In Frankreich hat er fast den Rang eines Nationalheiligen, aber auch im deutschsprachigen Raum ist Victor Hugo durch viele große Romane bekannt geworden. Nicht zum Allgemeinwissen gehört allerdings, dass er zur Opposition gegen Napoleon III zählte und deshalb ins Exil gehen musste. Auf der englischen Kanalinsel Guernsey, die vor der Küste der Normandie liegt, fand er in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine neue Heimat. Das ist der Hintergrund eines Comics, der den schönen Titel »Victor Hugo – Im Exil« trägt und den ich dieser Tage gelesen habe.
Weil seine Tochter mit ihrem Mann gut zehn Jahre zuvor ertrunken ist, kommt der große Autor mit diesem Verlust nicht so richtig klar. Victor Hugo flüchtet sich zeitweise in den Spiritismus, nimmt an sogenannten Séancen teil und versucht so, mit dem Geist der toten Tochter in Kontakt zu treten. Als er irgendwelche Hinweise erhält, die er als die eines Geistes wahrnimmt, beschließt er, eine Reise auf den Kontinent zu unternehmen. In Verkleidung reist er nach Paris …
Für das Szenario zeichnet Esther Gil verantwortlich. Sie erzählt die Geschichte eher ruhig, sie kommt ohne echte Action aus und plätschert ein wenig vor sich hin. Wer sich mit der französischen Geschichte oder mit Victor Hugo überhaupt nicht auskennt, dürfte auch das eine oder andere Detail nicht verstehen. (Hier wäre vielleicht ein Nachwort von einem kundigen Menschen hilfreich gewesen. Allerdings gibt es einige sehr gelungene redaktionelle Anmerkungen.)
Insgesamt erzählt der Comic viel über Victor Hugo und sein Liebesleben. Er gibt Einblicke in die sozialen Gegebenheiten in der Mitte des 19. Jahrhunderts und zeigt, wie Napoleon III. regierte. Wer sich für Geschichte und Literatur interessiert, erhält auf jeden Fall eine lesenswerte Geschichte. Dass sie nicht übermäßig spannend ist, lässt sich verschmerzen.
Auch die Zeichnungen reißen einen nicht unbedingt mit; das war sicher auch nicht das Ziel von Laurent Paturaud. Wenn ich die klaren und sehr sauber gezeichneten Bilder betrachte, habe ich das Gefühl, eine kleine Zeitreise zu unternehmen. Sowohl die Kanalinseln als auch das ländliche Frankreich oder die Metropole Paris werden von dem Künstler klar und schön präsentiert. Paturaud erzählt in seinen Bildern geradezu filmisch, aber auf eine ruhige, stimmungsvolle Art und Weise.
Wer Victor Hugo als Autor schätzt, sollte zumindest einen Blick in diesen Comic werfen. Das gleiche gilt für Menschen, die gern historische Geschichten mögen. Wer eher auf Action steht, wird bei diesem Comic gelangweilt sein, fürchte ich.
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