reines Gewissen.

Irgendwie machte ich das 2006 völlig anders – leider nicht so gut. Ich veröffentlichte die Ausgabe 43 meines Egozines ENPUNKT und war dabei, die Ausgabe 44 vorzubereiten. Diese erschien aber leider nie, obwohl ich immer wieder einen Anlauf unternahm, das Heft fertigzustellen. Zuletzt arbeitete ich – ungelogen! – im Herbst 2007 daran, das Heft zu layouten.

Mittlerweile ist viel Zeit vergangen, den ENPUNKT gibt es nur noch als Blog. Das finde ich okay: Es war immer eine Freude für mich, die Texte zu schreiben, aber ich hatte irgendwann keinen Spaß mehr daran, das Heft auch zu verkaufen. Von daher habe ich kein schlechtes Gewissen.

Peinlich ist mir aber – und das merkte ich erst dieser Tage so richtig deutlich –, dass ich es nie auf die Reihe bekomme habe, die Abonnenten anzuschreiben und ihnen ihr Geld zurückzuerstatten. Wir reden hier von kleinen Summen; es handelt sich um Beträge, die deutlich unter zehn Euro liegen und die von den meisten locker verschmerzt werden können.

Aber es geht ums Prinzip – ich wollte auch beim ENPUNKT immer ehrlich und korrekt sein. Und so wird mir nichts anderes übrig bleiben, als in den nächsten Tagen an die alten Adressen heranzugehen und die Leute alle einzeln anzuschreiben. Mal schauen, wenn ich »von damals« überhaupt noch erwische ...

13 Februar 2015

Das Grauen in den Dörfern

Ich liebe dünne Bücher, in denen richtig viel Potenzial steckt. Eines dieser Bücher, auf das ich durch Zufall stieß, ist »Der Vampir von Ropraz«, das der französischsprachige Schriftsteller Jacques Chessex aus der Schweiz verfasst hat. Es ist eine Mixtur aus Krimi und historischem Roman, es hat den Charakter einer schrecklichen Schauergeschichte, und es ist zugleich ein Blick in eine düster-dörfliche Welt.

Ende des 19. Jahrhunderts kommt es in den abgelegenen Dörfern des Hohen Jura zu drei schrecklichen Verbrechen: Leichen von jungen Frauen werden aus ihren Särgen gezerrt und verstümmelt. Die abergläubischen Bewohner der kleinen Dörfer und Weiler fürchten sich, das Gerede von einem Vampir macht die Runde, und die Polizei muss einen Täter finden.

Man stellt einen Mann, aufgehetzt durch die Atmosphäre aus Angst und Hass, und zerrt ihn vor Gericht. Er ist ein ideales Opfer, dieser Favez, primitiv und gewalttäig, und so wird er auch verurteilt – nicht zum Tod, sondern zu lebenslanger Haft. Dass er später ausbricht, sich zur französischen Armee durchschlägt und sich dann seine Spur in den Wirren des Ersten Weltkriegs verliert, ist nur eine »Abrundung« der Geschichte.

Chessex kennt die Gegend gut, über die er schreibt. Er ist in den Bergen des Jura großgeworden, er dürfte die Geschichten über den leichenschändenden Vampir alle in seiner Kindheit und Jugend gehört haben. Und mit seiner Romanfassung – streng genommen ist es ja eine Novelle – hat er diesem Mythos aus seiner Jugend ein Denkmal gesetzt.

Der Autor schildert die schrecklichen Geschehnisse in einer Sprache, die ihresgleichen sucht und in hervorragender Weise ins Deutsche übertragen worden ist. Mal ist er analytisch und trocken, dann wieder schwelgt er in Bildern voller Grausamkeit und Düsternis – auch wenn es keinerlei Action gibt und der Roman alle Regeln eines Spannungsromans ignoriert, fand ich das alles unglaublich spannend und faszinierend.

Man kann das Buch in einem Rutsch durchlesen, weil es so dünn ist. Man kann es aber auch genießen, so machte ich es: immer wieder ein Kapitel lesen, dann die Sprache und die Eindrücke auf einen wirken lassen. »Der Vampir von Ropraz« werde ich sicher nicht zum letzten Mal gelesen haben.

(Übrigens hat sich nach dem Buch und dem angeblichen Vampir die ziemlich gute IndieRock-Band Favez benannt. Die Musiker kommen aus Lausanne, also aus der Region, in der das Buch spielt. Und der Sänger hatte bei dem Autor in seiner Jugend tatsächlich Französischunterricht.)

Erschienen ist das Buch bereits 2008, man kann es aber noch im Buchhandel bestellen. Der Verlag ist Nagel & Kimche, auf deren Internet-Seite eine Leseprobe zu finden ist; für die gelungene Übersetzung zeichnet Elisabeth Edl verantwortlich.

Familienfeste, nicht gereimt

Warum ich am 23. Februar 1980 gleich drei Texte schrieb, die ich als Gedichte bezeichnete und aus denen vor allem viel Frust spricht, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. In einem Text ging es um Familienfeste, im anderen zog ich über eine Tante her, im dritten schrieb ich eigentlich nur »verdammte scheiße!«; alle Texte waren konsequent in Kleinbuchstaben verfasst.

Die Zeilenabfolge war von moderner Lyrik beeinflusst und sehr eindeutig: »ich hasse familienfeste / alles hockt / an der langen tafel / und schwafelt / aber immer dasselbe«. Letztlich handelte es sich dabei um vergleichsweise klare Beschreibungen gesellschaftlicher Verhältnisse – anders gesagt, ich verarbeitete schon 1980 mein familiäres Umfeld zu Texten.

Es ist sicher gut, dass diese Texte nie veröffentlicht wurden. Noch heute kann ich allerdings nachvollziehen, wie frustriert und gelangweilt ich in diesen jungen Jahren fast immer war, wenn ich bei Familienfesten herumsitzen musste.

12 Februar 2015

Mal wieder eine Gruppe

Facebook ist eine seltsame Angelegenheit: Unglaublich viele Menschen sind mit ihren Profilen auf dieser Plattform vertreten, viele von ihnen schließen sich in Gruppen zusammen, zwischen manchen dieser Gruppen scheint sogar eine echte Rivalität zu herrschen. Da ich rein beruflich in der einen oder anderen Facebook-Gruppe vertreten bin, sehe ich manchmal stirnrunzelnd, welche Diskussionskultur da gelegentlich herrscht.

Dieser Tage stellte ich fest, dass ich einer neuen Gruppe angegliedert worden war. Die Gruppe sei – so ihre Selbstdarstellung – »für populäre Kultur in all ihren Ausprägungen offen«. Grundsätzlich könnte mich das ja interessieren; da ich es aber nicht mal schaffe, mein Privatleben vernünftig auf die Reihe zu bekommen, möchte ich nicht in mehr Gruppen drin sein, als das unbedingt nötig ist.

Also schrieb ich folgendes, was ich gelegentlich in solchen Fällen mache: »Ich wurde dieser Gruppe ungefragt hinzugefügt – das finde ich ein wenig verwunderlich und vor allem unhöflich. Aus diesem Grund verlasse ich die Gruppe gleich wieder, auch wenn die Inhalte vielleicht interessant sein könnten ...«

Recht schnell gab es kontra: »nicht so empfindlich sein«, mahnte jemand. Ein anderer schrieb, dass das »automatische Hinzufügen« dann auf »keinen Fall als Unhöflichkeit gedacht« gewesen sei. Und ein weiterer schrieb, es gäbe »immer wieder Leute, die auf sowas überempfindlich reagieren«. Seine Frage: »Wieso sind manche Leute nur so leicht auf die Palme zu bringen???«

Mir ist ja schon selbst klar, dass es am schlauesten wäre, auf solche Gruppen-Hinzufügungen einfach durch Ignorieren zu reagieren. Normalerweise mache ich das auch. Trotzdem wundere ich mich immer wieder über den Ablauf: Da wird man ungefragt irgendwo eingegliedert, und wenn man sich kritisch dazu äußert, ist man »überempfindlich«.

Ich versteh's einfach nicht, und darüber habe ich schon einige Male geschrieben. Gelten bei Facebook die einfachsten Grundregeln von Höflichkeit und Anstand eigentlich nicht mehr? Kann man nicht einfach vorher fragen oder jemanden »per Mausklick« zur Gruppe einladen?

11 Februar 2015

Dangerboy sind echt originell

Es ist schon einige Jahre her, seit die Band Dangerboy das Licht der Welt erblickte. Die vier Männer aus Essen, die sich so ungewöhnliche Namen wie Zyklopenmann oder Teddy Tornado gegeben haben, machten eine von Anfang an schräge Mixtur aus 80er-Jahre, Pop, New Wave und Elektro; dazu kamen deutsche Texte, denen man eine Freude am skurrilen Humor und an Science Fiction anmerkte.

Die erste Platte der Band hatte keinen speziellen Namen, kam 2007 heraus; sie hieß einfach »Dangerboy« und enthielt elf höchst originelle und auch schmissige Stücke. Nicht jedes Stück geht sofort ins Ohr, manchmal sind die Lieder doch zu sperrig. Lässt man sich aber darauf ein, macht der Sound, bei dem mir nur wenige Vergleiche einfallen, echt Spaß.

Das ist kein Punk, das ist kein purer Pop, das ist mehr New Wave als vieles von dem, was in den 80er-Jahren unter diesem Label erschien. Und das klingt vor allem nicht dauernd nach 1979 und 1980, sondern nach heute in einem positiven Sinn. Coole Platte!

Lügenbeutel und Großkonzerne

Ich lese jeden Monat die deutschsprachige Ausgabe von »Le Monde Diplomatique«; das ist eine Zeitung, die mit ihren Analysen und Artikeln immer wieder einen ganz anderen Blick auf das Weltgeschehen wirft. Und bei den meisten Texten ist es relativ egal, ob ich die gleich lese oder mit dem Abstand von einem Monat oder mehr.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Artikel »Die Lügenbeutel«, der in der Dezember-Ausgabe veröffentlicht wurde. Verfasst wurde er von dem britischen Historiker und Journalisten Owen Jones, und man kann ihn noch auf der Internet-Seite der Zeitung nachlesen. Das lohnt sich!

Owen schreibt über den sogenannten freien Markt, das alles aus rein britischer Sicht. Aber seine Argumente lassen sich jederzeit auf die deutschsprachige Politik-Landschaft übertragen. Er macht klar, wie falsch die Argumente der sogenannte Liberalen sind, nach denen der Staat alles falsch macht und die Privatwirtschaft als einzige Triebfeder des Fortschrittes funktioniert.

Über faule Beamte und verkrustete Bürokratien könnte ich mich täglich aufregen; aus vielen Erzählungen und auch der täglichen Arbeit weiß ich allerdings, dass es Faulheit und Unfähigkeit in der sogenannten Privatwirtschaft ebenfalls gibt – immer mehr, je höher man sich in der Hierarchie umschaut. (Während die »kleinen Leute am unteren Ende der Verwertungskette keine Möglichkeit haben, ihre Freiheiten zu pflegen, gibt es für Manager derart viele Vergünstigungen und Möglichkeiten, dass man die korrekterweise immer berücksichtigen sollte.)

Owens Fazit gefällt mir: Als »reines Fantasiegebilde« bezeichnet er den freien Markt. Letztlich werden die Unternehmen (auch Privatschulen, private Rentenversicherungen und alles andere) nur durch gigantische Transferzahlungen des Staates am Leben gehalten und können so ihre Macht ausüben.

Für Owen ist das System in Großbritannien nichts anderes als ein »Sozialismus für die Reichen und für die Unternehmen« – im Zweifelsfall hilft denen immer der Staat, sprich der Steuerzahler. Und all das lässt sich wunderbar auf Deutschland übertragen.

Wir leben also alle längst im Sozialismus. Wer sagt's bei Gelegenheit der SPD?

10 Februar 2015

Andromeda Nachrichten in grün

Wieder einmal hat es Michael Haitel geschafft, eine richtig gelungene Ausgabe der »Andromeda Nachrichten« vorzulegen. Das Heft erscheint mit einem beeindruckenden Vierfarb-Cover und im A4-Format, es umfasst 108 Seiten, und es hat tatsächliche Magazin-Qualität.

Dem Jubilar, SF-Autor und erfolgreichen Herausgeber Wolfgang Jeschke wird gratuliert, es gibt einen umfangreichen Nachruf auf den verstorbenen Aktiv-Fan Wolfgang Thadewald, und zu Waldemar Kummings neunzigstem Geburtstag liefern eine Reihe von Fans und Autoren richtig schöne Geburtstagsgrüße. Einem Verein wie dem SF-Club Deutschland, der in diesem Jahr seinen sechzigsten Geburtstag feiert, ist das alles absolut angemessen – das finde ich sehr schön.

Aber auch die jüngere SF-Generation kommt zu Wort. Interviewt werden Schriftsteller wie Sven Klöpping und Uwe Voehl, Herausgeber wie Hannes Riffel oder Artikelschreiber wie Daniel Neugebauer. Auch wenn manche Texte wirken, als seien sie in diesem Magazin zweitveröffentlicht, schadet das nicht; man gewinnt als Leser dennoch einen brauchbaren Eindruck.

Die Fan-Szene kommt nicht zu kurz: Es gibt Berichte von Cons und Ausblicke auf das anstehende Fan-Treffen in Dortmund. Und wem das nicht reicht, der bekommt in dem vorliegenden Magazin noch ausführliche Rezensionen und Berichte zu Büchern, Computerspielen oder wissenschaftlichen Themen. Dazu werden eine Satire – in der ich mein »Fett wegbekomme« – sowie eine Geschichte geliefert.

Eine rundum gelungene Ausgabe also; gelesen habe ich nicht alles, aber das erwartet ja keiner. Bei einer solchen »Wundertüte« fischt man sich als Leser das heraus, was einen besonders interessiert ...

09 Februar 2015

Uhrwerk Orange ganz neu

Wenn es einen Roman gibt, der zahlreiche Subkulturen beeinflusst hat, so ist es »Uhrwerk Orange«. Allerdings dürfte die Beeinflussung vor allem indirekt gewesen sein – die wenigsten Musiker hatten den Roman von Anthony Burgess gelesen und ließen sich von der Verfilmung durch Stanley Kubrick faszinieren.

Trotzdem bleiben genügend Einflüsse: Die Wave-Band Heaven 17 benannte sich nach einer Band aus dem Roman; die Punk-Band Adicts kleidete sich stets wie die Bösewichte in dem Roman; die Hardcore-Band Vellocet ließ bei ihrem Namen die Droge aus dem Roman als Pate stehen; das Fanzine Moloko Plus entlieh seinen Namen von der Milchbar, die in dem Werk eine wichtige Rolle spielt; das Rechtsrock-Label Dim Records hatte seinen Namen von einer wichtigen Hauptperson – um nur einige Beispiele zu nennen.

Bei den meisten blieb leider nur die Faszination für die Gewalt und die unorthodoxe Sprache hängen, mehr nicht. Und selbst wenn die Bands wussten, wovon es bei dem Film oder gar bei dem Buch ging, war es dem Publikum größtenteils unklar. Unvergessen sind mir die grölenden Fans der Toten Hosen, die ihr »Hey, hier kommt Alex – Vorhang auf für seine Horror-Show« sangen, ohne zu verstehen, um was es dabei ging, vor allem nicht zu kapieren, dass »horrorshow« in dem Roman eigentlich ein Slang-Begriff für »gut« ist.

Sei's drum. Den Film sah ich in den 80er-Jahren zweimal, den Roman las ich einmal, und jetzt gibt es eine sehr gelungene Neuauflage: neu übersetzt, mit einem umfangreichen Apparat, in dem Interview-Auszüge mit dem Autor, zusätzliche Szenen und begleitende Artikel enthalten sind. Das alles las ich mit großem Interesse, ich stehe aber auch auf so »Hintergrund-Zeugs«.

Ich finde, der Roman hat von seiner Wirkung nicht viel verloren. Er liest sich anfangs ein wenig schwer, weil die Sprache recht komplex ist; wenn man sich aber mal darauf einlässt und gelegentlich das kleine Lexikon benutzt, wird es einfacher. Dann lässt sich das Werk echt schnell durchlesen – und es ist nach wie vor ein toller Stoff.

Nicht nur für Science-Fiction-Fans eine geeignete Lektüre, sondern auch für Punkrocker und Skinheads, die endlich einmal wissen wollen, was hinter den so häufig benutzen Begriffen wie »tolshock« oder »horrorshow« eigentlich wirklich steckt. Erschienen ist das Buch bei Klett-Cotta als Hardcover; es gibt auch eine E-Book-Ausgabe.

08 Februar 2015

Von Elfen und Indianern

»Die Kinder lesen keine Indianerbücher mehr«, erzählte mir der Vater. Er war in meinem Alter, plusminus zwei Jahre, und wir hatten festgestellt, dass wir zur selben Zeit unseren Wehrdienst abgeleistet hatten: er bei der Nationalen Volksarmee der DDR, ich bei der Bundeswehr der BRD.

Wir waren ins Plaudern gekommen, wir sprachen über unsere Jugendliteratur, und wir stellten fest, dass wir beide gern Bücher mit Indianern gelesen hatten. Lieselotte Welskopf-Heinrich hatten wir als Autorin beide geschätzt, und wir beide hatten unsere Indianerbücher sogar nach allen Umzügen noch aufbewahrt.

»Aber die Kinder wollen das nicht lesen«, sagte er ziemlich traurig. »Sie mögen keine Indianer, sie mögen keine Cowboys, sie gucken keine Western an.«

Für mich hatte er eine halbwegs positive Aussage: »Sie mögen Phantasiegeschichten, alles Zeugs mit Drachen und Elfen und so.« Er nickte mir zu. »Das ist dann deine Lesergruppe.«

Elfen sind also die neuen Indianer, Orks die neuen Cowboys. Und die Drachen von heute, das waren früher die Eisenbahnen. Klingt alles ziemlich logisch ...

07 Februar 2015

Stachelkopf-Italiener

Hammer!, ich habe mir die zweite Langspielplatte von No White Rag geholt, die im Jahr 2012 rauskam, und die Platte ist echt eine Wucht: Die fünf italienischen Irokesen- und Stachelkopf-Punks aus Modena machen beeindruckend rotzigen HC-Punk, der immer nach vorne gebolzt wird, bei dem es keinen Metal gibt, aber durchaus mal die Gitarre jaulen durch, der trotzdem genügend Melodie enthält, dass es mir gefällt.

Den treibenden Sound unterstützen rebellische Texte in englischer und italienischer Sprache; die Band nennt ihr Land selbst »Shitaly« und spart nicht an Kritik an der aktuellen Politik. »Silence is Violence« ist ein Beispiel dafür, dass kämpferischer Punkrock auch im Jahr 2013 noch klasse ist.

Und ein Beleg dafür, dass eine schöne Gestaltung gleich doppelt gut ist: Die Platte kommt als richtige LP mit Klappcover und Textblatt; das ist toll! Klar kann man sich das alles beim Bandcamp anhören oder auch legal herunterladen – aber so eine Vinylscheibe, bei der man die Texte nachlesen kann, hat einfach was.

06 Februar 2015

Die Geschichte vom Antifa-Pony

Dass ich seit einiger Zeit versuche, ein Buch mit Kurzgeschichten zusammenzustellen, die sich im weitesten Sinne auf Punkrock beziehen, habe ich schon gelegentlich ausgeplaudert. Dieser Tage arbeitete ich an einer Kurzgeschichte, die den schönen Titel »Das Antifa-Pony« trägt – wobei ich mir nicht sicher bin, ob man sie wirklich veröffentlichen sollte.

Erschienen ist der Text in einer Rohfassung bereits 1999, er bezieht sich auf einen Nazi-Aufmarsch am 24. Mai des Jahres in der Kleinstadt Bruchsal und die vergeblichen Versuche, etwas dagegen zu unternehme. Veröffentlicht wurde der Text in meinem Fanzine ENPUNKT, in der Nummer 33.

Immerhin habe ich den Text jetzt komplett durchgearbeitet, mit Dialogen versehen und mit einer nachvollziehbaren Handlung ausgestattet. Dennoch ist es eine Geschichte, in der nicht viel passiert. Ziellos laufen die Helden, darunter der Ich-Erzähler, durch eine Stadt; sie ärgern sich mehr über linke Redner als über die Nazis, und am Ende reisen sie frustriert ab.

Aber vielleicht ist sie genau deshalb interessant: Das war ja schließlich ein Teil der Realität in den 90er-Jahren ...

05 Februar 2015

Ich war in der AMF

Wenn in diesen Tagen irgendwelche NATO-Strategen darüber nachdenken, die Präsenz des Militärbündnisses in den »östlichen Staaten« zu erhöhen, ist meist die Rede von einer schnellen Eingreiftruppe, idealerweise auch gleich multinational aufgestellt. Das gab's bereits schon einmal, es gab die AMF – und ich war dabei.

Okay, es waren nur zwei Wochen, aber es stimmt: Im Januar 1985 wurde ich von der Bundeswehr für zwei Wochen zu einer Ausbildung bei der deutschen Abteilung der »Allied Command Europe Mobile Forces« abkommandiert. Das war kein großes Problem – die Kompanie, in der ich meine Zeit absaß, und die AMF waren in derselben Kaserne untergebracht.

Und so lernte ich in den zwei Wochen, wie man auch bei strengen Minusgraden in einem Zelt nicht friert. Ich lernte darüber hinaus, selbst bei widrigsten Temperaturen ein Maschinengewehr durch den Schnee zu zerren, aufzubauen und nötigenfalls auseinanderzuschrauben. Eine beeindruckende Erfahrung war darüber hinaus eine Übung, bei der ich als »Feindkommando« in Schneeklamotten unterwegs war.

Zu erleben, wie das Essen im Kochgeschirr friert, fand ich ebenfalls interessant: Als mir mein Vater solche Dinge aus seiner Zeit an der Ostfront erzählt hatte, war es mir unglaubwürdig vorgekommen – im Januar 1985 hatten wir minus 15 Grad und kälter, und das war schon gewöhnungsbedürftig im Zelt ...

Ich vermute mal, dass das in der heutigen Zeit völlig antiquiert und seltsam klingt. Aber in den 80er-Jahren waren die meisten aus meiner Jahrgangsstufe bei der Bundeswehr, auch die, die mit dem »System« ihre Probleme hatten. Meine Zeit bei der AMF gehörte dabei zu den wenigen Wochen, bei denen ich echt das Gefühl hatte, etwas fürs Leben zu lernen ...

04 Februar 2015

Rückkehr der Flexi

Nur noch alte Leute – wie ich – erinnern sich daran, dass es mal ein Format für Schallplatten gab, das unschlagbar preiswert war, sich aber nicht einmal in Punkrock-Kreisen durchsetzen konnte: die sogenannte Flexi-Disk. Vor allem britische Bands setzten in den 80er-Jahren auf dieses Format.

Im Sommer 2013 holte das »Punkrock!«-Fanzine aus Mannheim das Format aus der Schublade und brachte zwei Stücke der norwegischen Punk-Band Riots darauf heraus. Die Auflage war mit 200 Exemplaren denkbar bescheiden, die Optik gewöhnungsbedürftig: Das Plastik war quadratisch, wenngleich die Rillen für den Plattenspieler natürlich die bekannte Form einer Spirale hatte.

Und musikalisch? Knalliger, wenngleich nicht schreiend origineller Punkrock mit englischen Texten, kräftiger Melodie und einem guten Gesang. Die Band kann was, die Werbung durch die Flexi ist gelungen, und eigentlich sollte ich mir da jetzt zackig die jeweiligen Platten kaufen.

Schauen wir mal – erfreulicherweise lässt sich bei Bandcamp viel von der Band anhören und legal herunterladen ...

Hektik in der Schwarzlichthalle

Ab und zu schaue ich danach, was meine Kollegen außerhalb der Serie – für die wir tätig sind – dann machen, wenn sie nicht an Projekten schreiben, die ich betreue. Bei Christoph Dittert ist das vergleichsweise einfach: Seine Beiträge, die er für »die drei ???« verfasst, sind so kurz und übersichtlich, dass ich deren Lektüre gut zwischenrein schieben kann.

Das aktuelle Beispiel hierfür ist »Jagd im Dunkeln«, eine Folge der Reihe »Die drei ??? Kids«, die im Jahr 2014 erschienen ist. Bei dieser Reihe handelt es sich um kleinformatige Taschenbücher, die gerade mal 96 Seiten umfassen und sich an Kinder unter zehn Jahre richten – das ist dann auch für einen Redakteur mit über fünfzig rein intellektuell gut zu erfassen und zu verstehen ...

Vordergründig geht es in der vorliegenden Geschichte darum, dass drei junge Detektive einen Dieb jagen, der seine Beute in einem Gebäude am Hafen versteckt hat. In Wirklichkeit aber erzählt der Autor eine Geschichte, die mit Lichteffekten und einem coolen Spiel für Kids zu tun hat: In einer Schwarzlichthalle, die phantastische Züge trägt, wird mit leuchtenden Bällen gespielt – und natürlich kommt es in dieser Halle am Ende zum Showdown mit dem Bösewicht.

Der Autor kennt sich nicht nur in der Welt der phantastischen Literatur aus, er schafft es auch sehr gut, sich in die Denkweise von Kindern hineinzufühlen. Seine drei Helden verhalten sich glaubwürdig, die Geschichte ist rasant erzählt und steuert auf eine klare Lösung zu. Für Kinder in der angepeilten Altersgruppe dürfte es darüber hinaus genügend Überraschungen und Gags geben.

Wenn ich Kinder hätte, die zwischen acht und zehn Jahren hätte, würde ich aus diesen Taschenbüchern vorlesen. Sie sind ein schönes Zeichen dafür, dass spannende Unterhaltung auch im Jahr 2015 noch so funktionieren kann wie in früheren Zeiten: mit Helden, die mit der Zielgruppe kompatibel sind, mit nachvollziehbarer Handlung und einem klaren Stil. Sehr schön!

03 Februar 2015

Ein Schirm in Brügge

Die Stadt Brügge kann so schön sein; viele sagen sogar, die Stadt sei romantisch. Wenn aber ein Wolkenbruch auf die schmalen Straßen und Gassen herunterprasselt, verlieren die schönen Gebäude ebenso schlagartig ihren Wert, wie die Stimmung auf einmal verschwindet.

Wir hatten selbstverständlich keinen Schirm dabei. Aber wir hatten Glück: Auf der anderen Straßenseite gab es einen Laden, der sich auf Touristen und deren Bedürfnisse eingestellt hatte. Also führte er auch Schirme im Sortiment.

Ich sprang hinaus in den Regen, hüpfte um die immer tiefer werdenden Pfützen herum und erreichte den Laden. Unter dem Vordach, das auch einer Handvoll asiatischer Touristen Schutz bot, schaute ich mir die ausgestellte Ware an. Rasch suchte ich mir zwei Schirme aus und betrat den eigentlichen Laden. Ich war der einzige Kunde.

Die Schirme waren preiswerter, als ich gedacht hatte. Während ich bezahlte, sagte ich zu dem Verkäufer, der fast besser deutsch sprach als ich selbst: »Immerhin läuft bei dem schlechten Wetter das Geschäft mit Regenschirmen.« Es sollte ein Scherz sein.

Der Mann nahm meinen Spruch überhaupt nicht positiv auf. »Das Geschäft ist eine Katastrophe. Ich verkaufe gar nichts. Von den zwei Schirmen hier kann ich meine Miete nicht bezahlen.« Er regte sich geradezu auf, bekam sich nicht mehr ein, wechselte sogar ins Flämische.

Ich machte, dass ich rauskam. Zwar wurden meine Schuhe noch nasser, als ich die Straße überquerte, unter dem Schirm behielt ich aber trockene Haare. Und während ich hüpfte und lief, dachte ich nur: »Nächstes Mal hältst du einfach mal die Klappe.«

02 Februar 2015

Punk aus Dänemark

Warum ich in meiner Radiosendung am Sonntag, 1. Februar 2015, ausgerechnet auf Dänemark als Thema kam, wäre eine eigene Geschichte, allerdings eine ohne jegliche Spannung – also lasse ich sie lieber weg. Tatsache ist, dass ich das kleine Land zwischen Ost- und Nordsee noch nie besucht habe, dass ich aber schon immer mal eine Sendung im Freien Radio Querfunk in Karlsruhe darüber machen wollte – zumindest über die Punkrock-Szene von dort.

Selbstverständlich spielte ich The Movement; die Band mit ihrer Mixtur aus Mod und Punk ist ja eh meine liebste aus Dänemark. Melodisch ging es mit Gob Squad weiter, viel Skapunk lieferten Furillo. Die Krach-und-Radau-Fraktion kam mit dem wuchtigen Hardcore von Barcode sicher auf ihre Kosten.

Wer es originell mochte, bekam mit Beta Satan einen schrägen IndieRock um die Ohren gehauen. Hippelig und schräg-punkig zugleich wurde es mit Gorilla Angreb, und den Abschluss bildete der Hardcore von Ugly Food, der mir Ende der 80er-Jahre zeitweise sehr gut gefiel.

01 Februar 2015

Richard von Weizsäcker

Wenn ich etwas Gutes über die aktuelle Politikerkaste sagen möchte, schaffe ich es immerhin, meine Verachtung für sie auszudrücken. Meist aber sind meine Gefühle viel schlimmer und derber, als dass er nette Begriff der Verachtung zutreffend wäre.

Die meisten Politiker, die ich heute in den Medien wahrnehme, empfinde ich als rückgratlose Leute, die keine Ahnung haben von dem, was sie erzählen. (Wie sonst könnte ein sozialdemokratischer Minister allen Ernstes diesen TTIP-Schwachsinn als sinnvoll betrachten?) Einer der wenigen Politiker, die ich schätzte, ist an diesem Wochenende gestorben: Ich meine Richard von Weizsäcker.

Ich wäre nicht in der Lage, eine Biografie über den Mann zu schreiben. Ich weiß nicht mehr über ihn als das, was in den Medien zu lesen war. Aber er wirkte immer korrekt und intelligent, er hatte eine Meinung, die er in der Öffentlichkeit vertreten konnte, und er ließ nicht den Eindruck aufkommen, er sei ausschließlich eine Marionette von irgendwelchen Lobbyisten.

Selbstverständlich hat seine große Rede vom 8. Mai 1985 einen Grundstein dafür gelegt, dass ich den Mann als so positiv in Erinnerung behalten habe. Sie kam damals auch als Buch heraus, dieses Buch habe ich noch – und ich habe es in den vergangenen dreißig Jahren immer mal wieder in der Hand gehalten.

Diese Rede wird bleiben. Sie bleibt von diesem Politiker übrig, und sie wird ihren Platz in den Geschichtsbüchern behalten. Das ist mehr als das, was man über die meisten anderen Politiker sagen kann.

Und deshalb trauere ich tatsächlich ein wenig um Richard von Weizsäcker – um den Mann, der die »richtigen Worte« fand.