07 August 2024

Ufos, Aliens, Kommunisten

Die fünfziger Jahre in den Vereinigten Staaten: Eine ganze Nation wird von Ängsten geschüttelt. Man fürchtet sich vor kommunistischen Agenten, die das Land ins Chaos stürzen wollen, und hat gleichzeitig eine übertriebene Angst vor Außerirdischen, die mit ihren »Unbekannten Flugobjekten« überall gesichtet werden. Das ist der Hintergrund für den Comic »Red Scare« von Liam Francis Walsh, der sich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene richtet.

Der Untertitel deutet schon an, in welche Richtung sich die Geschichte bewegt: »Die Rote Angst oder: Wie Peggy fliegen lernte«. Peggy ist ein Mädchen in den USA, irgendwo in einer kleinen Stadt. Sie hat eine Polio-Erkrankung überstanden, muss aber immer mit Krücken gehen und leidet unter ihrer Behinderung. Ihre Mutter und ihr Vater haben eindeutige Eheprobleme, die damit zusammenhängen, dass ihr Vater als Kriegsversehrter aus dem Koreakrieg heimgekommen ist, und ihr Bruder kann mit Peggy ebenfalls nichts anfangen.

Es handelt sich also um eine Familie, die voller Probleme steckt, in einer Umgebung, in der man an allen Ecken den Angriff der Kommunisten befürchtet. In einer solchen Zeit der Ängste und der Paranoia wächst Peggy auf. Mit ihren eigenen Problemen wird sie völlig allein gelassen. Bis sie auf einen Mann im Anzug stößt, der vor ihren Augen ermordet wird, und von diesem einen seltsamen roten Stab übernimmt ...

Ab diesem Moment gerät das Leben des Mädchens völlig aus den Fugen. Peggy hat auf einmal Fähigkeiten, mit denen sie vorher nicht rechnen konnte, während sich gleichzeitig Geheimagenten auf ihre Spur setzen. Die Handlung spitzt sich zu, als die Paranoia der Einheimischen wegen der befürchteten »roten Gefahr« in einer pogromartigen Stimmung entlädt.

Liam Francis Walsh ist ein Künstler, von dem ich bislang nichts gelesen hatte. Wenn ich es richtig überblicke, hat er auch noch nicht so viel veröffentlicht. Umso beeindruckender ist dann »Red Scare«, mit dem er einen originellen Genre-Mix vorlegt.

Vordergründig handelt es sich ja um einen Comic für Kinder oder Jugendliche, in Wirklichkeit aber ist er wesentlich komplexer. Mit scheinbar leichter Hand vereint der Künstler die unterschiedlichsten Elemente: Mal erinnert die Erzählung an einen Agenten-Thriller, dann wieder an einen klassischen Science-Fiction-Film, zuletzt häufig an eine Geschichte um Jugendliche, die ihren Platz im Leben und in der Welt finden müssen.

Künstlerisch riskiert Walsh ebenfalls einen Spagat. Weil seine Geschichte in den fünfziger Jahren spielt, orientiert er sich am damaligen Comic-Stil. Wer also seine Geschichte zum ersten Mal betrachtet, fühlt sich womöglich in die Zeiten versetzt, in denen »Tim und Struppi« als modern galten. Das aber macht Walsh so geschickt, dass seine Bilder nicht antiquiert wirken, sondern trotzdem auf eine spezielle Art modern aussehen. Er paart den Stil der fünfziger Jahre mit schneller Dynamik, so dass ich ein schönes Gefühl von Retro-Science-Fiction bekam.

»Red Scare« ist sicher ein ungewöhnlicher Science-Fiction-Comic, der im »kleinen Format« erschienen ist, also eher an ein amerikanisches Heft erinnert und nicht an ein europäisches Album. Mit einem Umfang von 240 Seiten gibt’s dennoch enorm viel »Lesefutter«. Der Splitter-Verlag hat diesen Comic in seinem Imprint Toonfish veröffentlicht, was nicht falsch ist – immerhin sind die Hauptpersonen ja Kinder –, aber auch nicht hundertprozentig richtig angesichts der dramatischen und auch politischen Geschichte.

(Diese Rezension wurde bereits im Dezember auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht; hier bringe ich sie vor allem aus dokumentarischen Gründen.)

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Weitere Informationen zu »Red Scare« sowie eine Leseprobe gibt es selbstverständlich auf der Internet-Seite des Splitter-Verlages.
Hier:
https://www.splitter-verlag.de/red-scare.html