Der Intercity von München nach Karlsruhe war ausgebucht; zwischen den Wagen standen sogar einzelne Leute, die keinen Sitzplatz erhalten hatten. Ich hatte einen Platz reserviert, saß neben einem Mann, der die meiste Zeit schlief, und hatte mich darauf eingestellt, ein langes Manuskript durchzuarbeiten und zwischendurch »Le Monde Diplomatique« zu lesen. Der Zug war überhitzt, obwohl es außerhalb kalt und nass aussah; mir war viel zu warm. Aber mir war das um diese Jahreszeit eindeutig lieber als zu frieren.
Schräg vor mir, also auf der anderen Gangseite, saßen zwei Frauen, beide recht beleibt, beide recht badisch. Sie redeten in dem Dialekt, der in der Gegend Karlsruhe gesprochen wurde, und sie waren so laut, dass ich sie nicht überhören konnte. Auch wenn ich mir Mühe gab, mich auf mein Manuskript zu konzentrieren, drangen ihre Sprüche an meine Ohren.
Es ging ihnen zwischendurch auch des Deutschen aktuelles Lieblingsthema: Man dürfe ja nicht mehr alles sagen.
»Ja, wenn ich nicht mehr Zigeunerschnitzel sagen darf, wie heißt das dann?«
»Na ja, sag halt Romaschnitzel.« Beide schütteten sich aus vor Lachen. »Oder Sintischnitzel.«
»Aber darf ich noch Jägerschnitzel sagen, oder diskriminiere ich damit einen Jäger?« Wieder großes Gelächter.
Sie arbeiteten sich durch die »Witze«, die sich anboten. Sie waren laut genug, so dass man sie im halben Großraumwagen verstehen konnte. Ich hielt die Klappe, weil ich arbeiten wollte.
Wenn man jetzt schon Schokokuss sagen müsse, wie sähe es dann mit anderen Begriffen aus. »Fühlen sich die Gummibären nicht diskriminiert? Und wie ist es mit den Schokohasen?« Wieder das Gelächter.
Immerhin hatten sie dann alle Witze durch, die ihnen zum Thema einfielen, und sie widmeten sich wieder Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, über die sie herziehen konnte. Da konnte ich mein Gehör besser ausblenden, und dafür war ich sehr dankbar.
1 Kommentar:
Ich mache mir ja große Sorgen um den Königsberger Klops.
Wer weis denn schon, was morgen noch politisch Korrekt ist und was nicht?
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