Am 25. Januar 1954 schickte das »Office oft he U.S. High Commissioner für Austria«, genauer gesagt, die »Public Affairs Division« und innerhalb dieser das »Book Translation Program« ein Schreiben hinaus, das offenbar an österreichische Verlage ging. Das Schreiben wurde mit »Sehr geehrte Herren« eingeleitet, weil man offenbar davon ausging, dass keine Frauen im Verlagswesen in führender Position anzutreffen waren.
Und mitgeschickt wurde das kleine Taschenbuch »Der amerikanische Roman 1850 - 1951«, das von Guy A. Cardwell verfasst worden war. Das Ziel der Aussendung war – so das Schreiben –, »die deutschsprachige Leserwelt mit einer Auswahl aus dem Prosaschrifttum Amerikas der letzten hundert Jahre bekannt zu machen«. Woher ich das kleine Buch habe, tut nichts zur Sache; ich habe es auf jeden Fall mit sehr großem Interesse gelesen.
Es werden Dutzende von Autorinnen und Autoren vorgestellt, immer mit kurzen Artikeln, in denen auch ihre wichtigsten Werke genannt werden. Auf 64 Taschenbuchseiten kann man nicht so viel unterbringen, trotzdem ist die Faktendichte enorm – und ich lernte einige Namen, die für mich neu waren.
James Fenimore Cooper, Mark Twain oder Jack London aus dem 19. Jahrhunderten sind mir bekannt, von ihnen habe ich einiges gelesen. Bei den moderneren Autoren sind mir natürlich William Faulkner, Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald ein Begriff, andere Schriftsteller wie John Hersey oder William Saroyan habe ich noch nie gelesen. Interessant ist, in welcher Art und Weise die jeweiligen Autoren und ihre Werke gewertet werden.
Genre-Literatur aus den Bereichen Science Fiction und Fantasy fehlt völlig, immerhin gibt es ein wenig Krimi und ansonsten eine ordentliche Ladung an historischen Romanen. Die Utopie »Looking Backward« von Edward Bellamy erfreute mich immerhin: Das Buch wurde 1888 geschrieben und spielt im Jahr 2000. James Branch Cabell mit »Jurgen« zählt für mich ebenfalls zur phantastischen Literatur.
Ich las »Der amerikanische Roman 1850 - 1951« tatsächlich komplett, weil ich die Urteile zu manchen Autoren recht amüsant fand. Guy A. Cardwell schreckte vor Kritik nicht zurück – und aus der heutigen Zeit liest sich eine Kritik aus den frühen fünfziger Jahren eben seltsam. Jack Londons Romane beispielsweise seien »hastig niedergeschrieben« und voller »Gewalttätigkeiten«.
Unterm Strich eine eindrucksvolle und auch spannende Lektüre. Dieses Sachbuch bleibt in meinem Bücherschrank – als Quelle für Literaturklassiker-Tipps!
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