Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Es war eine der Fahrten, die ich von Mal zu Mal weniger mochte: Jugendliche aus unserer Kirchengemeinde saßen in einem Auto, das von einem Priester gefahren wurde, und wir waren unterwegs zu einem Jugendtreffen. Ich war vierzehn Jahre alt, hatte den Kopf schon voller pubertärer Gedanken und verlor immer mehr das Interesse an der Religionsgemeinschaft, in die ich hineingeboren worden war. Aber noch fuhr ich zu den Veranstaltungen der Kirche mit, noch war ich nicht so weit, dass ich alles ablehnte und allem fernblieb.
An diesem Abend fuhren wir mit einem der älteren Priester unserer christlichen Gemeinde. Ich mochte den Mann nicht, weil er immer so streng war und von den »alten Zeiten« redete. Ob er ein Alt-Nazi war, hätte ich nicht zu sagen gewusst; solche Dinge wurden nicht thematisiert.
Aber wir fuhren in seinem Auto, er fuhr schnell über die schmalen Straßen zwischen Dietersweiler und Dornhan. Wir waren aus einem Grund, den ich nicht nachvollziehen konnte, weg von »Gottes Werk« und hin zur aktuellen Politik gekommen. Er regte sich laut über die Politiker auf, die so schwach seien, die alles verlabern und nichts entscheiden würden.
Früher sei doch alles viel besser gewesen. Da habe noch Zucht und Ordnung geherrscht. Vielleicht müsse doch »wieder ein neuer Hitler her«.
Vom Rücksitz aus wagte ich einen leisen Einwand. »Aber der Hitler hat doch den Zweiten Weltkrieg angefangen und die Juden umbringen lassen.«
Da polterte der Priester los: »Das war wirklich nicht richtig, was man mit den Juden gemacht hat. Die hätte man nicht alle umbringen müssen, man hätte doch genügend Arbeit für die gefunden.«
Niemand widersprach ihm. Weder der junge Diakon auf dem Beifahrersitz noch die zwei Jugendlichen, die mit mir auf dem Rücksitz saßen und schon gar nicht ich. Wir schrieben Mitte der 70er-Jahre, und da wusste ich als Jugendlicher einfach noch, wann ich die Klappe zu halten hatte.
Das Thema wurde in Gegenwart des alten Priesters nie wieder angeschnitten.
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