01 Februar 2017

Dreißig Jahre Kassierer

Ich kann nicht sagen, wie oft ich Die Kassierer live gesehen habe. Es war stets ein Erlebnis, irgendwo zwischen klassischem Punk und schrägem Musik-Kabarett. Gelegentlich hatte ich die Gelegenheit, mit dem Sänger und den Musikern zu sprechen – sie erwiesen sich stets als kluge Menschen, die sich auf der Bühne eben in »etwas anderes« verwandelten.

Es gibt Leute, die können mit den Kassierern nichts anfangen. Das ist angesichts mancher Texte durchaus nachvollziehbar. Die Band kämpft seit Jahren mit dem Ruf, sexistisch zu sein oder eben nur Lieder über Sex zu singen. Dieses Image ist gewollt, manche Texte sind zudem recht daneben oder zumindest grenzwertig. Allen aber ist gemein, dass sie – wenngleich sie auf den ersten Blick sexistisch klingen mögen – so überzogen und überdreht sind, dass man sie nicht ernst nehmen kann.

Wer das alles nur vom Hörensagen kennt, hat jetzt eine gute Gelegenheit, die Band kennenzulernen. Bei Teenage Rebel Records ist eine Platte mit dem schönen Titel »haptisch« erschienen. Der Untertitel macht es klarer: »ihre besten Aufnahmen aus 30 Jahren«; zudem sind alle neu gemastert. Insgesamt sind 31 Stücke enthalten, die eine sehr bunte Mischung aus Texten und Musik ergeben.

Damit ist die Platte auch schon gut umschrieben. Die Band wird hervorragend präsentiert, da gibt es nichts zu meckern.

Musikalisch gibt es nicht nur rumpeligen Punkrock; nein, die Band spielt auch mal mit Funk (in »Vegane Pampe«), erlaubt sich Ausflüge in den Swing (in »Mit nem Zeppelin ins Jenseits«) oder plündert gnadenlos Volksmusik-Arsenale. Stilistische Grenzen gibt es für diese Band keine, und man schreckt vor keinem Ausflug in irrwitzige Gefilde zurück.

Und textlich? Klar geht es oft um Geschlechtsteile und wie man sie benutzt, oftmals gibt es Zoten, etwa in der »Stinkmösenpolka«. Wer das blöd oder sexistisch findet, ist hier sofort raus. Das muss ich auch klar akzeptieren. Dass die Kassierer andere Texte haben und beispielsweise durch ihre Interpretation von Georg-Kreisler-Stücken zeigen, dass sie auch »anders« können, wird oftmals ignoriert.

Seien wir ehrlich: Die Platte ist für viele Leute nichts. Wer eine erstaunliche Punk-Band kennenlernen möchte, sollte hier unbedingt zugreifen. Die Kassierer sind außergewöhnlich und nicht jedermanns Geschmack. Aber das wollen sie ja auch nicht sein.

2 Kommentare:

Enpunkt hat gesagt…

Zu den Kassierern gibt es haufenweise Live-Auftritte bei Facebook. Hier »Meine Freiheit« als Lyrik-unterlegtes Stück:
https://www.youtube.com/watch?v=CEJ7NxHpkS0

Wer umfangreiche Informationen zu den Kassierern haben möchte, schaue auf ihrer Internet-Seite:
http://www.kassierer.com/

Christina hat gesagt…

Durch Zufall bin ich gestern auf eine phantastische Kurzgeschichte von Matthias Schamp über »Die Kassierer« gestoßen. Sie heißt »Ausziehen kann sich jeder« und beginnt mit dem Satz:

»Es kommt nicht jeden Tag vor, dass direkt neben einem ein Raumschiff in ein Rosenbeet knallt.«

Aus der Kurzgeschichtensammlung »Punk Stories« erschienen 2011 bei Langen-Müller, div. Autoren.
ISBN: 978-3784432588