29 April 2020

Melancholischer Krimi aus Nordirland

Die frühen 80er-Jahre in Nordirland: Täglich explodieren Bomben und werden Menschen erschossen, nach wie vor brodelt der Bürgerkriegt zwischen Katholiken und Protestanten. Sean Duffy ist Polizist und versucht eigentlich nur, seine Arbeit zu machen – doch weil er als Katholik für die britische Polizei arbeitet, betrachten ihn viele Iren als Verräter und hassen ihn, während ihm seine mehrheitlich protestantischen Kollegen nicht über den Weg trauen.

Adrian McKinty wurde mit seiner Serie über den Polizisten Sean Duffy erfolgreich. Zu Recht: Ich habe mittlerweile drei Romane der Serie gelesen, will mir alle anderen noch besorgen und schreibe diesmal über den dritten Band. Man braucht für »Die verlorenen Schwestern« übrigens keinerlei Vorkenntnisse, man versteht die Handlung jederzeit, auch ohne den gesamten Serienkosmos zu kennen – aber klar ist es immer gut, wenn man die Figuren schon einzuschätzen weiß.

Die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Romanen lassen sich problemlos verstehen, ohne dass man zu viele Anspielungen erkennen muss. (Wahrscheinlich ist es eher sinnvoll, einige Grundkenntnisse zur britischen Geschichte der frühen 80er-Jahre zu haben, um die politischen Hintergründe zu verstehen.)

Ausgangspunkt für die Geschichte ist ein Massenausbruch. Zahlreichen irischen Terroristen gelingt es, aus einem Gefängnis zu fliehen. Als klar wird, dass Sean Duffy mit einem der Flüchtigen – einem gefährlichen Bombenleger – als Jugendlicher befreundet war, muss er sich um diesen Fall kümmern.

Bloß blöd, wenn man eigentlich einen Mordfall behandeln möchte, den andere Ermittler längst zu den Akten gepackt haben ... Noch blöder wird das Ganze, wenn beide Fälle in einem Zusammenhang stehen, der mehr als unangenehm ist.

McKinty kriegt es hin, einen sehr ernsten Fall mit familiären Bezügen zu verbinden, dazu ein ganz klassisches Krimirätsel einzubinden (ein Mordopfer in einem Raum, der von innen verschlossen ist ...), das Ganze mit viel Melancholie und Tragik zu verbinden und bei alledem stets Mitgefühl für die Hauptfigur zu erzeugen.

»Die verlorenen Schwestern« zeigt die tragische Seite eines Konflikts, bei dem sich viele Beteiligten untereinander kennen, wo es familiäre und persönliche Bezüge gibt, die Jahrzehnte überdauern. Sean Duffy überzeugt als Polizist sowieso, als Mensch mit Gefühlen und Problemen wird er vom Autor ebenso klar und realistisch geschildert.

Wieder ein packender Roman in einer Serie, die mir seit der ersten Seite des ersten Bandes richtig gut gefällt – da sind halt Sozialkritik und Popkultur drin, ohne dass mit dem erhobenen Zeigefinger gefuchtelt werden müsste.

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer mir nicht glaubt, kann sich ja die Leseprobe auf der Internet-Seite des Suhrkamp-Verlages anschauen:
https://www.suhrkamp.de/buecher/die_verlorenen_schwestern-adrian_mckinty_46595.html