13 September 2024

Henry Kuttner als Schwerpunkt

Seit vielen Jahren lese ich die »Blätter für Volksliteratur«, die wie ein Fanzine aussehen, aber eigentlich in ein Regal mit »Fachliteratur zu literarischen Phänomenen« gehören. Die Ausgabe 1/2024, die bereits vor mehreren Monaten erschienen ist, bildet hierfür ein typisches Beispiel.

Im einleitenden Artikel geht es um die klassische »Tom Shark«-Serie. Ich kenne sie natürlich vom Titel her, habe aber nie einen dieser Romane gelesen. Zwischen den zwei Weltkriegen gehörte sie zu den populärsten Serien im deutschsprachigen Raum, und es gibt immer noch Details zu den Autorinnen und Autoren, die entdeckt werden. Solche Themen mag ich, wenngleich es Randgebiete sind.

Für mich als Science-Fiction-Fan war der umfangreiche Beitrag über Henry Kuttner besonders interessant. Der Autor veröffentlicht in den 30er- und 40er-Jahren zahlreiche Klassiker der phantastischen Literatur, ist hierzulande aber immer im Schatten geblieben. Nur wenig aus seinem umfangreichen Werk wurde übersetzt, was ich schade finde – der Artikel gibt immerhin einen schönen Einblick in Kuttners Werk.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit dem Autor Henry Wadwsworth Longfellow und der klassischen »Captain Future«-Reihe. Vor allem für Leute, die Science Fiction mögen, hat diese Ausgabe der »Blätter für Volksliteratur« also einiges zu bieten.

Die Ausgabe umfasst 24 Seiten im A5-Format, die reichhaltig illustriert sind. Es gibt leider keine Website mit weiteren Informationen. Wer sich für das Heft interessiert, muss also direkt an peter.soukup@aon.at schreiben.

Phantastische Comics für Kinder

Früher galten Comics ausschließlich als ein schlichtes Medium für Kinder – das hat sich im Verlauf der Jahrzehnte auch im deutschsprachigen Raum geändert. Heutzutage werden durchaus anspruchsvolle Comics für Kinder veröffentlicht, häufig mit einem phantastischen Inhalt. Wir präsentieren an dieser Stelle zwei dieser Comics, die im Toonfish-Verlag erschienen sind.

Christophe Arleston / Audrey Alwett / Mini Ludvin: Elfies Zauberbuch
Drei Schwestern und ein magisches Buch

Der französische Comic-Autor Christophe Arleston ist mir vor allem durch seine teilweise groben, aber unterm Strich lustigen Fantasy-Abenteuer bekannt. Mit »Elfies Zauberbuch« legt er einen Comic vor, der im Hier und Jetzt spielt, allerlei phantastische Elemente aufweist und sich vor allem an ein jüngeres Publikum richtet. Bei Toonfish erschien mit »Die verhexte Insel« der erste Band.

Die Geschichte hat einen ausgesprochen hübschen Start: Drei Mädchen sind mit einem roten Doppeldeckerbus unterwegs, der zugleich eine rollende Buchhandlung ist. Die älteste der drei fährt den Bus, sie hat sich das Sorgerecht für ihre jüngeren Schwestern erkämpft. Und während sich die drei immer mal wieder streiten, aber unterm Strich zusammenhalten, entdeckt die jüngstr der drei Schwestern, dass sie offensichtlich eine magische Gabe hat.

Arleston kann temporeich erzählen, und das zeigt er bei dieser abwechslungsreichen Geschichte. Unterstützt wird er dabei durch seine Co-Autorin Audrey Alwett.

Die drei Mädchen sind hervorragend charakterisiert, jede hat ihre Eigenheiten, und doch schließt man sie als Leser schnell ins Herz. Der eigentliche »Fall«, bei dem es unter anderem um eine alte Briefmarke und einen sprechenden Frosch geht, ist unterhaltsam und sehr witzig.

Zeichnerisch kann das Ganze ebenfalls überzeugen. Mini Ludvin schafft es, Elemente aus modernen Mangas – etwa die großen Augen oder die dynamischen Bewegungen – mit klassischer europäischer Comic-Unterhaltung zu verbinden. Die Farben sind ein wenig aquarellig, aber jedes Bild für sich ist stimmig und überzeugend.

Klar bin ich nicht die Zielgruppe, aber das ist ein Comic, den ich jederzeit einem Mädchen oder einem Jungen im Alter von zehn bis 14 Jahren in die Finger drücken würde, um ihn oder sie für Comics zu begeistern. Und ich freue mich auf die Fortsetzung!

(Der Comic ist 80 Seiten stark und kostet 17,95 Euro. Zur Leseprobe geht's hier!)

Julien Monier / Carbone: Sam und die Geister
Amüsante Gespenstergeschichte

Bei Toonfish erscheint der Zweiteiler »Sam und die Geister«, den ersten Band habe ich bereits gelesen. Zum Inhalt: Sam ist ein Mädchen, das bei seinem Bruder wohnt. Der Vater ist gestorben, über die Mutter erfährt man nichts, also hat der Junge das Sorgerecht – auch wenn das Jugendamt einen kritischen Blick auf ihn wirft.

Sam hält sich gern auf dem Friedhof auf und kann mit einigen der dortigen Toten sprechen; die schwirren als sphärisch wirkende Geister herum und kommunizieren mit ihr. Das ist nicht gruselig, sondern eher witzig.

Als Sam auf eine alte Dame stößt, die auf dem falschen Friedhof begraben worden ist, versucht sie mit ihrem Bruder, dem freundlichen Gespenst zu helfen. Die beiden machen sich auf, die Familie der Verstorbenen zu finden, damit sie ihre »Heimat« finden kann.

Verantwortlich für die Geschichte ist Carbone, die schon mehrere Comics für Kinder verfasst hat und sich sehr gut auf die phantasievollen Gedanken von Kindern einlassen kann. Trotz des Themas – der Tod! –, wirkt der Comic ausgesprochen nett. Die Figuren sind sympathisch, und Sam als Heldin muss man einfach mögen – eine tolle Identifikationsfigur für Kinder!

Die Bilder stammen von Julien Monier, und sie sind absolut gelungen: eine schöne Vermengung von humoristisch, ohne dass es Knollennasenmännchen wären, und ernsthaft, sogar ohne Manga-Einfluss. Alles in allem ein hervorragender Start für einen Comic-Zweiteiler!

(Der Comic umfasst 56 Seiten und kostet 14,95 Euro. Jetzt die Lesepribe lesen!)

Die Rezension wurde bereits im Frühjahr 2024 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Hier bringe ich sie nur zur Dokumentation.)

12 September 2024

Ein explizites Egozine

Im September 1981 hatte sich mein Leben wieder einmal gedreht: Nachdem ich im Vorjahr eine Lehre begonnen und sie zu Beginn des Jahres 1981 abgebrochen hatte, ging ich nach den Sommerferien wieder in die Schule. Ich besuchte die elfte Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums. Parallel dazu hatte ich in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Kontakte in der Science-Fiction-Szene aufgebaut und kannte nun viele Leute – mein Ausgleich zur dörflichen Existenz.

Mit meinem Egozine »Der Freak« versuchte ich, einen Gegensatz zu meinem doch eher seriösen Fanzine SAGITTARIUS zu schaffen. Ich fand mich offenbar ziemlich »flippig« und ausgefallen; in diesem Fanzine schrieb ich viel über die Unmengen von Bier, die ich mit anderen trank, über allerlei Musik und andere Themen, weniger über Science Fiction oder Fantasy.

Schaue ich mir heute die Ausgabe vier an, die per Umdruckverfahren hergestellt wurde und die ich im September 1981 unter die Leute brachte, ist mir das teilweise sehr peinlich. Der Klaus N. Frick von damals hat nur wenig mit dem heutigen Klaus N. Frick zu tun – es sind halt doch einige Jahrzehnte vergangen.

Einen Schwerpunkt bilden die Con-Berichte. Ich hatte im Sommer sowohl das Fest der Fantasie in Marburg als auch den StuCon in Stuttgart besucht. Über beide Veranstaltungen schrieb ich recht ausführlich, wobei ich mehr über die Mengen von Bier erzählte als über das Programm.

Das war damals bei »fannischen Fanzines« so üblich; wer cool sein wollte – ohne dass man diesen Begriff benutzte –, schrieb eher über die Anreise sowie über Essen und Trinken und weniger über das Programm. Das Programm war etwas für die seriösen Fans, und zu denen wollten ich und einige andere zersauste Jugendliche nicht gehören.

Ich habe durchaus meine Probleme, die sechs Seiten der Ausgabe vier von »Der Freak« heute zu lesen. Mir ist klar, dass ich sie damals bewusst so schrieb. Heute würde ich mein Augenmerk auf andere Dinge richten. Aber heute bin ich auch ein alter Sack und kein aufmüpfiger Jugendlicher mehr …

PowerPop von The Resistance

Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich die Single »Survival Kit« von The Resistance zum letzten Mal gehört habe – es muss viele Jahre her sein. Das Ding ist überraschend gut, wie ich dieser Tage feststellte. Die Band nahm in den späten 70er-Jahren nur zwei Platten auf, wenn ich das richtig sehe, und ich habe nur die eine Single ausm Jahr 1980. Das ist kein Punkrock, meinetwegen kann man das als Power-Pop bezeichnen, und wer mag, darf XTC oder Ian Dury als Vergleich herziehen.

Die Musik ist typisch für diese Zeit: Zwar klimpert immer wieder das Klavier dazwischen, wenn nicht sogar die Orgel angeschubst wird, ansonsten aber ist die Musik rhythmisch und ein wenig abgehackt; das Schlagzeug wummert, die Gitarre und der Bass tun ihre Arbeit, und darüber kommt der etwas abgehackte Gesang, der manchmal leicht atemlos klingt, fast schon wie Sprechgesang.

Und die Texte? Sie sind gelegentlich schräg, wenn ich es richtig verstehe: »I fought in three world wars / all of which I caused / I’m a trooper superduper« heißt es im Titelstück, und bei »Big Flame« wird eine Revolution zumindest ironisch angedeutet. Das klingt alles richtig gut und gefällt mir immer noch! Eine tolle Single.

11 September 2024

Mrs. Maisel war klasse

Ich brauchte einige Zeit, bis ich die Serie »The Marvellous Mrs. Maisel« entdeckte und für gut befand. Sie läuft bei Amazon Prime, sie brachte es auf mehrere Staffeln, und ich bekam sie anfangs nur am Rande mit. Dabei wusste ich gar nicht viel über sie.

Bis ich die erste Folge anschaute und aus dem Staunen nicht mehr herauskam ... Hauptfigur ist eine jüdische Hausfrau im New York der fünfziger Jahre, die ihr komödiantisches Talent entdeckt. Sie tritt auf obskuren Bühnen auf, wo sie ein Publikum unterhält, das zu einem großen Teil aus alkoholisierten Männern besteht, die Anzüglichkeiten schätzen. Doch Mrs. Maisel lässt es von der Bühne herunter ordentlich krachen und liefert Pointen, die immer wieder einen feministischen Unterton haben.

Die Serie bringt also einerseits einen Humor, der manchmal unter der Gürtellinie ist – mein Englisch ist nicht gut genug, als dass ich die Serie im Original anschauen könnte, aber ich denke, das könnte sich lohnen –, wirft aber immer wieder einen kritischen Blick auf die Zeit, in der sie spielt.

Das ist manchmal heftig: Frauen werden nicht für voll genommen und versuchen alles, um den Männern zu gefallen. Schwarze sind Menschen zweiter Klasse. Sexismen sind an der Tagesordnung. Das alles wird immer wieder thematisiert, immer unterhaltsam und nie mit einem erhobenen Zeigefinger.

Die abschließende Staffel der Serie gefiel mir nicht besonders. Sie wirkte, als wollte man einerseits noch schnell irgendwelche Experimente machen und andererseits dafür sorgen, dass die Serie schnell abgewürgt wird. Es gab trotzdem noch genug zu schmunzeln, wenngleich der wilde Charme vor allem der ersten Staffel nicht mehr getroffen wurde.

Wer eine Chance hat, »The Marvellous Mrs. Maisel« – ob im Streaming oder auf DVD –, sollte sie sich nicht entgehen lassen! Das lohnt sich.

10 September 2024

Kunstdiebstahl mit Ziel

Als ich dieser Tage in einem Café in Karlsruhe pinkelte, fiel mein Blick auf ein Schild, das direkt über dem Pissoir angebracht war. Nachdem ich es zweimal gelesen hatte, weil ich seinen Inhalt kaum glauben wollte, fotografierte ich es. Und viel mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen – es steht ja für sich.

Wie kommt jemand auf die Idee, ein Bild aus einer Toilette zu stehlen? Vor allem, weil dieser Diebstahl ja offenbar geplant war: Der Dieb montierte mit Werkzeug, und er befestigte einen »Ersatz« an der Wand. Das ist mehr als schnöde Kleptomanie.

Vielleicht hingt in diesem Café ein echtes Kunstwerk, und niemand ahnte es? Ich gestehe allerdings, es in früheren Jahren nie wahrgenommen zu haben. Aber ich bin letztlich ein Kunstbanause und würde so etwas nie erkennen ...

09 September 2024

Ein Abend bei Margarete

Wer in Karlsruhe auf »gehobenem Niveau« essen gehen möchte, hat mit dem Restaurant »Sein« eine hervorragende Wahl. Das Restaurant ist keine 500 Meter von meiner Wohnung entfernt, und wir waren dort schon zweimal: Das erste Mal aßen und tranken wir dort, als das Team noch keinen Stern hatte; beim zweiten Besuch hatten sie schon ihren ersten Stern ergattert. Mittlerweile hat das »Sein« zwei Sterne, und ich fürchte, dass es damit außerhalb meiner finanziellen Vorstellungen ist.

Aber das »Sein«-Team hat direkt nebenan – es gibt sogar eine Zwischentür – eine »einfachere Version« von sich eröffnet, das »Bistro Margarete«, dem wir dieser Tage einen Besuch abstatteten. Wir tranken eine Flasche Wein, die lecker schmeckte und nicht zu teuer war, und wir aßen jeder ein selbst zusammengestelltes Menü.

Wenn ein Bistro quasi das Anhängsel eines Zwei-Sterne-Restaurants ist, erwarte ich entsprechende kulinarische Höhenflüge. Das war an diesem Abend auch der Fall: Die Suppe war wunderbar, das Maultaschengericht eine tolle Abwandlung regionaler Küche, und die Zwischengänge sowie Grüße aus der Küche waren klasse.

Was mir besonders gefiel, war der nette Umgangston mit den Gästen, also mit uns. Wir wurden geduzt, völlig selbstverständlich, und es wirkte nicht aufgesetzt, sondern nett. Die beiden Menschen, die in dem Bistro arbeiteten, erwiesen sich als zugänglich und gaben beispielsweise eine sehr brauchbare Weinberatung.

Alles in allem ein wunderbarer Abend! Und eine Empfehlung für Leute, die mal »auf gehobenem Niveau« in Karlsruhe essen gehen wollen, ohne hinterher völlig verarmt zu sein. Gern wieder!

06 September 2024

Anständiger Bierkonsum

Die Sonne stand bereits recht hoch am Himmel, es war ein warmer Tag im August des Jahres 1995, und es war klar, dass es noch wärmer werden würde. Mit einigen Freunden spazierte ich durch die Nordstadt von Hannover. In meiner Rechten hielt ich eine geöffnete Halbliterdose Bier; sie war noch kühl genug, und ich nahm immer wieder einen Schluck aus ihr.

An der Lutherkirche hatten sich einige Dutzend Punks niedergelassen, die dort vielleicht schon die Nacht verbracht hatten. Die Chaostage hatten bereits angefangen, aber noch blieb alles friedlich. Die Polizei hielt sich zurück, und weil es nirgends zu Angriffen auf Punks kam, herrschte in Hannover eine sommerliche Ruhe.

Einer der Punks, den ich vom Sehen her kannte, winkte mir zu und rief zu mir hinüber: »Hey, Enpunkt! Was ischen des fier a Bier?« Er lachte und hob seine Flasche. »Gang schaffa, dann kaasch d’r au a g’scheid’s ond aaschdändigs Bier leischde.« (Hey, Enpunkt! Was ist denn das für ein Bier? Geh arbeiten, dann kannst du dir auch ein gutes und anständiges Bier leisten.)

Mir fiel kein guter Spruch darauf ein. Ich lachte, wir prosteten uns über die Entfernung von wenigen Schritten zu, und ich ging weiter. Hannover im Sommer 1995, so dachte ich, würde ein Fest der fröhlichen Begegnungen werden …

05 September 2024

Die 90er-Jahre in Porz

Ein Blick auf Punkrock-Klassiker – Teil acht

Zu den Deutschpunk-Bands, die das Genre in den 90er-Jahren prägten, zählt für mich ohne Zweifel die Band Knochenfabrik. Ich sah sie nur einmal live, wenn ich mich recht erinnere, traf die Leute aber bei diversen Besuchen in Köln und bei anderen Gelegenheiten. Eigentlich kamen sie aus Porz, was zumindest damals bei jeder Gelegenheit beteuert wurde.

Zu den Stücken der Band, die ich bis heute noch klasse finde, zählt »Filmriss«. Der schrammelige Sound, der ebenfalls schrammelige Gesang, dazu ein Text, der klarmacht, dass man als Punk lieber säuft, als sich in die Leistungsgesellschaft einzureihen – das alles definierte Deutschpunkt in dieser Zeit noch einmal neu.

Die Platte »Ameisenstaat«, auf der sich das Stück befindet, kam 1997 heraus; damals durfte das Lied bei keinem Punk-Treffen in der Republik fehlen. Der Text ist sarkastisch und ziemlich genial, ich finde ihn immer noch großartig. Und so zählt das Stück mit seiner schlichten und eingängigen Melodie bis heute zu den Deutschpunk-Stücken der 90er-Jahre, die ich als Punkrock-Klassiker bezeichnen würde.

(Ja, ich weiß, es gibt auch eine HipHop-Version und noch einige andere moderne Versionen des Stücks. Die sind mir aber recht egal.)

04 September 2024

Die letzte Kneipe

Ich mag Filme, die ernsthafte Themen mit einer locker wirkenden Handlung verknüpfen; aus diesem Grund habe ich immer wieder gern Filme des Regisseurs Ken Loach angeguckt. Als »The Old Oak« im vergangenen Herbst im Kino kam, verpasste ich ihn – nun sah ich ihn mir bei einem Streamingdienst an und war davon sehr angetan.

Der Streifen spielt im Norden von England, in einer Gegend also, die seit den 80er-Jahren als verloren gilt: eine heruntergekommene Siedlung, in der viele Menschen arbeitslos oder arm sind und in der die Häuser verrotten. Nur eine Kneipe im Ort hat noch offen, die den Namen »The Old Oak« trägt. Als man in dem Ort immer mehr Flüchtlinge einquartiert, gibt es Ärger, und die Spannungen nehmen schnell zu.

Ken Loach ist ein Regisseur, der sich seit Jahren an soziale Themen heranwagt. Sein Film könnte mit einigen Unterschieden eigentlich auch im Norden von Frankreich oder in Teilen von Deutschland spielen: Verarmte Einheimische und Flüchtlinge stoßen aufeinander, und es gibt soziale Konflikte, die nicht immer von allen gelöst werden können. Dabei verzichtet der Regisseur auf Sozial-Kitsch.

Im Film gibt es Menschen, die sich engagieren, und Menschen, die hetzen und handgreiflich werden. Der Film bietet keine »Erlösung« an, er zeigt, wie sich die Verhältnisse entwickeln. Das ist oft bitter, manchmal aber auch skurril oder gar lustig. Am Ende sitzt man da und ist kurz vor dem Heulen – eine Reihe sehr emotionaler Szenen gibt’s am Schluss. Und klar ist: Solidarität ist letztlich das einzige, was in solchen Lagen helfen kann, denn Hass ist keine Lösung.

Alles in allem ist »The Old Oak« einer der Filme, die ich kaum mitbekomme. Ich bin froh, dass ich ihn nun endlich angesehen habe.

03 September 2024

Unterwasser-Phantastik für Kinder

Ich gestehe, dass ich von dem Kinder-Comic »Krypto« bisher nichts wahrgenommen hatte. Dabei handelt es sich um eine Comic-Serie mit phantastischem Hintergrund; ich gehöre also schon zu einer potenziellen Zielgruppe. Aber vielleicht bin ich dafür doch zu alt … Von »Krypto« gab es ein Heft beim Gratis-Comic-Tag 2024.

Erzählt wird die Geschichte eines Mädchens namens Ophelia, das am Meer wohnt und dort mit allerlei seltsamen Dingen konfrontiert wird. Ophelia sieht seltsame Bewegungen im Wasser, sie nimmt mysteriöse Lebewesen wahr, die außer ihr keiner erkennen kann. Und irgendwann wird klar, dass sie nicht an Hirngespinsten leidet, sondern echte Tiere sieht, die sich sonst vor den Blicken der Menschen verbergen können.

Der in Norwegen lebende Hans Jorgen Sandnes ist Illustrator und Autor. Bei diesem Comic hat er sowohl die Bilder als auch die Texte geschaffen; die eigentliche Zielgruppe sind Kinder ab neun Jahren. Das 68 Seiten starke Heft lässt sich leicht lesen, ist für mich – da zu alt – dann aber doch ein wenig zu schlicht. Die Zeichnungen bestehen aus großflächigen Bildern, verzichten auf unnötige Details und sind sehr einfach gehalten; das gleiche gilt für die Geschichte.

Wer nach einem Phantastik-Thema für sehr junge Comic-Fans sucht, ist hier sicher nicht falsch beraten. Für einen erwachsenen Comic-Leser ist »Krypto« aber echt nur bedingt geeignet.

02 September 2024

Ein Bier zum Radio

Es war um halb elf Uhr abends, und mir lief der Schweiß in Strömen über den Körper. Mein T-Shirt klebte, und die Feuchtigkeit auf meinem Rücken fand ich nicht mehr sonderlich angenehm. Im August war es in Karlsruhe oft sehr heiß und schwül, so auch an diesem Abend.

»Leute, ich weiß nicht, ob es bei euch auch so hohe Temperaturen hat«, sagte ich in das Mikrofon, das mir hing. »Hier im Studio bewegt sich die Luft nicht, und zu allem Überfluss haben wir im Kühlschrank nur pisswarmes Bier.«

Es gehörte zu meiner Art der Moderation dazu, dass ich nicht nur über die Bands sprach, die ich spielte, sondern auch vom Drumherum erzählte. Es konnte bei solchen Gelegenheiten passieren, dass ich vom Thema abkam, dann nicht über die Punk-Szene von Los Angeles schrieb, sondern eher darüber, dass bald wieder Chaostage vor der Tür standen und man sich auf diese richtig vorzubereiten hatte. Und manchmal wehklagte ich eben auch über das Wetter oder fehlendes Bier.

Ich erzählte etwas über die kommende Punkrock-Band, dann schob ich den Regler für den Plattenspieler nach oben und zog den Regler für das Mikrofon herunter. Sogar auf dem Mischpult hinterließen meine Finger feuchte Spuren. Normalerweise lehnte ich mich in so einer Lage zurück und atmete kurz durch, bevor ich mich auf die nächste Platte und die nächste Moderation einließ.

Meine Sendung im Freien Radio Querfunk versuchte ich so ernsthaft wie möglich zu machen. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Leute mir zuhörten; es mussten einige sein, weil ich immer wieder auf sie angesprochen wurde.

Auf einmal klopfte es an der Tür zum Studio. Es klang energisch, das Pochen war laut. Irritiert stand ich auf. Man musste, wenn man zu uns ins Studio wollte, eine recht steile Treppe hinuntergehen, die vom Hof hinunterführte. Wer das nicht wusste, fand uns nicht unbedingt; für Publikumsverkehr waren unsere kleinen Räumlichkeiten im Keller des Gewerbehofs nicht ausgelegt.

Ein Mann stand vor der Tür, er war kleiner als ich und schwenke etwas in der Hand. Er stand im Dunkeln, ich hatte das Licht hinter mir und konnte ihn kaum erkennen. Aber weil er harmlos aussah, machte ich die Tür auf.

Es war »der Kreisler«, den ich seit meiner Ankunft in Karlsruhe hatte. Der Diplom-Ingenieur und Experte für Lautsprecherboxen hielt eine Flasche Bier in der Hand, von der das Kondenswasser tropfte. Ich wusste, dass seine Werkstatt um die Ecke lag. Staunend starrte ich ihn an.

»Ich hör doch immer deine Sendung«, sagt er im lokalen Dialekt, der immer ein wenig gemütlich klang. »Und bei der Hitze kein kaltes Bier, das ist nicht zumutbar. Prost.«

Er grinste mir zu, soweit ich das sehen konnte; ein weißer Bart bedeckte das Gesicht zur Hälfte, weiße Haare und buschige Augenbrauen in strahlendem Weiß vervollständigten das Bild. Dann winkte er und verschwand in der Dunkelheit, bevor ich noch mehr als ein »danke« hervorstoßen konnte.

Ich stand da und starrte ihm nach. Und mit dem Bier, das Dipl.-Ing. Jürgen Leppert mir gebracht hatte, lief der Rest der Radiosendung wie geschmiert.