04 Mai 2022

Familiengeschichte auf ungewöhnliche Art

Dem Publikum wurde der Schriftsteller Mark Haddon durch das auch hierzulande erfolgreiche Buch »Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone« bekannt. Aus der Ich-Perspektive erzählt, zeigte der Autor die Welt eines autistischen Jungen in einer Weise, die ich als sehr spannend und mitreißend empfand.

Bereits 2012 erschien sein Roman »Das rote Haus« in deutscher Übersetzung, den ich erst dieser Tage lesen konnte. Er fesselte mich über lange Strecken, wenngleich der Autor einiges machte, was mir sonst nicht gefällt – trotzdem ist es ein absolut empfehlenswertes Buch.

So stellt der Autor die Dialoge nicht in An- und Abführungszeichen, sondern er gestaltet sie kursiv. Und bei den schnell wechselnden Szenen hält er sich nicht unbedingt an die »richtige« Erzählperspektive, sondern springt munter von Kopf zu Kopf seiner Figuren; das aber macht er so gut, dass es mich nicht stört.

Zu allem Überfluss ist das Thema des Buches nicht unbedingt eines, das mich vom Hocker reißt: »Das rote Haus« ist ein Familienroman. Zwei Geschwister versuchen nach dem Tod ihrer Mutter gewissermaßen einen neuen Anfang. Beide haben sie eigene Familien, und die beiden Familien unternehmen nun einen gemeinsamen Urlaub in Wales.

Zwei Erwachsene, drei Teenager und ein kleiner Junge treffen sich in einem roten Haus, in dem sie eine Woche verbringen. Gesellschaftliche Realitäten prallen aufeinander, popkulturelle und weltanschauliche Gegensätze brechen heraus, es gibt Konflikte und Verbindungen; man streitet, und man hilft sich – und am Ende hat sich jeder der fünf Beteiligten ein wenig verändert.

Das klingt kaum spannend, ist es aber. Wie Haddon es schafft, seine Charaktere zusammenprallen zu lassen, ist großartig. Jede seiner Figuren bekommt eine eigenständige Rolle, alle haben sie ihre dunklen Seiten und handeln gleichzeitig jederzeit nachvollziehbar.

Bei der Übersetzung wurde ein hervorragender Job gemacht; das kann ich sagen, ohne das Original zu kennen. Der Autor bringt starke Beschreibungen, es wimmelt von popkulturellen Bezügen, die einzelnen Szenen sind teilweise literarisch höchst vertrackt geschrieben – und trotzdem ist das Ganze rundum unterhaltsam, ja, sogar richtig spannend. Im Deutschen »holpert« da nichts, alles liest sich flüssig.

Wer ansonsten Gegenwartsliteratur langweilig findet, wofür es ja viele gute Gründe gibt, sollte Mark Haddon zumindest mal antesten. Ich fand »Das rote Haus« großartig!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Der Autor hat übrigens eine eigene Internet-Seite, die allerdings kaum noch gepflegt wird; wer die also mal besuchen möchte, kann hier absteigen:
http://www.markhaddon.com/

In der Wikipedia findet sich ein brauchbarer Übersichtsartikel zu Mark Haddon:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Haddon