20 November 2024

Detektiv in den späten 70er-Jahren

Wahrscheinlich war die Serie »Rick Master« in den 70er-Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Die geburtenstarken Jahrgänge – wie der meine – lasen begeistert Abenteuer-Comics, die in ganz Europa ihre Fans fanden. Band zehn der schönen Gesamtausgabe zeigt das sehr gut.

Enthalten sind in dem dicken Comic-Buch drei Alben und eine Sammlung von eher schlichten Kurzgeschichten, die notdürftig durch eine Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Wie immer gibt es eine lesenswerte redaktionelle Ergänzung, die mit Skizzen, Bildern und allerlei Texten den Zusammenhang zur Zeit und zu anderen Comic-Werken herstellt.

»Halali für Rick Master« greift das Thema der Menschenjagd auf: Ein reicher Mann hält sich einen Trupp von Jägern auf einem großen Grundstück, die in seinem Auftrag menschliches Wild über Stock und Stein jagen – das Thema war in den 70er-Jahren in Filmen und Romanen beliebt, also ebenso im Comic. Irgendwann ist auch Rick Master bei diesem Wild, aber er wehrt sich.

»Der Milliardendeal« spielt mit den Mechanismen des Musikgeschäfts. Ein bekannter Musiker stirbt bei einem Autounfall, in der Folge kommen mehrere Leute auf ungewöhnliche Weise ums Leben, während Milliarden mit dem Erbe des Musikers verdient werden. In einer Zeit, in der die Popkultur zum Mainstream wurde, musste diese Geschichte gut ankommen.

»Der Geist des Alchemisten« ist eine der »Rick Master«-Geschichten, die ich als Jugendlicher so typisch fand: Sie ist ein wenig gruselig – der Geist eines Toten geht angeblich um –, enthält aber genügend Krimi-Elemente wie Mord und Entführung, Ermittlungsarbeit und Action.

Alle drei Geschichten sind spannend erzählt und gut gezeichnet. Die Geschichten sind in sich schlüssig, sie greifen Themen auf, die in den 70er-Jahren populär waren, und sie trugen zur weiteren Beliebtheit von »Rick Master« zu.

Der zehnte Band der Gesamtausgabe ist – wie bei diesem Verlag üblich – sowieso richtig schön gestaltet; klasse!

19 November 2024

Science Fiction in kritisch-lesenswerten Artikeln

Mit großem Vergnügen und ebenso großem Interesse las ich in den vergangenen Wochen das Sachbuch »Raketenkraft und Roboterträume« des Journalisten Norbert Fiks, das im Frühjahr dieses Jahres erschienen ist. In insgesamt 18 Texten, von denen jeder für sich stehen kann, widmet er sich der Science Fiction und ihrer Geschichte, wobei er gesellschaftliche und politische Verbindungen nicht außer Acht lässt.

Besonders lesenswert fand ich Beiträge über Themen, zu denen ich nur wenig oder gar nichts weiß. So war mir Hans Waldemar Wessolowski völlig unbekannt – unter dem Kürzel Wesso zählte der Künstler, der in Westpreußen geboren worden war, in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu den Illustratoren, die erstmals Science-Fiction-Motive in großem Umfang produzierten.

Über Willi Ley wusste ich ein bisschen mehr, doch das Buch liefert Details zu diesem Autor und Journalist, die mir bislang nicht bekannt waren. Auch Ley zählt zu den frühen Pionieren der Science-Fiction-Literatur.

Natürlich darf die größte Science-Fiction-Serie der Welt in einem solchen Buch nicht fehlen. Es gibt einen durchaus kritischen Beitrag zu K. H. Scheer, einem der zwei Autoren, die die Serie 1961 ins Leben riefen. Ebenso spielt das Verhältnis von Walter Ernsting alias Clark Darlton zu den Theorien, die Erich von Däniken vor allem in den 70er-Jahren populär machten, eine wichtige Rolle: Wer beeinflusste hier eigentlich wen?

Die unterschiedlichen Beiträge in diesem Buch decken zahlreiche Themen der Science Fiction ab. Der Literat Arno Schmidt und seine Faszination für die Phantastik wird ebenso vorgestellt wie die Art und Weise, in der die Nazis während des sogenannten Dritten Reiches auch die Phantastik auf »schwarze Listen« brachten. Sogar die Frage, ob es »der Con« oder »die Con« heißt, wird mit leichtem Augenzwinkern präsentiert.

Norbert Fiks ist gelernter Journalist; das merkt man seinen Texten im positiven Sinn an. Sie sind lebendig geschrieben, man versteht sie schnell. Er will nicht belehren, sondern informieren und unterhalten. Zu seinen Artikeln liefert er Belege und Querverweise, die weitere Recherchen ermöglichen.

Mit seinem Buch »Raketenkraft und Roboterträume« legt Fiks eine gelungene Textsammlung vor, die ich allen Science-Fiction-Fans empfehlen kann. Die Artikel sind zumeist bereits in Zeitschriften wie der »phantastisch!« veröffentlicht worden; die Zusammenstellung lohnt sich aber auch für Leser dieser Magazine. Ich las das Buch sehr gern, immer mal wieder einen Artikel – und es macht große Freude.

Es ist als Taschenbuch erschienen und umfasst 184 Seiten. Mithilfe der ISBN 978-3-75830835-2 kann es für zehn Euro in allen Buchhandlungen bestellt werden. Das E-Book gibt’s für 4,99 Euro.

(Diese Rezension wurde im Oktober auf der PERRY RHODAN-Seite veröffentlicht und wird hier von mir aus dokumentarischen Gründen wiederholt.) 

18 November 2024

Esswaren aus Thüringen?

Seit ich damit angefangen habe, den Podcast von »Broswer History« regelmäßig zu hören, stoße ich auf Dinge und Themen, die ich in all den Jahren offensichtlich verpasst habe. Der Podcast kümmert sich, wie der Name schon nahelegt, um die Vergangenheit des Internets, und deshalb geht es um skurrile Dinge, die einmal viele Leute beschäftigten – sehr häufig aber gehörte ich nicht zu diesen Leuten.

Vielleicht lag’s und liegt’s schlicht daran, dass ich schon »erwachsen« war, als es mit dem Internet losging. Ich erhielt meinen ersten privaten Internet-Anschluss, als ich schon weit über dreißig Jahre alt war. Da fängt man dann nicht mehr an, jede Marotte des neuen Mediums mitzumachen. Bei jüngeren Leuten ist das sicher anders.

Aber ich bekam manches Phänomen direkt mit, weil ich ab 1996 eben die Trends und Wellen im Internet und ihre Auswirkungen zu spüren bekam. So finde ich eine Podcast-Folge über StudiVZ spannend, wenngleich ich dort nie einen Account hatte. Die gesamte Entwicklung des Netzwerkes lässt sich so leicht und locker nachvollziehen. Das ist lustig gemacht und trotzdem informativ.

Besonders amüsant ist es, wenn es um Musik geht. So lernte ich in einer Folge viel über die Entstehung des K-Pop oder darüber, was Thüringer Klöße mit Musik zu tun haben. Danach mochte ich die Thüringer Klöße zwar immer noch nicht essen, hatte dafür aber das Lied im Kopf. Man kann nicht alles haben …

»Browser History« macht großen Spaß. Ich bin ein Fan dieses Podcasts geworden, echt!

15 November 2024

Klassentreffen gut verlaufen

1974 beendete ich die vierte Klasse in unserer Grundschule im Dorf und wechselte dann aufs Gymnasium in die Kleinstadt. Schulfreunde, die ich teilweise seit der Zeit im Kindergarten kannte, gingen auf die Haupt- oder auf die Realschule. Und wie es halt so ist: Wir verloren uns aus den Augen. Manche sah ich im Verlauf der 70er- und frühen 80er-Jahre noch, wenn ich im Dorf unterwegs war. Spätestens in den 90er-Jahren, als ich ins badische Flachland zog, lösten sich die Kontakte auf.

Entsprechend neugierig und gespannt war ich auf das Treffen nach fünfzig Jahren. Von ehemals mehr als vierzig Schülern fanden sich rund zwei Dutzend ein, was ich ganz gut fand. Wir trafen uns beim Dorfmuseum, das beim alten Fruchtspeicher errichtet worden war und sich längst zu einem Ensemble von Gebäuden entwickelt hatte.

Ich stellte fest: Die Leute, mit denen ich als Kind befreundet gewesen war, erkannte ich zumeist schnell wieder. »Manne« und »Bettle« hatten nicht nur ihre Spitznamen aus der Grundschule behalten, ich hatte auch gleich wieder einen Draht zu ihnen. »Der Raser« hieß immer noch so, aber bei anderen hatte ich starke Probleme: Wie passte der schmächtige Junge von damals, der hellblonde Haare gehabt hatte, mit dem großen, breitschultrigen Mann von heute zusammen, dessen Haare dunkel waren?

Im Verlauf des Abends – wir wechselten irgendwann vom Dorfmuseum in eine Pizzeria und noch später wieder zurück – unterhielt ich mich mit allen. Unser Klassenlehrer von damals war dabei, das Klassenbuch von damals ging um, und wir frischten gemeinsam Erinnerungen auf. Bei manchen Leuten gelang mir das nicht; ich hatte keinen Bezug mehr zu ihnen, und nicht mal der Blick auf das Klassenfoto von damals half wirklich weiter.

Aber es war ein wunderbarer Nachmittag und ein ebenso wunderbarer Abend! Wir lachten viel, wir waren zwischendurch ein bisschen wehmütig – eine Freundin von damals war schon gestorben –, und wir redeten nicht nur über die Vergangenheit, sondern ebenso über die Gegenwart und die Zukunft. Vor allem nahmen wir uns vor, das nächste Treffen nicht erst wieder in fünfzig Jahren zu veranstalten …

14 November 2024

Spaziergang durchs Dorf

Am Samstag besuchte ich das Dorf, in dem ich aufgewachsen war und in das ich immer mal wieder zu Besuch fahre: Dietersweiler ist heute ein Teilort von Freudenstadt, hat aber seinen eigenen Charakter behalten. Zumindest bekam ich diesen Eindruck, als ich mit den Leuten sprach, auf die ich traf, und durch das Dorf spazierte.

Einen Spaziergang durch das Dorf hatte ich zuletzt im vergangenen Jahrhundert absolviert, und so war es fast eine Premiere für mich – nach all den Jahren und Jahrzehnten, die ich nun in Karlsruhe wohne. An jedem Haus und an jeder Abbiegung überfielen mich die Erinnerungen.

»Ach, hier stand doch einmal das alte Backhaus«, überlegte ich mir, als ich an einer kleinen Grünfläche vorüberging. »Und dort war das Konsumgeschäft, in das später ein Mann einzog, den alle ein wenig seltsam fanden. Und an dieser Ecke trat mir einmal ein größerer Junge in den Bauch, weil ich seiner Ansicht nach etwas Falsches gesagt hatte.«

So keimte an jeder Ecke die Erinnerung. Ich spazierte den Weg hinunter, der in den Wintermonaten gelegentlich unsere Schlittenbahn gewesen war. Ich sah das Gebäude des Kindergartens, in dessen Fundamenten wir gespielt hatten, und ich staunte über das moderne Gebäude, das sich an der Stelle erhob, wo einmal die Molkerei gestanden hatte.

Bei einem alten Haus wusste ich noch, dass sich hier die Tankstelle befunden hatte, bei einem anderen Haus erinnerte ich mich an das »A&O«-Geschäft im Erdgeschoss, wo ich mein erstes »Tom Berry«-Heft kaufen durfte. Es war ein einziges Staunen und Erinnern – und ich war zeitweise wieder der kleine Junge, für den das Dorf im Schwarzwald die ganze Welt bedeutet hatte.

13 November 2024

Wie ich das Gesetz brach …

Der Lastwagen fuhr immer dichter auf. Ich hatte das Gefühl, er wollte mich von der Straße schieben. Der Abstand zwischen seiner Front und meinem Kofferraum betrug sicher nicht mehr als zwei Meter. Und mir war klar, was er damit beabsichtigte: Er wollte, dass ich Gas gab oder die linke Spur räumte.

Dabei fuhr ich schon zu schnell: Die Geschwindigkeit auf diesem Abschnitt der Straße war auf Tempo 70 festgelegt. Ich hielt mich auf der linken Spur und fuhr mit 80 Stundenkilometern; rechts von mir rollten langsamere Autos, deren Fahrerinnen und Fahrer von den abbiegenden Straßen kamen oder in diese abbogen.

Die Straße führte von Karlsruhe direkt hinaus zur Autobahn und nach Ettlingen; sie war zweispurig, und man konnte irgendwann bechleunigen. Bis zu einem bestimmten Schild aber hatte man Tempo 70 einzuhalten. Ich wusste zudem, dass oft Radaranlagen aufgestellt waren.

Der Lastwagenfahrer hatte anscheinend eine andere Meinung. Er fuhr immer dichter auf, dann knallte er mir die Lichthupe rein, einmal, zweimal, dreimal. Ich sah, wie er hinter seiner Windschutzscheibe schrie und fuchtelte. Er hupte laut, die Lichthupe flackerte geradezu.

Erstaunlicherweise behielt ich die Nerven. Ich fuhr nicht schneller, und ich drängte nicht nach rechts zwischen die dort fahrenden Autos hinein. Als die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben wurde, beschleunigte ich auf hundert Stundenkilometer, später dann auf die erlaubten 130.

Davor ließ ich aber die Windschutzscheite herunter und tat das, was man nicht tun sollte: Ich streckte den linken Arm hinaus und zeigte dem Lastwagenfahrer den Mittelfinger. Zumindest gegen ein Gesetz wollte ich an diesem Vormittag dann doch verstoßen …

12 November 2024

Ein bisschen nachhaltig

Über meine »schwäbische Denke« wird gelegentlich gelästert. Gemeint ist damit die Tatsache, dass ich durchaus sparsam bin. Ich mache das Licht aus, wenn ich den Raum verlasse, ich drehe die Heizung ab, ich verschwende nicht unnötig Wasser. Früher nannte man das sparsam, heute könnte man es auch als nachhaltig bezeichnen.

Das sieht man auch an der Wahl meiner Kleidung. Ich habe Schuhe, die ich immer noch regelmäßig trage und die buchstäblich Jahrzehnte alt sind. Solange das niemandem auffällt, trage ich sie weiterhin, vor allem, wenn sie immer noch funktionieren und das tun, wofür ich sie gekauft habe.

Manchmal aber muss ich doch Dinge wegwerfen, sogar T-Shirts, bei denen ich nicht einmal mehr erkennen kann, welches Motiv auf der Frontseite zu sehen ist. Das Bild belegt es gut: Das T-Shirt hatte ich mir 2007 in Singapur gekauft, es ist also über 17 Jahre alt. Ich trug es regelmäßig, gern beim Radfahren oder bei Hüpfkonzerten; es war also oft im Einsatz.

Dafür hielt es sich bemerkenswert lange. Mittlerweile aber war es löcherig. Das sieht man auf dem Bild nicht – aber in den Achselhöhlen zog es schon ordentlich, und der Stoff war recht fadenscheinig. Mit Trauer im Blick warf ich es dann in den Mülleimer.

Ich finde aber: Ein T-Shirt mal 17 Jahre lang zu benutzen, das ist echt das Gegenteil von Fast Fashion. Das ist dann schon ein bisschen nachhaltig ...

08 November 2024

Übersetzter Chandler

Bereits im Jahr 2019 erschien im Diogenes-Verlag eine Neuübersetzung von »Der große Schlaf«, dem Erstlingsroman von Raymond Chandler. Ich mochte das Buch schon immer und lese diese Variante derzeit. Frank Heibert ist für die neue Übersetzung zuständig; mir gefällt sie sehr gut, auch wenn ich das Original nicht kenne.

In meinem Regal steht noch die alte Übersetzung, sie stammte von Gunar Ortlepp und wurde 1974 angefertigt. Manchmal vergleiche ich und bin ganz schön verblüfft. Ein Beispiel:

Am Ende des zweiten Kapitels sagt Marlowe zu dem Butler; es geht um dessen Pflichten: »Nein. Aber ich würde mich sicher totlachen, wenn ich wüßte, worin sie bestehen.« So klang das 1974.

In der Neu-Übersetzung formuliert es Marlowe ebenfalls locker, aber es klingt sehr anders: »Nein. Aber es ist ein hübsches Ratespiel, was wohl alles dazu gehört.« Hm.

Ich seh's schon: Da werde ich wohl irgendwann das amerikanische Original zu Rate ziehen müssen.

Einer der besten Science-Fiction-Romane überhaupt

Meiner Ansicht nach ist Ursula K. LeGuin eine der besten Autorinnen, die es je in der phantastischen Literatur gegeben hat. Mit ihren Science-Fiction- und Fantasy-Romanen setzte sie über Jahrzehnte hinweg Maßstäbe. Seit vergangenem Jahr gibt es ihren Klassiker »Die linke Hand der Dunkelheit« in einer neuen Übersetzung, den ich endlich gelesen habe.

Das Werk wurde hierzulande vor vielen Jahren als »Winterplanet« veröffentlicht; diese Version kannte ich natürlich. Ich verglich bei der Lektüre nicht die beiden Übersetzungen und auch nicht das Original, hatte aber stets das Gefühl, dass Karen Nölle ihre Arbeit sehr gut gemacht hatte. Redaktionelle Anmerkungen sowie ein Vorwort der Autorin ordnen das Werk in größere Zusammenhänge ein – man kann es aber getrost »einfach so« durchschmökern.

Zum Inhalt: Auf der fernen Welt Winter siedelt ein menschenähnliches Volk; als wesentliche politischen Mächte stehen sich zwei Machtblöcke feindlich gegenüber. Ein Botschafter von der Erde soll mit den Regierungen in Kontakt treten und ihnen anbieten, der Ekumen beizutreten, einem Bund freier Welten. Doch das stellt sich als kniffliger heraus, als sich vielleicht anhört.

Der Botschafter glaubt einige Zeit lang, die unterschiedlichen Kulturen zu verstehen. Doch je mehr er zu verstehen glaubt, desto komplizierter wirkt alles auf ihn. Ein wesentlicher Grund dafür: Die auf Winter lebenden Menschen wechseln ihre Geschlechter. Wer ein Mann ist, wird irgendwann zur Frau und kann Kinder gebären, um später aber vielleicht wieder zum Mann zu werden. Dazu kommt, dass die Machtblöcke, durch die sich der Botschafter bewegt, recht eigentümliche Strukturen aufweisen.

Das könnte alles sehr theoretisch verlaufen – aber Ursula K. Le Guin schafft es in diesem Science-Fiction-Meisterwerk, den Botschafter auf eine Reise durch die Welt zu schicken, die man nach erfolgter Lektüre wohl nie vergessen wird. Er wird in Intrigen verwickelt, er muss illegal die Grenzen überqueren, er kommt ins Gefängnis und später in ein Lager, wo er fast stirbt, und am Ende durchreist in einer waghalsigen Flucht ein unwegsames Gebirge – eine Tour, die sich kaum ein Einheimischer zutraut.

Man kann den Roman allerdings kaum als schlichten Abenteuerroman lesen, man muss sich schon auf die geschilderten Gesellschaften einlassen. Vor allem am Anfang ist das nicht immer einfach. Hat man aber die Grundzüge der jeweiligen Gesellschaft verstanden, zieht einen die Geschichte unweigerlich in ihren Bann.

»Die linke Hand der Dunkelheit« hat seine erzählerische Wucht nicht verloren. In seinerspannenden Darstellung einer fremden Welt mit teilweise unbegreiflichen Sitten und Gebräuchen zählt der Roman zu den großen Klassikern der Science Fiction. Wer ihn schon kannte – so wie ich , hat vielleicht Lust, ihn mit neuer Übersetzung noch einmal zu lesen. Und wer ihn bislang nicht kannte, dem empfehle ich ihn als einen der wichtigen Romane der Science Fiction.

Veröffentlicht wurde die Neuauflage des Romans bei Fischer Tor als schickes Paperback. Das 352 Seiten starke Werk kostet in dieser Form 18,00 Euro und kann mithilfe der ISBN 978-3-596-70712-6 überall im Buchhandel bestellt werden – auch bei Versendern wie dem PERRY RHODAN-OnlineShop. Das E-Book kostet übrigens 16,99 Euro.

(Die Rezension wurde im September 2024 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Hier wiederhole ich sie aus dokumentarischen Gründen.)

07 November 2024

Wenn die Bubble wuchert ...

Ich finde es spannend, wie das Thema Romantasy – das ja in den 90er-Jahren erstmals aufflammte, wenn ich mich düster erinnere – derzeit die Verlagsbranche ein bisschen umwälzt. Selfpublisherinnen werden mit dieser Gattung der phantastischen Literatur zu Bestsellerautorinnen, Verlags-Imprints wie Lyx stehen auf einmal auf den vorderen Plätzen der Bestsellerliste. Und in den großen Buchhandlungen werden Angebotstische freigeräumt, in denen es nur um Romantasy geht.

Spannend finde ich, wer sich neuerdings in diesen Markt drängt. Gräfe und Unzer beispielsweise ist ein Verlag, der sich seit Jahrzehnten auf Ratgeber und Sachbücher spezialisiert hat. Seit diesem Herbst bietet der Verlag nun eine Reihe an, in der Romance-Romane mit »Mental-Health-Themen« verknüpft werden. Auf der Buchmesse in Frankfurt wurde das auch entsprechend gefeiert.

Das entsprechende Interview in der Fachzeitschrift »Börsenblatt« las ich mit großem Interesse. Die Bücher seien »waschechte New-Adult-Romane«, die halt »eine psychologische Komponente« aufweisen. Damit will man 2025 weitermachen. Ich finde das durchaus interessant.

Gespannt bin ich vor allem, wie sich das 2025 wirklich entwickelt. Wird man dann auch »Romantay-Romane mit Kochbuch-Anleihen« veröffentlichen? Gibt es »Romantasy meets Yoga«? Stellen sich die Verlage auf originelle Themen wie »Anders Reisen mit Romantasy« ein? Es kommen wunderbare Zeiten für die Fans der phantastischen Literatur – und ich freue mich schon sehr auf die Auswüchse.

06 November 2024

Tolles Thema blöd versenkt

Was für eine starke Idee! Eine Gruppe von Autorinnen und Autoren macht gemeinsam eine Anthologie, die im Zeichen des Klimawandels einerseits und der Zusammenarbeit mit ChatGPT andererseits steht. Ich freute mich sehr auf die Lektüre.

Leider wird die ganze Idee kläglich kaputtgeschrieben. Für »Regen in Zeiten der Klimakrise oder Kann ChatGPT Literatur« kann ich beim besten Willen keine Empfehlung aussprechen.

Die Idee war: Die Autorinnen und Autoren, allesamt aus dem Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sollten einen Text zum vorgegebenen Thema schreiben, daraus einen Prompt machen und dann schauen, was die Künstliche Intelligenz daraus macht. Original-Text, Prompt und KI-Version sollten gemeinsam veröffentlicht werden – um zu sehen, wie das mit der Literatur so ist.

Eine tolle Idee, echt! Aber …

Gut die Hälfte der Mitwirkenden verweigerte sich der Aktion. Es gibt im Buch also deren Texte, aber weder einen Prompt noch eine KI-Lösung. Warum machen die Leute dann bei so einer Aktion mit, und warum werden ihre Texte gedruckt, wenn sie sich der Aufgabe verweigern?

Aber auch die Texte, die gedruckt wurden, waren durch die Bank so schlecht, dass die KI sie nicht besser machen konnte, sondern halt triviale Abklatsch-Versionen lieferte. Was lernen wir daraus? Schlechte Gedichte, ideenlose Geschichten – das erste ist sogar eine schlechte Science-Fiction-trifft-die-Arche-Noah-Version – und selbstverliebte Experimente können gerne geschrieben werden, ChatGPT macht aus diesem Murks aber nichts, das man hinterher lesen möchte.

Ich lese gern, ich lese viel. Die Anthologie »Regen in Zeiten der Klimakrise oder Kann ChatGPT Literatur« kann man sich allerdings sparen. (Sie ist ein Beleg dafür, dass auch in einem guten Verlag wie Hirnkost bisweilen Texte erscheinen, die ich grausig und unlesbar finde.)

Eine Bahnhofshalle in Frankreich

Ich liebe es immer wieder, Science Fiction zu lesen, die ein bisschen älter ist. Das kann manchmal schiefgehen, weil die Charaktere in früheren Zeiten oft arg flach gezeichnet wurden, kann aber auch große Freude machen. So las ich zuletzt eine Geschichte von Joanna Russ, die den schönen Titel »Die außergewöhnlichen Reisen der Amelie Bertrand« trägt und in der Anthologie »Insekten im Bernstein« veröffentlicht wurde.

Die Anthologie erschien 1980 in der Reihe »Die besten Stories aus The Magazine of Fantasy and Science Fiction«, es war die Folge 57 dieser Reihe, in der sich immer wieder Perlen entdecken lassen. Zusammengestellt wurde sie von Manfred Kluge, und ich trauere ein wenig den Zeiten nach, in denen ständig hochwertige Anthologien mit internationaler Science Fiction veröffentlicht wurden.

Die Geschichte spielt in Frankreich – für amerikanische Leser dürfte das exotisch genug gewesen sein – und irgendwann im 20. Jahrhundert. Ohne ins Detail zu gehen: Ein Durchgang in einer Bahnhofshalle führt offensichtlich in andere Dimensionen. Dort kann man unglaubliche Abenteuer erleben und kehrt dann, ohne Zeit verloren zu haben, in die eigene Welt zurück.

Das ist vielleicht nicht schreiend originell, aber Joanna Russ macht daraus eine elegant geschriebene, sehr unterhaltsame Geschichte, die wunderbar unterhält und sehr leichtfüßig daherkommt. Ob das nun Science Fiction oder Fantasy ist, darüber mögen die Gelehrten schreiben – in ihrer klassischen Art hat mich die Geschichte auf jeden Fall überzeugt.

Manchmal ist so ein Traum von anderen Welten sowieso zu begrüßen. Vielleicht ist das ein eskapistischer Gedanke, vielleicht ist es sogar weltfremd, solche Träume zu haben. An manchen Tagen aber finde ich sie sehr postitiv.

05 November 2024

Ein Schwarzfahrer von 1993

Es gibt Filme, die sind wichtig und sie sind unterhaltsam, und ich kenne sie nicht. So war mir bislang der gelungene Kurzfilm »Schwarzfahrer« völlig unbekannt. Dabei wurde er sogar mit einem Oscar ausgezeichnet. Dieser Tage sah ich ihn mir endlich einmal an; er steht bei YouTube kostenlos zur Verfügung.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein Schwarzer Mann sitzt in einer Straßenbahn neben einer älteren weißen Frau, und die beschimpft ihn in einer Tour. Gleichzeitig ist ein weißer Mann im Zug, der sehr schnell eingestiegen ist und keine Fahrkarte besitzt. Als ein Kontrolleur den Wagen betritt, eskaliert die Situation gewissermaßen ...

Der Film ist in Schwarzweiß gehalten, wodurch er noch älter aussieht, als er ist. Gedreht wurde er 1993, er spielt augenscheinlich in Berlin, könnte aber in jeder anderen deutschen Großstadt angesiedelt sein. Ich fand ihn gut erzählt und witzig; mit zwölf Minuten hat er eine angenehme Länge.

Wer ihn noch nicht kennt: unbedingt angucken! Und alle anderen können ja noch mal reingucken ...

Großartige Graphic Novel mit Musik und Emotion

Es gibt Comics, die entziehen sich den üblichen Kategorien von Genre und Zeichenstil; sie begeistern mich durch ihre originelle Art. Ein solcher Comic ist »Ballade für Sophie«, eine Graphic Novel, die im Sommer des vergangenen Jahres erschienen ist und für mich einer der besten Comics im Jahr 2023 war.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1933 und in einem Dorf in Frankreich. Dort treffen zwei Klavierspieler erstmals aufeinander: Der eine entstammt einer wohlhabenden Familie, die in ihm einen Künstler sieht, der andere kommt aus der Unterschicht und ist ein musikalisches Genie. Die Geschichte findet ihren Abschluss im Jahr 1997, als sich eine junge Journalistin auf die Spur eines Geheimnisses macht: Warum hat ein berühmter Komponist vor Jahren seine Kunst abgelegt und nie wieder ein Klavier angerührt?

»Ballade für Sophie« fasst ein halbes Jahrhundert in einen Comic; am Beispiel der beiden Klavierspieler wird quasi die Geschichte Frankreichs erzählt. Von der Vorkriegszeit über die Zeit der deutschen Besatzung bis hin zu den Aufschwungzeiten der fünfziger und sechziger Jahre spannt sich der Bogen. Wie in einem großen Roman prallen die Gegensätze aufeinander, spielen einzelne Figuren wichtige Rollen, geht es teilweise sehr emotional zu.

Das Szenario, das sich Filipe Melo ausgedacht hat, ist wirklich »groß«; es würde für einen Film oder einen wuchtigen Gesellschaftsroman locker ausreichen. (Ich halte den Comic ja auch für eine künstlerische Richtung, die man als gleichwertig zu Film und Roman ansehen muss.) Der Autor setzt die Dialoge auf den Punkt, er entwickelt seine Figuren über all die Zeiten hinweg glaubhaft und in sich schlüssig.

Und er nimmt die Leser emotional mit: Man möchte zwischendurch bei der Lektüre echt weinen – das mag zwar kitschig klingen, kommt aber meinen Empfindungen nahe.

Grafisch bleibt Juan Cavia mit seinen Bildern ebenso originell. Die Figuren sind leicht verzerrt, die Farbgebung ist absichtlich ein wenig »falsch«; unterm Strich kann man diesen Stil als »künstlerisch« bezeichnen, was ich hier positiv meine.

Cavia stellt die Figuren mit ihren Emotionen und all ihrem Innenleben klar und eindeutig dar. Seine Bilder zeigen, wie die Musik bei den Zuhörern ankommt und wie sie buchstäblich dazu führt, die Grenzen des Raumes zu sprengen. Ich empfehle unbedingt, die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages anzuschauen!

Entstanden ist auf diese Weise ein umfangreicher Comic-Roman im kleineren »Book«-Format, also nicht im Format eines Albums. Ein so umfangreiches Werk kostet seinen Preis: Die 45,00 Euro finde ich absolut angemessen. Ich halte »Ballade für Sophie« für ein Meisterwerk, das ich seit der ersten Lektüre schon einige Male in der Hand hatte.

Wer sich dafür interessiert, bekommt das Comic-Buch überall im Comic-Fach- und Buchhandel. Die ISBN 978-3-98721-118-8 kann bei der Bestellung hilfreich sein. Versender wie der PERRY RHODAN-OnlineShop liefern »Ballade für Sophie« ebenfalls aus.

(Die Rezension erschien ursprünglich auf der PERRY RHODAN-Seite. Hier wiederhole ich sie vor allem aus dokumentarischen Gründen.)

04 November 2024

Brot und Spiele in der Zukunft

Im Mai 2020 veröffentlichte der Verlag Schreiber & Leser einen Comic, der für mich damals schlicht unterging. Im ersten »Lockdown« waren Comic-Läden und andere Buchhandlungen geschlossen, viele Leute waren verunsichert und kauften deutlich weniger ein als sonst. Viele Romane und Comics, die in dieser Zeit veröffentlicht wurden, erhielten so kaum Aufmerksamkeit.

Aus diesem Grund erlaube ich mir, an dieser Stelle einen Comic vorzustellen, der zwar schon vier Jahre alt ist, für die meisten Leserinnen und Leser trotzdem »neu« genug sein sollte. »Mechanica Caelestium« spielt im Großraum Paris und im Jahr 2068, in einer düsteren Zukunft, die sich stark von der unseren unterscheidet. Mittlerweile ist ein zweiter Teil veröffentlicht worden, ich schreibe hier aber nur über den ersten Band.

Offensichtlich hat es einen Krieg gegeben, der weite Teil der uns bekannten Welt zerstört hat. Menschen leben in den Trümmern der Städte oder haben sich in den Wäldern eine neue Heimat aufgebaut; es herrschen Armut und Not. Eine zentrale Regierung für Frankreich gibt es nicht mehr, sondern unabhängige Dörfer und einige größere Staatsgebiete – sofern man diesen Begriff benutzen kann. Die Technik von früher wird gelegentlich eingesetzt, zum größten Teil aber nicht verstanden.

Aster ist eine junge Frau, die in einer Waldhütte wohnt und zu den Außenseitern der Gesellschaft gehört. Mit ihrem Kumpel Juba stromert sie durch die Ruinen der alten Städte – man erkennt immer wieder Aufschriften, die auf die frühere Zivilisation hinweisen – und steuert ihr Boot über ehemalige Boulevards, die längst zu einer Seenfläche geworden sind. Was sie finden, versuchen sie in einem Ort namens Pan gegen Nahrungsmittel umzutauschen. Ihr Leben ist anstrengend, aber sie sind frei; und weil Pan als kleines Bauerndorf seine Bewohner ernähren kann, kommen sie halbwegs gut durchs Leben.

Dann aber greift eine größere Macht nach dem kleinen Pan und seinen Bewohnern. Um diesem Druck standzuhalten, müssen sich Aster und ihre Freunde ausgerechnet auf eine Art Ballspiel einlassen, dessen Schwierigkeitsgrade sich von Runde zu Runde steigern. Beim Mechanica Caelestium kommen auch Techniken aus der Zeit von vor dem Krieg zum Einsatz, und es geht hoch her ...

Merwan Chabane – als Künstler benutzt er nur seinen Vornamen – ist der Autor und Illustrator dieses packenden Science-Fiction-Comics, der durchaus seine Schwächen im Weltenbau hat (wie hängt das alles zusammen, und warum zum Teufel ist das Spiel so wichtig?), an sich aber durch seine spannende Geschichte packt und mitreißt.

Der Künstler bleibt die meiste Zeit an der Seite seiner Hauptfigur, und so erlebt man die Kämpfe zumeist aus der Sicht Asters. Andere Bilder zeigen aber die politischen Unruhen, die parallel ausbrechen, ohne dass das groß thematisiert wird. Diese Darstellung kommt mir schlüssig vor, Aster bekommt davon ja auch nichts mit.

Das ist alles spannend erzählt und macht viel Freude; die Dialoge sind oft sarkastisch, womit die düstere Zukunftsvision schlagartig ein wenig optimistischer wirkt. Künstlerisch gefällt mir der Comic ebenfalls: Die Zeichnungen sind dynamisch, die Action wird klar gezeigt, Merwan verzichtet aber auf die Darstellung von übertriebener Brutalität. Gelegentlich schimmert ein leichter »Funny-Stil« durch, mit den klassischen Knollennasen hat das aber alles nichts zu tun.

Bei »Mechanica Caelestium« handelt sich um einen actiongeladenen Science-Fiction-Comic, dessen Lektüre gut unterhält. Die Ausgabe bei Schreiber & Leser sieht toll aus: ein Hardcover-Band mit 208 Seiten Umfang, den man für 32,90 Euro überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen kann.

Wer sich für das Buch interessiert, erfährt auf der Verlags-Seite mehr. Dort steht auch ein Buch-Trailer zur Verfügung, den man sich angucken kann.

(Die Rezension hatte ich im August bereits auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Hier teile ich sie aus dokumentarischen Gründen.)

Einmal Horror, einmal Punkrock

Es ist eine Weile her, seit ich zum letzten Mal über das »Klausbuch« geschrieben habe, und das tut mir leid. Dabei finde ich nach wie vor höchst spannend, was Christina Hacker und Alexandra Trinley unter dem Titel »Das wüsste ich aber!« zusammengetragen haben. Das Buch erschien zu meinem sechzigsten Geburtstag, der schon einige Tage her ist, und ich lese halt immer mal wieder ein Kapitel oder zwei.

Sehr amüsant ist Rüdiger Schäfers Geschichte »Audienz beim dunklen Herrscher«. Mit dem dunklen Herrscher bin eindeutig ich gemeint, und der Autor schafft es, eine gruselige Atmosphäre um Rastatt und den Verlag zu erzeugen, die ich sehr sympathisch finde. Die Pointe ist ein wenig berechenbar, aber die Geschichte an sich ist toll geschrieben. Eine Prise Horror also!

Punkrock gibt es in »Alles Gute, Peter Pank« von Marc A. Herren. Der Autor erzählt eine Geschichte, die inhaltlich zu meinen »Peter Pank«-Romanen passt, aber in Bern spielt. Er blendet – wie in den veröffentlichten »Peter Pank«-Büchern – Liedzeilen von Bands ein, und erzählt eine rundum gelungene Geschichte, in der ganz nebenbei noch ein zusammengerolltes Romanheft thematisiert wird.

Ich war von beiden Texten geradezu gerührt. Das klingt vielleicht blöd, ist aber so. Und jetzt bin ich sehr gespannt darauf, wie das Buch weitergeht ...

25 Oktober 2024

Eine Dystopie aus den 80er-Jahren

Mit seinen Romanen und Kurzgeschichten sorgte Herbert W. Franke bereits in den 60er- und 70er-Jahren für Aufsehen. Über Jahrzehnte hinweg galt er als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Science-Fiction-Autoren des deutschsprachigen Raums. 1985 erhielt er für seinen Roman »Die Kälte des Weltraums« den Deutschen Science-Fiction-Preis. Dieser passte mit seiner dystopisch-düsteren Ausrichtung in die von Kriegsangst und Umweltzerstörung beeinflussten 80er-Jahre. Zu Beginn des Jahres 2024 wurde er erneut veröffentlicht – diese Version las ich mittlerweile.

Es ist ein Szenario, wie man es in den 80er-Jahren öfter gelesen hat: In einem unterirdischen Bunker erwachen einige Menschen. Schnell wird ihnen klar: Nach einem fürchterlichen Krieg ist die Menschheit so gut wie ausgestorben. Einigen Überlebenden gelang es, ins All zu flüchten, wo sie auf Raumstationen leben – über sie und ihr Schicksal erfährt man aber nichts.

Die Erwachenden erlangen ihre Erinnerung zurück. Sie verstehen, dass sie die Überlebenden des Krieges sind und sich mit neuen Realitäten arrangieren müssen. Doch einer von ihnen möchte den längst vergessenen Krieg bis zum Ende führen und die Gegner von damals ausschalten …

Geht man von der eigentlichen Idee aus, ist der Roman nicht außergewöhnlich. Herbert W. Franke verarbeitet einige der Themen, die in der ersten Hälfte der 80er-Jahre typisch waren. Man hatte Angst vor dem alles vernichtenden Atomkrieg – also schrieben die Science-Fiction-Autoren entsprechende Romane. Man hatte Angst vor der drohenden Umweltkatastrophe – Stichworte Waldsterben und Ozonloch –, und prompt gab es entsprechende Science-Fiction-Geschichten unterschiedlichster Qualität.

Doch Franke ging einen anderen Weg. Sein Ziel war nicht, eine Welt nach dem Krieg zu zeigen. Er wollte offensichtlich darstellen, wie Menschen an einer Idee festhalten können, die schon zu ihrer aktiven Zeit nicht mehr glaubhaft war. Seine Hauptfiguren sind keine Helden, auch wenn sie im Krieg bis zum bitteren Ende für »ihre Seite« eingetreten sind. Sie haben keine Lust darauf, einen Krieg aufleben zu lassen, sondern wollen ein neues Leben beginnen – aber sie steuern trotzdem auf eine Katastrophe zu.

Stilistisch ist das nicht immer einfach zu lesen. Franke verzichtet im ersten Drittel darauf, die Handlung mit Action anzureichern oder sonstwie spannend zu gestalten. Er schildert die Ängste und Nöten seiner Hauptfiguren, er lässt sie an ihre Vergangenheit denken und sich in ihr verlieren. Die Handlung gewinnt ab dem Moment an Dynamik, als die Gruppe von Menschen damit beginnt, unter Druck in die Tiefen der Bunker hinabzusteigen, um dort die vernichtenden Waffen zu finden. Ein Action-Roman wird »Die Kälte des Weltraums« allerdings nie, der Roman bleibt streckenweise sperrig.

Franke wollte mit seinem Werk nicht die übliche Geschichte vom Leben nach dem Atomkrieg schreiben. Ihm ging es darum, Gewaltherrschaft und Fanatismus zu zeigen. In seinem ausführlichen Nachwort geht der Literaturprofessor Hans Esselborn genauer darauf ein. Der Roman passt in seine Zeit – ein Jahrzehnt zuvor hätte man ihn wohl ebensowenig beachtet wie ein Jahrzehnt danach.

Tatsächlich ist »Die Kälte des Weltraums« ein Zeitdokument. Er ist in den 80er-Jahren verankert und spiegelt sie wider; in mancherlei Hinsicht passt er aber gut in unsere heutige Zeit, in der Kriegsängste und die Furcht vor einer Klimakatastrophe viele Diskussionen bestimmen. Ich finde den Roman deshalb immer noch lesenswert und fand ihn unterm Strich gelungen. Man muss sich im Vorfeld eben klarmachen, dass es sich dabei nicht um Spannungslektüre handelt. 

Neu veröffentlicht wurde »Die Kälte des Weltraums« im kleinen Verlag p.machinery, wo eine Gesamtausgabe mit allen Werken von Herbert W. Franke erscheint. Die Paperback-Ausgabe umfasst 160 eng bedruckte Seiten und kostet 16,90 Euro. (Ich hatte mir die wunderschöne Hardcover-Ausgabe gekauft, aber diese ist leider beim Verlag vergriffen.

(Die Rezension erschien bereits im August auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie und wird hier aus dokumentarischen Gründen veröffentlicht.)

Der IndieCon zum elften Mal

Dass es in Hamburg einen sogenannten IndieCon gibt, war mir bis vor einigen Tagen nicht bekannt. Tatsächlich lief diese Veranstaltung vom sechsten bis achten September 2024 bereits zum elften Mal – allerdings hat sie ja nichts mit Science Fiction und anderen Dingen zu tun, wofür der Begriff »Con« irgendwann einmal stand.

Aber es geht ums Publizieren, tatsächlich! Die Macherinnen und Macher von unabhängigen Zeitschriften und Verlagen sind vor Ort, es werden gedruckte Magazine aus allen möglichen Bereichen präsentiert. Schaut man sich die Fotos an, wirkt das Ganze wie eine Mixtur aus Science-Fiction-Con – allein schon die Stände! – und superseröse Business-Veranstaltung. Es nehmen Leute aus allen möglichen Ländern teil, die Sprache scheint weitestgehend Englisch zu sein.

Und natürlich hat das Ganze wirklich nichts mit den Cons zu tun, die unsereins seit Jahrzehnten kennt. Deshalb heißt es eigentlich »die IndieCon«, was ich gepflegt ignoriere. Ich finde es trotzdem höchst spannend, welche Entwicklungen es gibt, die mit »unserer« Szene nichts zu tun haben, mit ihr aber irgendwie verwandt sind.

Vielleicht ist das eine Veranstaltung, die ich im nächsten Jahr besuche? Eigentlich klingt es ja spannend ...

24 Oktober 2024

Knalliger Science-Fiction-Thriller aus Deutschland

Um es vorwegzunehmen: Es gibt Romane, die beginnt man zu lesen und kann nicht mehr damit aufhören. Man muss sich gelegentlich dazu zwingen, Pause zu machen – etwa um zu schlafen oder zur Arbeit zu fahren –, weil diese Romane so spannend sind, dass man unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht. Ein solcher Roman ist »Wolfszone«.

Erschienen ist der Roman im Frühjahr, verfasst wurde er von Christian Endres. Der Autor ist mir seit vielen Jahren als Schöpfer phantastischer Welten bekannt. Er bewegt sich zwischen den Genres, veröffentlicht Science Fiction und Fantasy, übersetzt Comics und schreibt Artikel für Zeitschriften. Entsprechend gespannt war ich auf diesen Roman, der vom Verlag als »Cyberthriller« bezeichnet wird.

Tatsächlich spielt »Wolfszone« in einer nahen Zukunft, vielleicht zwanzig, dreißig Jahre von heute entfernt. Endres siedelt die Handlung seines Romans in Brandenburg an, in einem Waldgebiet, das von Wölfen bewohnt wird. Diese haben sich verändert: Die Tiere haben allerlei technischen Geräte in sich aufgenommen – ohne dass das im Detail erklärt wird – und sich so zu einer Art Techno-Wölfe entwickelt; Cyborgs in der Gestalt großer Tiere also.

Weil man Gefahren für die Bevölkerung befürchtet, ist die Bundeswehr aufgezogen. Drohnen schwirren durch das Gebiet, Soldaten sichern einen Zaun ab. Es wimmelt von Journalisten, während die Bevölkerung der umliegenden Dörfer nicht weiß, wie es für sie weitergehen soll. In dieser Situation muss ein Detektiv nach einer jungen Frau suchen, die spurlos in dieser Region verschwunden ist. Ein kniffliger Fall …

Christian Endres erzählt seinen Roman im Präsens, in einem atemlosen Stil, der einen schnell in seinen Bann zieht. Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Romanen, die im »Gegenwarts-Stil« verfasst worden sind. Die meisten Autorinnen und Autoren, die Präsens benutzen, können damit nicht gut umgehen.

Endres vermag das allerdings sehr gut: Seine Kapitel sind rasant erzählt, der Stil passt zur Handlung, die Perspektive wechselt flott – man kommt sich vor wie in einem rasanten Action-Film.

Dabei bleibt der Autor nicht oberflächlich. Die einzelnen Figuren bieten unterschiedlichste Blicke auf die Szenerie. Ob das nun der Detektiv mit all seinen Problemen ist, ein Bundeswehrsoldat mit Migrationshintergrund oder eine Fahrradkurierin, die für Drogenhändler arbeitet, um ihrer Tochter zu helfen – sie alle tragen zu einem Mosaik bei, das ganz nebenbei das glaubhafte Bild einer nahen Zukunft vermittelt.

Der Klimawandel spielt im Hintergrund eine Rolle, die mediale Überflutung ebenfalls; dass man selbstverständlich Elektrofahrzeuge benutzt, erwähnt der Autor beiläufig. Endres vermeidet es aber,

ein komplettes Bild der nahen Zukunft zu präsentieren – was ich völlig in Ordnung finden. Man wird seinem Roman also nicht entnehmen können, wie sich die Lage im Nahen Osten, in der Ukraine oder in Zentralafrika entwickelt hat. Ebensowenig erfährt man über die Parteienlandschaft in Deutschland dieser nahen Zukunft oder technische Entwicklungen. Das sind alles nicht die Themen des Romans.

Christian Endres konzentriert sich in »Wolfszone« auf seinen eng begrenzten Schauplatz und die wichtigen Figuren, die er dafür aufbietet. Das gelingt ihm sehr gut. Dass er nebenbei literarische Anspielungen unterbringt – ein Wolf trägt den Namen »Winslos«, eine Anspielung auf Don Winslow, den Lieblingsschriftsteller des Autors – oder Bekannte aus seinem Umfeld andeutet, sehe ich als augenzwinkernde Ergänzung.

»Wolfszone« ist ein spannender Science-Fiction-Roman, der eine nahe Zukunft voller Verwicklungen präsentiert. Das Buch zog mich in seinen Bann und faszinierte mich; eine starke Lektüre!

Erschienen ist der Roman als Hardcover-Band – ohne Schutzumschlag – im Heyne-Verlag; er ist 510 Seiten stark und kostet 20,00 Euro (das E-Book gibt’s für 14,99 Euro). Mithilfe der ISBN 978-3-453-27471-6 kann man ihn in jeder Buchhandlung bestellen. Auf der Internet-Seite des Verlags steht unter anderem eine Leseprobe zur Verfügung.

(Diese Rezension erschien bereits im August auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN. Hier teile ich sie aus dokumentarischen Gründen.)

23 Oktober 2024

Hochzeit in einer Rentner-WG

Mit ihrem Roman »Glennkill« sorgte Leonie Swann für eine Überraschung. Der Roman um Schafe, die den Mord an ihrem Schäfer aufklärten, verkaufte sich weltweit und begeisterte Millionen von Leserinnen und Lesern. Seither hat die Autorin alle zwei bis drei Jahre einen neuen skurrilen Krimi veröffentlicht, zuletzt erschien »Tod in Mistletoe Manor«.

Dabei handelt es sich um den dritten Teil ihrer Trilogie um eine sogenannte Rentner-WG: Eine Gruppe starrsinniger Menschen, die alle schon älter sind als achtzig Jahre, wollen nicht in einem Altersheim versauern, gründen eine Wohngemeinschaft und werden in Mordfälle verwickelt. Der schräge Humor vor allem des ersten Bandes kam sehr gut an, also folgten die Fortsetzungen.

Seien wir ehrlich: Der aktuelle Roman ist sehr unterhaltsam, aber eigentlich unnötig. Der erste Roman um die Rentner-WG – »Mord in Sunset Hall« – war großartig, alle nachfolgenden Bände eben nur noch »gut bis sehr gut«. Ich habe mich prächtig unterhalten, aber die Begeisterung blieb aus.

Um was geht’s eigentlich? In der Rentner-WG steht eine Hochzeit an, eine der alten Damen will heiraten. Während alle dabei sind, sich auf das Fest vorzubereiten, treffen Drohbriefe ein. Als bei einem Vorbereitungstreffen ein Mord geschieht, muss dieser vertuscht werden.

Doch dann wird alles schlimmer, und es kommt zu einem weiteren Mord – wie soll man unter diesen Umständen fröhlich feiern, was für die Senioren ja ohnehin schon anstrengend genug ist?

Leonie Swann schafft es erneut, die schrägen Rentner sehr gut zu charakterisieren und durch eine turbulente Handlung zu scheuchen. Die Autorin weiß, wie man schreibt und wie man die Spannung hält. Rasch folgen die Szenen und Kapitel aufeinander, der Humor ist trocken und sarkastisch, die Dialoge fand ich streckenweise großartig.

Alles in allem ist der Abschlussband der Trilogie wieder gelungen. Wer die ersten zwei Romane um Sunset Hall kennt, wird sich dieses Paperback auch kaufen. Wer sie nicht kennt, braucht es allerdings wirklich nicht.

Aber wer »Glennkill« nicht kennt, hat eine echte Bildungslücke, die geschlossen werden sollte …

22 Oktober 2024

Großartiger Comic-Krimi

Eva Rojas ist eine junge Frau, die ziemlich genial ist und in ihrem Leben manche Dinge sehr unkonventionell anpackt: Sie raucht ununterbrochen, sie konsumiert Unmengen von Alkohol, sie hat Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern, und sie ist absolut eigensinnig. Als Psychiaterin könnte sie erfolgreich sein, doch leider hat sie ihre Zulassung verloren und benötigt nun selbst therapeutische Hilfe.

Mit einer knalligen Sitzung beim Psychiater – genauer gesagt auf dem Dach eines Hauses – beginnt der Comic »Ich bin ihr Schweigen« des spanischen Comic-Künstlers Jordi Lafèbre. Der Comic spielt in Barcelona, was sich eingangs klar erkennen lässt, später aber keine große Rolle mehr einnimmt. Und er ist sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch sehr gelungen.

Das liegt sicher an der Hauptfigur. Gegen ihren Willen wird Eva Rojas in einen familiären Konflikt hineingezogen. Eigentlich geht es nur um ein Weingut und um ein wichtiges Testament, das verlesen werden soll. Doch auf einmal liegt eine Leiche im Keller, und ausgerechnet Eva ist die Person, die sie findet. Und weil sie so unkonventionell vorgeht, verärgert sie die Polizei.

Seinen spannenden Krimi erzählt der Autor auf verschiedenen Zeitebenen und ziemlich witzig. So wird die ermittelnde Beamtin wegen ihrer angeblichen Ähnlichkeit zur deutschen Kanzlerin immer nur als »Merkel« bezeichnet, und die rotzigen Dialoge, die vor allem von Eva ausgehen, triefen von Sarkasmus und schwarzem Humor. Gleichzeitig wird klar, dass die junge Frau ein ernsthaftes psychisches Problem hat. Der Comic erzählt eine dramatische Geschichte, in der es um Geld und Einfluss, um alte Traditionen und die Rolle angeblich starker Männer geht.

Künstlerisch bewegt sich sein Stil zwischen ernsthaft und »funny«, weit entfernt von Knollennasen-Geschichten, aber ebenso weit weg vom realistisch anmutenden Stil klassischer Abenteuer-Comics und dem Gekrakel manch moderner Graphic Novels. Lafèbre versteht sein Handwerk und setzt vor allem seine Hauptfigur als schlanke, extrem coole Figur hervorragend in Szene. Die anderen Figuren wissen auch zu überzeugen, ebenso die Dekors sowie alle anderen Elemente. Das ist originell und erfrischend.

Mit »Ich bin ihr Schweigen« ist Jordi Lafèbre ein intelligenter Krimi gelungen, der geschickt mit den Erwartungen der Leserinnen und Leser spielt, der auch zwischen den Zeitebenen hin- und herspringt und der einem manches Rätsel aufgibt. Die Lösungen am Ende sind allesamt überraschend, und am Ende weiß man nicht, ob man sich noch einen Comic mit dieser ungewöhnlichen Hauptfigur wünschen soll oder nicht.

»Ich bin ihr Schweigen« ist bei Splitter als Hardcover-Album erschienen; das Hardcover umfasst 112 Seiten und kostet 25,00 Euro. Man kann es überall im Buch- und Comic-Fachhandel bestellen, die ISBN 978-3-98721-393-9 kann dabei hilfreich sein. 

(Die Rezension erschien bereits im August auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN. Hier teile ich sie aus dokumentarischen Gründen.)

Phantastische Comic-Adaption

Wenn eine Netflix-Serie erfolgreich ist, gibt es schnell einen Ableger. Das gilt umso mehr, wenn es sich um Zeichentrick handelt. Und so wurde aus der Serie »Der Prinz der Drachen« auch ein Comic für Kinder. Zum Gratis-Kids-Comics-Tag 2024 gab’s ein Sonderheft, und das habe ich endlich gelesen.

Für den Text zeichnet Peter Wartman verantwortlich, für die Bilder Xanthe Bouma. Richtig eigenständig kann die Geschichte allerdings nicht sein, weil sie ja auf der Zeichentrickserie beruht – ich kann das also nicht unbedingt kritisieren. Aber ich konnte weder mit den Bildern noch mit dem Text viel anfangen.

Drei jugendliche Helden erleben in einem Fantasy-Königreich allerlei Abenteuer. Es gibt seltsame Wesen und Magie, alle tragen merkwürdige Fantasy-Klamotten. Das alles finde ich relativ spannungsarm; ich bin aber nicht die Zielgruppe und kann nicht beurteilen, wie die Geschichte auf Kinder wirkt, die vor allem ja bereits die Netflix-Serie kennen.

Und die Zeichnungen? Die sind sehr flächig, orientieren sich in der Optik sichtlich an der Zeichentrickserie. Das ist sicher zielgruppengerecht; meinen Geschmack trifft es gar nicht. Aber mir muss ja nicht alles gefallen …

21 Oktober 2024

Dämonenrocker und Zeitprobleme

Bei Bastei-Lübbe sorgt die Marke »John Sinclair« für einen Erfolg nach dem anderen. Die Serie läuft seit Jahren als Heftroman, und die Hörbücher sind sogar für Leute spannend anzuhören, die sonst keinen Horror oder Grusel mögen.

Also dachte man sich wohl, man könnte den Erfolg mit »Professor Zamorra« wiederholen. Diese Serie bewegt sich seit Jahrzehnten zwischen Grusel und Fantasy, Science Fiction und dunkler Phantastik. Sie erscheint in Form von Heftromanen; leider ist die Zeit, in der es parallel noch Taschenbücher oder Hardcover-Bände gab, seit vielen Jahren vorüber.

Dafür gibt es seit dem vergangenen Jahr neue Hörspiele. Ich habe mir die ersten beiden angehört; man kann sie sich als CD oder bei den einschlägigen Download-Portalen kaufen. Es gibt sie zudem im Streaming.

Für die Bearbeitung alter Heftromane war Uwe Voehl zuständig, ein erfahrener Profi, der schon für viele Reihen und Serien tätig war – unter anderem für PERRY RHODAN NEO. Man entschied sich bei Lübbe-Audio offensichtlich dafür, vor allem die Horror-Elemente bei »Professor Zamorra« zu betonen. So wird der Professoren-Titel fast beiläufig fallengelassen, und Zamorra wird nicht als »Meister des Übersinnlichen« geführt. Mir scheint, als ob man vor allem auf die bisherigen »John Sinclair«-Fans zielt.

»Der Zeitenfluch«, das erste Hörspiel der neuen Reihe, basiert auf einem Roman des Bestsellerautors Wolfgang Hohlbein. Zamorra und seine Freundin werden eingeführt, ebenso das Schloss, in dem die beiden wohnen, und das französische Dorf in seiner näheren Umgebung. Ebenso wird recht schnell klar, dass allerlei Gegner auf die beiden warten. Unter anderem tauchen dämonische Rocker auf. Sogar die Zeit scheint verrückt zu spielen. Somit ergibt sich ein Mix aus Horror-Elementen – wenn etwa die Dämonen mit Motorrädern durch die Gegend fahren – und Science-Fiction-Teilen, wenn kurzerhand eine Zeitreise eingeschoben wird.

Einen ähnlichen Stil-Mix bietet auch das zweite Hörspiel. »Welt der Schatten« basiert auf einem Roman von Simon Borner. In Paris beginnt eine Bande von Zombies damit, ausgerechnet im Louvre und anderen bedeutenden Gebäuden harmlose Touristen zu fressen. Das ist nicht alles: Auf einer anderen Handlungsebene geht es um metaphysische Erscheinungen in Zamorras Schloss, wo gleich das ganze Multiversum bedroht ist. Wer mag, kann das als Science Fiction betrachten – es ist auf jeden Fall mehr als »nur Horror«.

Ich bin kein Freund übertriebener Grusel-Effekte, gestehe aber gern ein, dass sie bei diesen zwei Hörspielen sehr effektvoll eingesetzt worden sind. Die Action wird knallig serviert, die Geräusche sind entsprechend. Wenn Zombies einen Menschen angreifen, ist das nicht gerade zurückhaltend, und wenn Dämonen eine Straße unsicher machen, gehen sie ebenfalls nicht dezent vor. Blut spritzt, Knochen brechen, Menschen schreien – das ganze Programm von Angst und Schrecken wird im Hörspiel aufgeboten. Damit muss man als Hörerin oder Hörer klarkommen ...

Auch die Dialoge sind knallig. Die Figuren reden Klartext, vor allem die Bösewichte benutzen derbe Begriffe – aber das alles treibt die Geschichte rasant voran. Uwe Voehl hat die Szenen gut platziert, und wenn man die »Zamorra«-Welt akzeptiert, bilden die Figuren und die Dialoge eine gelungene Ergänzung.

Wer feinfühlige Geschichten mag oder gerne sanften Grusel der altmodischen Art, ist hier nicht gut beraten. Zumindest die ersten beiden Hörspiele sind derbe Schocker-Geschichten.

Aber seien wir fair: Wer Horror der eher groben Art mag, wer vor allem auf ein spannendes Hörspiel Wert legt, der kann mit den neuen »Zamorra«-Hörspielen sicher etwas anfangen. Ich schlage vor, die entsprechenden Hörproben zu testen, die man im Internet findet …

Die beiden CDs, die ich gehört habe, erhält man im Buch- und Musikfachhandel. Für die CD-Publikationen werden üblicherweise 9,99 Euro verlangt.

(Diese Rezension erschien bereits im Juli auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN. An dieser Stelle teile ich sie aus dokumentarischen Gründen.)

17 Oktober 2024

Klare Parteifronten

Als ich heute morgen aus Karlsruhe hinausfuhr, sah ich ein Plaket am Straßenrand; es sah neu aus, und ich hatte gleich das Gefühl, wir hätten schon wieder Wahlkampf. »Illegale Migration stoppen!«, schrie es mir entgegen.

Kurz überlegte ich mir, von welcher Partei es denn sein könnte. Hatten die CDU, die SPD oder die Grünen endlich ihre aktuelle Politik in ein knappes Plakat verwandelt? Aber nein – es war ein Plakat der AfD, schon klar, und es überraschte mich nicht: Es machte wohl auf eine Veranstaltung aufmerksam.

Beruhigt fuhr ich weiter. Es ist schon gut, dass solche plakativen Aussagen nur von den Nazis und Faschisten kommen, dachte ich. Die demokratischen Parteien würden sich ja in ihren Aussagen nie auf ein solches Niveau herabbewegen. 

Wir lebten schließlich in einer Welt, in der man die Faschisten und die Demokraten klar unterscheiden konnte: in ihrem Tun und Handeln, aber auch in ihrer Wortwahl. Solche stumpfen Aussagen würden einem Politiker der seriösen Parteien doch nicht über den Mund kommen!

Ich suhlte mich in dem Gefühl, dass das bei uns im Land so sauber geregelt war. Gelassen sah ich der Gruppe von Schweinen zu, die gemütlich über die Felder hinwegflogen. Alles war gut, alles war klar und sauber.

Eine Liebeserklärung an die Literatur

Es ist schon einige Zeit her, seit Nina George mit »Das Lavendelzimmer« einen echten Weltbestseller schrieb, ein Buch also, das in verschiedene Sprachen übersetzt wurde und seine Fans in vielen Ländern fand. Sie veröffentlichte in den vergangenen Jahren weitere Romane, engagierte sich im Schriftstellerverband und für verfolgte Autoren – seit dem Frühjahr 2023 liegt mit »Das Bücherschiff des Monsieur Perdu« eine Fortsetzung vor.

Fortsetzung heißt in diesem Fall: Man versteht den Roman ohne Vorkenntnisse. Es ist eine eigenständige Geschichte, in der allerdings teilweise dieselben Personen vorkommen. Sie beginnt im südlichen Frankreich, wohin sich der Buchhändler Jean Perdu zurückgezogen hat.

Nina George schildert sein ruhiges und gelassenes Leben und wie es langsam wieder in Bewegung kommt. Er beschließt, wieder Literatur unter die Menschen bringen zu wollen …

Mit einem Schiff tritt der Buchhändler seine Reise über die Kanäle von Frankreich an. Mit sich bringt er nicht nur Leidenschaft für Literatur und ein kuratiertes Angebot lesenswerter Bücher, sondern auch eine Reihe von Menschen, die sich an Bord einfinden, verlieben und streiten, trennen und wieder weiterreisen. Es handelt sich um die unterschiedlichsten Charaktere, jede Person mit ihren eigenen Zielen, Sorgen und Nöten, und gleichzeitig allesamt liebenswert.

Und während sich das Abenteuer von Liebe und Leidenschaft auf einem langsam fahrenden Schiff verwirklicht, erkennt der Buchhändler den Sinn seines Lebens. Monsieur Perdu kann nicht ohne die Literatur leben, er benötigt sie, und sein Ziel ist, andere Menschen für Bücher zu begeistern. Das gelingt mitunter nicht sofort, aber er gibt nicht so schnell auf.

Ich brauchte ein bisschen, bis ich mich in das Buch einfinden konnte. Die Sicht von Monsieur Perdu auf die Welt, die schwärmerische Beschreibung des südlichen Frankreichs und die vielen Figuren – das war für mich stilistisches Neuland. Aber je länger ich las, desto klarer wurden mir die Figuren, und desto gelungener fand ich das Buch. Und während ich gewissermaßen mit dem Bücherschiff durch Frankreich reiste, wurden mir die Figuren immer sympathischer, und ich nahm sie intensiver wahr.

Tatsächlich ist »Das Bücherschiff des Monsieur Perdu« eine Liebeserklärung an die Literatur. Bücher können verzaubern und faszinieren, und das zeigt Nina George in immer wieder neuen Szenen. Menschen verlieben sich in Bücher – und in andere Menschen natürlich –, weil sie in ihnen etwas auslösen. Dabei geht es nicht um Hochliteratur, gelesen wird in Monsieur Perdus Bücherschiff letztlich alles.

Den Schluss des Romans bildet ein Happy-End, bei dem sich alles zum Guten fügt. Schmunzeln musste ich, als sich Nina George selbst und ihren Mann als Nebenfiguren in das Schlusskapitel hineinschrieb. Dieser augenzwinkernde Humor bildet einen speziellen Abschluss für einen insgesamt sehr gelungenen Roman.

»Das Bücherschiff des Monsieur Perdu« ist Literaturliteratur, wenn man so will, ein Roman über Literatur und was sie bewirken kann. Der Roman will nicht belehren, sondern die Begeisterung für gute Romane mit anderen Menschen teilen. Deshalb gibt es auch immer wieder »Die Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle – das Handbuch für Literarische Pharmazeut:innen«: Das sind kurze, durchaus augenzwinkernde Passagen, die den Roman quasi auflockern. Sehr hübsch!

Ein wunderbares Buch, das ich sehr gern gelesen habe und das ich seitdem überall empfehle. Auch für Menschen gut geeignet, die sonst vor allem Genres wie Science Fiction, Fantasy oder Krimis mögen …

Erschienen ist der Roman als Hardcover mit Schutzumschlag. Das Buch ist 384 Seiten stark und kostet 21,00 Euro. Man kann es in allen Buchhandlungen bestellen; die ISBN 978-3-426-65407-1 ist dabei unter Umständen hilfreich. Das E-Book gibt es für 14,99 Euro.

Eine Hörbuch-Ausgabe bietet der Argon-Verlag an, sie wurde von Philipp Schepmann eingelesen; für die CD-Version wird ein Preis von 25,00 Euro empfohlen. Zur Qualität kann ich allerdings nichts sagen.