18 Mai 2020

Von Urban Fantasy zu Höllen-Horror

Es ist einige Jahre her, seit ich den ersten Roman der »Bobby Dollar«-Trilogie durchschmökerte. Dieser Tage kramte ich endlich den zweiten Teil aus dem »ungelesen«-Stapel heraus – in dem das Buch unter anderem lag, weil ich das Cover so dämlich finde – und fing ihn an, war dann sehr gefesselt und brachte ihn in flottem Tempo zum Ende.

Die Rede ist von »Happy Hour in der Hölle«, in dem es zeitweise sehr brutal zugeht, den ich deshalb zeitweise unterbrach, den ich aber dann doch mit viel Spannung zu Ende brachte. (Ich werde mir jetzt wohl den dritten Teil der Trilogie kaufen müssen.)

Doch erst einmal der Reihe nach: Worum geht es denn eigentlich?

Die Trilogie geht von der Prämisse aus, dass es Engel und Dämonen, Himmel und Hölle gibt, das komplette Kriegspotenzial aus der Bibel also. Beide Mächte führen einen erbitterten Krieg, und sie wirken mit ihren Agenten auf der Erde, wo sie versuchen, die Seelen der Verstorbenen für sich zu gewinnen.

Einer der Engel, die auf der Erde tätig sind, ist Doloriel. Man kennt ihn in seinem persönlichen Umfeld nur als Bobby Dollar. Er hat eine große Klappe, treibt sich gerne in Bars herum und hat ständig Ärger mit seinen Vorgesetzten in den himmlischen Höhen.

Vor allem im ersten Band der Trilogie liest sich das großartig. Man kann »Die dunklen Gassen des Himmels« als Urban Fantasy bezeichnen, weil der Roman zu größten Teil auf der Erde spielt. Die Figuren unterhalten sich in einem lockeren Slang, Bobby Dollar klopft ständig Sprüche – das ist alles in allem ein unterhaltsames und zumeist lockeres Garn.

Ganz anders dann »Happy Hour in der Hölle«: Wie der Titel nahelegt, verschlägt es Bobby Dollar in die Hölle (ohne dass ich das im Detail erläutern möchte). Er muss sich durch grauenvolle Städte schlagen, kämpft mit monströsen Wesen, wird gefoltert und gequält. Streckenweise liest sich das Ganze wie ein Horror-Roman mit ausschweifenden Beschreibungen.

Aber man muss klar sagen: An phantastischen Szenen mangelt es dem Buch nicht. Die Welt der Dämonen und Höllenwesen, der Gequälten und Verbannten – das malt der Autor in grausigen Bildern. Er zeigt diese Horror-Welt ideenreich und »bunt«, mit all ihren Facetten und kulturellen Details. Das ist eigentlich richtig toll gemacht und spricht für den Autor.

Auf der anderen Seite macht es irgendwann echt keinen Spaß mehr. Eine Quälerei folgt auf die andere, ein Dämon ist fieser als der andere, es gibt keine Hoffnung, und überall stößt Bobby Dollar auf Menschen, die seit Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten unaufhörlich gefoltert werden (in der Hölle stirbt man ja nicht, sondern man regeneriert sich, um dann weiter gemartert zu werden). Das ist dann eigentlich finsterster Horror und keine Sekunde lang auch nur ansatzweise witzig. Trotz aller lockeren Sprüche des Helden …

Hm. Es sind 565 Seiten, und sie haben es in sich. Das Buch ist unterhaltsam und auch spannend. Es hätte nicht geschadet, wenn es 100 oder 150 Seiten kürzer gewesen wäre – irgendwann hat man es ja kapiert, dass Dämonen böse sind und die Hölle ein schrecklicher Ort ist –, aber man langweilt sich bei der Lektüre nicht.

Nur: Braucht das jemand?

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer weitere Informationen zu »Happy Hour in der Hölle« haben möchte, checke bitte die Internet-Seite von Klett-Cotta; dort gibt es auch eine Leseprobe:
https://www.klett-cotta.de/buch/Tad_Williams/Happy_Hour_in_der_Hoelle/48894