Es beginnt mit dem Absturz eines Flugzeugs im Jura: Alle Passagiere kommen bei dem Unglück ums Leben, nur ein Säugling überlebt. Doch niemand weiß, wie das Kind heißt und wer seine Familie ist. Es melden sich zwei ältere Ehepaare, die sich als die Großeltern ausgeben: eine reiche Industriellenfamilie und ein Paar, das einen Imbisswagen betreut. Ein Rechtsanwalt wird auf die Spur des Geheimnisses angesetzt – er soll die wahre Identität des Kindes herausfinden ...
Das ist der Anfang des Comics »Das Mädchen mit den blauen Augen«. Dabei handelt es sich um die Umsetzung eines Romans des französischen Schriftstellers Michel Bussi, der auch verfilmt wurde. Ich kenne weder den Film noch den Originalroman, kann hier also keine Bezüge herstellen. Der Comic an sich ist ausdrucksstark genug und steht hervorragend für sich selbst. Mich hat er während der Lektüre sehr fasziniert.
Der Comic-Autor Fred Duval nahm sich des Romans an. Mit starken Dialogen und einer nachvollziehbaren Handlung gelingt es ihm, eine Geschichte zu entwickeln, die den Regeln eines klassischen Krimis folgt – mit allen falschen Spuren, mit den Verdächtigungen und allerlei unterschiedlichen Blickwinkeln –, aber auf die Erfordernisse eines Comics ausgerichtet ist. Man hat keinen Raum, seitenlange Beschreibungen zu liefern, sondern muss in der Lage sein, durch Bilder alle Stimmungen und Eindrücke zu vermitteln.
Das gelingt hervorragend, und das wird durch die Grafik im richtigen Maß umgesetzt. Nicolai Pinheiro hat einen realistischen Stil, der aber immer ein wenig zurückhaltend wirkt. Das passt zu der Geschichte, in der es nicht um Action geht, sondern um Gespräche und langwierige Ermittlungen. Der Zeichner setzt die Figuren so in Szene, dass man ihren Beweggründen jederzeit folgen kann und anhand des Gesichtsausdrucks die Emotionen erkennt.
Sowohl der Zeichner als auch der Autor schaffen es auf diese Weise, aus einem Kriminalroman einen Comic zu machen, der gesellschaftliche Widersprüche aufgreift – hier eine Familie von Industriellen, dort die Besitzer eines Imbisswagens – , aber stets auf einen erhobenen Zeigefinger oder moralische Hinweise verzichtet. Die Geschichte steht für sich, die Figuren verhalten sich ihren Rollen entsprechend, und als Leser wird man fast schon automatisch gezwungen, Stellung für die eine oder andere Seite zu ergreifen.
»Das Mädchen mit den blauen Augen« ist ein gelungener Krimi-Comic, meinetwegen auch eine Graphic Novel, der vor allem jene Leser packen dürfte, die ein Faible für Krimis und Thriller haben. Die vielschichtige Geschichte hat einiges an Tiefe zu bieten und unterhält auf ansprechendem Niveau. Sehr gelungen!
Erschienen ist der Comic-Band als Hardcover im Splitter-Verlag. Er ist 176 Seiten stark und kostet 35,00 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-96792-299-8 kann man ihn überall im Buch- und Comicfachhandel bestellen.
(Diese Rezension erschien vor drei Wochen auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie. Hier zur Dokumentation auch wiederholt.)
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