19 November 2021

Besuch von Achim

»Ich könnte dich ja demnächst besuchen«, meinte Achim Mehnert, als wir uns bei einem Con trafen. »Dann mache ich mal Urlaub in Baden.«

Ich nickte, das war eine gute Idee. Dann würde er meine neue Wohnung sehen, in der ich seit über einem Jahr meine Zelte aufgeschlagen hatte.

Wir hatten uns im Verlauf der Jahre immer mal wieder gegenseitig besucht. Ich war per Anhalter nach Köln gereist und hatte in diversen Wohngemeinschaften auf dem Fußboden übernachtet. Achim war per Anhalter in den Schwarzwald gekommen, um mich im Dorf und später in der Kleinstadt zu besuchen. Häufig waren die Besuche in Zusammenhang mit Cons gestanden: der FreuCon in Freudenstadt oder der ColoniaCon in Köln – aber wir hatten uns »auch so« besucht.

Mittlerweile war ich umgezogen und wohnte in einem Dorf in der Nähe von Rastatt. Ich war kein »normaler« Fan mehr, sondern der PERRY RHODAN-Redakteur. Wir hatten uns sogar schon darüber unterhalten, wie es denn wäre, wenn er einmal ein Taschenbuch bei uns veröffentlichen würde.

Spontan vereinbarten wir einen Termin. Achim wollte mit dem Wagen kommen, wir würden einen gemütlichen Tag verbringen, dann wollte er weiterfahren. »Eine kleine Rundreise zu Freunden«, so nannte er es.

Achim kam am späten Nachmittag an; er hatte mit seinem kleinen Auto einige Stunden für die Strecke von Köln nach Bischweier benötigt. Wir begrüßten uns, und er zeigte mir eine Kassette, die er im Rekorder seines Autos gehabt hatte. »Die hab ich die ganze Fahrt über gehört«, sagte er, »ich hab sie einfach immer wieder umgedreht.« Auf der einen Seite war Bap zu hören, die Band aus Köln, auf der anderen Bruce Springsteen, den Achim – wie viele andere Leute – nur den »Boss« nannte.

Ich hatte eine Kleinigkeit zu essen vorbereitet. Bei schönstem Wetter saßen wir in dem Garten, der zu meiner Ein-Zimmer-Wohnung gehörte, aßen gemütlich und tranken Bier. Ich ließ im Hintergrund in zurückhaltender Lautstärke ein wenig Musik laufen, von der ich glaubte, dass sie Achim und mir gleichermaßen gefallen könnte.

»Können wir meine Kassette nehmen?«, fragte Achim nach einer halben Stunde.

Ich sah ihn verwirrt an. »Die hattest du doch die ganze Zeit im Rekorder. Ich dachte, du willst mal was anderes hören.«

»Nein, nein. Ich brauche Bap und den Boss, sonst nichts.«

So war es dann auch. Achim und ich saßen in der Abendsonne. Wir aßen und tranken, wir redeten und lachten. Im Hintergrund lief entweder Bap oder Bruce Springsteen. Wenn die eine Seite der Kassette abgelaufen war, stand Achim auf, ging in die Wohnung und trat an den Rekorder, drehte die Kassette um, startete die andere Seite und kam zu mir zurück.

Als er am nächsten Morgen weiterfuhr, nahm er die Kassette natürlich mit. Wir sprachen das Thema nicht noch einmal an, aber ich war mir sicher, dass er sie ständig weiterhören würde: mal die eine Seite, dann die andere Seite, durch ganz Süddeutschland und wieder zurück nach Köln. Eine Kassette, zwei Seiten Musik. Ununterbrochen.

So war er eben.

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