28 September 2022

Ein grausiger, ein mitreißender Roman

1999 erschien der Roman »1974« zum ersten Mal in englischer Sprache, verfasst von dem damals noch jungen Autor David Peace. Es war der erste Roman des Schriftstellers, er kam auch gut an, aber es dauerte einige Zeit, bis er in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Und endlich habe ich ihn auch gelesen – ich habe mir die Hardcover-Ausgabe gegönnt, die im Liebeskind-Verlag erschienen ist.

Worum geht’s? Um das Jahr 1974. Logisch.

Die Bay City Rollers laufen im Radio, Frauen werden von ihren Vorgesetzten ständig mit »Schätzchen« angeredet, in der Polizei herrschen Rassismus und Brutalität vor. Ein junger Reporter wittert seine Chance, sich einen Namen zu machen, als er zu einer Pressekonferenz gerufen wird: Ein Mädchen wird vermisst, und alle ahnen bereits, dass es schon tot ist.

Das ist nur der Anfang zu einer brachialen Reise in die Dunkelheit. Der Reporter kommt immer mehr düsteren Geheimnissen auf die Spur und wird Zeuge unfassbarer Polizei-Brutalität. Das Ende des Romans ist dann konsequent: sehr brachial, sehr direkt, sehr hoffnungslos.

Vor allem der Stil haut einen um. Peace verzichtet auf längere Beschreibungen, er schreibt derart knapp, dass es einem fast die Sprache raubt. Die Dialoge sind rabiat und direkt, sie bestimmen die Handlung zu gut zwei Dritteln.

Gewalt und Sex werden derb gezeigt, die Perspektive des Ich-Erzählers ist eindeutig und fast schon grausig. Entweder findet man das faszinierend und bleibt dabei, oder es stößt ab und man legt den Roman zur Seite. Ein Zwischending gibt es wohl nicht.

(Und ich muss an dieser Stelle klar eine Triggerwarnung aussprechen: Wer keine Brutalität lesen mag, sollte die Finger von diesem Werk lesen. Wobei die Brutalität kein Selbstzweck ist, sondern zur Handlung gehört. Sie wird auch nicht ausschweifend geschildert, geht aber unter die Haut.)

Ich fand »1974« sowohl mitreißend als auch großartig. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, blätterte ich es noch einmal durch und las einzelne Szenen ein zweites Mal, um sie mir in Erinnerung zu rufen. Die Bilder bleiben nach der Lektüre sowieso im Gedächtnis.

Hammer!

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