27 September 2021

Vergleiche zu 1983

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Bundestagswahl: März 1983, Helmut Kohl trat offiziell an, nachdem er sich im Vorjahr mithilfe der FDP an die Macht gedrängt hatte. Ich ging auf ein Wirtschaftsgymnasium, und der Großteil meiner Mitschüler wollte die CDU wählen; einige waren ein wenig flippig und wollten sich für die FDP entscheiden. Ich war der einzige Juso in unserer Jahrgangsstufe.

Am anderen Gymnasium war der Großteil der Schüler für die Grünen oder die SPD, das beruhigte mich. Aber ich erkannte schnell, dass es nicht wichtig war, dass in meinem Freundeskreis die meisten eher »links« standen und sich für aufklärerisch hielten. Ein großer Teil der Jugend stand der konservativen Seite nahe.

Im Sommer 1983 erreichten die Demonstrationen gegen die geplante Aufrüstung mit Atomraketen ihren Höhepunkt, ständig gab es Demos, an denen ich als Jugendlicher teilnahm. Im Oktober 1983 war ich bei der Menschenkette dabei; es waren Hunderttausende von Menschen auf der Straße. Die Abschlusskundgebung in Ulm war so überfüllt, dass wir nicht einmal in die Nähe des Kundgebungsplatzes kamen.

Mir ging es ein wenig so, wie sich derzeit viele junge Leute fühlen dürften: Wir glaubten damals, auf der richtigen Seite zu stehen – ich glaube übrigens immer noch, dass es richtig war, gegen die Aufrüstung zu demonstrieren. Die heutigen Demonstranten glauben ebenfalls, auf der richtigen Seite zu stehen – und ich glaube es ebenfalls.

Nur waren wir damals nicht die Mehrheit, wenngleich wir das glaubten – und sie Mehrheit ist es heute ebensowenig.

So wie es 1983 richtig war, gegen die Regierung und die Atomraketen zu demonstrieren, so ist es heute wichtig, gegen die Regierung und für eine Klimapolitik zu demonstrieren. Die Lage ist nur viel ernster, scheint mir.

Das Problem ist allerdings: Die Regierenden haben sich 1983 nicht für die Demonstrationen interessiert, und sie tun es derzeit auch nicht. Ich kann die Frustration verstehen, die ich heute sehr oft in den Sozialen Medien lese.

Aber ich kann nur hoffen, dass die »Fridays« und ihre Unterstützenden nicht damit aufhören, ihren Protest auf die Straße zu tragen – jetzt erst recht und noch viel mehr!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer nicht weiß, was mit der Menschenkette 1983 gemeint ist, möge sich mithilfe der Wikipedia einen kleinen Überblick verschaffen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenkette_von_Stuttgart_nach_Neu-Ulm