Ich hatte die Platte »Wrong« der kanadischen Band NoMeansNo aufgelegt, die ich immer noch mochte, obwohl sie schon gut zehn Jahre alt war. Der Plattenspieler und die Boxen standen im Wohnzimmer, ich hielt mich abwechselnd in der Küche und in meinem Arbeitszimmer auf. Deshalb hatte ich die Musik entsprechend eingestellt, damit ich sie überall hören konnte. Meiner Ansicht nach war es nicht zu laut, sondern völlig in Ordnung.
Auf einmal klingelte es an der Tür. Verwundert blickte ich auf die Uhr. Ganz schön spät für jemand aus dem Haus, der mich besuchen wollte! Ich stand auf, die Bierflasche in der Hand und ging zur Wohnungstür, öffnete sie.
Draußen stand die Frau, die mit ihrem Mann unter mir wohnte. Sie war einen Kopf kleiner als ich und trug etwas, das aussah wie ein Morgenmantel. Hatte sie etwa schon geschlafen? Verwirrt betrachtete sie mich: zerrissene Hose, schmuddeliges T-Shirt, eine Flasche in der Hand.
»Könnten Sie die Musik ein wenig leiser machen?«, sagte sie ganz leise, geradezu schüchtern. Sie stotterte sogar ein wenig. »Es ist doch ganz schön laut, es dröhnt, und wir müssen morgen sehr früh aufstehen.«
Ich lief in diesem Augenblick wohl rot an, das war mir peinlich. »Sofort!«, versprach ich. Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich eilte ins Wohnzimmer, drehte den Ton deutlich leiser.
Mir war mein Fehler klargeworden: Die Boxen standen auf dem Boden, das Gewummer der Bässe drang nach unten durch. NoMeansNo war nicht jedermanns Sache, und die Nachbarn unter mir waren sehr zurückhaltende, höfliche und christliche Menschen. Ich hatte sie geradezu terrorisiert.
Unter Punkrock verstand ich schon, dass man die »Spießer« ärgerte. Aber das waren Nachbarn, mit denen ich keinen Streit hatte und die immer nett waren. Die wollte ich nicht ärgern. Und so war NoMeansNo der Grund dafür, warum ich in meiner Wohnung in der Hirschstraße künftig die Musik deutlich leiser hörte …
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