Wir rollten durch das Jura-Gebirge, der Bus röchelte gleichmäßig vor sich hin, bei einem durchschnittlichen Tempo von 80 bis 90 Stundenkilometern. Ich saß am Fenster und blickte hinaus. Schneebedeckte Wiesen flogen vor meinem Auge vorbei, Sträucher voller Schnee. Einige Vögel saßen auf dürren Ästen. Kleine Wälder bedeckten die Hügel in der Nähe. Ich kam mir vor wie auf der Schwäbischen Alb.
Robert setzte sich zu mir an den Tisch an, den wir in den Bus montiert hatten Er grinste und fischte Tabak und Papier aus der Tasche. »Magst du mitrauchen?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Zu früh.« Ich wollte die Landschaft mit klaren Sinnen genießen und mich stärker auf die Reise einstimmen.
»Das sieht nicht nach Afrika aus, was?« Er zeigte auf ein Bauernhaus, das sich wie ein schwarzer Schatten aus der weißen Landschaft erhob, wie eine zerrupfte Raumstation auf einer fremden Welt.
»Nein«, sagte ich. »Überhaupt nicht.«
Pferde standen auf einer Koppel, ein Misthaufen dampfte. Wir waren an Lons-le-Saunier vorbei, aber mehr wusste ich nicht; ich hätte eine Landkarte zücken müssen, um mehr zu erfahren. Es war der zweite Tag unserer Reise, in deren Verlauf wir einen alten Reisebus nach Afrika bringen und dort verkaufen wollten. Und der Dezember 1987 fühlte sich kalt an, wie sich das für einen Dezember im Bergland gehörte.
Routiniert drehte Robert seinen Joint und zündete ihn an. Genussvoll rauchte er, die Wolke waberte durch das Innere des Busses. Aus den Lautsprechern des Busses drang »My Life In The Bush Of Ghosts«, die geniale Platte von Brian Eno und David Byrne.
»Übertreibt's nicht da hinten!«, rief Micha von vorne. »Wir müssen beim Fahren fit bleiben.« Er saß am Steuer, Rainer neben sich. Micha war der Mann, der alles organisierte, und ich war der Mann, dem der Bus offiziell gehörte. So war alles klar aufgeteilt.
»Keine Sorge.« Robert winkte lachend ab. »Wir wollen lebend das Mittelmeer erreichen.«
Ich nickte nur. Das Mittelmeer war unser Zwischenziel, die Sahelzone das Ende der Reise. Bis dahin hatten wir noch einige tausend Kilometer vor uns.
»Nicht das Ziel ist wichtig, sondern der Weg dahin«, zitierte Robert. Es war ein Satz, den Micha oft genug von sich gab. »Auch wenn das hier gerade nicht nach Afrika oder Südfrankreich aussieht.«
»Echt nicht.« Ich sah wieder zum Fenster hinaus.
Ein Bauer rollte auf seinem Traktor über einen verschlammten Feldweg. Die Abgase seines Diesels standen in der Luft, als seien die feinen Partikel allesamt erfroren und kristallisiert. Die Temperaturen waren einige Grad unter Null. Ich fröstelte auf einmal.
»Robert.« Ich stieß mein Gegenüber an. »Wir müssen den Joint schneller wegmachen, dann ist es für unsere Fahrer einfacher. Gib schon her!«
Dann saßen wir da, rauchte abwechselnd und sahen zum Fenster hinaus, während eine weiße Landschaft, in sich erstarrt, vor unseren Augen dahinrollte. Afrika war weit, aber das Ziel war klar. Ich konnte es kaum erwarten.
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