31 August 2012

Auf dem Heiligen Berg

Rückblick auf den Piemont-Trip im August 2012

Ich kann mit der katholischen Frömmigkeit vieler Italiener nicht viel anfangen. Die künstlerische Ausprägung dieser Frömmigkeit ist allerdings durchaus interessant, und das schaue ich mir dann auch an, wenn ich schon mal im Land bin. Deshalb fuhren wir auch nach Crea – so heißt eine Art Heiliger Berg mitten im Piemont, vielleicht 25 Kilometer nördlich von Asti.

Bei brütender Hitze erreichten wir die Kirche und die Klosteranlage, die am Rand einer Bergkuppe liegt. Schon von hier aus hatten wir einen schönen Blick über die Landschaft: kleine Weingüter, Wald und Wiesen, winzige Ortschaften und gelegentlich ein Industriebetrieb, der die Landschaft verschandelte.

Spannend wurde es allerdings an der Seite der Klosteranlage. Dort führte eine Art Wanderweg am Berg entlang und dann weiter nach oben. Er führte über Treppen und in vielerlei Kurven zu insgesamt 23 Kapellen. Und da wir eh schon mal da waren, latschten wir diesen kompletten Weg ab.

Jede dieser Kapellen – sie waren alle verschlossen, aber man konnte hineinschauen – war winzig, gerade mal einige Quadratmeter groß; jede von ihnen war offensichtlich von einem Dorf oder mehreren der winzigen Dörfer der Region eingerichtet worden. Und jede stellte Episoden aus dem Leben von Jesus nach: die Geburt und die Kreuzigung, der Besuch im Tempel und die Taufe und so weiter.

Das war abwechslungsreich und teilweise skurril: Die Heiligendarstellung war eher dreidimensional angelegt, manchmal sehr schlicht, und stellte die Szenen mit Statuen und Fresken nach. Ich kam mir vor wie in einem Märchenpark, nur eben rein christlich orientiert.

Und von einigen der Kapellen aus hatten wir einen erneuten Fernblick bis hin zu den Alpen, die sich im Norden und im Westen gleichermaßen in die Höhe reckten. Hätten uns nicht Unmengen von nervötenden Stechmücken genervt, wäre das ein richtig schöner Ausflug gewesen.

So aber war ich letztlich doch froh, nach dem Rundgang durch den Wald und entlang der Kapellen wieder bei der eigentlichen Kirchen anzukommen. Dort erwartete uns eine andere Überraschung ... aber das ist eine andere Geschichte ...

30 August 2012

Fan in Fan zum zweiten

Schaue ich mir alte Science-Fiction-Fanzines an, wird immer klar, wie sehr die Zeit rast: Nicht nur, dass die Druckart (in diesem Fall eine Matritzentechnik) so gewechselt hat, es sind auch die Inhalte. In Zeiten des Internets kommunizieren Fans einfach anders als zu einer Zeit, in der man gedruckte Fanzines durch das Land und über die Grenzen hinweg schickte.

Ein wunderbares Beispiel dafür ist »Fan in Fan«, dessen Nummer zwei mir vorliegt. Publiziert wurde es von Hubert Strassl, der später als Übersetzer und Autor bekannt wurde und die deutschsprachige Fantasy-Literatur in den 70er- und 80er-Jahren prägte wie kein zweiter. Das Fanzine dürfte 1966 oder 1967 erschienen sein, genaueres lässt sich nicht feststellen.

Seitenweise besteht das Fanzine aus Zitaten anderer Fans. Ob diese aus Briefen oder Fanzines stammen oder auf Cons gesagt wurden, das lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. Die meisten der Namen sagen mir nach wie vor etwas; jüngere Fans können mit Rolf C. Gindorf oder Axel Melhardt sicher nicht mehr so viel anfangen.

Gindorf wird mit einem schönen Spruch zitiert: »Und die Leute, die nicht klug und nicht intelligent sind, werden SF-Autoren.« Allerdings zitiert er hier angeblich Franz Rottensteiner – und der wiederum war in den 80er-Jahren für die Phantastische Bibliothek im Suhrkamp-Verlag verantwortlich.

Schön ist auch Walter Ernsting, der unter seinem Pseudonym Clark Darlton bekanntlich später die PERRY RHODAN-Serie mitgründete: »Jedenfalls beruhigt mich eines: Diesmal bin ich nicht schuld.« Worauf immer er sich bezieht – unter anderem wurde er der Gründung des ersten deutschen Science-Fiction-Clubs und der Veröffentlichung des ersten deutschsprachigen Fanzines für schuldig gesprochen ...

Alles in allem ist es ein faszinierendes Gefühl für mich, durch ein Fanzine, das so alt ist, dass ich viele der Anspielungen nicht mehr verstehen kann. Ich komme mir vor wie ein Historiker – irgendwie ein seltsames Gefühl ...

29 August 2012

Der Mann ohne Furcht lächelt

In der amerikanischen Comic-Szene werden ständig irgendwelche Comic-Serien neu gestartet, das gehört zum Geschäft. Und normalerweise ist es auch gut so, sonst sähe »Batman« ja immer noch so aus wie vor sechzig Jahren, und »Daredevil« wäre nach wie vor der alberne Verbrecherjäger.

Von ebendiesem »Daredevil« erschien dieser Tage eine neue Nummer eins für die neue Reihe bei Panini – wieder mal ein schickes Paperback, wie immer schön gestaltet und sauber gedruckt. Meine Meinung ist diesmal echt gespalten.

Erschienen sind die amerikanischen Original-Hefte im Zeitraum vom Juni bis November 2011, und verantwortlich ist dafür ein neues Kreativteam um den Autor Mark Waid. Offenbar hatte man in den Büros des Marvel-Verlages genug von der depressiven »Daredevil«-Story der letzten Jahre, die eine düstere Geschichte in meist ebenso düsteren Bildern erzählte.

Die neuen Geschichten sind heller, was die Zeichnungen und die Grafik angeht. Der maskierte Held, im wirklichen Leben ja ein blinder Anwalt, kämpft sich wie eh und je durch die Straßenschluchten von New York – aber es sind eher normale Abenteuer, keine komplexen Geschichten, die sich über ein Jahr hinweg ziehen. Sie sind in sich abgeschlossen, sie sind auf gewisse Weise schlichter.

Und sie sind zeichnerisch deutlich heller: Nicht nur, dass Matt Murdock alias Daredevil ab und zu sogar fröhlich wirkt, sie sind zudem heller in der Farbgebung. Es wirkt zwar nicht wie das kitschige Bunt der sechziger Jahre, aber es ist einfach nicht mehr das düstere Rot-auf-Grau der Nuller-Jahre.

Ich bin mir noch nicht sicher, ob mir das auf Dauer gefallen wird. Der erste Band war unterhaltsam und gut erzählt, die Zeichnungen passten ebenfalls. In seiner neuen Inkarnation ist »Daredevil« aber nicht komplexer und nicht düsterer als beispielsweise ein »Nightwing«. Das empfinde ich als weniger packend.

Wahrscheinlich klinge ich jetzt wie ein beinharter Fan: Das ist irgendwie nicht mehr »mein« ganz persönlicher »Daredevil« ...

28 August 2012

Warum machen die das?

Der Hörverlag macht eine Werbe-CD, auf der er drei Hörbücher präsentiert: »Der kleine Hobbit« von J.R.R. Tolkien, »Der Name des Windes« von Patrick Rothfuss und »Die Abenteuer des Sherlock Holmes« von Arthur Conan Doyle. Die Hörbücher werden von Profis vorgetragen, und mir gefiel das alles sehr gut.

Beim ollen Sherlock liest ein echter Promi, und das wird sogar auf dem Titel vermerkt: Es ist Oliver Kalkofe. Er liest ordentlich vor, zumeist. Doch gleich am Anfang schmeißt er mich fast raus: Er benennt den Übersetzer Gisbert Haefs völlig peinlich als »Hääfs«; dass es sich hier um ein »Dehnungs-e« handelt und man deshalb den Nachnamen eher »Haafs« auszusprechen hat, scheint niemanden zu kümmern.

Ganz ehrlich: Dieses Hörbuch will ich dann nicht weiterlesen. Wenn der Profi-Sprecher das nicht weiß und ihm niemand hilft, dann will ich nicht wissen, wie er den Rest der Begrifflichkeiten in diesem Buch ausspricht ...

27 August 2012

Nochmal ein Rostock-Blick

Während die Politiker ihre öffentlichkeitswirksamen Krokodilstränen vergießen, wird immer schön verharmlost: In Rostock hätten »Randalierer« Steine gegen ein Haus geworfen, berichtet das Fernsehen, die Polizei habe sich »zurückgezogen«. Der Bundespräsident hält eine Rede, in der er seine persönliche Betroffenheit äußert – und ich frage mich die ganze Zeit, wo er denn vor zwanzig Jahren war.

Damals zogen sich alle zurück. Nicht nur die Polizisten kniffen vor dem randalierenden Mob den Schwanz ein, sondern auch die Politiker und die Medien – man geiferte gegen die ach so schrecklichen »Zigeuner« und geilte sich an den Gewaltbildern geradezu auf. Und heute tut man so, als sei das ganze ein Betriebsunfall gewesen.

Ich selbst war nicht in Rostock. Weder in diesen Tagen noch bei der großen Demonstration danach – an jenem Wochenende hatte ich bei den Chaostagen in Stuttgart meinen ganz persönlichen Showdown mit uniformierten und anderen Freunden der organisierten Prügelei. (Stichwort Hooligans ...)

Aber in meiner Erinnerung war, dass es tatsächlich Menschen gab, die sich den Nazis in den Weg stellten: Dutzende von Antifas aus Hamburg und Berlin fuhren nach Rostock, scheuchten den feigen Nazi-Mob zur Seite. Da war die Polizei dann stramm zur Stelle und verhaftete die Antifa, um dann am nächsten Tag wieder den Nazis den Angriff auf die Ausländer zu »erlauben«.

Wem ich das in den vergangenen Wochen erzählte, der wollte es mir kaum glauben. Aber es gibt auf Youtube ein Dokument, das es belegt: ein Ausschnitt aus einem Bericht des Norddeutschen Rundfunks, der ja nicht im Verdacht steht, der organisierten Antifa anzugehören. Und diesem Bericht ist so viel nicht hinzuzufügen.

26 August 2012

Baden in der Sonne

Rückblick auf den Piemont-Trip im August 2012

Es war ein wunderbarer Tag in der Cascina Spinerola. Wir hatten uns vorgenommen, an diesem Tag so richtig zu faulenzen. Der Stress der vergangenen Wochen sollte endlich verschwinden, sollte sich in Sonne, Wasser und Nichtstun verflüchtigen. Und was bot sich dafür besser an als ein Swimming Pool?

Zu dem kleinen Hotel, das mitten im Grünen lag, gehörte tatsächlich ein Pool. Er war nicht sonderlich groß, wurde aber gründlichst gereinigt: Jeden Morgen arbeitete ein junger Mann daran und säuberte ihn, nahm Wasserproben und dergleichen. Diesem Wasser konnten wir uns gut anvertrauen.

Wir waren an diesem Tag die einzigen Badegäste am Pool, zumindest über viele Stunden hinweg. Wir gammelten auf auf unseren Liegestühlen unter einem großen Sonnenschirm, dösten in der Hitze, lasen oder guckten den Kühen zu, die in einigen hundert Metern Entfernung grasten. Unser Blick ging über Weinberge, Wiesen, Hügel, einige einsam stehende Häuser und ein Dorf weit am Horizont; es war herrlich still und angenehm ruhig.

Ab und zu hüpfen wir ins Wasser, schwammen ein wenig, ließen uns dann in der prallen Sonne trocknen. Es war sooo herrlich.

Und am Abend hatte ich den fiesesten Sonnenbrand meines Lebens. Trotz Sonnenschirm, trotz aller Aufpasserei: Bauch und Brust und Gesicht und Oberschenkel waren rot – das war mir bei keiner Reise in Afrika passiert. Schön blöd ... und dieses Souvenir aus der Spinerola schleppte ich die nächsten zwei Wochen mit mir herum, bis sich alles abgeschält hatte.

25 August 2012

Spaziergang nach Moncalvo


Rückblick auf den Piemont-Trip im August 2012

Es klang nach einer einfachen Übung: Vom Hotel, das mitten in den Weinbergen liegt, sind es nur wenige hundert Meter nach Moncalvo, der Mini-Stadt in der Montferrat-Region, zu der das Hotel gehört. Also spazierten wir in aller Gemütsruhe los, bis wir an die Hauptstraße kamen und feststellten, dass man an einer stark befahrenen Straße entlang spazieren muss.

Der Versuch, über die schmale Wege zu gehen, die über die Wiesen führten, scheiterte: Die Wege führten allesamt von Moncalvo weg und schienen hinaus auf weiter entfehrte Weinberge und Ackerflächen zu führen. Also kehrten wir um, stets die aufreagende Silhouette der auf einem Hügel erbauten Kleinstadt vor Augen, und begaben uns auf die Straße.

Ein Lastwagen nach dem anderen donnerte vorbei, dann waren wir an einer Verkehrskreuzung, nahmen spontan die richtige Abzweigung und waren nach einem Fußmarsch von vielleicht zwanzig Minuten auch schon in Moncalvo. Obwohl es bereits abends war, herrschten trotzdem hohe Temperaturen, und wir schwitzten ordentlich, während wir die steilen Sträßchen hinauf gingen.

Moncalvo ist ausgesprochen nett: kleine Straßen, schmale Gassen, eine hübsche Piazza, auf der man schön sitzen und einen Wein in der Abenddämmerung trinken kann. Kleine Geschäfte säumen die Straßen, es herrscht wenig Verkehr, und die Menschen wirkten freundlich, aber überhaupt nicht aufdringlich. Das war alles sehr angenehm.

Im Herbst verwandelt sich Moncalvo wohl: Dann gibt es ein großes Wein- und Trüffel- und Schnecken-Fest, die Region ist auch dafür bekannt, dass viele Schnecken gesammelt werden. Dann sind wohl auch mehr Touristen in der kleinen Stadt – an diesem Abend schienen wir die einzigen zu sein. Aber es war ein ausgesprochen netter Spaziergang, nach dem wir ordentlich Appetit hatten.

24 August 2012

Wenn ein Gummizwerg erzählt ...

Wenn ich eine Reise unternehme, habe ich gern Bücher dabei. Selbst wenn die Reise anspruchsvoll oder komplett unterhaltsam ist, gibt es immer wieder Phasen, in denen ich gerne lese: am Pool, abends im Bett, bei einer Pause unterwegs. Einer der Romane, die ich im Piemont dabei hatte, stammte von dem schweizerdeutschen Autor Urs Widmer – ein schmales Werk von 177 Seiten, das den schönen Titel »Ein Leben als Zwerg« trägt.

Es handelt sich tatsächlich um einen Roman, in dem ein Zwerg die Hauptrolle spielt. Das ist jetzt nicht vergleichbar mit den Zwergen-Romanen, die beispielsweise der geschätzte Kollege Markus Heitz verfasst hat: Bei Vigolette Alt handelt es sich um einen Zwerg aus buntem Gummi, ein Kinderspielzeug also – und er steht zusammen mit Kollegen wie dem Grünsepp oder Dunkelblöe vorzugsweise in einem Kinderzimmer herum.

Nachts erwachen die Zwerge aber zu einem seltsamen Leben: Sie gehen auf Wanderschaft, sie sprechen miteinander, sie erzählen sich erfundene Geschichten oder sie springen unaufhörlich von Regal auf den Boden und wieder zurück – ein spannendes Leben, wie man glauben könnte. Darüber spricht und erzählt Vigolette Alt.

Das ganze ist höchst skurril erzählt: Urs Widmer hat eine schräge Phantasie, und der Roman schildert das unbekümmerte Leben der Zwerge in einer Art und Weise, die zwar nicht spannend ist, aber stets unterhaltsam. Die Lektüre macht so richtig Laune – und als der Roman fertig war, fühlte ich mich ein wenig traurig.

Natürlich handelt es sich bei dem Ding auch um eine Art Biografie des Schriftstellers. Urs Widmer ist mit dem Kind Uti identisch, das den Gummizwerg geschenkt bekommt – und als erwachsener Schriftsteller hat Urs Widmer immer noch diesen Zwerg, der im Regal steht. Ein ungewöhnlicher Blick auf eine Künstlerfamilie und ihre Entwicklung!

Seien wir fair: Diesen phantastischen Roman muss man nicht gelesen haben. Aber er gehört zu den »Kleinoden«, an deren Lektüre man sich noch Jahre und Jahrzehnte später erinnert. (Erschienen ist das Buch bei Diogenes als Hardcover.)

23 August 2012

Das erste Fanzine


Es ist schon so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnere – aber ich habe genügend Notizen und Schriftzeugnisse aus dieser Zeit, dass ich damit mein Erinnerungsvermögen aufpäppeln kann: Vor über dreißig Jahren kam mein erstes Fanzine heraus, es war SAGITTARIUS 1, und wir schrieben den Februar 1980.

Das Titelbild stammte von meinem Klassenkameraden Gunter, mit dem ich seit Jahrzehnten keinen direkten Kontakt mehr habe, mit dem ich aber unlängst immerhin mal mailte: Er wohnt längst in Norddeutschland, und gezeichnet hat er seit Urzeiten nichts mehr, soweit ich weiß.

Im Inhalt fand sich die übliche Mischung aus Artikelchen, Kurzgeschichten, einer schauderhaften Fantasy-Geschichte von mir und Grafiken; das war sehr bunt gemischt, und unterm Strich kam die Mischung ja auch sehr gut an. Das Layout war allerdings eine Katastrophe: Ich war im Alter von 16 Jahren schon kein besonders guter »Grafiker«, bin es auch nie geworden, und das sah man damals sehr deutlich.

Trotzdem verbindet mich mit dieser ersten SAGITTARIUS-Ausgabe sehr viel positives. Damit ging damals alles los, das war mein Start in die Fan-Szene, nachdem ich einige Texte in Fanzines wie »solis orbita« oder »Theren« veröffentlicht hatte. Ohne SAGITTARIUS wäre mein Leben anders verlaufen, so viel ist sicher ...

22 August 2012

Umgebaute Mühle als Quartier

Blick auf den Piemont-Trip im August 2012

In früheren Jahren neigten wir, wenn wir nach Italien fuhren, zu ziemlich mörderschen Touren: nachts losdüsen, irgendwann auf einem Rastplatz in den Alpen zwei Stunden im Auto pennen, dann weiterfahren, im schlimmsten Fall morgens gegen zehn Uhr noch mal auf der Höhe von Bergamo oder Padova im Auto pennen und dann müde ankommen. Diesmal wollten wir es besser machen – und wir entschlossen uns zu einem Zwischenstopp in Varese.

Ein kleines Hotel in einem Randbezirk von Varese, am nördlichen Zipfel von Italien gelegen: Das ist das Relais Ca dei Santi – man benötigt eine gute Straßenkarte oder ein vernünftiges Navigationsgerät, um dorthin zu kommen. Es handelt sich um eine ehemalige Mühle, die komplett umgebaut worden ist, in einem schönen Garten gelegen, mit einem ebenfalls schönen Innenhof, mit einem kleinen Bach, der dahinter plätschert, und mit sehr wenigen Zimmern, sicher nicht mehr als ein Dutzend.

Wir wurden gastfreundlich empfangen, das ganze machte stets einen sehr persönlichen und netten Eindruck. Das Zimmer war großzügig und sauber, allein die Klimaanlage war nachts ein wenig laut. Nach Genuss von Wein und Grappa machte das allerdings nichts aus.

Wir genossen das wunderbare Abendessen, das wir zuerst im Hof einnehmen wollten, dann aber wegen beginnenden Regens ins Restaurant verlegten, und wir liebten das für italienische Verhältnisse richtig gute Frühstück, das wir im Hof unter einem Sonnenschirm zu uns nahmen. Das Drei-Gang-Menü am Abend war der Hammer: reichhaltig und lecker und natürlich nicht mehr sonderlich preiswert – war mir aber völlig egal.

Unser Aufenthalt in Varese war nur kurz, der Aufenthalt im Ca dei Santi bildete aber einen ersten Höhepunkt der diesjährigen Italien-Reise. Wir hatten zeitweise das Gefühl, von einer Familie aufgenommen worden zu sein – ich könnte mir vorstellen, da bald wieder aufzutauchen ...

21 August 2012

Ein Besuch namens Pommes

Wir saßen im Biergarten unseres Stammlokals, es war schon spät, aber die Luft war noch warm. Ich hatte schon einige Biere intus und fühlte mich angenehm angetrunken, schaute zu den Sternen hoch und lauschte den Gesprächen der anderen. Es war so ein richtig schöner Sommerabend.

Bis ich auf einmal das Geräusch hörte. Ein Rascheln und ein Scharren, dann ein Schnüffeln. Und dann sah ich es auch schon: Ein Igel eilte durch den Biergarten, zwischen Stühlen und Tischen hindurch. Immer wieder hielt er an, hielt die Nase in die Höhe und schnüffelte lautstark.

Ich machte die anderen auf das Tier aufmerksam, das mittlerweile keine zwei Meter von uns entfernt unter einem Tisch saß. Es reckte die Nase in unsere Richtung, stand hoch aufgerichtet da – keine Spur von einem rundlichen Igel. »

Das ist Pommes«, sagte der Koch des Restaurants. »Der kommt öfter vorbei.«

»Und warum heißt der Igel Pommes?«, fragte ich.

»Weil er nach Pommes sucht.«

»Aha.« Ich war irritiert. »Bei euch gibt's doch keine Pommes.«

»Deshalb sucht er ja.«

Nach diesem denkwürdigen Dialog reichte es wohl auch dem Tier. Immer noch schnüffelnd suchte der Igel das Weite und verschwand wieder in einem Gebüsch.

20 August 2012

Invasion der Gnurks

Ich habe eine superkurze Science-Fiction-Kurzgeschichte veröffentlicht: Meine Story »Ein Gnurk kommt selten allein« erschien in der Sammlung »Invasion der Gnurks«, die von Thomas Le Blanc und Jörg Weigand herausgegeben worden ist. Erschienen ist sie im kleinen Verlag der Phantastischen Bibliothek Wetzlar – es handelt sich um ein A5-Heft von 64 Seiten Umfang.

Zitat aus dem Vorwort: »Die Autoren, die sich an der Ausschreibung für diese kleine Publikation beteiligt haben und denen aufgetragen war, neben der Konstruktion einer neuen phantastischen Ethnie auch ein Umfangslimit von zwei Seiten einzuhalten, haben sich zahlreiche ungewöhnliche Gnurks einfallen lassen und ihnen witzige oder angstmachende, beschauliche oder verrückte, bösartige und hilfreiche Eigenschaften angedichtet, so dass kein Gnurk dem anderen gleicht - und auch wohl kein Gnurk aus einer Geschichte sich mit einem Gnurk aus einer beliebigen anderen Geschichte anfreunden würde.«

Gelesen habe ich die Sammlung ungewöhnlicher Geschichten noch nicht; das wird hoffentlich bald nachgeholt. Neben mir sind eine Reihe von Autoren vertreten, die ich kenne und schätze; dazu einige, von denen ich bislang keine Zeile gelesen habe. Ich bin also gespannt.

Wichtig ist mir zudem eines: Die Langversion der Geschichte hat mir sehr gut gefallen, das Kürzen fiel mir schwer. Ich werde versuchen, aus der Langversion etwas zu machen, das mir dann noch besser gefällt. Vielleicht finde ich dann sogar einen kleinen Verlag, der diesen Text veröffentlicht.

18 August 2012

20 Jahre nach Rostock

Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts arbeitete ich in Tübingen und wohnte noch in Freudenstadt; jeden Morgen und jeden Abend legte ich die 60 Kilometer dazwischen über Landstraßen zurück. Oft hörte ich selbst zusammengestellte Kassetten, immer wieder unterbrochen durchs Radio.

Und bei einer Fahrt vor ziemlich genau zwanzig Jahren hörte ich von den Zuständen in Rostock. Von den Nazis, die eine Asylbewerber-Unterkunft angriffen. Von den Bürgern, die Applaus spendeten. Von der Polizei, die tatenlos zusah.

Ich hatte keinen Fernseher daheim, also fuhr ich zu meinen Eltern und okkupierte dort das Fernsehzimmer. Mit wachsendem Staunen und Entsetzen bekam ich mit, was in der nordostdeutschen Stadt geschah – vor allem bekam ich mit, in welch unglaublichem Ton die verantwortlichen Politiker die Schuld an den Geschehnissen im wesentlichen den Asylbewerbern in die Schuhe schoben.

An diesem Abend schäumte ich buchstäblich vor Wut. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in dieser Zeit: Während sich die Mehrzahl der Deutschen in Ost und West über die sogenannte Wiedervereinigung noch einigermaßen freuen konnten, gingen die Nazi-Banden in weiten Teiln des Landes zum Angriff über.

Spät reagierte die Politik: Man verschärfte die sogenannten Asylgesetze, das Land schottete sich gegen die Flüchtlinge ab. Massiv wurde gegen den antifaschistischen Widerstand vorgegangen, und überall im Land schienen Ausländerwohnungen zu brennen.

Es war eine widerliche Zeit – und ich hatte sie schon ziemlich verdrängt. Die zurückhaltende Berichterstattung im August 2012 brachte sie mir wieder in Erinnerung. Und ich kann nach wie vor gut verstehen, warum ich damals so tobte; heute würde ich es ebenso tun, heute wären vor allem meine Reaktionen sicher andere als damals.

17 August 2012

Peterle in Nöten

Eigentlich sollte es längst Routine sein, ist es aber nicht: Nach wie vor freue ich mich über mein Exemplar des jeweils aktuellen OX-Fanzines. Logisch – es wird stets mein Fortsetzungsroman »Und: Hardcore!« veröffentlicht, die aktuelle Folge meines »Peter Pank«-Opus'.

Das gilt auch für die vorliegende OX-Nummer 103, auf der John Lydon alias Johnny Rotten zu sehen ist – schon ungewöhnlich, den mittlerweile deutlich gealterten Mann zu sehen und sich vorzustellen, welchen Einfluss er vor 35 Jahren unter anderem auf Leute wie mich hatte.

Mein Fortsetzungsroman erreicht in diesem Heft übrigens die Bandnummer 39, und es geht mit den Ereignissen in Stuttgart weiter. Peter und Chris bekommen offensichtlich Ärger mit einem Mann, der mit der südfranzösischen Drogenszene in Verbindung zu stehen scheint ...

Eigentlich sollte es längst Routine sein, ist es aber nicht: Nach Erhalt einer OX-Ausgabe müsste ich eigentlich nur sofort-sogleich mit dem Schreiben der nächsten »Peter Pank«-Folge anfangen, und ich käme nie in Terminschwierigkeiten. Aber irgendwie klappt das nie so recht, wie ich mir das vorstelle ...

16 August 2012

Unterwegs in Piemont

Die längere Funkstille in diesem Blog hat ihren Grund: Ich war im Urlaub. Und wenn ich in Urlaub gehe, versuche ich das Internet zu meiden. Das tut gelegentlich ja richtig gut ... So auch diesmal – denn in Piemont gibt's zwar haufenweise Internet-Cafés, ich ignorierte sie und ließ irgendwelche mobilen Geräte gleich daheim.

Schön war's: Wir fuhren mit dem Auto, schliefen in unterschiedlichen Hotels und Gasthöfen, in einer umgebauten Mühle, in einem Weingut auf dem Land oder sogar in einem Grand Hotel. Wir schauten uns Städte wie Albi und Asta an, bummelten durch Turin und irgendwelche Dörfer.

Vor allem aßen und tranken wir viel. Die Weine schmecken einfach gut, und so war es einfach immer wieder ein Glücksmoment, eine Flasche zu kippen – ob das nun guter Rot- oder ebenso guter Weißwein war. Vom Grappa ganz zu schweigen ...

Kulturell gab's einiges zu tun: Wir besuchten das Wein-Museum in Barolo, wir guckten durch Teleskope in den Nachthimmel, wir stolperten durch altehrwürdige Kirchen oder staunten über den Kitsch am Lago Maggiore. Ein komplettes Programm also.

Jetzt bin ich wieder da, der Kopf steckt voller neuer Eindrücke. Grund genug, in den nächsten Wochen immer mal wieder piemontesische Eindrücke wiederzugeben. Und die eine oder andere Adresse zu veröffentlichen ...

02 August 2012

Heranwachsende über vierzig

Werden Männer älter, werden sie nicht unbedingt hübscher. Ein Blick in den Spiegel und auf meinen Bauch bestätigt das ruckzuck. Und so war ich nicht sonderlich verwundert, die dicken Bäuche und grauen Haare auf der Bühne zu sehen. Es war Mittwoch abend, 1. August 2012, und die Adolescents traten in der »Alten Hackerei« in Karlsruhe auf.

Ich war anfangs skeptisch, denn immerhin liegen die großen Zeiten der Band ziemlich genau dreißig Jahre zurück – die ersten großen Zeiten meine ich damit natürlich, denn danach gab es immer mal wieder gute Touren und gute Platten. Ich selbst hatte die Band in all den Jahrzehnten aber nie gesehen.

Anfangs war die Stimmung im Publikum eher verhalten. Kein Wunder bei den saunaartigen Temperaturen. Ich stand vorne, und mir lief nach einer Viertelstunde der Schweiß in Strömen herunter; das T-Shirt war bald durchgeschwitzt. Da konnte ich mich dann auch bewegen.

Und nachdem die Band es geschafft hatte, durch das Rausrotzen alter Hits eine gewisse Bewegung in den Saal zu bringen, hüpften und tanzten immer mehr Leute. Auch ich hüpfte ein wenig durch die Gegend und versuchte mich am Pogo; heutzutage mit Chucks und nicht mehr mit Springerstiefeln.

Es war ziemlich klasse, die Stimmung stieg immer weiter, und nach dem Konzert brauchte ich viel Bier und einige Stunden, um wieder herunterzukommen. Erst gegen halb vier Uhr morgens war ich endlich dabei, mit meinem Rad den Weg von der Ost- in die Weststadt zu suchen ... Super-Abend!

01 August 2012

Kurz verblickt

Ich war spät dran und wollte kurz vor Ladenschluss noch ein Brot bei der Supermarkt-Bäckerei kaufen. Schnell radelte ich durch die Nebenstraßen, bis ich den Markt erreichte; es war ein sehr warmer Abend, und die meisten Leute waren an diesem Juli-Wochentag in leichter Kleidung unterwegs.

So auch die Frau, die mir gleich ins Auge stach. Sie trug einen kurzen schwarzen Rock, hochhackige Schuhe und ein weißes Oberteil; die Haare waren am Hinterkopf zusammengesteckt, und die Oberarme sowie die Waden waren mit großen Tätowierungen geziert. Auf den ersten Blick fand ich sie cool. Sie hatte eine Bierflasche in der Hand.

Ich stellte mein Rad ab und ging an ihr vorbei in Richtung Bäckerei. Da drehte sie sich um und guckte mich an. »Was glotzt du so?«, fragte sie, obwohl ich in dem Augenblick überhaupt nicht in ihre Richtung schaute.

Ihr Gesicht war verquollen und schwammig, die Augen blickten unscharf. Sie sah aus, als ob sie schon seit dem frühen Morgen am Saufen sei, und sie wirkte vor allem, als ob sie daran keinen Spaß gehabt hätte.

Ich ging weiter, ohne sie zu beachten. Sie brabbelte etwas, während ich an ihr vorbeiging, und nahm einen großen Schluck Bier.

Nach meinem Einkauf ging ich wieder zu meinem Rad. Sie lehnte mittlerweile an einer Säule, die Flasche Bier locker in der Hand, das Gesicht zur Straße gerichtet. Als ich an ihr vorüberging, ignorierte sie mich.