17 Juli 2020

Musikwünsche im Herbst 1988

»Should I Stay Or Should I Go« von The Clash lief, und fünf oder sechs Leute hoppelten über die kleine Tanzfläche unseres Jugendzentrums. Ich hatte die Discokugel eingeschaltet, weil ich fand, dass sie gut zu dem Lied passte. Die Lichtreflexe zuckten über die Metallfläche, die unsere Tanzfläche symbolisierte.

Ich war stolz darauf, als einer der ersten am neuen DJ-Pult tätig zu sein: Wie eine kleine Burg erhob es sich über der Tanzfläche. Von meinem Platz aus hatte einen hervorragenden Blick auf die Tanzfläche und die Theke. Meine Schallplatten, die ich ausgesucht hatte, lagerten in Bananenkisten neben mir.

Auf einmal stand Matt am Rand des DJ-Pultes, auf den Treppenstufen, die zu mir heraufführten, und sah mich fragend an. Ich winkte ihm, und er kam die zwei, drei Schritte näher.

»Kannst du nicht mal was spielen, das alle kennen?«, fragte er.

»Wie?« Ich hatte mit so einer Frage zwar gerechnet, stellte mich aber absichtlich begriffsstutzig. »Das ist doch gute Musik.«

»Aber die meiste Zeit spielst du Sachen, die stressig ist und die kaum einer kennt. Spiel doch mal was Populäres.«

Ich fand meine Musik nicht unpopulär. Wir schrieben 1988, und ich legte Punk und Hardcore, allerlei Indie-Kram und gelegentlich altmodischen Kram auf, eine interessante Mischung aus Blues Brothers und New Order, aus Dead Kennedys und Trio, aus Sisters Of Mercy und Wipers. Das gefiel nicht jedem, aber ich war gewillt, mir mein Publikum zu erziehen.

»Was meinst du denn?«, fragte ich.

»Spiel doch mal Marillion«, schlug er vor.

Ich starrte ihn entsetzt an. »Marillion? So was hab ich nicht.«

Nun war er verwirrt. »Aber Marillion, das hat doch jeder.«

Wir kamen an diesem Abend auf keinen grünen Zweig, das war sicher. Ich blieb stur, und ich spielte auch danach nie das Zeugs, das die Rock-Fans hören wollte. Ich hatte eine Mission, und die wurde an diesem Abend weder zum ersten noch zum letzten Mal durchgezogen.

Mit Marillion konnte ich mich übrigens nie anfreunden. Jahre später trank ich ihrem Sänger einmal ein Bier weg. Das war in Bonn bei Rheinkultur-Festival, aber das ist dann eine ganz andere Geschichte …

3 Kommentare:

Marco hat gesagt…

Erzähl doch bitte die Geschichte vom Bierwegtrinken.

Peter (aus Dortmund) hat gesagt…

Das könnte ich ja mal meinem Freund Ralf schicken, der ist nämlich im Vorstand des Marillion-Fan-Clubs Deutschland. Wusstest Du eigentlich, dass die (Marillion) für ihre treuesten Fans regelmäßig regelrechte Conventions veranstalten?

Enpunkt hat gesagt…

Das ist interessant!

Ich wusste nichts von eiem solchen Fan-Club, nicht einmal, dass es die Band noch gibt. Aber das war eben auch nie so richtig »meine Musik« ..