Ich warf meinem Vater, als ich jung, sehr politisch und auf Krawall gebürstet war, mit lautem Gebrüll vor, er habe im Zweiten Weltkrieg ja Auschwitz verteidigt. Er wehrte sich nicht gegen den Vorwurf – weil er als Soldat in der Heeresgruppe Mitte war, stimmte er sogar –, sondern blieb stumm. Wie so oft bei unseren Streitereien und Diskussionen.
Meine Generation – die Leute, die jetzt zwischen 50 und 60 Jahre alt sind – wurde nach dem Krieg geboren. Ich wuchs auf mit Geschichten vom Krieg, Geschichten von der Front und von der Flucht, von Bombenangriffen und Plünderungen. Geschichten von den Vernichtungslagern gab es keine, das erfuhr ich dann alles durch das Lesen entsprechender Bücher.
Auschwitz wurde vor 75 Jahren befreit. Ich bin frei von einer »persönlichen Schuld« – niemand aus meiner Familie hat sich an den Ermordeten bereichert –, und doch fühle ich die Scham über die Verbrechen. Sie wurden von der Generation meiner Großeltern verübt (meine Eltern wuchsen im Dritten Reich auf und waren am Ende Teenager; mein Vater war 18, als man ihn nach Orscha und Witebsk, an die Beresina und den Dnjepr schickte).
Wenn ich heute an Auschwitz denke, muss ich eine Lehre ziehen, die für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft gilt. Nie wieder darf ein solches Verbrechen geschehen, und nie darf die Erinnerung an dieses Verbrechen verschwinden. Und deshalb müssen Nazis gesamtgesellschaftlich geächtet und bekämpft werden, deshalb muss in Bildung investiert werden.
2 Kommentare:
Es ist unzweifelhaft richtig, dass die Erinnerung an das Dritte Reich und die Taten der Nationalsozialisten nicht erlöschen darf. Es ist unzweifelhaft richtig, dass das auch (!) über entsprechende Bildung bewerkstelligt werden sollte.
Aber um die Erinnerung zu erhalten, sollten Nazis nicht geächtet und bekämpft werden. Nazis sollten grundsätzlich und überall auf dieser Welt - nicht nur in Deutschland - geächtet und bekämpft werden. Vor vielen Jahrzehnten wurde die KPD verboten - es gibt keinen erkennbaren Grund, warum NPD, AfD und anderes "braunes Volk" sich noch politisch betätigen dürfen oder gar in Parlamente gewählt werden können, sieht man davon ab, dass dem Verfassungsschutz wohl eine möglicherweise lukrative Spielwiese verloren ginge.
Es ist 75 Jahre her, dass Auschwitz "befreit" wurde. Es wird Zeit, dass die Welt von Nazis befreit wird.
P.S.: Mein Vater war Jahrgang 1936 (im heutigen Tschechien), meine Mutter sit 1938 geboren (in Breslau). Die Erinnerungen beider an den Zweiten Weltkrieg dürften dem ähneln, was syrische Kinder in diesen Jahren erlebt haben und erleben: Flucht.
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