02 September 2024

Ein Bier zum Radio

Es war um halb elf Uhr abends, und mir lief der Schweiß in Strömen über den Körper. Mein T-Shirt klebte, und die Feuchtigkeit auf meinem Rücken fand ich nicht mehr sonderlich angenehm. Im August war es in Karlsruhe oft sehr heiß und schwül, so auch an diesem Abend.

»Leute, ich weiß nicht, ob es bei euch auch so hohe Temperaturen hat«, sagte ich in das Mikrofon, das mir hing. »Hier im Studio bewegt sich die Luft nicht, und zu allem Überfluss haben wir im Kühlschrank nur pisswarmes Bier.«

Es gehörte zu meiner Art der Moderation dazu, dass ich nicht nur über die Bands sprach, die ich spielte, sondern auch vom Drumherum erzählte. Es konnte bei solchen Gelegenheiten passieren, dass ich vom Thema abkam, dann nicht über die Punk-Szene von Los Angeles schrieb, sondern eher darüber, dass bald wieder Chaostage vor der Tür standen und man sich auf diese richtig vorzubereiten hatte. Und manchmal wehklagte ich eben auch über das Wetter oder fehlendes Bier.

Ich erzählte etwas über die kommende Punkrock-Band, dann schob ich den Regler für den Plattenspieler nach oben und zog den Regler für das Mikrofon herunter. Sogar auf dem Mischpult hinterließen meine Finger feuchte Spuren. Normalerweise lehnte ich mich in so einer Lage zurück und atmete kurz durch, bevor ich mich auf die nächste Platte und die nächste Moderation einließ.

Meine Sendung im Freien Radio Querfunk versuchte ich so ernsthaft wie möglich zu machen. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Leute mir zuhörten; es mussten einige sein, weil ich immer wieder auf sie angesprochen wurde.

Auf einmal klopfte es an der Tür zum Studio. Es klang energisch, das Pochen war laut. Irritiert stand ich auf. Man musste, wenn man zu uns ins Studio wollte, eine recht steile Treppe hinuntergehen, die vom Hof hinunterführte. Wer das nicht wusste, fand uns nicht unbedingt; für Publikumsverkehr waren unsere kleinen Räumlichkeiten im Keller des Gewerbehofs nicht ausgelegt.

Ein Mann stand vor der Tür, er war kleiner als ich und schwenke etwas in der Hand. Er stand im Dunkeln, ich hatte das Licht hinter mir und konnte ihn kaum erkennen. Aber weil er harmlos aussah, machte ich die Tür auf.

Es war »der Kreisler«, den ich seit meiner Ankunft in Karlsruhe hatte. Der Diplom-Ingenieur und Experte für Lautsprecherboxen hielt eine Flasche Bier in der Hand, von der das Kondenswasser tropfte. Ich wusste, dass seine Werkstatt um die Ecke lag. Staunend starrte ich ihn an.

»Ich hör doch immer deine Sendung«, sagt er im lokalen Dialekt, der immer ein wenig gemütlich klang. »Und bei der Hitze kein kaltes Bier, das ist nicht zumutbar. Prost.«

Er grinste mir zu, soweit ich das sehen konnte; ein weißer Bart bedeckte das Gesicht zur Hälfte, weiße Haare und buschige Augenbrauen in strahlendem Weiß vervollständigten das Bild. Dann winkte er und verschwand in der Dunkelheit, bevor ich noch mehr als ein »danke« hervorstoßen konnte.

Ich stand da und starrte ihm nach. Und mit dem Bier, das Dipl.-Ing. Jürgen Leppert mir gebracht hatte, lief der Rest der Radiosendung wie geschmiert.

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