Gestern morgen im Autoradio: »Wir sitzen alle in einem Boot«, sagt ein Politiker der CDU, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe. Er hat nicht unrecht: Die aktuellen Krisen betreffen alle Menschen in diesem Land. Immerhin nimmt man in diesen Kreisen noch nicht den Begriff Schicksalsgemeinschaft in den Mund, so viel Instinkt besitzt man noch.
Nur verheimlicht der gute Mann das, was immer gern ignoriert wird: So ein Boot hat, wenn man bei dieser Metapher bleiben möchte, verschiedene Decks. Es gibt Leute, die sitzen auf dem Sonnendeck. Ihnen werden gekühlte Getränke gebracht, man fächelt ihnen frische Luft zu, sie genießen den Aufenthalt an der frischen Luft.
Im Maschinenraum und in den Bereichen für das Service-Personal wird geschuftet, damit der Laden läuft oder – um bei dem Bild zu bleiben – das Schiff seine Fahrt beibehält. (Ich nehme an, dass ich meine Position irgendwo in dieser Gegend habe.)
Und in den unteren Etagen, pardon: Decks, da vegetiert das einfache Volk vor sich hin. Wenn seine Angehörigen Glück haben, erhaschen sie ab und zu mal bei einem Blick nach oben ein Stück blauen Himmels. Und sie freuen sich darüber, wenn Krümel vom Sonnendeck nach unten fallen.
Metaphern hinken oft, um noch ein schlechtes Wort-Bild-Beispiel nachzuschieben. Sie wirken aber besonders widerlich, wenn sie von einem Politiker kommen, der eigentlich den Auftrag hat, sich für alle Teile der Bevölkerung einzusetzen.
1 Kommentar:
Du bist einer der wirklch fleißigsten Tagebuchschreiber die ich kenne. Zum "im Boot sitzen" hier eine Empfehlung. Erich Mühsam schrieb, noch in Haft, im Jahre 1924 das Gedicht: "Dampfer Deutschland in Not" - es paßt auf die heutige Zeit. Bitte lesen!
Grüße aus Salzburg
Dieter Braeg
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