Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Etwas bewegte sich hektisch vor mir, keine fünf Meter entfernt. Ich erkannte es nicht gleich, nahm nur ein Zappeln wahr, wie ein Haufen aus grauem Dreck, der sich verwirrenderweise bewegte. Was ist das?, dachte ich.
»Bleib stehen!«, sagte Kurt neben mir. Ich hielt inne.
Mit dem Bauer war ich auf dem Viehweg unterwegs, der von unserem Weg hoch zur Weide führte. Es war ein heißer Tag, er wollte nach den Tieren sehen, und ich sollte ihm am Zaun etwas helfen. Ich führte ein wenig Werkzeug mit mir, er trug einen stabilen Stock in der Rechten.
»Ein Vogel«, sagte Kurt leise, fast andächtig. »Er ist gegen den Zaun geflogen, und irgendwie hat er's geschafft, einen Stromschlag abzukriegen.«
Nun erkannte ich es auch. Vor uns auf dem Weg lag ein Vogel. Die Flügel zappelten, sein Schnabel stand offen. Das Tier sah verzweifelt und hilflos aus. Wie war das geschehen? Wie konnte ein Vogel so gegen einen Weidezaun knallen, dass ihn ein Stromschlag erwischte? Aber es war letztlich nicht so wichtig, wie es geschehen war. Das Tier lag auf dem Boden und quälte sich.
»Na gut«, sagte Kurt trocken und ging die paar Meter bis zu dem Vogel. Dann holte er mit dem Stock auf und schlug zwei-, dreimal auf das Tier ein.
Ich hörte das hässliche Geräusch, ich sah den Stock, der auf den Kopf des Vogels knallte. Dann hörte das Zappeln auf. Kurt bewegte mit dem Stock den Vogel. »Tot«, sagt er. Dann schob er den Leichnam zur Seite: weg vom Viehweg, hinein ins hohe Gras außerhalb des Viehzauns, wo die Kühe nicht hinkommen würden.
Entsetzt starrte ich ihn an. Warum hatte er das getan?
Er sah mir die Frage wohl an. »Hätte ich ihn leiden lassen sollen?«, fragte er ruhig. »Der arme Kerl wäre sowieso gestorben. Entweder hätte er sich totgezappelt, oder die Raben hätten ihn zerhackt. Ich habe ihn erlöst.«
Dann ging er weiter, als sei nichts geschehen. Ich blieb noch einen Augenblick lang stehen und folgte ihm. Es war ein heißer Tag.
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