26 Mai 2020

Soziale Unruhen im Wilden Westen

Dass ich die Westernserie »Durango« sehr schätze, habe ich schon mehrfach erzählt. Yves Swolfs setzt seine Comics in eine Zeit, die von den meisten Romanen und Filmen des Genres schon nicht mehr erfasst wird: ans Ende des 19. sowie an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Sein einsamer Held, der quer durchs Land reitet und sich und seine Waffe vermietet, weiß also, dass seine Zeit langsam abläuft.

Dafür verändern sich die Konflikte. Sie werden sozialer, haben nichts mehr mit dem klassischen Western zu tun. Einen Revolverhelden können die Mächtigen des Landes also benötigen, sie setzen ihn aber anders ein als dreißig oder vierzig Jahre zuvor.

Das zeigt sehr schön der vierte Band der Gesamtausgabe, den ich dieser Tage gelesen habe. Leider kann man aus dem Band nicht erkennen, von wann die Geschichten genau sind; ich vermute aber, dass der Künstler hier bereits in den 90er-Jahren angekommen ist. Am Zynismus vieler Figuren und an der knalligen Action ändert das nichts.

»Die Beute der Schakale« ist die erste Geschichte, sie spielt im Grenzgebiet zu Mexiko. Eine junge Indianerin wird verschleppt, sie soll als Prostituierte in einem Bordell arbeiten. Der immer wieder überraschend moralische Killer hilft den Indianern und engagiert sich gegen die sogenannten braven Bürger.

Es folgt ein Zweiteiler, der in den Bergbauregionen von Colorado spielt. In »Colorado« wird eine Minenstadt eingeführt, beherrscht von einem mächtigen Mann und seinen schießwütigen Helfershelfern, während die Arbeiter und ihre Familien im nackten Elend leben müssen.

Die direkte Fortsetzung heißt »Die Erbin« und zeigt, wie soziale Unruhen in einem Gemetzel enden. Die Polizei versucht sich einzumischen, ein Gewerkschaftler tritt auf den Plan, ein massiver Konflikt bricht aus. Und natürlich gibt es wieder viele Tote.

Erneut sind die Geschichten sehr spannend erzählt, erneut sind die Zeichnungen hervorragend. Auch wenn man weiß, dass der sogenannte Wilde Westen nicht so war, wie er dargestellt wird, schafft es Swolfs, ein Bild zu vermitteln, das man ansonsten von knalligen Westernfilmen her kennt.

Die Verbindung zu politisch-gesellschaftlichen Themen, die im Western meist nur angedeutet werden, ist hier glasklar. Auch das macht die 144 Seiten des tollen Hardcover-Bandes zu einer packenden Lektüre. Nicht nur für Western-Fans!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Eine schöne Leseprobe zum vierten Band der »Durango«-Gesamtausgabe steht auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages zur Verfügung. Hier:

https://www.splitter-verlag.de/durango-gesamtausgabe-4.html