Der Autor P. C. Ettighoffer war mir nicht einmal vom Namen her bekannt. Dabei ist er ein Klassiker der deutschen Literatur – allerdings einer, der seine Erfolge vor allem in den dreißiger und vierziger Jahren feierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste er nur noch wenige Romane. Ich las »Mein amerikanischer Bruder«, sein letztes Werk. Es wurde 1963 veröffentlicht, in dem Jahr, in dem ich geboren wurde.
Der Roman erzählt von einem deutschen Geschäftsmann, Jahrgang 1922, der in den frühen 60er-Jahren einen Autounfall erleidet. In der Folge werden Erinnerungen in ihm wach – grob vereinfacht –, und er fährt nach Frankreich, wo er 1944/45 als Soldat gegen die amerikanischen Truppen gekämpft hat.
In Le Mans trifft er auf eine junge, attraktive Frau, die in ihm »Jim« erkennt, einen amerikanischen Soldaten, in den sie in dieser Zeit verliebt war, von dem sie auch ein Kind bekommen hat und er sich über all diese Jahre hinweg nicht mehr gemeldet hat. Die beiden verlieben sich ineinander. Doch der deutsche Unternehmer hat immer ein schlechtes Gefühl bei der Angelegenheit, weil er glaubt, die Identität eines anderen quasi gestohlen zu haben.
In der Folge gibt es eine Reise nach Namibia – damals noch Südwest-Afrika –, wo er einen alten Mann trifft. Und es gibt eine Reise in die Vergangenheit gedanklicher Art, bei der sich der Deutsche an die Kämpfe gegen die Amerikaner im Hürtgenwald zu Beginn des Jahres 1945 erinnert. Es schließen sich quasi über Zeit und Raum hinweg die Kreise.
Tatsächlich ist die Geschichte ausgesprochen spannend, und man will bis zum Ende wissen, wie sie ausgeht. Der Roman ist gut aufgebaut, er hat leicht esoterische Züge, was nicht zu sehr stört, aber die letzte Seite hätte das Lektorat streichen müssen. Aber gut … schon passiert.
Stilistisch merkt man dem Werk an, dass der Autor vor allem zwischen den Kriegen populär war. Der Stil ist manchmal schwärmerisch, es werden viele Gedankenstriche benutzt. Die Dialoge sind immer klar, die Beschreibungen knapp und gelungen. Da kann man nicht meckern.
Unter weltanschaulichen Gesichtspunkten hält sich das Buch weitestgehend zurück. Ettighoffer war ein eher reaktionärer Schriftsteller: ein Elsässer, der nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er für Deutschland gekämpft hatte, nach Deutschland zog und dort für die Rechten ein erfolgreicher Autor wurde. In seinen Büchern schrieb er unter anderem über den Ersten Weltkrieg, er wurde als »Anti-Remarque« bekannt.
In »Mein amerikanischer Bruder« hält er sich weitestgehend zurück. Der Krieg wird als etwas angesehen, das schrecklich ist und das von Mächtigen betrieben wird. Franzosen und Amerikaner sehen in den Deutschen eher ehrenhafte Kriegsgegner; sogar ein französischer Kellner, der fünf Jahre lang in deutschen Lagern war, verhält sich aufgeschlossen ihm gegenüber. Zwischendurch wird von der Gefahr durch die »gelbe Rasse« gefaselt – aber damit bleibt der Roman im Rahmen des damals Üblichen.
Insgesamt ist »Mein amerikanischer Bruder« ein durchaus unterhaltsamer Roman, der zu Recht in Vergessenheit geraten ist. Ich habe ihn mit Interesse gelesen und mich bei der Lektüre nicht gelangweilt; aus den 60er-Jahren gibt es allerdings mehr an Literatur zu entdecken als diesen Roman …
1 Kommentar:
Die Wikipedia liefert zu P. C. Ettighoffer einen lesenswerten Artikel, der auch die politischen Hintergründe beleuchtet. Hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Coelestin_Ettighoffer
Skurril: Auf dem Umschlag des Romans »Mein amerikanischer Bruder« wird die Hauptfigur als Julius Brent bezeichnet. Im Roman heißt er durchgehend Jürgen Brendt. Da war der Klappentextautor entweder schlecht informiert oder recherchierte schlampig. Und das war 1963 …
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