15 März 2021

An der Kante

Das Auto stand schräg am Abhang, zwei Räder noch auf der Straße, zwei bereits über die Kante. Neben dem Fahrzeug – irgendein dunkles Mittelklasseemobil – stand ein verschwitzter Mann in Latzhose, der schnaufend seine Baskenmütze nach hinten schob. Verzweifelt blickte er auf sein Fahrzeug.

»Was ist passiert?«, fragte ich, während ich näher trat.

»Ich versteh’s nicht«, gab er zurück. »Ich fuhr hier eigentlich ganz flott durch die Kurven, nicht zu schnell, aber flott, und auf einmal war die Straße weg.«

»Wie? Die Straße war weg?«

»Sehen Sie doch selbst.« Er schnaubte und zeigte auf sein Auto.

Ich trat näher. Es war ein sonniger Tag, es war heiß, und im Auto lief das Gebläse noch auf Hochtouren. Ich stellte mich an die Kante und betrachtete die Räder. Sie standen im Leeren, und der Rand, der von der Straße nach unten lief, sah aus, als sei er mit einem scharfen Messer abgeschnitten.

Unter mir gähnte ein nicht definiertes Nichts. Wenn ich gerade aus blickte, sah ich die sanften Hügel der Pfalz, bewachsen mit Strauchwerk, das seine Äste in den Himmel reckte.

»Was ist das?«, fragte ich und nickte zu der Tiefe hinunter.

»Keine Ahnung.« Er schnaubte erneut. »Aber Sie haben’s ja auch.«

Er wies auf meine Füße, ich folgte seinem Blick, und dann sah ich es: Mein rechter Schuh hatte ein Loch. An der Seite fehlte ein Stück, gut sechs auf acht Zentimeter groß. Darunter war der nackte Fuß zu sehen. Aber ich spürte nichts.

»Das ist seltsam«, sagte ich langsam.

Da wurde es um mich schwarz. Es war eine Schwärze, wie ich sie noch nie erlebt hatte, dunkler als die dunkelste Nacht. Alle Sinneswahrnehmungen waren wie ausgeknipst. Die Angst packte mich.

In dem Augenblick verstand ich, dass ich träumte. »Ich habe noch nie einen komplett schwarzen Traum gehabt«, dachte ich erstaunt und wachte auf, verwirrt und verschwitzt zugleich.

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