21 Juni 2016

Ein Wildwest-Versuch

»Billy Stamway war der erste, der die fremden Reiter sah.« So beginnt ein Roman-Fragment, das ich in einem meiner alten Leitz-Ordner gefunden habe. Es lässt sich nicht mehr genau feststellen, wann ich die sieben Manuskriptseiten geschrieben habe, die keinen Titel besitzen, aber ganz eindeutig zu einem Wildwest-Roman gehören. Es muss um 1985 oder 1986 gewesen sein, auf jeden Fall vor meiner Reise nach Westafrika – danach konnte ich die Schreibmaschine nicht mehr benutzen, mit der ich diese Texte geschrieben hatte.

Ich versuchte mich an dem Stil der damals erscheinenden Western-Heftromane. »Es war ungefähr fünf Meilen vor der Stadt, im letzten kleinen Wäldchen vor der Mojave-Wüste. Hier übte Billy oft mit dem Colt seines Vaters.« Heute würde ich sagen: Der Anfang ist für einen Western-Heftroman ein wenig langweilig – damals fand ich das bestimmt toll.

»Ausgerechnet an diesem Tag hatte er keinen Colt dabei, schließlich brauchte man zum Suchen von Feuerholz keine Waffe« – so geht der Romananfang weiter. »Im Geheimen verfluchte er sich für diesen Entschluss.«

Ich wollte damals unbedingt Schriftsteller werden, und ich wusste, dass man als Autor von Heftromanen schnell und auch durchaus praktisch sein Geld verdienen konnte. Die Verlage verkauften haufenweise Heftromane aus allen Genres, vor allem Western und Grusel waren gesucht. An Krimis traute ich mich nicht heran, und an die »größte Weltraumserie« traute ich mich damals noch nicht heran.

Also blieben Western. Die wurden zwar nicht gut bezahlt, aber ich sollte so einen Roman in zwei Wochen schreiben können. Das erbrächte ein gutes Zusatzeinkommen, dachte ich. Und so schrieb ich einen Roman, in dem ein Junge namens Billy Stamway, ein cooler Held namens Larry Penton und ein Apache auftauchen sollten.

»Denn der Reiter war ganz eindeutig ein Apache. Gekleidet war er zwar in die einfache Tracht eines weißen Cowboys, aber seine langen schwarzen Haare und das scharfgechnittene, dunkel getönte Gesicht mit den stechenden Augen deutete auf einen Indianer hin.« Das war nicht unbedingt genial geschrieben, aber sicher nicht so viel schlechter als viele andere Western-Manuskripte, die ich wenige Jahre später redigieren sollte. »Dazu kam das Stirnband aus Schlangenhaut, ein unträgliches Zeichen für einen Apachen-Krieger.«

Und so weiter ... Warum ich den Roman nicht weiter schrieb, ist mir nicht bekannt. Vielleicht brachte der »bürgerliche Beruf« zu viel Zeitdruck mit sich, und ich kam nicht dazu. Aber vielleicht sollte ich den Roman mit all seinen Klischees irgendwann zu Ende tippen.

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