Mit großem Interesse las ich zuletzt »Die Zeit ist gegen uns«, einer der klassischen Romane von Walter Ernsting. Der Roman erschien 1956 erstmals in der Reihe UTOPIA-Großband; wie es sich damals gehörte, mit einem englischen »Originaltitel«. Mit »We Against The Time« sollte der Eindruck vermittelt werden, Clark Darlton sei ein englischsprachiger Autor – damals wussten nur wenige, dass Walter Ernsting und Clark Darlton dieselbe Person waren.
Der Roman muss damals ein echter Kracher für die damaligen Leser gewesen sein. Heute muten die meisten der grundsätzlichen Ideen ein wenig albern und vor allem unwissenschaftlich an, und manche Darstellungen von Frauen sind jenseits von Gut und Böse – immerhin brachte der Autor eine relevante Frau in die Handlung ein –, aber insgesamt ist der Roman sehr unterhaltsam und lässt sich auch heute noch gut lesen.
Die Handlung ist in gewisser Weise typisch für Ernsting, den ich immer als den Phantasten und Träumer wahrnahm, nicht als einen Autor, der auf wissenschaftliche Fakten viel Wert legte. Erzählt wird von der Reise des Raumschiffes HUMAN SUCCESS (im Roman lustigerweise immer mit »ß« am Ende geschrieben, was bei dem Wort »succeß« schon recht seltsam aussieht), das mit einem neuen Raumschiff ins All startet und in allerlei Zeitwirren gerät, dessen Besatzung dann die Spuren der verschollenen Menschheit findet und immer weiter ins All vorstößt.
Das klingt ein wenig verwirrend – aber das ist der Roman auch. Ernsting verweist häufig auf die Einsteinsche Relativitätstheorie, über die er offensichtlich einiges gelesen hatte, und leitet daraus eigene Schlussfolgerungen ab. Zeit wird gedehnt und gestaucht, es gibt immer wieder unterschiedliche Zeitabläufe, und nach einiger Zeit (ha!) sind nicht nur die Leute an Bord des Raumschiffes, sondern auch die Leser verwirrt.
Bei der Lektüre fühlte ich mich wie früher. Ich kam mir vor wie der Jugendliche, der in den späten 70er-Jahren auf die Science Fiction stieß und fasziniert die unglaublichsten Gedankengebilde bestaunte. Ich fragte damals nicht unbedingt nach wissenschaftlicher Klarheit, sondern ließ mich von den Ideen begeistern.
Das klappte tatsächlich auch bei »Die Zeit ist gegen uns«. Der Roman ist ein echter Ernsting-Klassiker: humanistisch und altmodisch, phantastisch und unterhaltsam. Sicher keine Pflichtlektüre – aber für mich ein wertvoller Blick in die Vergangenheit der Science Fiction.
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