30 Juni 2021

Hammerhead in der Bonzenstadt

Aus der Serie »Jammern über frühere Konzerte, wenn wegen Corona eh nix geht«

Mitten im bonzigen Baden-Baden, in direkter Nachbarschaft zum Spielcasino und zum Festspielhaus: Die »Jube«, das örtliche Jugendzentrum der Schwarzwaldstadt, bot in den 80er- und 90er-Jahren immer wieder großartige Punk-Konzerte. So war es auch am Samstag, 18. März 1995, als ich mit einigen Bekannten im Schlepptau von Karlsruhe nach Baden-Baden fuhr.

Weil wir nicht zeitig losgekommen waren, erreichten wir das Jugendhaus nicht pünktlich. Der Konzertsaal war bereits gut gefüllt, auf der Bühne stand eine Band, die wüsten Grindcore spielte. Es wurde gegrunzt und geröchelt, gebrüllt und in die Saiten gehauen. Mein Fall war’s nicht. Aber ich war sowieso verblüfft darüber, wie viele junge Hardcore-Leute zur Stelle waren, die ich allesamt nicht kannte, und wie viele Langhaarige sich eingefunden hatten.

Erst nach einer Weile bemerkte ich, dass sich genügend Leute in dem Raum aufhielten, die ich kannte. Manche Leute lungerten aber trotz der frischen Temperaturen lieber mit einem Bier in der Hand vor der Tür herum, anstatt sich das Gegrunze von der Bühne herunter anzuhören. Ich begrüßte die Leute von HAMMERHEAD, die mit einigen Begleitern angereist waren, und verzog mich ebenfalls vor die Tür.

Dort verpasste ich die zweite Band komplett. Danach spielten ABC DIABOLO, und die ließ ich ebenfalls sausen. Mit dem schleppenden Sound der Band konnte ich nicht viel anfangen. Ich erkannte zwar, dass das schon irgendwie gut war, aber ich wollte an diesem Abend vor allem viel Spaß haben und Pogo tanzen. Da passten die ersten Bands einfach nicht.

Nachdem die Jungs von HAMMERHEAD genügend Zeit damit verbracht hatten, Bier zu trinken und Tischtennis zu spielen, gingen sie auf die Bühne. Sie hielten sich nicht damit auf, große Reden zu halten, sondern bolzten sofort los.

Und es dauerte keine dreißig Sekunden, als der Saal auch schon kochte. Vor der Bühne entwickelte sich ein wüstes, total geiles Gehüpfe, eine derbe Mischung aus Pogo und Slam-Dancing. Bier spritzte wie blöd, es wurde rumgerotzt, was das Zeugs hielt, und dazwischen brüllte, tobte und sprang Tobias Scheiße. Nicht nur der Sänger der Band aus Bonn verausgabte sich auf der Bühne, auch seine Kollegen gaben sich redlich Mühe, das Publikum an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Die Leute auf der Bühne feixten und brüllten die Texte mit, sie sprangen auf und ab, fuchtelten mit den Händen und entfesselten einen Sound, der rauer und dynamischer war als auf jeder Platte.

Ich war fassungslos vor Begeisterung und sprang selbst wie ein Bekloppter durch das Jugendhaus. Der Schweiß lief in Strömen, von oben wurde ich mit Bier bespritzt, immer wieder flogen Stagediver durch den Raum und landeten unsanft im Publikum. In dem überschäumenden, zahlenmäßig nicht sonderlich großen Mob kam ich mir vor wie Mitte bis Ende der 80er Jahre, als Bands wie SO MUCH HATE oder HERESY mit ihrer absolut explosiven Hardcore-Musik neue Maßstäbe setzten.

Grinsend sprang ich durch den Mob, und mir war egal, dass ich innerhalb kürzester Zeit aussah, als hätte man mich durch ein Fass mit Bier und Schmiere gezogen. Die Band knallte nach einer kurzen Pause noch eine Reihe fetter Zugaben von der Bühne, darunter einige Cover-Versionen. Unter anderem gab es »Irre«, den Klassiker der Berliner Band IDEAL, noch einmal spritzte Bier über alle weg.

Der Boden des Jugendhauses verwandelte sich in eine schmierige Ebene, in der wir ständig ausrutschten und stürzten. Immer wieder bildeten sich Pulks aus liegenden Leuten, über die andere Leute fielen. Ein herrliches Chaos.

Auf einmal war es vorüber. Die Band verabschiedete sich ohne großes Gerede, das Licht ging an, und wir standen im Licht der Neonlampen, grinsend, dreckig, verbeult und mit blauen Flecken. Als ich später heimfuhr, meine Begleiter als besoffene Beifahrer, hatte ich immer noch ein breites Grinsen im Gesicht.

Ein Berlin-Krimi aus dem Jahr 1968

Im März 1968 herrscht Spannung im Westteil von Berlin. Studenten demonstrieren, die Boulevard-Zeitungen hetzen, die Polizei ist nervös. Vor diesem Hintergrund spielt der Roman »Rotlicht«, der von Horst Bosetzky und Uwe Schimunek geschrieben worden ist.

Er gehört zur Serie »Es geschah in Berlin« und ist der dreißigste Kappe-Fall. Ich kenne keinen weiteren Roman dieser Serie, was aber nichts macht: Die Geschichte steht für sich, man muss keine Zusammenhänge im Kopf haben, um die Handlung zu verstehen.

Die beiden Autoren erzählen vom ungeklärten Mord an einer Prostituierten. Ein Schauspieler wird verdächtigt, der Täter zu sein, während die Polizei weiter ermittelt. Die Boulevard-Presse schießt sich auf den Schauspieler ein, auf den eine wahre Hexenjagd beginnt.

Spannend ist bei alledem: Der brave Polizist Otto Kappe versucht, vorurteilsfrei zu ermitteln. Sein Sohn Peter gehört zur Studentenbewegung und engagiert sich für den Schauspieler, den er für unschuldig hält. Die Konflikte in der Mauerstadt werden also direkt in die Familie getragen.

Aus dem Thema hätte man einen 500 bis 800 Seiten starken Gesellschaftsroman machen können. Ich finde es erfreulich, dass die beiden Autoren ihre Geschichte in knackiger Weise auf 200 Seiten erzählen und zu einem vernünftigen Ende bringen. Dabei wird manche Szene nur angerissen, es entsteht trotzdem ein Panorama, das die gesellschaftlichen Bezüge gut vermittelt.

Die Mixtur aus klassischem Polizeikrimi, lockerer Popliteratur und Gesellschaftsroman ist für mich gelungen. Am Ende wird der Täter gefasst, der Fall ist aufgeklärt, und sowohl der Vater als auch der Sohn haben dazu beigetragen. Und dass am Ende einige Studenten damit anfangen, die Gewalt für sich zu entdecken – ein Vorausblick auf die spätere Rote Armee Fraktion –, ist eine klare Verbindung zum Terror der 70er-Jahre.

»Rotlicht« ist ein gelungener Krimi und gleichzeitig eine gute Werbung für die Kappe-Serie. Ich habe den Roman sehr gern gelesen.

29 Juni 2021

Zeckenfängerin

Ich fuhr mit dem Rad an einer städtischen Grünanlage vorbei. Es hatte kurz davor geregnet, das kniehohe Gras glitzerte vor Feuchtigkeit. Ein Mädchen mit blonden Zöpfen und hellem Kleid lief lachend durch das Gras; das Kind guckte nur zur Hälfte über das Gras hinaus.

Mein erster Gedanke war: »Verdammt! Zecken!« Mein zweiter Gedanke war: »Passt denn niemand auf das Kind auf?«

Da sah ich auch schon eine Frau, ebenfalls blond, ebenfalls im Kleid, die vielleicht zehn Meter entfernt stand und sich gerade nach einer Blume bückte, das Kind aber im Auge hatte. Es war also alles in Ordnung.

Aber was hatte ich da für einen blöden Gedanken? An Zecken und an Gefahr? Ich ärgerte mich über mich selbst und die negative Empfindung.

Als ich selbst noch ein Kind war, dachte niemand über so etwas nach. Wir rannten durch das hohe Gras, wir aßen Sauerampfer von der Wiese und Beeren von den Büschen, ohne sie zu waschen oder über Gefahren nachzudenken. Es gab keinen Fuchsbandwurm und keine Zecken – zumindest nicht in unserer Wahrnehmung.

Schon klar: Heute gibt es für Kinder andere Bedrohungen, die in den 60er- und frühen 70er-Jahren nicht existierten. Wir hatten Angst vor der Tollwut, weil man uns das eingebläut hatte – das war alles. Aber das lag vielleicht einfach daran, dass unsere Eltern sorgloser waren und sich, gestählt durch die Zeit im Krieg – eher dachten, es werde eh »schon alles gutgehen«.

Manchmal wünsche ich mir meine fröhliche Naivität von früher zurück. Dann wäre der Gedanke nicht kritisch und negativ gewesen, sondern positiv: »Mutter und Tochten spielen auf der Wiese – das ist toll.« Tja …

Der zweite Band der Bretagne-Comics

Mit den sieben Teilen der Comic-Reihe »Brocéliande« erzählen französische Künstler allerlei Sagen und Legenden aus der Bretagne nach. Der Titel der Serie spielt auf den Wald an, der die Halbinsel im Westen Frankreichs über Jahrtausende hinweg bedeckte; der Untertitel »Der Wald des kleinen Volkes« verdeutlicht das Thema noch weiter.

Ich fand den ersten Band großartig und ging mit großen Erwartungen an den zweiten Band der Reihe heran. Unter dem Titel »Das Schloss von Comper« erzählt ein neues Kreativgespann eine große Geschichte, in der es um den Gegensatz von Magie und »Technik« sowie um vertauschte Kinder geht.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Weil er die Bretagne unter seine Kontrolle bringen möchte, lässt ein örtlicher Herrscher eine Straße quer durch den Wald bauen. Das berührt die ohnehin wackeligen Grenzen zwischen der Welt der Menschen und der des Kleinen Volkes.

Der Erbe des menschlichen Herrschers wird gegen einen Wechselbalg ausgetauscht: Während ein Menschenkind bei den Elfen aufwächst, muss ein kleiner Elf seine Kindheit bei den Menschen verbringen. Das geht ziemlich schief, es kommt zu einer Reihe hässlicher Szenen ...

Die Geschichte vom Kuckuckskind und den verzweifelten Eltern erzählt Stéphane Betbeder spannend und nachvollziehbar. Sie ist wesentlich ernsthafter und realitätsnäher als der erste Teil der Reihe, dadurch nicht so verspielt, manchmal geradezu düster.

Mit seinen Illustrationen unterstreicht Paul Frichet das Szenario. Seine Bilder von tanzenden Elfen sind hübsch, seine Darstellung marschierender Soldaten eindrucksvoll. Dazu kommt die schöne Farbgebung von Piky Hamilton – der Comic hat so seinen märchenhaften Charme, erhält aber einen härteren Charakter.

Insgesamt ist »Das Schloss von Comper« ein gelungener Fantasy-Comic; an den wunderbaren Charakter des ersten Bandes der Reihe kommt er nicht heran. Ich bin also sehr gespannt darauf, welche Bände in dieser Reihe ich als nächstes lesen werde ...

28 Juni 2021

Futter für den Ofen

Ich parkte mein Auto so, dass der Kofferraum zum Garten zeigte. Es war bereits dunkel, so dass niemand von den Nachbarn mitbekam, was ich auslud und durch den Garten trug. Hinter dem Haus stellte ich alles vor der Kellertür ab.

Meine Eltern standen mittlerweile an der Eingangstür. Mein Vater verdrehte die Augen. »Hast du mir wieder Zeugs mitgebracht, das ich verbrennen kann?«

Ich nickte. »Neues Futter für den Ofen. Dann hat der Dreck wenigstens einen Sinn.«

In diesem Frühjahr 1992 waren die Dörfer zwischen Tübingen, wo ich arbeitete, und Freudenstadt, wo ich lebte, voller Wahlplakate. Vor allem die rechtsradikalen Republikaner schienen in den Dörfern ihre Anhänger zu sehen. Und so hielt ich, wenn ich von der Arbeit nach Hause fuhr, gelegentlich in einem Dorf an und räumte Plakate der Republikaner ab.

Mein Auto stellte ich stets in eine Seitenstraße oder in einen Weg, der auf die Wiesen oder in den Wald führte; so blieb ich in der Dunkelheit recht anonym. Mit einer Kneifzange kam ich schnell voran. Und weil das Dorf, in dem meine Eltern wohnten, auch auf dem Weg lag – es kam darauf an, welche Strecke ich einschlug –, bot er sich an, die Plakate bei ihnen abzuladen, um sie zu verbrennen.

Kopfschüttelnd ging mein Vater ins Haus zurück und in den Keller, machte mir dort die Tür auf. Ich trug die Plakate in den Heizungskeller, wo ich sie schnell zertrat und zerhackte. Danach warf ich die Bruchstücke auf den großen Haufen an Plakatresten, der sich in einer Ecke auftürmte.

»Sonderlich ökologisch ist es aber nicht, wenn ich das verbrenne«, meinte mein Vater und sah auf den Haufen hinab. »Das ist billiges Zeugs und voller Klebstoffe.«

»Na ja, wenn ich es auf eine Müllkippe bringen würde, wäre es auch nicht unbedingt umweltfreundlich.«

»Auch richtig.« Er grinste. »Ein Bier?«

Ich nickte, und er reichte mir eine Flasche. Ich öffnete sie mit einem Schraubenschlüssel, der auf der Werkbank lag, direkt neben der angefangenen Flasche meines Vaters. Wir tranken beide einen kräftigen Schluck. Nach einem Arbeitstag war ein »Alpi« nach wie vor eine sehr gute Wahl.

»Und wie soll das mit dem Schrott hier weitergehen?« Er nickte zu den Wahlplakaten hinüber.

»Bald ist ja die Wahl«, tröstete ich ihn, »dann höre ich auf. Aber wenn’s dich nervt, reduziere ich das Sammeln der Plakate.«

Er nickte. Ich war froh, dass er keine Diskussion anfing. Warum ich Rechtsradikalen, die sich als Republikaner ein bürgerliches Image gingen, so ablehnte, konnte ich kaum sagen. Ich verabscheute Nazis, das fand ich aber selbstverständlich. Dass mein Vater bei meinen Aktionen insofern mitspielte, dass er bei der Vernichtung der Wahlplakate half, fand ich gut. Vielleicht war es eine Art von »Wiedergutmachung« dafür, dass er als Soldat im Krieg gewesen war. Und ich versuchte auf meine Weise, die Schatten der Vergangenheit auszugleichen?

»Es ist mieses Brennmaterial«, sagte er ruhig. »Klebstoff, Holzspäne, billiges Plakatpapier – das stinkt und raucht, aber es heizt nicht, und es macht die Anlage dreckig.«

Wir einigten uns darauf, dass ich nur noch einzelne Plakate bringen sollte. Ich trank das Bier aus und fuhr weiter.

Als ich die Kleinstadt erreichte, in der ich zu der Zeit wohnte, sah ich wieder die Wahlplakate. Ab und zu hatte jemand ein Plakat der Republikaner beschmiert. Ich unterdrückte den Impuls, an jeder zweiten Laterne anzuhalten und die Propaganda abzumontieren.

»Vielleicht hört der Spuk auch von selbst wieder auf«, murmelte ich, während ich durch die nächtliche Stadt fuhr. »Vielleicht sind die blöden REPs bald weg.« Ich ahnte bereits, dass es nicht so einfach sein würde.

27 Juni 2021

Ein Jazz-Musiker aus Japan in München

Als eines der überraschenden Hefte beim Gratis-Comic-Tag 2020 erwies sich »Blue Giant Supreme« – die Geschichte eines Jazz-Musikers aus Japan, der nach München reist und dort versucht, als Musiker durchzustarten. Ich bin kein großer Manga-Freund, kann mit vielen Zeichenstilen der fernöstlichen Schule nichts anfangen und fremdle sogar mit den Geschichten, die in den jeweiligen Heften erzählt werden; das hier aber war auch für mich sehr interessant.

Und warum? Vielleicht deshalb, weil die Geschichte so klar und eindeutig erzählt wird. Der Held des Comics spricht kein Wort deutsch, und er hat seine Probleme in München. Die Polizei vertreibt ihn von öffentlichen Plätzen, der örtliche Jazz-Club bietet ihm nicht die Möglichkeit, »einfach mal so« in seinen Räumen aufzutreten.

Das wird aber nicht in einer Opfergeschichte erzählt, sondern recht lakonisch präsentiert. Der Erzähler gibt auch nicht auf, sondern man merkt ihm an, wie er versucht, sich durchzusetzen.

Zeichnerisch ist das ebenfalls sehr ansprechend. Shinichi Ishizuka überzeugt sowohl bei den farbigen wie auch bei den schwarzweißen Bildern durch Realitätsnähe. Gesichter und Körper der Menschen sind nicht übertrieben, die Szenen in München stecken voller Details, die für einen japanischen Leser sicher fremdartig sind.

Erschienen ist »Blue Giant Supreme« bei Carlsen Manga; es liegen schon einige Bände vor. Die Leseprobe spricht mich auf jeden Fall so an, dass ich mir diese Bücher genauer anschauen werde …

26 Juni 2021

Eine Frau mit berauschenden Talenten

Weil ich im vergangenen Jahr auch während der »Öffnungen« nicht ins Kino ging, verpasste ich den neuen Film mit Isabelle Huppert. Dieser Tage lief »Eine Frau mit berauschenden Talenten« bei einem der Streamingdienste, und ich sah ihn mir an. (Der Originaltitel »La Daronne« wäre frei mit »Die Mutter« zu übersetzen, und das klänge echt ein wenig schlapp.)

Es ist im Prinzip eine Verwechslungskomödie, gleichzeitig ist es eine Gangsterkomödie. Sie ist streckenweise knallig, sie wird mit viel Humor und Tempoerzählt, und sie zeigt, dass die französischen Filmemacher es immer noch verstehen, witzige Unterhaltung mit einem Hauch von Sozialkritik zu erzählen.

Die Hauptperson ist eine Frau, die aus verschiedenen Gründen tief in den Schulden steckt und sich dadurch über Wasser hält, dass sie freiberuflich für die Polizei arbeitet. Sie übersetzt abgehörte Gespräche von Drogenhändlern, die diese in arabischer Sprache führen – ihr Arabisch ist hervorragend, auch deshalb, weil ihre Eltern sich in Algerien kennengelernt haben.

Als die Chance hat, an einen riesigen Berg Haschisch von hohem Marktwert zu kommen, greift sie zu. Sie verkleidet sich als arabische Händlerin, was erstaunlich schnell geht und mir recht glaubhaft vorkommt, und verkauft Drogen an zwei kleine Händler. Die wiederum verkaufen es auf der Straße weiter …

Natürlich geht das auf Dauer nicht gut. Die Leute, die diese Drogen eigentlich geschmuggelt haben, sind aus nachvollziehbaren Gründen sauer und nehmen die Spur auch. Doch die chinesischen Nachbarn unserer Heldin erweisen sich nicht nur als kriminell, sondern auch noch als zäh und – auf ihre Weise – ehrbar zugleich.

Insgesamt ist es eine gelungene Komödie, bei der man über die moralische Konsequenz ebensowenig nachdenken darf wie über manche Wendung. Insgesamt ist »Eine Frau mit berauschenden Talenten« ein gelungener Film, der sich wunderbar zur amüsanten Entspannung eignet.

25 Juni 2021

Bücher im Bahnhof

Immer deutlicher wird klar, welche Teile des Buchmarktes besonders von der Pandemie betroffen worden sind. Bei manchen Erkenntnissen wundere ich mich allerdings nicht: Der Bahnhofsbuchhandel leidet seit März 2020 besonders stark. (Ich gehöre schließlich auch zu den Leuten, die seit eineinhalb Jahren keinen Bahnhof mehr betreten haben.)

Im »buchreport.express« 24 vom 17. Juni 2021 äußert sich Torsten Löffler, der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Bahnhofsbuchhändler, sehr eindeutig. Seinen Angaben nach ist der gesamte Umsatz im Bahnhofsbuchhandel um dreißig Prozent eingebrochen. Die Verkäufe bei Büchern seien sogar um 40 Prozent zurückgegangen.

Als Grund nennt er in dem Interview auch die unsinnige Anordnung vom vergangenen Frühjahr, als Bücher als nicht systemrelevant angesehen wurden. Die Bahnhofsbuchhandlungen mussten damals die Buchbereiche absperren; Zeitschriften, Zeitungen und Süßigkeiten durften sie damals weiter verkaufen.

Derzeit blickt die Branche positiv in die Zukunft. Da ist sie nicht die einzige ...

Der Dämonenkiller trifft auf Macumba

Rio de Janeiro, die brodelnde Metropole in Brasilien, ist der Schauplatz eines »Dorian Hunter«-Abenteuers, das in zwei Teilen veröffentlicht wird. Ich habe die Folge 41.1 gehört, die den kurzen und klaren Namen »Macumba« trägt; sie ist auch für erfahrene Hörer durchaus komplex, und man muss genau zuhören, um alle Details richtig zu verstehen.

Die Geschichte selbst ist sehr spannend gemacht, wird wieder einmal aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Eine ist die eines Mannes, der sich offenbar langsam in ein Schwein verwandelt. Während er »Ich bin kein Mörder« wie ein Mantra denkt und sagt, übernehmen die tierischen Instinkte immer mehr die Gewalt über ihn, und er nimmt auch das Aussehen eines Tieres an.

Auf der anderen Ebene wird erzählt, wie Dorian Hunter und seine Begleiter in der Stadt eintreffen. Noch während sie noch dabei sind, sich zu orientieren, erkennen sie, welche Umtriebe in Rio abgehen. Offenbar breitet sich der Kult der Macumba immer weiter aus, ohne dass Hunter und seine Leute wissen, um was es sich dabei genau handelt.

Die eigentlich sehr »schundige« Grundidee von Schweinemenschen, die mordend und marodierend unterwegs sind und ein Hochhaus in eine Ansammlung von Kot und Dreck verwandeln, wird in diesem Hörspiel interessant aufgegriffen. Gewalt wird durchaus heftig dargestellt, die Geräusche sind fies. Aber es gelingt den Hörspielmachern bei Zaubermond Audio jederzeit, das alles so spannend zu vermitteln, dass ich als Hörer mitfieberte und wissen wollte, wie es weitergeht.

Auch wenn mir die »Dorian Hunter«-Geschichten am besten gefallen, die in Europa spielen, ist »Macumba« wieder einmal gelungen. Das Hörspiel ist dynamisch und knallig, die Szenerie in Rio wirkt gruselig, ohne allzu trashig zu sein. Und danach freue ich mich auf den zweiten Teil der Doppelfolge – auf 41.2 also …

24 Juni 2021

»solis orbita« vor genau 40 Jahren

Nachdem ich ab dem Sommer 1979 meine ersten Kontakte zur Fan-Szene geknüpft hatte, wurde ich ein fleißiger Fan-Autor. Ich veröffentlichte Kurzgeschichten, Rezensionen und Gedichte für Fanzines. Das »solis orbita« war mit das erste Fanzine, das Texte von mir druckte.

Das Fanzine entwickelte sich rasant: aus einfachen Anfängen zu einem fast schon professionell auftretenden Heft. Die vierte Ausgabe, die im Sommer 1981 veröffentlicht wurde, hatte eine Reihe von beeindruckenden Mitwirkenden aufzubieten, unter anderem den bekannten Filmproduzenten und Schriftsteller Rainer Erler. Das Titelbild spiegelt das in seiner albernen Machart leider nicht wider – aber die Macher des Heftes waren sehr ambitioniert und hatten mit ihrer Redaktion großes vor.

Da durfte ich nicht mit einem »einfachen« Text dabei sein. Mein Text nannte sich »Alptraum eines Papierbogens« und wurde von mir als »Drama« bezeichnet, war auch wie ein Theaterstück geschrieben. Der Untertitel lautete übrigens »Druckerschwärze ist geduldig (eine Idiotie in vier Akten)«. Ich hielt mich für einen originellen Autor, der die Konventionen der Science Fiction brechen wollte.

Es störte mich übrigens nicht, dass neben meiner Geschichte und anderen Storys, Gedichten, Rezensionen und Grafiken unterschiedlichster Richtung auch ein Science-Fiction-Text von Ingo Dristram veröffentlicht wurde. Der Mann war damals schon als beinharter Neonazi bekannt – aber so »tolerant« waren wir Science-Fiction-Fans in den frühen 80er-Jahren ganz offensichtlich.

Man muss trotzdem ehrlich sagen: »solis orbita« war ein richtig gutes Heft und stand vor dem Sprung, noch viel besser zu werden. Warum das nicht geschah, weiß ich heute nicht mehr genau.

Not Astray und ihre einzige EP

Warum ich mir die EP der Band Not Astray gekauft habe, weiß ich nicht mehr. Weder sah ich die vierköpfige Band jemals, noch weiß ich, woher sie kam. Immerhin kann man der EP entnehmen, dass sie 2007 veröffentlicht worden ist (ich habe die Nummer 211). Und dass sechs knallige Stücke drauf sind, sehe ich schließlich auch noch selbst.

Musikalisch fährt die Band eine eindeutige Hardcore-Schiene: Der Sänger brüllt, die Stücke werden nach vorne gebolzt, ab und zu drückt ein wenig Mosh-Gedöns auf die Bremse. Erfreulicherweise sind die Metal-Anleihen sehr gering – was die vier Herren machen, ist einfach gut gemachter Hardcore, wie man ihn zu Beginn der 90er-Jahre vor allem mit New York assoziierte.

Textlich geht es in englischer Sprache unter anderem um Szene-Themen, über »Moderichtungen« innerhalb der Straight-Edge-Szene oder auch um die »Kultur« bei Live-Konzerten. Die Band sah sich als Teil der »fuckin' crowd« und nicht als etwas Besonderes. Alles in allem hoben sich diese Texte wohltuend von mancher Kraftmeierei der Straight-Edge-Bands ab.

Die einzige EP von Not Astray kann man immer noch anhören. Respekt!

23 Juni 2021

Dreckige Füße

Paula musterte meine Füße, die ich zur Hälfte im Sand vergraben hatte. Es war heiß am Strand von Avepozo, und ich hielt mich zum größten Teil im Schatten einiger Bäume auf. »Du hast Flecken auf deinen Füßen«, meinte sie. »Was ist das?«

Ich zog meine Füße aus dem Sand und musterte sie. Paula hatte recht. Wie so oft. Auf meinen Füßen, die für die Einheimischen weiß und hässlich und viel zu groß waren, erkannte ich dunkle Flecken. Sie waren unregelmäßig geformt, verteilten sich oberhalb der Zehen und an der Oberseite der Füße, die ansonsten sehr weiß waren.

Ich selbst hatte nach einigen Wochen in Westafrika zumindest eine leichte Bräune bekommen, sah gegenüber einer einheimischen Studentin wie Paula aber immer noch aus wie Teig. Sie grinste mich an, als ich verwundert den Kopf hob, sagte aber nichts. Wir unterhielten uns auf Französisch, das sie perfekt sprach und ich nur gebrochen artikulierte.

»Keine Ahnung, was das ist«, sagte ich. Entschlossen feuchtete ich meine Hand mit Finger an und wischte damit über die schmutzigen Flecken auf meinen Füßen. Nichts änderte sich, alles blieb wie vorher. »Kein Dreck«, sagte ich.

»Ein sauberer weißer Mann«, sagte sie und lachte mich aus. Wir mochten uns auf eine freundlich-distanzierte Art. Sie lebte im Dorf und studierte in Lomé, nur einige Kilometer entfernt, wo sie auch einen Job in einer Kneipe hatte. Bei ihren Eltern hatte ich die Hütte gemietet, in der ich seit einer Woche wohnte.

Irritiert starrte ich auf meine Füße. Was war mit ihnen geschehen? Woher kamen die Flecken? Hatte ich mir doch eine neuartige Tropenkrankheit eingefangen?

In diesem Februar 1988 hatte ich Angst vor Malaria und irgendwelchen Würmern, ich hatte wegen einer Unpässlichkeit auch schon die Tropenklinik aufgesucht. Aber mir ging es gut, ich war in bester Stimmung. Was also war der Grund?

Pauls stand auf. »Ich lasse dich mal mit meinen Gedanken allein«, sagte sie. »Ich hole mir etwas zu essen.« Sie schlüpfte in ihre einfachen Schuhe – im Prinzip einfache Flipflops, die aus Reifenteilen und Schnur hergestellt worden waren – und eilte in Richtung Dorf davon.

Mir fiel ein, was ich vorhin nicht kapiert hatte. »Die Schuhe!« Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Aber ich wollte nicht mehr Aufsehen erregen als nötig.

Ich war mit zwei Paar Schuhen in Deutschland aufgebrochen: einmal Turnschuhe, einmal Sandalen. Die meiste Zeit lief ich mit den Sandalen durch die Gegend; sie hatte ich auch angehabt, als ich mit dem Rad durch Togo nach Süden gefahren war. Und weil die Sandalen so seltsame »Löcher« zwischen den Riemen hatten, waren meine Füße ungleichmäßig gebräunt worden.

»Kein Dreck, sondern Bräune«, sagte ich zu mir und betrachtete die Flecken. Wie sollte ich das Paula sinnvoll erzählen?

Ein Dokument heutiger Kommunikation

Ich kenne Julia Schramm nicht, und ich weiß auch nicht, für welche politischen Inhalte sie im Detail steht. Sie mischt in verschiedenen politischen Zusammenhängen mit – zuerst FDP, dann Piratenpartei, jetzt Die Linke – , sie positioniert sich öffentlich, und sie ist im Internet auf diversen Plattformen aktiv. Das genügt offenbar, dass ihr andere Leute – vor allem Männer – allerlei Botschaften schicken.

Daraus entstand zu Beginn des Jahres 2018 das Buch »Es muss Liebe sein«, das ich nun endlich gelesen habe. Da es recht wenig Text enthält, ist die reine Lektüre-Zeit recht kurz. Mehr Zeit benötigte ich manchmal fürs Kopfschütteln oder Lachen angesichts mancher Texte.

Der Untertitel »Digitale Kommunikation. Ein Fragment« fasst leider auch kaum zusammen, was das Buch zeigt. Man kann es nicht am Stück lesen, sondern muss sich immer mal wieder die eine oder andere Seite vornehmen.

Es enthält Texte, die Julia Schramm von Unbekannten erhalten hat. Sie bekam sie als Facebook-Post, als Tweet oder als Mail. Entscheidend war, dass sie die Personen nicht kannte. Das hinderte diese Personen aber nicht daran, sie mit Beleidigungen, Sexwünschen oder Liebesschwüren zu bewerfen. Schamgefühle kannten diese Personen dabei offenbar nicht, sie fanden ihr Vorgehen offensichtlich normal.

Die Zusammenstellung ist mal skurril, mal lustig, mal schämt man sich für die Schreibenden, dann wieder für sich selbst, weil man das liest. Ich fand die Lektüre nicht immer erhellend, aber unterm Strich unterhaltsam.

Ganz ehrlich: Wenn ich später mal sagen sollte, »wie fühlte sich 2017 so an?«, würde ich dieses Buch aus dem Schrank fischen.

22 Juni 2021

Die Fortsetzung eines wunderbaren Comics

Ich fand die Comic-Version von »Der Wind in den Weiden« ziemlich brillant und empfehle diesen Comic seitdem jedem, der eine Freude an Phantastik hat. Ein schon klassisches Kinderbuch von Kenneth Grahame wurde dabei in einen tollen Comic umgesetzt. Entsprechend neugierig war ich auf die Fortsetzung: Diese trägt den Titel »Der Wind in den Dünen«, basiert ebenfalls auf diesem Kinderbuch, erzählt aber eine eigenständige Geschichte.

Der Hardcover-Band ist im Splitter-Verlag erschienen und sollte sowohl für Erwachsene wie auch für Kinder großen Spaß bieten. Selten habe ich so viele gelungene phantastische Ideen gesehen, so viele witzige Szenen, so viele Dialoge voller Eleganz und Ironie – diese wunderbare Tiergeschichte kann auf vielen Ebenen gelesen werden und hat mich begeistert.

Wieder stehen die drei Freunde Ratte, Maulwurf und Kröterich im Zentrum der Geschichte, doch diesmal verschlägt es sie in das »Morgenland«. Im Prinzip reisen sie durch Marokko, auch wenn der Name so nie fällt, schlendern durch eine nordafrikanische Altstadt, werden mit religiösen Eiferern konfrontiert, ziehen in die Wüste, treffen auf Nomaden und stoßen auf den beeindruckenden Schatz der Wüste ...

Was sich hier nach einem fast schon gewöhnlichen Abenteuer anhört, ist aber viel mehr. Das große Thema Freundschaft steht im Zentrum, wie immer. Man hält als Freunde zusammen, auch wenn die Not groß ist oder man sich zwischendurch gestritten hat. Aber es geht auch um fremde Einflüsse und die Geheimnisse des Orients, zumindest so, wie es sich der durchschnittliche Mitteleuropäer vorstellt.

Zeichnerisch legt der Künstler noch eine Schippe drauf: Siedelte er das erste Comic-Abenteuer in heimischen Gefilden an, in einer Umgebung, die nach romantischem Wald und beschaulichem Fluss aussah, gibt es nun einen »orientalischen« Einschlag. Auf den Märkten tummeln sich nicht nur Tierwesen, sondern auch Menschen, die Flora und Fauna sind anders. (Sogar die Fliegen, die sich als eine Art Running Gag über die Comic-Seiten bewegen, sind nicht gerade europäisch.)

»Der Wind in den Dünen« ist ein großartiger Comic, der sich mit seinem phantastischen Charakter vordergründig an Kinder wendet, in Wirklichkeit aber für Erwachsene gedacht ist. Sie erkennen die zahlreichen Details in der Geschichte und haben ihre Freude daran. Das macht richtig Spaß – und es zeigt, wie vielseitig Phantastik sein kann.

(Informationen und eine Leseprobe gibt es auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages.)

21 Juni 2021

Der Rabe im Park

Es hatte an diesem Nachmittag schon einmal geregnet, nun aber war es wieder warm und dämpfig. Die Innenstadt fühlte sich an wie eine riesige Sauna. Es bewegten sich nur wenige Menschen auf den Straßen, der kleine Park war leer.

Ein Rabe nutzte die Lage aus. Ich sah ihm zu, wie er auf einem der Mülleimer landete. Die Dinger waren nicht offen, sie hatten eine Art Dach. An der Seite konnten die Leute ihren Müll stecken, der auf diese Weise im eigentlichen Eimer landete. Wenn so ein Eimer aber voll war, stand der Müll an der Seite hoch.

Der Rabe hatte die Situation voll im Griff. Mit seinem Schnabel zerrte er an einer McDonald’s-Tüte, die ein Stückchen weit aus dem Mülleimer herausragte. Er zog vorsichtig an ihr, zerriss sie auf diese Weise nicht, zog und zerrte immer wieder – und das an verschiedenen Stellen.

Er schaffte es, die Tüte komplett aus dem Eimer zu ziehen. Der Müll fiel auf den Boden, der Rabe zerfledderte ihn. Innerhalb kürzester Zeit hatte er Papier, Kunststoff und Essensreste in einem Umkreis von einem Quadratmeter verteilt. Die Reste von Pommes frites und Ketchup oder von irgendwelchen Burgern schienen ihm zu munden.

Raben haben sich echt gut an das Leben in der Stadt angepasst. Und mit McDonald’s scheinen sie gut klarzukommen.

18 Juni 2021

Entlang der Blumenwiesen

Weil ich den ganze Tag am Computer verbracht hatte, bekam ich am gestrigen Abend doch einen Anfall von Sportlichkeit: Ich packte mir mein Rad und strampelte los. Von Karlsruhe aus ging es über die Grabener Allee in den Wald, entlang des Forschungszentrums und dann weiter nach Norden.

Ich finde die Fahrt entlang des Hirschgrabens immer faszinierend; man kommt sich, wenn man nach links und in den Graben guckt, ja manchmal vor wie in einer Kulisse des »Herrn der Ringe«. Wuchernde grüne Wildnis, alte Bäume, der Geruch nach Moder und frischen Blüten gleichzeitig.

Nachdem ich den Wald verlassen hatte, fuhr ich zwischen den Feldern und Wiesen weiter und am Dorf entlang. Was mir auffiel: In diesem Jahr hatte man bewusst viele Wildwiesen zwischen den bebauten Flächen stehen lassen. Kornblumen, Klatschmohn und so weiter – ein Mehr von Blüten erstreckte sich vor mir. Darüber schwebten Schmetterlinge, und die Bienen summten in Scharen über der Wiese. Schön!

Danach machte es noch mehr Spaß durch den Wald und entlang der Dörfer zurück nach Karlsruhe zu fahren. Meinen Riesling hatte ich mir an diesem Abend verdient.

Ein Schwerpunkt auf Gefangenes

Die Zeitschrift »Am Erker« lese ich seit vielen Jahren. Nicht immer gefallen mir die Ausgaben; oft sind mir zu viele Texte enthalten, die ich als belanglos und langweilig empfinde, vor allem dann, wenn Autorinnen und Autoren vor lauter Experimentierfreude vergessen, eine Geschichte zu erzählen.

Die Ausgabe 80, die Anfang 2021 erschien, bildet eine wohltuende Ausnahme. Auf den 140 Seiten des schönen Paperback-Bandes fand ich eine Reihe von Texten, die mir gut gefiel. Vielleicht lag’s am Thema, das diesmal »Gefangen« hieß und zu einigen starken Kurzgeschichten führte.

Schön fand ich »In der Fremde« von Norbert Stöbe. Der Verfasser ist mir als Autor und Übersetzer aus der Science-Fiction-Szene bekannt; seine knappe Kurzgeschichte erzählt von einem Touristen, der das Hotel verlässt und sich in einer fremdartigen Szenerie wiederfindet.

»Komm schon, beiß zu« von Anke Laufer trägt ebenfalls einen phantastischen Zug, ist ein wenig experimentiell und lässt bis zum Ende offen, aus wessen Sicht eigentlich wirklich erzählt wird. Bei diesem Text passen die Sprachbilder und der Inhalt sehr gut zusammen.

In lakonische Sätze wird in Manuela Rassaus‘ Geschichte »Nina« ein ganzes Leben gepackt. Der manchmal kalte Stil ist dem Inhalt absolut angepasst, das ist keine fröhliche Lektüre, und die Story wirkt im Lesenden sicher eine Weile nach.

Das sind nur drei der vielen Texte in diesem Buch. Dazu kommen einige Grafiken, einige Gedichte und viele Rezensionen – die mich teilweise zu einem Kauf bewegen könnten –, alles in allem ein gelungenes Sammelsurium. Die Ausgabe lohnt sich auf jeden Fall, und sie ist ein Beispiel dafür, warum ich »Am Erker« nach all den Jahren immer noch so gern lese.

17 Juni 2021

K.s.z.

Aus der Serie »Uralte Texte, von mir ausgegraben«

Rassel Dröhn Dröhn Rasel Klirr – Panzer fahren an Gerdas Fenster vorbei. Auf der Straße neben ihrem Haus. Sie steht am Fenster und schaut den Vorbeifahrenden nach. Klirr Rassel Dröhn Dröhn Rassel Klirr – und sie fahren und fahren, eine nicht enden wollende Reihe.

Gerda wünscht sich einen Soldaten ins Bett, möglichst einen Panzerfahrer mit seinem Rassel und Dröhn den ganzen Tag und die ganze Nacht. Aber das geht wohl nicht, schließlich sind die Soldaten auf dem Weg ins Fe-hel-de, im Pa-han-zer.

Gerda ist frustriert. Ärger Wut Enttäuschung. Sie nimmt ihren Teddy aus dem Bett, rubbelt mit diesem zwischen den Beinen. Aber irgendwie bringt’s das auch nicht so.

Noch frustrierter geht sie ins Bett, klemmt sich den Teddy zwischen die Beine, zieht die Decke über den Kopf und versucht, in den spätpubertären Tiefen des Schlafes die erwartete Befriedigung zu finden. Dröööhn.


(Nachbemerkung: In meiner Dada-Phase im Herbst 1983, als ich krampfhaft versuchte, Texte zu schreiben, die vom Dadaismus beeinflusst waren, entstand auch »K.s.z.«, in einer Zeit, in der häufig Nato-Manöver in der Umgebung meines Heimatortes stattfanden oder Panzer durchs Dorf rollten. Das stilistische Experiment ist nachvollziehbar, den Zusammenhang mit dem Teddy verstehe ich nicht mehr.

Verfasst wurde der Text am 19. Oktober 1983, also während der dreizehnten Klasse.)

Die dritte Bubonix-Platte

Ich sah Bubonix drei- oder viermal, und jedes Mal wusste mich die Band zu überzeugen. Auf der Bühne wurde ein Feuerwerk an Spielfreude abgebrannt, die Musik war knallig, die Ansagen wurden stets klar rübergebracht. Man spürte: Diese Band meint es ernst in dem, was sie sagt. Dieser Tage hörte ich mir wieder mal die Langspielplatte »Please Devil, Send Me Golden Hair«, die 2007 veröffentlicht wurde.

Elf Stücke sind enthalten, die den enormen »Wumms« der Band aus Limburg gut rüberbringen. Man merkt der Platte an, dass die Band sich zu dieser Zeit schon weiter entwickelt hatte. Der schroffe Hardcore ist weiterhin da, aber es gibt die eine oder andere stilistische Spielerei, und die Produktion wirkt recht aufwendig. (Kurz danach löste sich die Band übrigens auf.)

Musikalisch ist das große Klasse. Kein Eins-zu-Eins-Sound, sondern eine abwechslungsreiche Tour durch unterschiedliche Geschwindigkeiten, unterschiedlich gegliederte Stücke, melodisches Gewummer und immer mal wieder heftiges Gebrüll. Die Texte sind sarkastisch, spielen auf allgemeine Lebensumstände oder auch Szene-Interna an; auf Polit-Predigten verzichtet die Band in ihren Stücken.

Bubonix war eine starke Band. Diese Platte belegt das aufs Trefflichste.

16 Juni 2021

Pubertäre Klänge

»Du bist ja jetzt schon fast dreißig Jahre alt und hörst immer noch Punkrock«, sagte meine Kollegin eines Morgens. »Kommst du dir da nicht zu alt vor?«

»Nein, nein«, versicherte ihr. »Ein bisschen pubertär zu sein, das schadet ja nicht.«

Wir saßen im Pausenraum der Firma in Tübingen, für die ich Ende der 80er-Jahre arbeitete. Wir plauderten über alle möglichen Dinge, vesperten dabei die mit Fleischkäs‘ belegten Brötchen, die wir uns beim Bäcker geholt hatten. Und irgendwann fragte sie mich, ob ich ihr nicht eine Kassette überspielen könne. Sie wolle jetzt doch wissen, was das für Musik sei.

Das tat ich am Wochenende. Ich mixte eine Reihe von Klassikern zusammen, aber auch aktuelle Stücke. »Teenage Warning« von den Angelic Upstarts gehörte ebenso dazu wie »If The Kids Are United« von Sham 69, »Waiting Room« von Fugazi und »Something To Prove«. Ich gab ihr die Kassette und wartete gespannt auf ihre Reaktion.

Nach dem Wochenende gab sie mir die Kassette zurück. Ihre Miene verriet alles: Sie wollte das Geschenk nicht behalten. »Ich kam mir vor wie ein Teenager, als ich die Musik laut hörte«, gestand sie mir. »Dafür bin ich wohl zu alt.« Die Kollegin war 27 Jahre alt.

Ich nahm die Kassette zurück und hörte sie in den Jahren danach oft. Sie lief auch im »Epplehaus« in Tübingen, wenn ich mich nach Feierabend mit einigen Leuten zum Oi!-Stammtisch traf – wir nannten das wirklich so –, und war bei vielen Fahrten auf Festivals oder zu Chaostagen dabei.

Es war eine Kassette, die man laut hören musste. Die Musik schepperte und knallte, und bei fast allen Stücken konnte ich gut mitsingen. Wäre sie nicht irgendwann mal kaputt gegangen – zu viel Hitze im Auto bei einer Fahrt in die Eifel –, hätte ich sie immer noch.

Und womöglich würde ich zu »Teenage Warning« immer noch lauthals mitsingen oder zumindest den Refrain schreien. Ob das nun pubertär ist oder nicht …

Die große Zamonien-Enttäuschung

Ich schätze Walter Moers als Zeichner und Autor seit den 80er-Jahren. Vor allem einige seiner Romane, die auf dem phantastischen Kontinent Zamonien spielen, haben es mir absolut angetan, »Die Stadt der träumenden Bücher« wurde zu Recht ein Bestsellertitel.

Mit seinem Werk »Weihnachten auf der Lindwurmfeste« enttäuschte mich der Autor allerdings auf ganzer Linie. Dabei mangelt es dem Buch nicht an Ideen.

Streng genommen ist das, was Moers hier präsentiert, ohnehin kein Roman. Der komplette Titel deutet ja an, worum es geht: »Weihnachten auf der Lindwurmfeste: oder: Warum ich Hamoulimepp hasse«. Schon der Titel verrät ein wenig von dem schenkelklopfenden Humor, dem man als Leser auf den kommenden Seiten ausgesetzt ist. Ganz ehrlich: Das muss man mögen.

Das Ganze ist recht künstlerisch aufgebaut: Es handelt sich um einen Brief, den Hachmed Ben Kibitzer – ein alter Bekannter – an Hildegunst von Mythenmetz geschrieben hat. Darin wird erzählt, wie die Lindwürmer auf der Lindwurmfeste ihr alljährliches Fest feiern.

Das nennt sich »Hamoulimepp«, dauert drei Tage an und ist mit allerlei Traditionen verbunden. Unter anderem tauchen »Hamouli« und »Mepp« auf, die – wie man sich denken kann – dem Weihnachtsmann und seinem Knecht Ruprecht vergleichbar sind.

Manche der Ideen, die der Autor in seinem Buch verbrät, sind durchaus lustig. Letztlich nimmt er die verschiedenen Sitten und Gebräuche, die in Mitteleuropa bei Weihnachten, Nikolaustag und auch Fasching üblich sind, verknüpft sie miteinander und macht daraus ein Sittenbild, das manchmal witzig ist. Ergänzt wird der Text durch Zeichnungen von Lydia Rode, die den pseudowissenschaftlichen Charakter des Buches unterstreichen.

Nur zündet bei mir kein einziger der Gags so richtig. Es ist eine durchaus nette Aneinanderreihung von mehr oder weniger gelungenen Details; immer wieder gibt es Aneinanderreihungen von Substantiven oder Adjektiven, womit Moers – wie schon bei seinen ersten Zamonien-Büchern – offenbar vor allem zeigen möchte, wie schön er sich auf Synonyme versteht. Aber letztlich ist das, was er unterm Strich erreicht, kein Roman und kein Sachbuch, sondern etwas, das seltsam zwischen allen Stühlen sitzt und steht.

Sagen wir es so: Das Buch ist nicht komplett missraten, aber es gibt keinen Grund, es zu lesen. Außer bei beinharten Zamonien-Fans dürfte es nicht gerade auf große Begeisterung stoßen.

15 Juni 2021

Das Katzengesicht

Die Szenerie, die sich mir bot, war ungewöhnlich, also hielt ich an: Zwei Autos hielten auf einer Kreuzung zwischen den Weinbergen, und zwar so platziert, dass sie sich schräg gegenüberstanden. Wie zwei Gegner, die sich belauerten.

Ich war mit meinem Rad in der Pfalz unterwegs, zwischen zwei Dörfern, die ich nicht kannte, und in einer Gegend voll sanfter Hügel und kleiner Straßen. Auf diesen Sträßchen kam ich mit dem Rad gut voran und sah viel von der Landschaft, mich überholten nur selten Autos.

Neben einem der Autos lag ein Mann auf dem Boden. Er hatte ein Gebilde auf der Schulter, das ich zuerst für eine Kamera, dann für ein Gewehr hielt. Es sah aber weder wie eine Kamera noch wie eine Schusswaffe aus: ein dreieckiges Rohr, das gut eineinhalb Meter lang war und in einem schmutzigen Grau schimmerte. Der Mann trug Tarnkleidung und ein dunkelgrünes Barett auf dem Kopf.

Er zielte mit dem Rohr auf das andere Auto. Erst da erkannte ich, dass hinter der Frontscheibe jemand zu sehen war. Dort saß eine Person, und es sah so aus, als belauere sie der Mann.

War ich etwa auf ein Attentat gestoßen, auf einen Kampf, auf eine filmreife Szenerie? Ich überlegte, ob ich das Smartphone in meiner Tasche zücken und die Polizei rufen sollte. Aber das wäre sinnlos gewesen. Bis die Polizei in diese entlegene Gegend kam, war alles vorbei. Was immer auch »alles« bedeuten mochte.

Die Tür des anderen Autos öffnete sich, eine junge Frau stieg aus. Sie trug eine knallrote Hose und eine weiße Bluse, dazu beigefarbene Turnschuhe. Ihre langen schwarzen Haare wehten in einem Wind, der auf einmal aufkam. Sie hatte ein seltsames Gesicht, und ich brauchte einige Augenblicke, um zu erkennen, was mich störte: Sie hatte sich das Kinn und die Mundpartie bunt angemalt, wie die dicke Schminke eines Clowns. An was erinnerte mich das bloß?

Sie begann sich zu bewegen. In gleitenden Bewegungen ließ sie die Arme kreisen, langsam tänzelten ihre Füße auf der Stelle. Es sah elegant aus, geschmeidig und gleichzeitig so, als wollte sie sich gleich im Wind auflösen.

Das Gesicht der jungen Frau verzog sich, die grell angemalte Stelle am Kinn und um die Mundpartie leuchtete in der Sonne auf. Da erkannte ich, was sie im Gesicht hatte: Sie hatte sich so geschminkt, dass sie an eine Katze erinnerte, nicht auf den ersten Blick zu erkennen, aber sie war mehr Katze als Mensch.

Damit wirkten auch die Tänzeleien anders: wie bei einer Katze vielleicht, die sich im Kreis drehte oder die lauernd auf einer Wiese saß, vor einem Mauseloch, und darauf wartete, dass ein Tier herauskam, das sie fangen konnte.

Der Mann mit dem Rohr erhob sich und trat auf die Kreuzung, wo noch immer die junge Frau tanzte. Die beiden standen sich gegenüber, keine fünf Meter voneinander entfernt. Er ließ sein Rohr fallen, sie stellte ihren Tanz ein.

Und ich wachte auf.

Superhelden für Kinder

Ich finde die Idee der amerikanischen Comic-Produzenten, ihre Superhelden-Comics bewusst für ein junges Publikum zu adaptieren, grundsätzlich sehr gut: Die teilweise sehr komplexen Geschichten um Batman und Superman oder generell die Justice League sind nur noch für Fans zu durchblicken, die sich darauf eine längere Zeit einlassen. Für zehn Jahre alte Kinder ist das alles eher unverständlich.

In Deutschland kommen einige dieser Comics unter dem Logo »Comics für Kids« bei Panini heraus. Ich bin definitiv nicht die Zielgruppe. Aber natürlich war ich neugierig darauf, was unter dem Titel »Hallo Justice League« als Gratis-Comic-Heft im Jahr 2020 veröffentlicht wurde. Enthalten sind drei Geschichten.

Seien wir ehrlich: Ich kann bei keiner der Storys etwas mit dem Zeichen- und Erzählstil anfangen. Die Zeichnungen wirken mir zu künstlich, die Erzählweise ist sprunghaft und – na klar! – für meinen Geschmack viel zu kindlich.

Wobei ich bei »Superman – jeder fängt mal klein an« durchaus schmunzeln konnte. Die Geschichte des Superhelden, der auf einer kleinen Farm aufwächst, ist sehr hübsch umgesetzt.

Die Superhelden in »Hallo Justice League« – in diesem Fall unter anderem Batman, aber auch Aquaman und andere – sind witzig in Szene gesetzt; es spielen zudem Schüler mit, so dass die Kompatibilität zu den Kids hergestellt wird. Bei den »DC Super Hero Girls« war ich komplett raus: Für mich war es sogar unverständlich, was in den Geschichten passierte, und ich könnte es nicht zusammenfassen.

Ich stellte fest: Ich bin zu alt für diese Art von Comics. Als ich selbst acht oder zehn Jahre alt war, hätte ich mit dieser Art von Comics ebenfalls nichts anfangen können. Das war aber eine völlig andere Zeit. Kinder, die heute in diesem Alter sind, finden auf diese Weise vielleicht wirklich einen schönen Zugang zu einem riesigen Comic-Universum. Und mir muss das echt nicht gefallen.

14 Juni 2021

Die Tage so ohne Fußball

Seit einigen Tagen läuft die Europameisterschaft der Männer im Fußball. Ich habe bislang kein einziges Spiel gesehen, ich habe auch keine Ahnung, wer gespielt hat und wie die Spiele ausgegangen sind. Und es fehlt mir tatsächlich nichts.

Das finde ich ein wenig verwunderlich. Klar, ich bin kein Fußballfan, aber ich habe mir in all den Jahren und Jahrzehnten immer gern die großen Turniere angesehen. (Was echte Fußballfans für peinlich halten: Leute, die nur bei den großen Turnieren zugucken, sind halt nun mal keine echten Fans.)

Klar fand ich die Weltmeisterschaft immer besonders spannend, aber bei einer Europameisterschaft ließ ich mir die wichtigen Spiele nicht entgehen. Was »wichtig« war, entschied ich spontan: normalerweise die Spiele der deutschen Mannschaft, gern aber auch Spiele der Spanier oder Franzosen, bei denen ich also sicher sein konnte, etwas mit Spannung zu sehen.

Im Jahr 2021 ist es anders. Das liegt nicht unbedingt an Corona und an der Tatsache, dass die EM eh verschoben werden musste. Vielleicht liegt es schlichtweg daran, dass mir das ganze Hickhack um den Fußball im Vorfeld zuwider war.

In meiner Wahrnehmung schien sich nicht nur ein Spiel um den Ball zu drehen. Die ganze Welt machte zeitweise den Eindruck, sich um einen Ball zu drehen. Und das führte bei mir zu einer Ermüdung.

Ich will nicht ausschließen, das Endspiel anzugucken oder auch die Viertel- und Halbfinalspiele. Im Moment allerdings juckt mich Fußball überhaupt nicht.

Alt und gelassen, nicht abgeklärt

Ich mag TV Smith seit vielen Jahren, nein, Jahrzehnten. Ich habe den Briten schon oft auf der Bühne gesehen, habe ihn stets als sympathischen Menschen empfunden, der immer korrekt wirkt, und ich mag seine Musik. Das zeigt sich auch bei der Platte »Land of the Overdose«, die 2018 erschienen ist – ich höre die Vinylscheibe immer wieder gern an.

Dabei macht der Mann nichts, was man als besonders betrachten könnte: Er steht diesmal nicht auf einer Bühne, mit der Gitarre in der Hand, und begleitet sich selbst beim Singen, sondern er hat das Ganze offenbar in einem guten Studio aufgenommen. Einige zusätzliche Musiker sorgen dafür, dass die Stücke großzügiger instrumentiert sind – das gibt einen »breiteren« Sound und wirkt professioneller.

TV Smith weiß, wie man Melodien schreibt. Sie gehen ins Ohr, sie sind angenehm. Dazu kommt seine kratzige Stimme, der man halt anmerkt, dass er nicht jünger wird. Aber sie ist immer noch stark, und für mich ist sie bei manchen Stücken immer noch mehr »punk« als das von irgendwelchen Hardcore-Brüllochsen.

Textlich bleibt der Mann auch auf bekanntem Terrain. Er kritisiert den aktuellen »Way of Life« der westlichen Gesellschaft, gerne spöttisch und mit einem leichten Augenzwinkern. Er erzählt davon, wie leicht sich Menschen manipulieren lassen. Seine Texte sind klar und verständlich, mithilfe des Textblattes lassen sie sich leicht nachlesen. Das ist kein Parolen-Punkrock, aber inhaltlich äußert sich der Musiker in seiner klaren Ablehnung gesellschaftlicher Verhältnisse.

Es ist eine sehr gute Platte – sehr angenehm zu hören, wenn man möchte, sie lädt aber auch dazu ein, sich mit ihr zu beschäftigen.

13 Juni 2021

Drei Geschichten aus der »Ink«-Reihe

Den Ansatz der DC-Macher, junge Leute mit eigenen Reihen für die Comic-Universen zu begeistern, finde ich richtig und gut. Nicht alles, was unter dem Begriff »Panini Ink« veröffentlicht wird, kann mir gefallen, dafür bin ich schlichtweg zu alt – aber die Zusammenstellung von drei Kurzgeschichten in dem »Harley Quinn«-Heft, das zum Gratis-Comic-Tag 2020 veröffentlicht ist, hat mir echt gefallen.

Die Figur der Harley Quinn kenne ich natürlich aus den »Batman«-Comics, und ich erinnere mich gut daran, wie sie vor vielen Jahren in die Serie eingeführt worden ist. Das hat nicht unbedingt viel damit zu tun, wie die Figur heute auftritt: Längst hat man sie anders entwickelt und zu einer erfolgreichen Figur gemacht, mit der ich dann nicht mehr so viel anfangen kann.

Das vorliegende Heft hat mir trotzdem gefallen. Quinn wird als rotzige junge Frau gezeigt, die vor allem viel krawalligen Spaß im Leben haben möchte. Das hat eine gewisse Punkrock-Attitüde, auch wenn es natürlich nichts mit dem Punk zu tun hat, dem ich im Leben immer mal wieder begegnet bin …

Daneben enthält das Heft noch Leseproben zu »Mera – gegen den Strom«, was ich gar nicht kannte, und zu einer cool gemachten »Batman«-Jugendserie. Alles in allem ist so ein sehr gelungenes Heft entstanden, das mich sehr auf die neuen »Ink«-Serien neugierig gemacht hat. Und damit ist das Ziel es Gratis-Heftes ja wohl erreicht!

11 Juni 2021

Der Blick über den Monitor

Gelegentlich habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, dass ich den Blick aus meinem Fenster eigentlich schätze, dass er mich aber oft von der Arbeit ablenkt. Im Verlagsbüro sehe ich auf einen leeren Parkplatz hinaus, und wenn nicht gerade Leute vor meinem Fenster vorübergehen, ist das alles eher stinklangweilig.

Der Blick über meinen privaten Monitor hinweg führt hinaus auf einen Platz mit Springbrunnen, auf dem sich bei schönem Wetter ständig Leute aufhalten; während der Pandemiezeit sitzen und saßen Leute auch bei Kälte und Nässe auf den Parkbänken oder trafen sich bei bitterer Kälte an einer Parkbank. Vor der Pandemie wurde es im Sommer auch durchaus mal laut: Wenn sich halt ein Dutzend Leute trifft und die Flaschen klirren, kann das anstrengend sein.

Es gibt dann Nachbarn, die nachts die Polizei rufen. Die neigt dann manchmal zu Überreaktionen. Ein ärgerliches Spiel. Aber schön finde ich den Blick von meinem Arbeitsplatz aus trotzdem.