Die Piazza della Bors war ein von der Sonne aufgeheizter Platz, an dessen einem Rand sich der Verkehr vorüberquälte und an dessen anderer Seite die Menschen so schnell wie möglich in die schmaleren Straßen und damit in den Schatten eilen konnten. Es war am frühen Nachmittag an diesem Tag im August, und die Hitze in Triest schien immer noch zuzunehmen.
Trotz der hochsommerlichen Temperaturen gefiel mir Triest sehr gut. Die Hafenstadt zeigte sich an diesem Tag von ihrer schönen Seite: viele alte Gebäude, zahlreiche Cafés und kleine Läden, Mengen von gutgelaunten Menschen auf der Straße. Wenn ich mich in den schmalen Straßen aufhielt, kam ich mit den Temperaturen sogar gut klar; dort ging ein Wind, der zwar ziemlich warm war, aber ein wenig Kühlung verschaffte.
Als mir ein großer Mann entgegenkam, hätte ich ihn eigentlich nicht beachtet. Er schwitzte, sein runder Kopf glänzte feucht und schimmerte in einem ungesunden Rot. Der graue Haarkranz, der eine rötliche Glatze einsäumte, klebte auf der Haut. Auch das T-Shirt, das er recht figurbetont auf dem rundlichen Körper trug, schien mit der Haut verwachsen zu sein.
Trotzdem erkannte ich das Motiv, es zog meinen Blick geradezu an. Es war der Schriftzug der englischen Punkrock-Band THE CLASH, eine der Bands, die ich schon seit Jahrzehnten liebte. Von Clash hatte ich mehrere Platten, ich hatte mir sogar Aufnahmen von Live-Konzerten besorgt, die belegten, dass die Band live wesentlich ruppiger und »punkiger« war als auf den offiziellen Vinylscheiben.
Ich war entsetzt. Wir schrieben 2022, 45 Jahre nach dem »Punkrockjahr« 1977, und der Punkrock wurde an diesem Tag von einem weißen Mann mit dickem Bauch und grauem Haar verkörpert. Was war aus Punk geworden? Wohin hatte es diese ehemalige Revolte wütender Jugendlicher getrieben? Ich ging weiter, schüttelte in Gedanken den Kopf und machte, dass ich wieder in den Schatten kam.
Dann blieb ich stehen. Ein Moment der Selbsterkenntnis überflog mich.
Ich war auch weiß, ich ging ebenfalls stramm auf die sechzig zu, ich hatte Haare mit vielen grauen Stellen, und mein Bauch war weit davon entfernt, ein »Sixpack« zu sein. Jemand, der 20 oder 30 Jahre alt war, würde mich genauso alt und optisch daneben finden wie den Typen, den ich gerade in Gedanken belächelt hatte.
Diesmal schüttelte ich nicht nur in Gedanken den Kopf. Ich drehte mich um, sah den dicken Mann mit dem schwarzen T-Shirt nicht mehr. Niemand sah mehr so aus wie vor zehn, zwanzig, dreißig oder gar vierzig Jahren. Ich schämte mich ein wenig für meinen inneren Spötter.
Sicherheitshalber zog ich meinen Bauch ein wenig ein, bevor ich weiterging …
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