21 November 2021

Panzerfaust

Nachdenklich stand ich vor der Werkbank meines Vaters. Er hatte sie von seinem Vater übernommen, der sie selbst hergestellt hatte, und im Verlauf der Jahre immer wieder ausgebaut. Es war ein massives Ding aus schwerem Holz, mit einer Schraubzwinge und stabilen Schubladen. An der Wand dahinter hing Werkzeug, darüber kam ein Regalbrett. An diesem wiederum hatte mein Vater allerlei Zeichen aus Blech und Stoff befestigt.

Auf eines davon zeige ich. Ich erkannte einen symbolisierten Panzer, mehr aber nicht. »Was ist das?«

Er sah hin und zuckte mit den Achseln. »Ein Panzervernichtungsabzeichen.«

Zu den anderen Symbolen fragte ich ihn nicht. Auf einem glänzte ein Hakenkreuz, und es war mir klar, dass das mit dem Krieg zu tun hatte. Aus Büchern wusste ich immerhin schon, was ein Eisernes Kreuz war. Mein Vater redete so gut wie nie über die Jahre 1943 bis 1948, den Krieg und die Gefangenschaft, und wenn, blieb es bei Andeutungen.

»Wo hast du das erhalten?« Ich ging in die Grundschule und las viele Bücher, wusste aber nicht viel über den Krieg. Er lag auch schon dreißig Jahre zurück.

»In der Slowakei. Anfang 1945.« Mein Vater hob die Schultern. »Viele Möglichkeiten hatten wir nicht.«

»Was ist geschehen?«

Zuerst sagte er nichts. Er stand da, die Bierflasche in der rechten Hand, die linke Hand in eine Tasche seiner Latzhose gesteckt. Sein Gesicht kam mir irgendwie leer vor, fast ohne Ausdruck, und er schien ins Nichts zu blicken. Dann fing er unvermittelt zu reden an.

»Wir saßen in einer alten Fabrik, unsere Gruppe und unser Leutnant. Wir hatten jeder mindestens eine Panzerfast und ein Gewehr. Und wir warteten. Wir guckten auf eine große Wiese, und am anderen Ende kam der Wald. In dem steckten die Russen, und wir sollten sie aufhalten. Dann kam ein Panzer aus dem Wald, rollte langsam auf uns zu. Der Leutnant sagte, wir sollten warten und nichts tun. Der sei nur ein Lockvogel, im Wald seien noch mehr. Also haben wir gewartet. Und dann fuhr der Panzer wieder zurück, hielt am Waldrand, und dann kamen ganz viele Panzer auf uns zu. Wir haben gewartet, bis sie ganz nahe heran waren, und dann haben wir sie mit den Panzerfäusten geknackt. Als alle gebrannt waren, sind wir abgehauen.«

»Und dann?«, fragte ich gespannt.

»Nichts und dann«, gab er barsch zurück. »Wir sind gelaufen und gelaufen, bis wir bei unserer Kompanie waren, und dann ging es weiter zurück, und …« Er brach ab, nahm einen großen Schluck Bier und ließ mich stehen. Ich hörte, wie er in die Garage ging und etwas am Auto machte, und ich wusste, dass ich ihn nichts mehr zu fragen brauchte.

Es war eine der wenigen Gelegenheiten, an denen er etwas erzählte. Über das Panzervernichtungsabzeichen wurde nie wieder gesprochen. Eines Tages fehlte es einfach.

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