Im August 1995 war ich bei den Chaostagen in Hannover. Weil mich interessierte, wie die Rezeption nach über dreißig Jahren ist, habe ich in den vergangenen Tagen auf der einen oder anderen Seite recherchiert. Und mir fiel auf: Wer den Begriff Chaostage im Netz sucht, stößt vor allem auf die Darstellung der Polizei und der braven Presseleute von Hannover.
Anders gesagt: Es wird die gleiche Ansammlung von Lügen und Falschaussagen präsentiert wie damals.
Mein Lieblingsbeispiel sind die Zahlen: Wenn angeblich 1500 Punks ein Wochenende lang randalierte, wie sollte das funktionieren, wenn mehr als 1800 von ihnen eingesperrt wurden? Und wieso war die Polizei »überfordert«, wo die Veranstaltung doch ein Jahr im Voraus angekündigt wurde? Wieso wurde die Polizei mit mehreren tausend Beamten nicht einer Gruppe von angeblich 1500 Punks nicht Herr? Haben Journalisten keinen Taschenrechner, dass ihnen solche Missverhältnisse in der Darstellung nicht auffallen.
Die Geschichte wird oft von den Siegern geschrieben. Sie wird zumindest von denen geschrieben, die die größten Ressourcen haben. Das darf mich nicht überraschen, es ärgert mich aber. Die Lügenberichte von damals sind immer noch in den Medien, die Polizei erzählt nach wie vor den gleichen Unfug.
Mir ist klar, dass meine Sicht der Dinge nicht objektiv ist. Wie auch? Ich war nicht nur Zeuge, ich war an jenem verlängerten Wochenende mittendrin. Da kann nur eine subjektive Sichtweise herauskommen.
In den kommenden Wochen und Monaten werde ich immer mal wieder auf das Thema eingehen. An vielen Szenen jenes langen Wochenendes in Hannover erinnere ich mich schließlich noch gut genug: wie die Polizei die Straßenschlacht provozierte, wie Journalisten völlig übertriebene Berichte veröffentlichten, wie alle möglichen Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden und wenn die Menschen, um die es bei den »Maßnahmen« ging, bunte Haare hatten.
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