Dienstreise mit einem Kollegen; der Mann ist ebenfalls Abteilungsleiter. Der Name tut ebenso wenig etwas zur Sache wie das Ziel. Wir waren insgesamt elf Stunden unterwegs, fünfeinhalb hin und fünfeinhalb zurück – ohne die Umsteigepausen und den Aufenthalt.
Ich hatte einiges zum Lesen dabei: zwei aktuelle Roman-Manuskripte, ein Arbeitspapier, Exposés, Fachzeitschriften und die Tageszeitung. Er hatte nichts dabei: nichts zu lesen, keinen Laptop, keinen Notizblock. Das fand ich stark.
Wir saßen uns gegenüber, und ich las. Er schaute zum Fenster hinaus und betrachtete die Landschaft. Zu reden gab es nicht viel; wir haben außer der Arbeit kein gemeinsames Thema, und ich finde ihn langweilig.
Irgendwann fragte ich ihn, ob er meine Zeitung haben wollte. Er nickte, ich reichte sie ihm, und er blätterte sie fünf Minuten lang durch. Dann schaute er wieder zum Fenster hinaus.
Er schaute auf der Hinfahrt wie auf der Rückfahrt zum Fenster hinaus, ohne auch nur ein Zeichen von Langeweile zu zeigen. Er schien völlig entspannt, und er machte nicht den Eindruck, als hätte er ein Büro, in dem sich die Arbeit in der Abwesenheit langsam stapele. Er schaute ruhig und gelassen zum Fenster hinaus, alles in allem zehn Stunden lang.
Ich war beeindruckt. So viel Gelassenheit hätte ich auch gern, dachte ich. Und überlegte, ob ich Zen-Kurse oder so etwas nehmen sollte ...
1 Kommentar:
Da ich sonst alle Tage nur auf den Rechner oder Manuskripte starre, nutze ich Zugfahrten auch gern zum Fenstergucken. Gerade im Osten kann man Rehe zählen oder Geisterdörfer oder schöne weite Himmel...
Kommentar veröffentlichen