Die Serie »Ringo« gehört zwar zu den Klassikern des Western-Comics, geht aber in jeglicher Betrachtung des Genres ziemlich unter. Kein Wunder: Veröffentlicht wurden die Geschichten in den 60er-Jahren, zu einer Zeit also, in der das Genre grundlegend umgekrempelt wurde. Erfolgreiche Serien wie »Blueberry« und »Comanche« begeisterten mit modernen Geschichten die Leser, und der konservativere »Ringo« geriet ein wenig in Vergessenheit. (Ich erinnerte mich auch nur sehr düster an dieser Serie.)
Das ist schade, wie die Gesamtausgabe beweist, die der Splitter-Verlag veröffentlicht hat. (Anfangs kam sie in zwei Bänden heraus; das ist die Version, die ich habe. Mittlerweile gibt es eine Gesamtausgabe in einem Buch.)
Dass William Vance einer der Großen des klassischen Abenteuer-Comics war, dürfte allgemein bekannt sein; mit »Bruno Brazil« oder »Bruce J. Hawker« schuf er Serien, die für ihre Zeit und auch danach stilbildend waren. »Ringo« wirkt ein wenig wie ein Nebenprodukt. Verschiedene Autoren schrieben über die Jahre hinweg die Texte, Vance machte daraus packende Geschichten. Der epische Charakter eines »Blueberry« fehlt, es handelt sich vor allem um normale Abenteuer, wie man sie auch im Kino zu sehen bekam.
Am Anfang sind es albenlange Geschichten. In »Der lange Weg nach Santa Fé« wird offenbar alles zusammengefasst, was man für westerntypisch hielt. Eine Postkutsche mit wertvoller Fracht, Banditen und Indianer ... dazwischen Ringo, der versucht, seinen Auftrag zu erfüllen. Und »Der Schwur von Gettysburg« fängt im Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten an, wechselt aber danach in die von Spannungen erfüllte Nachkriegszeit.
Im weiteren Verlauf der Gesamtausgabe sind Comics enthalten, die in den 70er-Jahren entstanden sind. Man merkt den Geschichten an, dass unterschiedliche Autoren daran beteiligt waren; zeitweise wirken sie wie Stückwerk, und bei der einen fehlt eindeutig der Abschluss. Unbestritten ist aber das zeichnerische Genie von William Vance.
Die Darstellung eines Schneesturms, erbitterte Kämpfe zwischen dem Eis und der Wüste, beeindruckende Gesichter in Freud' und Leid – das alles zelebrierte dieser Comic-Künstler auf einem Niveau, das mich heute noch verblüfft und begeistert. Spannend sind die Geschichten allemal, ihre Wirkung erzielen sie aber wegen der Bilder, nicht wegen der Texte.
Mit der schönen Gesamtausgabe hat der Splitter-Verlag einen Western-Klassiker in einer tollen Version in den Handel gebracht. Wer sich für Western-Comics begeistern kann oder Klassiker des frankobelgischen Abenteuer-Comics mag, muss hier zugreifen.
1 Kommentar:
Ich empfehle, die Internet-Seite des Splitter-Verlags zu besuchen, wo unter anderem eine Leseprobe zu »Ringo« bereitsteht.
Hier:
https://www.splitter-verlag.de/ringo-gesamtausgabe.html
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