Das meiste an Fantasy-Literatur, was ich in den vergangenen Jahrzehnten gelesen habe, hat seine Wurzeln im weitesten Sinne in den europäischen Sagen und Legenden. Bekannte Beispiele wie »Der Herr der Ringe« oder »Conan der Barbar« zehren von diesen Traditionen; der gesamte Bereich der sogenannten Völker-Fantasy mit seinen Elfen und Zwergen, Orks und Trollen wiederum stammt in direkter Linie vom »Herrn der Ringe« ab. In jüngster Zeit ergänzt Fantasy mit afrikanischen oder asiatischen Wurzeln das Genre.
Dazu zählt auch die Daevabad-Trilogie der amerikanischen Autorin S. A. Chakraborty, die beim Erscheinen in den USA für zahlreiche Preise nominiert wurde und auf positive Kritik stieß. Der erste Band ist unter dem Titel »Die Stadt aus Messing« erschienen, und ich habe ihn gelesen. (Der zweite Teil der Trilogie liegt ebenfalls schon vor, der dritte wird noch in diesem Jahr erscheinen.) Die Mixtur aus Action und Magie, aus orientalischen und muslimischen Wurzeln, aus schnellen Szenen und guten Dialogen – das alles fesselte mich.
Man muss klar sagen: Wer beispielsweise im Iran oder in Pakistan aufgewachsen ist, für den ist die Welt, die in der Daevabad-Trilogie gezeigt wird, wahrscheinlich vertraut. Für mich war sie streckenweise sehr fremd. Weil sie aber so gut geschildert war, faszinierte sie mich schnell und ließ mich tief in eine spannende Welt voller Magie und Gefahren eintauchen.
Die Handlung hat ab der ersten Seite genügend Tempo und Charme aufzuweisen. Das liegt an der weiblichen Hauptfigur, die sich auf den Straßen der ägyptischen Metropole Kairo behaupten muss. Sie beherrscht eine Art von Magie, die ihr in manchen Situationen zwar hilft, in anderen Situationen aber nicht weit genug trägt. Damit macht sie die falschen Mächte auf sich aufmerksam – sie beschwört einen Dschinn, und dieser verwickelt sie in ein Abenteuer, das weit über ihren bisherigen Horizont hinausgeht.
Gemeinsam mit dem Dschinn reist sie in die faszinierende Stadt Daevabad – in der geheimnisvollen Metropole aus Messing sei sie sicher. Schnell stellt sie fest, dass sie an einen Ort gelangt ist, an dem die Magie geradezu brodelt. Dschinns aller Art, magische Wesen und allerlei Intrigen beherrschen die Stadt, alter Glaube und alter Hass binden die Menschen und die Angehörigen anderer Völker an Sitten und Traditionen.
S. A. Chakraborty schaffte es in bewundernswerter Weise, diese Stadt vor meinen Augen lebendig werden zu lassen. An der Seite der Heldin und einiger Nebenfiguren tauchte ich ein in das quirlige Leben einer phantastischen Metropole, die bewusst an Indien oder den Vorderen Orient erinnert. Die Sonne scheint, die Hitze ist groß, überall brodelt das Leben, und zwischen hektischen Märkten und ganz gewöhnlichen Menschen entfaltet sich eine Reihe von Konflikten zwischen den mächtigen Familien.
Die Charaktere sind allesamt vielschichtig angelegt. Aber sie sind nicht unbedingt »gut«, sondern fallen gern aus dem klassischen Raster heraus. Man versteht, warum sie sich entsprechend verhalten, auch wenn man als Leser vielleicht nicht unbedingt mag, was sie tun. Vor allem die weibliche Figur fesselt durchgehend, an ihrer Seite lernt man einen faszinierenden Kosmos kennen. Die Autorin beschreibt alles bildhaft und spannend, die Szenen folgen schnell aufeinander, und damit erzeugt sie einen Sog, dem man als Leser kaum entkommen kann.
In diese phantastische Welt tauchte ich sehr gern ein. Wer Fantasy mag und vor allem einen originellen Blick auf einen neuen Roman-Kosmos werfen will, sollte »Die Stadt aus Messing« unbedingt antesten! Erschienen ist der Roman als schön gestaltetes Paperback im Panini-Verlag mit einem Umfang von 608 Seiten. Wer sich ein wenig einlesen möchte, findet bei Panini eine kostenlose Leseprobe.
(Diese Rezension erschien ursprünglich auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Redaktion und wird hier wiederholt, weil es ja eh ein persönlicher Text ist.)
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